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Gewerbemietvertrag-Kündigung wegen Insolvenz: Kann die Kaution nach Verfahrensende eingefordert werden?

Der Umgang mit einer Mietkaution bei Unternehmensinsolvenz kann komplex sein. Als ein gewerblicher Mieter seinen Langzeitvertrag vorzeitig kündigte und insolvent wurde, entbrannte ein erbitterter Streit mit dem Vermieter um die hohe Kaution und ausstehende Mieten. Durfte die Kaution zur Tilgung alter Schulden genutzt werden und wer musste diese nach der Pleite wieder auffüllen, um den Vermieter abzusichern?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 17 O 49/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Lübeck
  • Datum: 26.11.2024
  • Aktenzeichen: 17 O 49/24
  • Verfahren: Klageverfahren
  • Rechtsbereiche: Gewerbemietrecht, Insolvenzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Eigentümer und Vermieter eines Gewerbegrundstücks, der die Zahlung von Nutzungsentschädigung und die Wiederauffüllung der Mietsicherheit forderte, da die Mietsicherheit insolvenzfest sei und der Kautionsrückzahlungsanspruch nicht fällig.
  • Beklagte: Die Mieterin des Gewerbegrundstücks, die das Mietverhältnis insolvenzrechtlich kündigte und die Klage abweisen lassen sowie widerklagend die Rückzahlung der Kaution forderte, da der Kautionsrückzahlungsanspruch in die Insolvenzmasse falle und eine Aufrechnung des Klägers unzulässig sei.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Der Vermieter (Kläger) klagte auf Zahlung von Nutzungsentschädigung und Wiederauffüllung der Mietsicherheit, nachdem die Mieterin (Beklagte) ein Gewerbemietverhältnis insolvenzrechtlich kündigte, das Objekt aber nicht fristgerecht herausgab und in weiteren Zahlungsverzug geriet; die Mieterin begehrte widerklagend die Rückzahlung der Kaution.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Besteht ein Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Nutzungsentschädigung und Wiederauffüllung der Mietsicherheit nach Beendigung eines Gewerberaummietverhältnisses durch insolvenzrechtliche Sonderkündigung und anschließender Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters, und ist ein Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters in diesem Kontext bereits fällig oder durch Aufrechnung erloschen?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Klage des Vermieters wurde stattgegeben, die Widerklage der Mieterin abgewiesen: Die Mieterin wurde zur Zahlung der Nutzungsentschädigung und zur Wiederauffüllung der Kaution verurteilt; ihr Anspruch auf Kautionsrückzahlung wurde verneint.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Anspruch auf Nutzungsentschädigung: Dem Vermieter steht ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu, da die Mieterin das Mietobjekt nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht herausgegeben hat.
    • Unwirksamkeit der Aufrechnung der Beklagten: Die von der Mieterin erklärte Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch war unwirksam, da dieser Anspruch nicht fällig war, weil das Sicherungsbedürfnis des Vermieters (aufgrund fortbestehender Schadensersatzansprüche aus entgangenen Mieten) noch nicht entfallen war.
    • Anspruch auf Wiederauffüllung der Kaution: Der Vermieter hat einen Anspruch auf Wiederauffüllung der Mietsicherheit, da die Kaution ihr Sicherungsbedürfnis auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens behält und trotz Massezugehörigkeit nicht untergeht, solange der Sicherungszweck für den Vermieter besteht.
  • Folgen für den Kläger:
    • Der Kläger erhält die geforderte Nutzungsentschädigung für März 2024.
    • Der Kläger erhält die Auffüllung der in Anspruch genommenen Mietsicherheit von 79.171,17 Euro.

Der Fall vor Gericht


Was passiert mit der Mietkaution, wenn ein Unternehmen pleitegeht?

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen mietet für zehn Jahre teure Geschäftsräume. Es leistet eine hohe Kaution als Sicherheit für den Vermieter. Doch nach kurzer Zeit gerät das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und meldet Insolvenz an – ein Verfahren, das eingeleitet wird, wenn man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Das Unternehmen kündigt den langfristigen Mietvertrag vorzeitig. Der Vermieter hat nun nicht nur Mietausfälle, sondern auch einen Mieter, der nicht auszieht und die Kaution zurückhaben will. Wer hat in diesem komplizierten Fall Recht? Ein Urteil des Landgerichts Lübeck gibt detailliert Antwort auf genau diese Fragen.

