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WEG – Jahresabrechnung genehmigt – Ordnungsmäßigkeit

Das Amtsgericht Backnang hat in einem aktuellen Urteil die Nichtigkeit von Beschlüssen zur Jahresabrechnung 2022 und zum Wirtschaftsplan 2023 in einer Wohnungseigentümergemeinschaft festgestellt. Die Beschlüsse waren fehlerhaft und verstießen gegen die gesetzlichen Vorgaben. Die Ungültigkeitserklärung bedeutet eine erhebliche rechtliche und finanzielle Unsicherheit für die betroffene Wohnungseigentümergemeinschaft.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 333/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wohnungseigentümer beschließen nur noch die Höhe der Nachschüsse oder Anpassung der Vorschüsse aus der Jahresabrechnung, nicht aber das Rechenwerk selbst.
  • Der Beschluss zur Jahresabrechnung 2022 ist unwirksam, da Sonderkosten fehlerhaft nur auf einen Eigentümer umgelegt wurden, ohne separaten Beschluss.
  • Der Beschluss zum Wirtschaftsplan 2023 ist nichtig, da sich die konkreten Vorschüsse daraus nicht eindeutig ergaben und somit keine Beschlusskompetenz bestand.
  • Es bedarf bei Gebühren für Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren und Mahnkosten eines separaten Beschlusses zur Einzelumlegung.
  • Die Bestimmbarkeit der Vorschüsse aus dem Beschluss bzw. Bezugnahme ist für die Beschlusskompetenz entscheidend.
  • Nur die Höhe der Zahlungspflichten ist Beschlussgegenstand, nicht das Zahlenwerk selbst.
  • Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat die Beschlusskompetenz zum Rechenwerk eingeschränkt.
  • Eine ausdrückliche Auslegung der Beschlüsse ist bei unklarem Wortlaut vorzunehmen.

Wohnungseigentümergemeinschaft: Fehler in Jahresabrechnung führt zu Rechtsstreitigkeiten

Das Wohnungseigentumsrecht regelt die Rechte und Pflichten von Wohnungseigentümern in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Es behandelt wichtige Themen wie die Verwaltung und Instandhaltung von gemeinschaftlichem Eigentum, die Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung sowie die Abrechnung von Kosten.

Ein zentraler Aspekt ist dabei die jährliche Erstellung und Genehmigung der Jahresabrechnung durch die Wohnungseigentümer. Hierbei werden sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft für das vergangene Jahr transparent dargestellt und die sich daraus ergebenden individuellen Zahlungsverpflichtungen der Eigentümer festgelegt.

Die ordnungsgemäße Aufstellung und Genehmigung der Jahresabrechnung ist daher von entscheidender Bedeutung für den reibungslosen Ablauf in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Fehler oder Unstimmigkeiten in der Abrechnung können schnell zu Konflikten und Rechtsstreitigkeiten führen.

Der im Folgenden besprochene Gerichtsfall befasst sich mit der Frage der Ordnungsmäßigkeit einer solchen Jahresabrechnung und den Voraussetzungen für deren Genehmigung durch die Eigentümer.

Der Fall vor dem Amtsgericht Backnang im Detail

Ungültigkeit der Jahresabrechnung in Wohnungseigentümergemeinschaft

Im vorliegenden Fall ging es um die Wirksamkeit von Beschlüssen, die im Rahmen einer Wohnungseigentümerversammlung am 01.08.2023 gefasst wurden. Die Klägerin, eine Miteigentümerin mit einem Anteil von 42,15/1.000 an der Wohnungseigentümergemeinschaft, bestritt die Gültigkeit der Beschlüsse zur Jahresabrechnung 2022 und zum Wirtschaftsplan 2023. Sie argumentierte, dass diese aufgrund mangelnder Beschlusskompetenz und Fehler in der Abrechnung und Planung sowohl nichtig als auch ungültig seien. Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an der Frage der Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten Beschlussfassungen und der darin enthaltenen finanziellen Regelungen.

