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Kündigungsausschluss Mieter bei Zahlungsverzug aufgrund Corona-Pandemie

AG Ludwigsburg – Az.: 10 C 2184/20 – Urteil vom 12.04.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.348,98 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen Schadensersatzanspruch aus einem Wohnraummietverhältnis geltend.

Zwischen den Parteien wurde mit Datum vom 15.04.2019 ein Wohnraummietvertrag abgeschlossen (Anlage K1, Bl. 4 f. d. A.).

Im Mietvertrag finden sich unter anderem folgende Klauseln:

§ 2 Mietzeit

Das Mietverhältnis beginnt am 15.06.2019…

§ 3 Miete

Ziffer 4 a) Die gesamte Miete ist spätestens bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats im Voraus auf folgendes Konto zu entrichten…

Den Beklagten stand aus der Nebenkostenabrechnung 2019 ein Guthaben in Höhe von € 479,55 zu.

Die Beklagten bezahlten zunächst die Mieten für April und Mai 2020 nicht.

Die Kläger kündigten mit Anwaltsschreiben vom 14.05.2020 das Mietverhältnis fristlos.

Die Beklagten bezahlten die Mieten für April bis Juni 2020 zum 10.06.2020.

Die Kläger sind im Wesentlichen der Auffassung, dass ihnen ein Recht zur fristlosen Kündigung zugestanden sei, unabhängig von der Regelung des Artikel 240 EGBGB.

Zudem sei eine Glaubhaftmachung durch die Beklagten im Hinblick auf ihre Corona-Pandemie bedingte Leistungsunfähigkeit, wie sie § 2 zu Artikel 240 EGBGB vorschreibe vor der Kündigungserklärung nicht erfolgt.

Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen für die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit ein Schadensersatzanspruch zustehe.

Ferner sind sie der Auffassung, dass das Betriebskostenguthaben nicht mehr bestehe, da die Beklagten die Miete Januar 2021 um den genannten Betrag gekürzt hätten.

Die Kläger stellen folgende Anträge:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger den Betrag i. H. v. 869,43 € nebst Verzugszinsen hieraus i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger bezüglich der außergerichtlichen Anwaltskosten der Kläger den Betrag i. H. v. 171,68 € nebst Verzugszinsen hieraus i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2020 zu bezahlen.

3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger den Betrag von 479,55 € nebst Verzugszinsen hieraus i. H. v. 5% über dem Basiszinssatz seit 07.01.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, Klagabweisung.

Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, dass sie mit der Zahlung zum einen nicht in Verzug gewesen seien und zum anderen ihnen die pünktliche Zahlung coronabedingt nicht möglich gewesen sei.

Die Fälligkeit der jeweiligen Monatsmieten liege, nachdem das Mietverhältnis zum 15.06.2019 begonnen habe, entsprechend § 556 b, Absatz 1 BGB jeweils am 3. Werktag, berechnet nach dem 15. eines Monates und nicht bereits am 3. Werktag nach Monatsbeginn.

Deshalb sei die fristlose Kündigung vom 14.05.2020 unwirksam, mithin auch keine Schadensersatzansprüche wegen entstandener Anwaltskosten begründet, die zudem vom Streitwert her falsch berechnet worden seien.

Bezüglich des weiteren Partei- und Sachvortrags wird auf die Akte und die darin befindlichen Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die fristlose Kündigung der Kläger zum 14.05.2020 verstößt gegen die Regelung des Artikel 240, § 2 Absatz 1 EGBGB.

Danach kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.

Was unter Glaubhaftmachung zu verstehen ist regelt das Gesetz nicht. Klar ist lediglich, dass die Nichtleistung, das heißt das Nichtbezahlen der Mieten für April und Mai vorliegend kausal verursacht sein musste durch Auswirkungen der Covid-19-Pandemie.

Die Auswirkungen der Pandemie müssen conditio sine qua non für die Nichtleistung sein.

Die Beklagten haben eine Bescheinigung des Arbeitgebers des Beklagten Ziffer 2 vorgelegt (Bl. 25 d. A.) aus der sich ergibt, dass der Arbeitgeber des Beklagten aufgrund der Corona-Pandemie den Lehrauftrag mit dem Beklagten Ziffer 2 vorzeitig beendet hat.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles ist es unerheblich, ob die Beendigung des Lehrauftrages zwischen der … GmbH und dem Beklagten Ziffer 2 nach arbeitsrechtlichen Vorschriften rechtens war, da Fakt ist, dass dem Beklagten Ziffer 2 kein Arbeitsentgelt mehr bezahlt wurde.

Ob er dies hätte einklagen können oder müssen ist ebenfalls nach Artikel 240, § 2 EGBGB unbeachtlich.

Nach dieser Vorschrift kommt es allein darauf an, ob ein Mieter faktisch wegen Geldmangels, der auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist, nicht mehr in der Lage ist die fälligen Mieten zu bezahlen.

Die weitere Frage vorliegend stellte sich dahingehend, inwieweit eine Glaubhaftmachung, wie sie § 2 zu Artikel 240 EGBGB vorschreibt, im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung, durch die Beklagten erfolgt ist. Unstreitig war zwischen den Parteien, dass die Bescheinigung des Arbeitgebers des Beklagten Ziffer 2 den Klägern erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung zugegangen ist.

In welcher Form und in welcher Intensität und zu welchem Zeitpunkt die geforderte Glaubhaftmachung zu erfolgen hat, ist in dem obengenannten Gesetz nicht näher geregelt. Ausgehend von der Regelung des § 294 ZPO dürften insoweit alle Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt zulässig sein. Glaubhaft gemacht ist danach eine Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlich dafür besteht, dass sie zutrifft.