Wie kam es überhaupt zu diesem Streit vor Gericht?

Zwei Personen diskutieren über die Kündigung eines Gewerbemietvertrags bei Insolvenz an einem Tisch.
Nach der Insolvenz: Welche Rechte und Pflichten haben Vermieter und Mieter bei Gewerbemieten? | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein Vermieter, der Kläger, vermietete ein Gewerbegrundstück an ein Unternehmen, die Beklagte. Sie schlossen einen Mietvertrag über zehn Jahre, von Oktober 2020 bis September 2030. Die monatliche Miete betrug zuletzt über 41.000 Euro. Wie in solchen Verträgen üblich, hinterlegte die Mieterin eine Mietsicherheit, umgangssprachlich Kaution genannt, in Höhe von 90.000 Euro. Der Vertrag enthielt auch eine wichtige Klausel: Sollte der Vermieter die Kaution während der Mietzeit nutzen müssen, um offene Forderungen zu begleichen, muss die Mieterin die Kaution sofort wieder auf den vollen Betrag auffüllen.

Im Sommer 2023 kam es zu Problemen: Die Mieterin zahlte die Mieten für Juli und August nicht. Am 1. September 2023 wurde dann über das Vermögen der Mieterin das Insolvenzverfahren eröffnet. Dies ist ein gerichtliches Verfahren, das das verbleibende Vermögen eines Schuldners an seine Gläubiger verteilen soll.

Die Mieterin nutzte nun ein spezielles Kündigungsrecht, das die Insolvenzordnung (§ 109 InsO) einem Mieter in der Insolvenz gewährt. Damit konnte sie den eigentlich auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag außerordentlich zum 31. Dezember 2023 beenden. Für den Vermieter bedeutete dies einen enormen finanziellen Schaden, da ihm Mieteinnahmen für fast sieben Jahre entgingen.

Ende Dezember 2023 handelte der Vermieter: Er teilte der Mieterin mit, dass er die offene Miete für Juli und August in Höhe von rund 79.000 Euro mit der Kaution verrechnet. Gleichzeitig forderte er sie auf, die Räume zu verlassen. Das tat die Mieterin jedoch nicht. Das Insolvenzverfahren wurde zum 31. Januar 2024 wieder aufgehoben, das Unternehmen existierte also weiter. Die Mieterin blieb in den Räumen, zahlte aber die Nutzungsgebühr für den Monat März 2024 nicht.

Was genau forderte der Vermieter und was wollte die Mieterin?

Der Fall landete vor dem Landgericht Lübeck, weil beide Seiten grundlegend unterschiedliche Ansichten hatten.

Der Vermieter klagte auf zwei Dinge:

  1. Zahlung für März 2024: Er forderte die Zahlung von rund 41.000 Euro. Da der Mietvertrag beendet war, die Mieterin aber nicht ausgezogen war, nannte sich diese Forderung „Nutzungsentschädigung“. Das ist eine Art Miete, die man zahlen muss, wenn man eine Mietsache nach Vertragsende weiternutzt.
  2. Auffüllung der Kaution: Er verlangte, dass die Mieterin die Kaution wieder um die rund 79.000 Euro auffüllt, die er für die alten Mietschulden verwendet hatte.

Die Mieterin wehrte sich und erhob eine Widerklage. Eine Widerklage ist eine „Gegenklage“, bei der die beklagte Partei selbst eine Forderung gegen den Kläger erhebt.