Gerichtliche Beurteilung der Jahresabrechnung

Das Amtsgericht Backnang hatte zu entscheiden, ob die Beschlüsse der Eigentümerversammlung rechtmäßig waren. Der erste Punkt der Entscheidung betraf die Jahresabrechnung 2022. Obwohl die Versammlung die Abrechnung genehmigte, fand das Gericht, dass die Beschlussfassung zur Genehmigung nicht der neuen Rechtslage entsprach und daher nichtig sei. Es wurde festgestellt, dass nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG die Beschlusskompetenz der Eigentümer nur die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse umfasst, nicht jedoch das zugrundeliegende Rechenwerk der Jahresabrechnung selbst. Ferner waren „Sonderkosten Eigentümer“ problematisch, deren Zuordnung und Erklärung unzureichend waren, was die Unwirksamkeit des Beschlusses weiter begründete.

Die Nichtigkeit des Beschlusses zum Wirtschaftsplan 2023

Der zweite strittige Punkt betraf den Wirtschaftsplan für das Jahr 2023. Das Gericht erklärte diesen Beschluss für nichtig, da es ihm ebenfalls an der erforderlichen Beschlusskompetenz mangelte. Die Beschlussfassung beschränkte sich rechtlich auf die Festlegung der Vorschüsse. Da jedoch im Wirtschaftsplan konkretisierte Vorschüsse durch die Erhöhung der Rücklagenzuführung auf 10.000 Euro erst noch berechnet werden mussten, fehlten die konkreten Zahlungspflichten, was zur Nichtigkeit des Beschlusses führte.

Rechtliche Konsequenzen und Kostenentscheidung

Das Urteil hatte weitreichende Folgen für die betroffene Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Ungültigkeitserklärung des Beschlusses zur Jahresabrechnung und die Nichtigkeit des Wirtschaftsplans bedeuteten eine erhebliche rechtliche und finanzielle Unsicherheit. Zudem wurde die Beklagte, die Wohnungseigentümergemeinschaft, zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet, was die finanzielle Belastung für die Gemeinschaft weiter erhöhte. Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der ordnungsgemäßen Durchführung von Beschlussfassungen in Wohnungseigentümerversammlungen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG: Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung sind nichtig, wenn sie gegen zwingende Gesetzesvorschriften verstoßen. Dies ist relevant, da das Gericht die Nichtigkeit des Beschlusses unter Top 3 feststellte, weil keine Beschlusskompetenz für die Genehmigung des Wirtschaftsplans als Ganzes vorlag.
  • § 28 Abs. 2 S. 1 WEG: Regelt, dass Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse auf der Grundlage der Jahresabrechnung beschließen. Dies erklärt, warum das Gericht den Beschluss zur Jahresabrechnung für ungültig erklärte, da die Abrechnung selbst und nicht die daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen genehmigt wurden.
  • § 16 Abs. 2 S. 1 WEG: Stipuliert, dass Kosten der Verwaltung grundsätzlich nach Miteigentumsanteilen zu verteilen sind. Im vorliegenden Fall war die direkte Zuordnung von „Sonderkosten Eigentümer“ auf die Klägerin daher nicht ordnungsgemäß, da keine spezielle Beschlussfassung dafür vorlag.
  • § 18 Abs. 2 WEG: Beschlüsse müssen ordnungsgemäß im Sinne dieses Paragraphen sein, um wirksam zu sein. Die festgestellten Fehler in der Beschlussfassung zur Jahresabrechnung, insbesondere die nicht transparenten Sonderkosten, machten den Beschluss ungültig.
  • BGH-Rechtsprechung zu Beschlussauslegungen: Beschlüsse sind nach objektiven Maßstäben auszulegen, wobei der Wortlaut und der erkennbare Sinn entscheidend sind. Dies spielte eine Rolle, als das Gericht entschied, dass die Genehmigung der Jahresabrechnung 2022 nicht die Zustimmung zum gesamten Rechenwerk umfasste, sondern lediglich die daraus resultierenden finanziellen Verpflichtungen betraf.

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➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Backnang

AG Backnang – Az.: 4 C 333/23 – Urteil vom 29.11.2023

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 gefasste Beschluss der Beklagten zu TOP 2 wird für ungültig erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass der in der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 gefasste Beschluss der Beklagten zu TOP 3 nichtig ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 56.705,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit diverser Beschlüsse.