Geeignete Mittel der Glaubhaftmachung der aufgetretenen Liquiditätsschwierigkeiten können nach der Gesetzesbegründung etwa der Nachweis der Antragstellung bzw. die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. über den Verdienstausfall sein (vgl. Bundestagsdrucksache 19/18110 vom 24.03.2020, Seite 36).

Die Beklagten haben sowohl die Arbeitgeberbescheinigung vom 25.05.2020 als auch den Antrag auf Soforthilfe nach dem Soforthilfeprogramm des Bundes (Soforthilfe Corona) vorgelegt. Der Antrag datiert vom 23.04.2020.

Zudem gab der Beklagte Ziffer 2 eine Erklärung, bezeichnet als eidesstattliche Versicherung, ab, in der er ausführte, dass er als freiberuflicher Dozent aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Schulschließung keine Einnahmen mehr habe und deshalb die Miete habe nicht bezahlen können.

Diese Erklärungen und Dokumente seitens der Beklagten reichen nach Auffassung des Gerichts aus, um die nach Artikel 240, § 2 Absatz 1 Satz 2 EGBGB erforderliche Glaubhaftmachung durch den Mieter als erfüllt anzusehen.

Wie bereits oben dargelegt verhält sich das Gesetz zur Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen nicht darüber, zu welchem Zeitpunkt der Mieter dem Vermieter eine Glaubhaftmachung darüber abzugeben hat, dass die Nichtzahlung der Monatsmieten coronabedingt waren.

Nachdem sich das Gesetz hierzu nicht äußert, aber eindeutig regelt, dass Kündigungen wegen Zahlungsverzugs aufgrund der Corona-Pandemie unwirksam sind, können die von den Beklagten im Verlauf des Mai 2020 abgegebenen Erklärungen zur Glaubhaftmachung nicht als verspätet angesehen werden.

Es mag sein, dass dies eine für den Vermieter nachteilige Situation darstellt, was aber gleichwohl nicht zu einer Rechtlosstellung des Vermieters führt.

Selbstverständlich bleibt trotz der Corona bedingten vorübergehenden Leistungsunfähigkeit des Mieters dieser zur Bezahlung der geschuldeten Mieten verpflichtet.

Artikel 240 EGBGB regelt lediglich die Beschränkung der Rechte des Vermieters im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeiten wegen fristloser Kündigung.

Nichtbeschränkt wird der Vermieter dahingehend, rückständige Mieten einzuklagen.

Die Fälligkeit der Mietschulden wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Möglicherweise können Schadensersatzansprüche wegen Zahlungsverzugs nicht geltend gemacht werden. Auch hierzu verhält sich § 2 zur Artikel 240 EGBGB nicht. Keinesfalls aber ist der Vermieter gehindert die fälligen Monatsmieten auch gerichtlich einzufordern.

Deshalb ist die von den Klägern angenommene Rechtlosstellung des Vermieters keinesfalls gegeben.

Nachdem die Kläger nicht berechtigt waren das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos zu kündigen sind auch die insoweit entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten, die mit der Klage in Höhe von € 869,43 geltend gemacht werden nicht im Weg des Schadensersatzes von den Beklagten zu ersetzen.

Bezüglich der Fälligkeit der jeweiligen Monatsmiete ist darauf zu verweisen, dass zwar die Vermietung zum 15. eines Monats begann und damit nach dem Gesetzestext des § 556 b Absatz 1 BGB die weiteren Monatsmieten erst zum 3. Werktag nach dem jeweils 15. eines Monats zur Zahlung fällig werden, jedoch ist § 556 b Absatz 1 BGB dispositiv. Es kann damit die Fälligkeit der Miete, wie auch im vorliegenden Fall geschehen, anders geregelt werden (siehe hierzu Blank/Börstinghaus Miete, 6. Auflage § 2020, § 556 b Randziffer 7; Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer Mietrecht 14. Auflage 2019, § 556 b Randziffer 16; Wiederhold in BeckOK BGB 57. Edition Stand: 01.02.2021 § 556 b Randziffer 17 – 19).

Der BGH hat bereits im Urteil vom 04.05.2011 (Az.: VIII ZR 191/10 entschieden, dass eine Formularklausel, die regelt, dass die Miete abweichend vom damaligen Gesetzestext für den jeweiligen Monat im Voraus zu zahlen ist, für sich genommen grundsätzlich keinen Bedenken begegnet.

Damit verbleibt es vorliegend bei der im § 3 Ziffer 4 a des Mietvertrages vom 15.04.2019 vereinbarten Klausel, wonach die Beklagten die Miete bis spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats im Voraus zu entrichten haben.

Was schließlich die Klageerweiterung anbelangt, mit der die Kläger eine Zahlung von 479,55 € fordern, war die Klage gleichfalls unbegründet, schon nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger. Die Kläger führten in der Klageschrift aus, dass dieser Betrag das Nebenkostenguthaben aus dem Jahr 2019 darstelle.

Sie brachten dieses Guthaben in Abzug von ihrer vermeintlichen Schadensersatzforderung wegen vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten.

Wie oben ausgeführt, besteht so ein Schadensersatzanspruch wegen der durch den Klägervertreter ausgesprochenen fristlosen Kündigung gerade nicht.

Deshalb ging die Aufrechnung der Kläger ins Leere.

Mithin bestand nach wie vor der Guthabensanspruch seitens der Beklagten aus der Nebenkostenabrechnung 2019. Ob sie berechnet waren diesen Betrag von der Januar 2021 Miete in Abzug zu bringen ist vorliegend ohne Bedeutung. Jedenfalls sind die Kläger nicht berechtigt diesen Betrag geltend zu machen, da den Beklagten ein solches Guthaben tatsächlich zusteht oder zustand.

Die Klage war mithin insgesamt abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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