  1. Verteidigung: Sie meinte, der Vermieter hätte die Kaution gar nicht für die alten Mietschulden von Juli und August 2023 anrühren dürfen. Das Insolvenzrecht verbiete dies. Daher erklärte sie ihrerseits eine Aufrechnung: Der Anspruch des Vermieters auf die Zahlung für März sei durch das noch vorhandene Kautionsguthaben erloschen. Bei einer Aufrechnung verrechnen zwei Parteien, die sich gegenseitig etwas schulden, ihre Forderungen miteinander.
  2. Widerklage: Sie forderte vom Vermieter die Rückzahlung des restlichen Kautionsguthabens von knapp 49.000 Euro.

Musste die Mieterin für den Monat März noch zahlen, obwohl der Vertrag gekündigt war?

Ja, das Gericht entschied hier klar zugunsten des Vermieters. Die Rechtslage ist eindeutig: Wenn ein Mieter die Mietsache nach dem Ende des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, schuldet er dem Vermieter eine Entschädigung in Höhe der vereinbarten Miete (§ 546a BGB). Es war unstrittig, dass die Mieterin die Räume im März 2024 noch nutzte. Daher war die Forderung des Vermieters über 41.049,05 Euro vollständig berechtigt.

Die von der Mieterin erklärte Aufrechnung mit ihrem angeblichen Kautionsguthaben erklärte das Gericht für unwirksam. Doch warum? Um eine Forderung aufrechnen zu können, muss die eigene Gegenforderung „fällig“ sein. Das bedeutet, man muss das Recht haben, die Zahlung sofort zu verlangen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution wird aber erst fällig, wenn für den Vermieter absolut sicher ist, dass keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr offen sind oder entstehen können. Da hier durch die vorzeitige Kündigung ein potenzieller Millionenschaden für den Vermieter im Raum stand, war sein Sicherungsbedürfnis nicht entfallen. Der Anspruch der Mieterin auf Kautionsrückzahlung war also noch gar nicht fällig, weshalb sie damit auch nichts aufrechnen konnte.

Warum musste die Mieterin die Kaution wieder auffüllen, obwohl sie insolvent war?

Dies war der komplexeste Punkt des Falles. Das Gericht entschied, dass der Vermieter auch hier im Recht war. Die Mieterin musste die Kaution vertragsgemäß wieder auffüllen. Die Begründung des Gerichts lässt sich in mehrere Schritte zerlegen:

Erstens: Der Zweck einer Kaution ist es, den Vermieter abzusichern. Juristen sprechen vom „Sicherungszweck“. Dieser Zweck endet nicht einfach mit der Kündigung des Mietvertrags, sondern erst, wenn alle Ansprüche des Vermieters – auch mögliche Schadensersatzansprüche – endgültig geklärt sind.

Zweitens: Das Insolvenzverfahren ändert nichts an diesem grundlegenden Sicherungszweck. Die Mieterin hatte argumentiert, dass der Vermieter sich mit seinen alten Mietschulden (Juli/August 2023) wie jeder andere Gläubiger im Insolvenzverfahren hätte anstellen und auf eine kleine Quote hoffen müssen. Die Kaution sei Teil der „Insolvenzmasse“ geworden – also des gesamten Vermögens, das an alle Gläubiger verteilt wird.

Das Gericht sah das anders. Es erklärte, dass eine Mietkaution dem Vermieter eine besondere Stellung gibt, die mit einem „Absonderungsrecht“ vergleichbar ist.

  • Was ist ein Absonderungsrecht? Es ist ein Sonderrecht im Insolvenzfall. Es erlaubt einem Gläubiger, sich aus einem ganz bestimmten Vermögensgegenstand (hier: der Kaution) zu befriedigen, bevor die anderen Gläubiger an die Reihe kommen. Man muss sich also nicht hinten anstellen.
  • Die Logik des Gerichts: Der Vermieter verrechnet hier nicht einfach nur Schulden (Aufrechnung), sondern er verwertet die Sicherheit, die ihm speziell für solche Fälle gegeben wurde. Diese Sicherheit soll ihn gerade vor dem Insolvenzrisiko des Mieters schützen.

Drittens: Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens lebte die vertragliche Pflicht zur Wiederauffüllung der Kaution wieder voll auf. Das Unternehmen der Mieterin existierte ja weiter. Da der Sicherungszweck für den Vermieter wegen des riesigen Mietausfallschadens weiterhin bestand, konnte er die Erfüllung des Vertrags – also das Auffüllen der Kaution – wieder verlangen.