Die Klägerin ist zu 42,15/1.000 Miteigentümerin der von den Parteien gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 01.08.2023 fassten die Eigentümer u.a. die folgenden Beschlüsse:

TOP 02: Beschlussfassung über die Gesamt- und Einzelabrechnung 2022

Die Jahresabrechnung 2022 (Druckdatum 22.06.2023) wird genehmigt. Die darin enthaltenen Abrechnungsspitzen sind am 15.08.2023 zur Zahlung fällig. Guthaben werden erstattet, Nachzahlungen, dort, wo eine Einzugsermächtigung besteht, per Lastschrift eingezogen, Das bestehende SEPA-Lastschriftmandat hat auch Gültigkeit für den Einzug der Nachzahlungen.

Ja-Stimmen: 755,03/1.000 Nein-Stimmen: 50,33/1.000 Enthaltungen: keine Antrag angenommen.

Somit ist die Abrechnung 2022 verabschiedet.

TOP 03: Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan für 2023

Der Wirtschaftsplan 2023 (Druckdatum 22.06.2023) wird mit der Änderung beschlossen, dass die Zuführung zur Rücklage auf Euro 10.000,- erhöht wird. Er gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans. Die neuen Vorauszahlungen sind ab dem 01.09.2022 zur Zahlung fällig. Das bestehende SEPA-Lastschriftmandat hat auch Gültigkeit für den Einzug der neuen Vorauszahlungsbeträge. Allen Eigentümern gehen aktualisierte Pläne zu.

Ja-Stimmen: 755,03 /1.000 Nein-Stimmen: 50,33/1.000 Enthaltungen: keine Antrag angenommen.

Somit ist der Wirtschaftsplan 2023 verabschiedet.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass diese Beschlüsse mangels Beschlusskompetenz der Beklagten bereits nichtig seien, da nach neuer Rechtslage das Abrechnungswerk von Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan als solches nicht mehr Gegenstand der Beschlussfassung sei. Jedenfalls seien die Beschlüsse aber für ungültig zu erklären, da sowohl die Jahresabrechnung als auch der Wirtschaftsplan Fehler aufwiesen. Zum einen sei hinsichtlich der Position „Sonderkosten Eigentümer“ in der Jahresabrechnung nicht nachvollziehbar, was sich hierunter verberge. Zum anderen sei auch die Umlage dieser Kosten (Kosten für die Nichtteilnahme am SEPA-Lastschriftverfahren sowie Mahnkosten) per Direktzuordnung allein auf die Klägerin unberechtigt.

Als fehlerhaft erweise sich die Abrechnung ferner deshalb, weil diverse Kosten zusammengerechnet und als „nicht umlagefähige Kosten“ pauschal umgelegt worden seien.

Der Wirtschaftsplan erweise sich, sofern er nicht bereits nichtig ist, deshalb als rechtsfehlerhaft, weil darin Sonderkosten im Rahmen einer Direktzuordnung ausgewiesen seien.

Die Klägerin beantragte zuletzt,

1.festzustellen, dass die in der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 gefassten Beschlüsse zu TOP 2 (Gesamtabrechnung und Einzelabrechnung) und TOP 3 (Wirtschaftsplan) nichtig sind;

2.-hilfsweise- die in der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 gefassten Beschlüsse zu TOP 2a (Gesamtabrechnung), TOP 2b (Einzelabrechnung) und TOP 3 (Wirtschaftsplan) für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Beschlüsse seien der Auslegung zugänglich. Die Beschlüsse seien daher dahingehend auszulegen, dass mit dem Beschluss unter TOP 2 (nur) die Anpassung der Vorschüsse sowie Anforderung der Nachschüsse und unter TOP 3 (nur) die Höhe der Vorschüsse festgesetzt werden habe sollen. Auch die Einwände der Klägerin gegen die Position „Sonderkosten Eigentümer“ in Höhe von 88,90 Euro bzw. deren Umlage ausschließlich auf die Eigentümerin seien unberechtigt. Zudem sei es weder notwendig, noch bestehe ein Anspruch darauf, dass umlagefähige Kosten in der Abrechnung gesondert aufgeführt würden.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2023 (Bl. 78 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 zu TOP 2 bezüglich der Genehmigung der Jahresabrechnung 2022 ist zwar nicht nichtig, aber unwirksam und war daher für ungültig zu erklären.

Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG sind Beschlüsse nichtig, wenn sie gegen zwingende Normen verstoßen. Formell nichtig sind insbesondere Beschlüsse, die die Wohnungseigentümerversammlung trotz Fehlens der Beschlusskompetenz fasst.

a) Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer liegt vor.

Nach § 28 Abs. 2 S. 1 beschließen die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der vom Verwalter nach Abs. 2 S. 2 aufgestellten Jahresabrechnung über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Gegenstand des Beschlusses sind damit nur die zum Ausgleich einer Unter- bzw. Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlichen Zahlungspflichten. Das zur Vorbereitung des Beschlusses erstellte Zahlenwerk, aus dem die Zahlungspflichten abgeleitet werden, ist nicht Gegenstand des Beschlusses (BeckOGK/G. Hermann, 1.9.2023, WEG § 28 Rn. 163).

Zwar hat die Beklagte hier nicht ausdrücklich über die konkreten, sich aus der Jahresabrechnung ergebenden Nachschüsse beschlossen, sondern die Jahresabrechnung 2022 genehmigt, wobei auch die Fälligkeit der Nachschüsse sowie die Zahlungsmodalitäten für diese bzw. für die Erstattung etwaiger Guthaben beschlossen wurde (Beschlussprotokoll zu TOP 2, Anlage K2, Bl.26 d.A.).

Die Auslegung des Beschlusses ergibt, dass die Eigentümerversammlung mit dieser Beschlussfassung lediglich die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse festlegen wollte. Dies ergibt sich allerdings nicht schon unmittelbar aus dem Wortlaut der angefochtenen Beschlüsse.

Ihr Inhalt (Regelungsgehalt) kann nur durch Auslegung ermittelt werden, denn ihre textliche Fassung lässt nicht erkennen, ob nur die Höhe der Beitragspflichten festgelegt oder ob darüber hinaus auch das dem Wirtschaftsplan zugrundeliegende Rechenwerk als sachlich und rechnerisch zutreffend gebilligt werden soll.

Beschlüsse sind „aus sich heraus“ auszulegen. Dabei kommt es bei der gebotenen objektiven Auslegung maßgebend darauf an, wie der Beschluss nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist (BGH v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292; BGH v. 28.9.2012 – V ZR 251/11, BGHZ 195, 22; BGH v. 10.10.2014 – V ZR 315/13, NJW 2015, 548). Auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Wohnungseigentümer kommt es dagegen nicht an (BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, NZM 2010, 285). Aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters ist die nächstliegende Bedeutung des zu TOP 2 gefassten Beschlusses, dass mit ihm nur die Höhe der Nachschüsse festgesetzt werden sollte.

Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl. I 2187) und aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in § 28 Abs. 2 WEG (nur noch) über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Dieses Verständnis des Beschlussinhalts entspricht somit den gesetzlichen Vorgaben und steht zudem im Einklang mit der amtlichen Begründung zu § 28 WEG. Für einen unbefangenen Betrachter ergeben sich vor diesem Hintergrund überhaupt keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Eigentümer wollten mit ihrer Beschlussfassung weitere als die vom Gesetz verlangten Regelungen treffen (LG Berlin Urt. v. 30.8.2022 – 55 S 7/22 WEG, BeckRS 2022, 24278 Rn. 3- 5, beck-online, Jennißen, WEG § 28 Rn.228).

b) Der angegriffene Beschluss war jedoch nicht ordnungsmäßig i.S.v. § 18 Abs. 2 WEG und damit unwirksam und für ungültig zu erklären.

In der Jahresabrechnung werden „Sonderkosten Eigentümer“ in Höhe von 88,90 Euro per Direktzuordnung fehlerhaft auf die Klägerin umgelegt.