Aber fiel die Kaution nicht in die Insolvenzmasse und war damit für den Vermieter unantastbar?

Das Gericht hat sich mit diesem zentralen Gegenargument der Mieterin sehr genau auseinandergesetzt. Die Mieterin hatte Recht damit, dass der Anspruch auf eine spätere Rückzahlung der Kaution rechtlich gesehen zum Vermögen des Mieters gehört und damit in die Insolvenzmasse fällt. Das hat sogar der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt.

Aber – und das ist der entscheidende Punkt – was ist dieser Anspruch wert? Das Gericht erklärte, dass die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse nicht bedeutet, dass der Vermieter sein Sicherungsrecht verliert. Man kann es sich so vorstellen: Der Anspruch auf die Kaution liegt zwar im „Topf“ der Insolvenzmasse, aber es klebt ein großes Schild daran, auf dem steht: „Reserviert für den Vermieter, bis alle seine Ansprüche geklärt sind.“

Solange der Vermieter also noch berechtigte Forderungen hat oder haben könnte – wie hier den Schadensersatz für die entgangene Miete bis 2030 –, ist der Wert des Rückzahlungsanspruchs für die Insolvenzmasse praktisch null. Der Vermieter darf die Sicherheit also weiterhin für sich beanspruchen. Nachdem das Insolvenzverfahren beendet war, konnte der Vermieter seinen vertraglichen Anspruch auf Wiederauffüllung dieser Sicherheit daher wieder uneingeschränkt geltend machen.

Warum wurde die Gegenklage der Mieterin auf Rückzahlung der Kaution abgewiesen?

Die Abweisung der Widerklage der Mieterin war die logische Konsequenz aus der gesamten Argumentation des Gerichts. Die Mieterin wollte ja den Rest ihrer Kaution zurückhaben. Wie bereits erklärt, wird ein Kautionsrückzahlungsanspruch aber erst fällig, wenn der Sicherungszweck für den Vermieter vollständig weggefallen ist.

Das war hier eindeutig nicht der Fall. Im Gegenteil: Durch die vorzeitige Kündigung des auf zehn Jahre angelegten Vertrags war dem Vermieter ein potenzieller Schaden in Millionenhöhe entstanden. Dieser Schaden war im Insolvenzverfahren zwar als Forderung angemeldet, aber nur zu einer winzigen Quote befriedigt worden. Die Kaution diente weiterhin als Sicherheit für genau solche Schäden. Da der Anspruch der Mieterin auf Rückzahlung somit nicht fällig war, wurde ihre Klage abgewiesen.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Landgerichts Lübeck verdeutlicht fundamentale Prinzipien zur Wirksamkeit von Mietsicherheiten auch in Insolvenzverfahren und stellt klar, dass vertragliche Sicherungsrechte ihre Funktion auch über die Beendigung des Mietvertrags hinaus behalten.

  • Sicherungszweck von Mietsicherheiten übersteht Insolvenzverfahren: Das Urteil zeigt, dass eine Mietkaution dem Vermieter eine besondere Rechtsposition verschafft, die einem Absonderungsrecht vergleichbar ist und es ihm erlaubt, sich aus der Sicherheit zu befriedigen, ohne sich im Insolvenzverfahren wie ein gewöhnlicher Gläubiger anstellen zu müssen.
  • Kautionsrückzahlung ist erst nach vollständiger Schadensabwicklung fällig: Daraus folgt, dass solange der Vermieter noch berechtigte Forderungen aus dem Mietverhältnis haben könnte – insbesondere Schadensersatzansprüche aus vorzeitigen Kündigungen – der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution nicht fällig wird und daher auch nicht zur Aufrechnung verwendet werden kann.
  • Vertragliche Wiederauffüllungspflichten leben nach Verfahrensende wieder auf: Die Entscheidung etabliert den Grundsatz, dass nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens vertragliche Verpflichtungen zur Auffüllung der Mietsicherheit wieder vollständig durchsetzbar werden, wenn die Sicherungsfunktion für den Vermieter weiterhin besteht.

Diese Rechtsprechung stärkt die Position von Vermietern erheblich und macht deutlich, dass Mietsicherheiten ihre Schutzfunktion auch in komplexen Insolvenzkonstellationen bewahren.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welchen Zweck erfüllt eine Mietkaution im Mietrecht generell?

Eine Mietkaution dient im Mietrecht dazu, dem Vermieter eine finanzielle Sicherheit für alle möglichen Ansprüche aus dem Mietverhältnis zu geben. Sie schützt ihn vor finanziellen Ausfällen, sollte der Mieter seinen Pflichten nicht nachkommen.

Diese Mietsicherheit, umgangssprachlich Kaution genannt, wird vom Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses hinterlegt. Ihr Hauptzweck, von Juristen als „Sicherungszweck“ bezeichnet, endet nicht einfach mit der Kündigung des Mietvertrags, sondern erst, wenn alle Forderungen des Vermieters geklärt sind.

Die Kaution soll den Vermieter vor finanziellen Risiken absichern. Dazu gehören zum Beispiel ausstehende Mieten oder Nebenkosten, aber auch Kosten für mögliche Schäden an der Mietsache oder eine Nutzungsentschädigung, falls die Räume nach Mietende nicht fristgerecht zurückgegeben werden.

Der Vermieter kann sich aus der Kaution bedienen, um diese Ansprüche zu begleichen. Dies gibt ihm eine besondere Stellung und schützt ihn, indem er direkt auf diese Sicherheit zugreifen kann, ohne sich wie andere Gläubiger anstellen zu müssen.


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Wie wird eine Mietkaution bei Insolvenz eines Mieters rechtlich behandelt?

Die Mietkaution behält auch bei der Insolvenz eines Mieters ihre besondere Schutzfunktion für den Vermieter. Sie wird nicht wie eine gewöhnliche Forderung behandelt, sondern dient weiterhin der Absicherung des Vermieters.

Diese besondere Stellung der Kaution ist vergleichbar mit einem sogenannten Absonderungsrecht. Das bedeutet, der Vermieter muss sich im Insolvenzverfahren nicht wie andere Gläubiger „hinten anstellen“, um seine Forderungen geltend zu machen.

Stattdessen darf sich der Vermieter direkt aus der Kaution bedienen, um offene Forderungen oder mögliche Schäden aus dem Mietverhältnis zu decken. Der Sicherungszweck der Kaution bleibt also auch bei einer Insolvenz bestehen und endet erst, wenn alle Ansprüche des Vermieters endgültig geklärt sind. Auch wenn der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution formal zur Insolvenzmasse gehört, beeinträchtigt dies das Sicherungsrecht des Vermieters nicht. Die Kaution bleibt quasi für den Vermieter reserviert, um ihn gerade vor dem finanziellen Ausfallrisiko des Mieters zu schützen.

Dies stellt sicher, dass der Vermieter auch im Falle einer Mieterinsolvenz einen speziellen Zugriff auf die hinterlegte Sicherheit hat.


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Fällt eine Mietkaution bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse?

Ja, der Anspruch des Mieters auf eine spätere Rückzahlung der Mietkaution fällt grundsätzlich in die Insolvenzmasse. Dies bedeutet, dass dieser Anspruch rechtlich gesehen Teil des Vermögens wird, das im Insolvenzverfahren zur Verteilung an die Gläubiger dient.

Es ist jedoch entscheidend zu verstehen, dass dies nicht bedeutet, dass der Vermieter sein Sicherungsrecht an der Kaution verliert. Der Hauptzweck einer Mietkaution ist es, den Vermieter gegen mögliche Forderungen aus dem Mietverhältnis abzusichern. Dieser Sicherungszweck bleibt auch bei einer Insolvenz des Mieters bestehen.