Die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt sich hierbei jedoch nicht bereits daraus, dass bereits unklar ist, was sich hinter dieser Position verbirgt. Zwar muss die Jahresabrechnung für einen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein (BGH NJW 2014,145; BGH NJW 2010,2127), was hinsichtlich des Postens „Sonderkosten Eigentümer“ wohl nicht der Fall sein dürfte (vgl. insoweit LG Dortmund Urt. v. 24.11.2015 – 9 S 41/14, BeckRS 2016, 5627, beck-online). Jedoch wird nach neuem Recht wie oben ausgeführt nur noch über die Nachschüsse beschlossen und nicht über das Rechenwerk an sich. Der Fehler muss sich daher auf die Nachschüsse ausgewirkt haben, was hier allein wegen des Fehlers der zu pauschalen Bezeichnung als „Sonderkosten Eigentümer“ nicht der Fall ist.

Nach der nachträglichen Erläuterung durch die Beklagtenseite handelt es sich bei der Position „Sonderkosten Eigentümer“ zum einen um Verwaltergebühren i.H.v. 71,40 Euro, die dadurch entstanden seien, dass die Klägerin nicht am Lastschriftverfahren teilnehme, zum anderen um Mahnkosten i.H.v. 17,50 Euro dafür, dass die Klägerin wiederholt zur Zahlung offener Kostenbeiträge habe angemahnt werden müssen.

Es ist jedoch fehlerhaft, dass diese Kosten per Direktzuordnung allein auf die Klägerin umgelegt wurden.

Zwar ist die Vereinbarung einer Gebühr für die Nichtteilnahme am SEPA-Lastschriftverfahren im Verwaltervertrag grundsätzlich möglich und zulässig. Durch den Verwaltervertrag wird jedoch nur die WEG und nicht der einzelne Eigentümer verpflichtet. Es handelt sich hierbei um Kosten der Verwaltung, die grundsätzlich gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG nach Miteigentumsanteilen zu verteilen sind. Zwar ist es grundsätzlich gemäß § 16 Abs. 2 S.2 WEG möglich durch Beschluss eine abweichende Verteilung dergestalt zu beschließen, dass die Mehraufwandspauschale allein vom verursachenden Eigentümer getragen wird.

Dieser Beschluss muss jedoch ausdrücklich und separat gefasst werden (BeckOGK/Greiner, 1.9.2023, WEG § 26 Rn. 227). An einem solchen Beschluss fehlt es hier.

Gleiches gilt für die Mahnkosten. Die Vereinbarung einer Sondervergütung für Mahnungen an zahlungssäumige Miteigentümer ist rechtmäßig. Schuldner der Sondervergütung ist die Gemeinschaft, sofern nicht die Gemeinschaftsordnung oder ein Beschluss gem. § 16 Abs. 2 S. 2 den Verursacher zur Zahlung verpflichtet (BeckOGK/Greiner, 1.9.2023, WEG § 26 Rn. 223). An einem entsprechenden Beschluss fehlt es auch hier.

Dieser Fehler hat sich auch auf den Nachschuss der Klägerin ausgewirkt, so dass er zur Ungültigkeit des Beschlusses führt.

2. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 01.08.2023 zu TOP 3 bezüglich des Wirtschaftsplans 2023 ist nichtig, da es nach Auffassung des Gerichts an einer entsprechenden Beschlusskompetenz mangelt.

Auch hier beschränkt sich der Beschlussgegenstand auf die zu zahlenden Vorschüsse. Hinsichtlich der Genehmigung des Wirtschaftsplans als Rechenwerk fehlt die Beschlusskompetenz (siehe Ausführungen oben zur Jahresabrechnung sowie BeckOK WEG/Bartholome, 54. Ed. 2.10.2023, WEG § 28 Rn. 22 und 23).

Anders als im obigen Fall hinsichtlich TOP 2 Jahresabrechnung ist eine Auslegung dahingehend, dass hier lediglich die sich aus dem Wirtschaftsplan ergebenden Vorschüsse genehmigt werden sollten nicht möglich.

Denn aus dem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Wirtschaftsplan ergeben sich die konkreten Vorschüsse gerade nicht. Im vorliegenden Beschluss wurde nämlich die Zuführung zur Rücklage auf 10.000 Euro erhöht, so dass die sich hieraus ergebenden Vorschüsse noch nicht konkret berechnet und im Wirtschaftsplan ausgewiesen waren.