Man kann es sich so vorstellen: Der Anspruch auf die Kaution liegt zwar im „Topf“ der Insolvenzmasse, aber es klebt ein großes Schild daran, auf dem steht: „Reserviert für den Vermieter, bis alle seine Ansprüche geklärt sind.“ Solange der Vermieter also berechtigte Forderungen hat oder haben könnte – zum Beispiel für unbezahlte Miete oder entstandene Schäden –, ist der Wert des Rückzahlungsanspruchs für die Insolvenzmasse praktisch null. Der Vermieter darf die Sicherheit weiterhin für sich beanspruchen.


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Wann muss eine Mietkaution, die der Vermieter in Anspruch genommen hat, vom Mieter wieder aufgefüllt werden?

Ein Mieter muss eine vom Vermieter in Anspruch genommene Mietkaution dann wieder auffüllen, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart wurde und der Sicherungszweck der Kaution für den Vermieter fortbesteht. Dies betrifft insbesondere Situationen, in denen der Vermieter die Kaution zur Begleichung offener Forderungen, wie zum Beispiel Mietrückstände, genutzt hat.

Die Pflicht zur Wiederauffüllung basiert oft auf einer speziellen Vertragsklausel, die besonders im Gewerbemietrecht üblich ist. Der „Sicherungszweck“ der Kaution bedeutet, dass sie dem Vermieter als Absicherung für alle möglichen Ansprüche aus dem Mietverhältnis dient – auch für solche, die erst nach einer Kündigung entstehen könnten, wie etwa Schadenersatz für entgangene Mieten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung. Dieser Schutzbedarf des Vermieters muss noch gegeben sein.

Selbst nach einem Insolvenzverfahren des Mieters kann diese vertragliche Pflicht zur Wiederauffüllung der Kaution wieder voll aufleben. Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen des Mieters nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiter existiert und der Vermieter weiterhin ein berechtigtes Sicherungsbedürfnis für zukünftige oder noch offene Forderungen aus dem Mietverhältnis hat.


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Muss ein Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses noch für die Nutzung der Räumlichkeiten zahlen, wenn er nicht auszieht?

Ja, ein Mieter muss auch nach Beendigung des Mietverhältnisses für die Nutzung der Räumlichkeiten zahlen, wenn er nicht auszieht. Diese Zahlung ist eine gesetzlich vorgesehene Nutzungsentschädigung für die weitere Inanspruchnahme der Mietsache.

Grundsätzlich ist jeder Mieter nach dem Ende eines Mietvertrages verpflichtet, die gemieteten Räume vollständig an den Vermieter zurückzugeben. Kommt der Mieter dieser Rückgabepflicht nicht nach und behält die Nutzung der Räumlichkeiten weiterhin bei, entsteht für ihn die Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung an den Vermieter.

Diese sogenannte Nutzungsentschädigung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 546a BGB) geregelt. Ihre Höhe richtet sich dabei nach der zuletzt vereinbarten Miete. Die Zahlungspflicht besteht unabhängig davon, ob das ursprüngliche Mietverhältnis ordentlich oder vorzeitig, beispielsweise durch ein Sonderkündigungsrecht in der Insolvenz, beendet wurde. Solange der Mieter die Räume weiterhin belegt und nutzt, bleibt diese Entschädigung fällig.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Absonderungsrecht

Ein Absonderungsrecht ist ein Sonderrecht im Insolvenzverfahren, das es bestimmten Gläubigern erlaubt, sich bevorzugt aus bestimmten Vermögensgegenständen des Schuldners zu befriedigen. Dies bedeutet, sie müssen sich nicht wie andere Gläubiger anstellen, um ihre Forderungen aus der allgemeinen Insolvenzmasse zu erhalten. Im Kontext einer Mietkaution ermöglicht es dem Vermieter, direkt auf die Kaution zuzugreifen, um seine Ansprüche zu decken, ohne am allgemeinen Verteilungsverfahren teilnehmen zu müssen. Es sichert dem Vermieter somit einen vorrangigen Zugriff auf diese spezielle Sicherheit.

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Aufrechnung

Die Aufrechnung ist die Verrechnung zweier gegenseitiger Forderungen, die zwischen zwei Parteien bestehen, sodass sie sich ganz oder teilweise gegenseitig aufheben. Damit eine Aufrechnung wirksam ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, insbesondere müssen beide Forderungen gleichartig sein (z.B. Geldforderungen) und die Forderung des Aufrechnenden muss fällig, also sofort einforderbar, sein. Durch eine erfolgreiche Aufrechnung erlöschen die Forderungen, als wären sie bezahlt worden. Im vorliegenden Fall wollte die Mieterin die Forderung des Vermieters auf Nutzungsentschädigung mit ihrem angeblichen Kautionsguthaben verrechnen.

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Insolvenzmasse

Die Insolvenzmasse umfasst das gesamte pfändbare Vermögen eines Schuldners, das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden ist und während des Verfahrens noch hinzukommt. Aus dieser Masse werden die Forderungen aller Gläubiger gemeinschaftlich und nach bestimmten Regeln befriedigt. Das Ziel ist eine gleichmäßige Verteilung des vorhandenen Vermögens unter den Gläubigern. Obwohl der Anspruch des Mieters auf eine spätere Rückzahlung der Mietkaution zur Insolvenzmasse gehört, beeinträchtigt dies das Sicherungsrecht des Vermieters an der Kaution nicht.

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Insolvenzverfahren

Das Insolvenzverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das eingeleitet wird, wenn ein Schuldner seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr erfüllen kann (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Ziel des Verfahrens ist es, das verbleibende Vermögen des Schuldners (die Insolvenzmasse) zu verwerten und den Erlös gerecht und gleichmäßig an alle Gläubiger zu verteilen. Für den Schuldner kann ein solches Verfahren auch eine Möglichkeit zur Schuldenbefreiung bieten. Im Artikel wird beschrieben, wie das Insolvenzverfahren der Mieterin Auswirkungen auf den Mietvertrag hatte.

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Mietkaution

Die Mietkaution ist eine vom Mieter an den Vermieter geleistete finanzielle Sicherheit, die dazu dient, alle möglichen Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis abzusichern. Dies umfasst typischerweise Mietrückstände, Nebenkostennachforderungen, Schadensersatz für Beschädigungen der Mietsache oder Nutzungsentschädigungen bei nicht fristgerechter Rückgabe. Der Zweck der Kaution, auch „Sicherungszweck“ genannt, endet nicht mit der Kündigung des Mietvertrags, sondern erst, wenn alle Forderungen des Vermieters vollständig geklärt sind. Der Vermieter kann sich bei berechtigten Ansprüchen aus dieser Sicherheit bedienen.

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Nutzungsentschädigung

Eine Nutzungsentschädigung ist eine Zahlung, die ein Mieter an den Vermieter leisten muss, wenn er die gemieteten Räumlichkeiten nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht fristgerecht zurückgibt und sie weiterhin nutzt. Diese gesetzlich vorgesehene Forderung (§ 546a BGB) ersetzt die ursprüngliche Miete für den Zeitraum der unberechtigten Weiternutzung. Die Höhe der Nutzungsentschädigung richtet sich in der Regel nach der zuletzt vereinbarten Miete. Im beschriebenen Fall forderte der Vermieter eine Nutzungsentschädigung, da die Mieterin die Räume nach der Kündigung des Mietvertrags weiterhin belegte.