Da sich der Beschlussgegenstand auf die Vorschüsse beschränkt, müssen sich die konkreten Zahlungspflichten der jeweiligen Eigentümer aus dem Beschluss jedenfalls bestimmen lassen, wenn sie im Beschlusswortlaut nicht unmittelbar genannt sind. Die einzelnen Vorschüsse der jeweiligen Einheiten können, müssen aber nicht im Beschlusswortlaut ausdrücklich genannt sein.

Gerade bei größeren Gemeinschaften kann es sinnvoll sein, stattdessen die Vorschüsse unter Bezugnahme auf eine konkret bezeichnete und der Niederschrift und Beschluss-Sammlung beizufügende Vorschussliste bestimmbar zu machen und zu beschließen. Für die Bestimmbarkeit der Vorschüsse genügt es aber auch, auf den Eigentümern zur Verfügung gestellten, konkret bezeichneten Wirtschaftsplan zu verweisen und die sich dort aus den Einzelwirtschaftsplänen ergebenden Vorschüsse zu beschließen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Einzelwirtschaftspläne eindeutig die zu leistenden Vorschüsse (Höhe und Turnus) bezeichnen (BeckOK WEG/Bartholome, 54. Ed. 2.10.2023, WEG § 28 Rn. 23). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beschluss über den Wirtschaftsplan 2023 kann daher nicht als Beschluss über die zu zahlenden Vorschüsse ausgelegt werden, da sich solche aus dem Wirtschaftsplan nicht eindeutig ergeben. Damit lässt sich bei der gebotenen Auslegung ein Beschlussinhalt, für den nach § 28 Abs. 1 WEG eine Beschlusskompetenz besteht, dem Beschlusstext nicht entnehmen. Bei der gebotenen objektiv-normativen Auslegung verbleiben vielmehr keine Zweifel, dass Beschlussgegenstand das vorgelegte Rechenwerk sein sollte. Hierzu besteht eine Beschlusskompetenz nicht (vgl. zur Jahresabrechnung LG Frankfurt a.M. NZM 2023, 425 Rn. 19, beck-online).

Die Nichtigkeit des Beschlusses war daher festzustellen.

3. Da die Beschlüsse bereits aus den o.g. Gründen unwirksam bzw. nichtig sind, kann die Prüfung weiterer von der Klägerin vorgetragenen Unwirksamkeitsgründe dahinstehen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gemäß § 49 GKG ist der Streitwert in Verfahren nach § 44 Absatz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.

Ausgangspunkt für die Bemessung des Interesses aller Wohnungseigentümer sind die auf Grund des Beschlusses insgesamt umgelegten Kosten, also die im Wirtschaftsplan oder in der Jahresabrechnung insgesamt als Ausgaben eingestellten Beträge. Wendet sich der Kläger gegen die Höhe der auf ihn umgelegten Kosten, kommt es für die Bemessung seines Interesses darauf an, in welchem Umfang er sich gegen die Umlage auf ihn wehrt. Will der Kläger erreichen, dass ein Beschluss insgesamt für ungültig erklärt wird, entspricht sein persönliches Interesse dem Nennbetrag der insgesamt auf ihn umgelegten Kosten.

Das Interesse aller Wohnungseigentümer übersteigt hier den 7,5-fachen Wert des Interesses des Klägers.

Der Nennbetrag der auf die Klägerin hinsichtlich der Jahresabrechnung umgelegten Kosten beläuft sich auf 3.456,70 Euro. Multipliziert mit dem Faktor von 7,5 nach Maßgabe des § 49 S. 2 GKG ergibt sich ein Betrag von 25.925,25 Euro. Nach dem Wirtschaftsplan soll die Klägerin monatlich 342 Euro bezahlen. Multipliziert mit 12 Monaten ergibt sich ein Betrag von 4.104,00 Euro. Der 7,5-fache Wert beläuft sich daher auf 30,780,00 Euro. Der Streitwert ist daher mit 56.705,25 Euro zu beziffern.

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