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Widerklage

Eine Widerklage ist eine eigenständige Klage, die der ursprünglich beklagten Partei im Rahmen eines bereits anhängigen Gerichtsverfahrens gegen den Kläger erhebt. Sie ist somit eine „Gegenklage“ innerhalb desselben Prozesses. Durch die Widerklage können beide Streitigkeiten in einem Verfahren gemeinsam verhandelt und entschieden werden, was die Effizienz des Gerichtsverfahrens erhöht. Die Mieterin im vorliegenden Fall erhob eine Widerklage, um die Rückzahlung des restlichen Kautionsguthabens vom Vermieter zu fordern.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Sicherungszweck der Mietkaution im Insolvenzverfahren (allgemeiner Rechtsgedanke; vgl. §§ 35, 49 InsO): Eine Mietkaution dient dazu, den Vermieter gegen alle Forderungen abzusichern, die aus dem Mietverhältnis entstehen können, wie zum Beispiel offene Mieten oder Reparaturkosten. Auch wenn ein Mieter insolvent wird, bleibt dieser Sicherungszweck grundsätzlich bestehen. Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution fällt zwar in die Insolvenzmasse, aber der Vermieter hat ein Vorzugsrecht auf diese Sicherheit, vergleichbar mit einem Absonderungsrecht. Das bedeutet, er kann sich aus der Kaution befriedigen, bevor andere Gläubiger zum Zuge kommen.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dies war der zentrale Streitpunkt. Das Gericht entschied, dass der Vermieter die Kaution nutzen durfte, um die ausstehenden Mieten zu verrechnen, und dass die Mieterin vertragsgemäß zur Wiederauffüllung der Kaution verpflichtet war. Der Sicherungszweck der Kaution überdauerte die Insolvenz der Mieterin und sollte den Vermieter gerade vor den finanziellen Folgen der Pleite – insbesondere dem drohenden Mietausfallschaden – schützen.

  • Fälligkeit des Kautionsrückzahlungsanspruchs (allgemeiner Rechtsgedanke; vgl. § 387 BGB zur Aufrechnung): Der Anspruch eines Mieters auf Rückzahlung seiner Kaution wird erst dann „fällig“ – also zur sofortigen Zahlung verlangbar –, wenn der Vermieter keine weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr hat oder haben könnte. Solange also noch potenzielle Ansprüche des Vermieters bestehen, für die die Kaution als Sicherheit dienen soll (z.B. Schadensersatz für entgangene Mieten), muss der Vermieter die Kaution nicht zurückzahlen. Ein noch nicht fälliger Anspruch kann auch nicht zur Aufrechnung genutzt werden.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Mieterin wollte ihre Forderung für März 2024 mit ihrem angeblichen Kautionsguthaben verrechnen und forderte dessen Rückzahlung. Das Gericht wies dies ab, da der Anspruch der Mieterin auf Kautionsrückzahlung aufgrund des immensen potenziellen Mietausfallschadens des Vermieters noch nicht fällig war. Die Kaution diente weiterhin als Sicherheit für diese offenen oder potenziellen Schäden.

  • Nutzungsentschädigung bei Nichtrückgabe der Mietsache (§ 546a Abs. 1 BGB): Wenn ein Mieter nach der Beendigung des Mietverhältnisses die gemieteten Räume nicht an den Vermieter zurückgibt und sie weiterhin nutzt, ist er verpflichtet, dem Vermieter eine Entschädigung zu zahlen. Diese Entschädigung entspricht in der Regel der Höhe der zuletzt vereinbarten Miete. Der Anspruch entsteht, weil der Mieter die Mietsache widerrechtlich weiter nutzt.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Mietvertrag Ende Dezember 2023 beendet war, nutzte die Mieterin die Geschäftsräume im März 2024 weiterhin. Das Gericht entschied daher, dass der Vermieter gemäß § 546a BGB einen klaren Anspruch auf die Zahlung der Nutzungsentschädigung für diesen Monat hatte.

  • Außerordentliches Kündigungsrecht des Mieters in der Insolvenz (§ 109 InsO): Die Insolvenzordnung gewährt einem Mieter, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ein spezielles Kündigungsrecht für Mietverträge. Dieses Recht erlaubt es dem Insolvenzschuldner (oder dem Insolvenzverwalter), auch langfristige Mietverträge mit einer verkürzten Frist außerordentlich zu beenden, um das insolvente Unternehmen finanziell zu entlasten und die Insolvenzmasse nicht unnötig zu belasten.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Mieterin nutzte dieses spezielle Recht, um den eigentlich auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag vorzeitig zum 31. Dezember 2023 zu kündigen. Diese Kündigung war zwar rechtlich zulässig, führte aber zu dem immensen Mietausfallschaden für den Vermieter, der den weiteren Verlauf des Rechtsstreits um die Kaution maßgeblich prägte.


Das vorliegende Urteil


LG Lübeck – Az.: 17 O 49/24 – Urteil vom 26.11.2024


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