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WEG-Sonderumlage trotz fehlerhaften Verteilungsschlüssels wirksam?

LG Berlin – Az.: 55 S 28/22 WEG – Urteil vom 31.01.2023

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.2.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Kläger zu 1) und 2) 60% und hat der Kläger zu 3) 40% zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger betreiben die Ungültigerklärung eines Sonderumlagebeschlusses.

Die Eigentümerversammlung der beklagten Gemeinschaft beschloss am 18.6.2021 auf der Grundlage eines zuvor eingeholten Angebots der Firma R. GmbH vom 7.1.2020 (Anlage K 7, Band I Blatt 88 der Gerichtsakte) die Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von 2.930.000 Euro zur Finanzierung von Sanierungsarbeiten an der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Hofdecke, die zumindest teilweise zugleich die Decke der darunter belegenden Tiefgarage darstellt. Die bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesondert beschlossenen Sanierungsarbeiten erstrecken sich auch auf die Tiefgarage und den dort befindlichen Garagen, an denen Sondereigentum begründet worden ist. Anlass für die baulichen Maßnahmen war eine Anordnung des Landes Berlin vom 8.12.2020 (Anlage B 4), mit der die Nutzung der Tiefgarage wegen Verstößen gegen die Bestimmungen in §§ 3 Abs. 1, 81 Abs. 1 Satz 1 BauO Berlin und § 15 Abs. 2 Muster-Garagenverordnung (MGarVO) baupolizeilich untersagt wurde.

Der angefochtene Beschluss sieht für alle geplanten Maßnahmen eine Kostenbeteiligung der Wohnungseigentümer im Verhältnis der Miteigentumsanteile vor.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Kläger beanstanden u.a. Fehler im Zusammenhang mit der Einberufung und Vorbereitung der Versammlung sowie eine unzutreffende Verteilung der zu erwartenden Kosten auf die Eigentümer. Zu letzterem tragen sie vor: In einem am 13.4.1981 beurkundete Nachtrag zur Teilungserklärung hätten die Parteien vereinbart, dass jedes Teileigentum in Wohnungseigentum umgewandelt werden könne; in diesem Fall sei aber – so die Vorgaben der Teilungserklärung – die Lastenverteilung neu vorzunehmen. Aufgrund dieser Vereinbarung sei die beschlossene Verteilung der Kosten im Verhältnis der Miteigentumsanteile nicht zulässig. Nachdem entsprechende Umwandlungen stattgefunden und die Einheiten im Dachbereich zu Wohnzwecken ausgebaut worden seien, hätte die Kostenverteilung im Verhältnis der Wohn- bzw. Nutzfläche erfolgen müssen.

Ferner seien in dem Angebot der Firma R. GmbH Leistungen enthalten, die allein von den Garageneigentümern hätten getragen werden müssen oder die zu den „Kosten der Instandhaltung und Reparatur der Auf- und Abfahrten der Garage einschließlich der Garagenhaupttore“ im Sinne von § 20 Abs. 1 Abschnitt IV Buchstabe a) der Gemeinschaftsordnung (GO) zählen würden. Auch die letztgenannten Kosten seien nach den Vorgaben der Teilungserklärung ausschließlich von den Eigentümern der Garagen mit den Ordnungsziffern G 1 bis G 30 allein zu zahlen. Die hierfür anfallenden Arbeiten seien zudem deutlich höher als von der Verwaltung geschätzt; dies habe eine unzulässige Mehrbelastung der Kläger zu Folge.

Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss insgesamt für ungültig erklärt und zur Begründung ausgeführt, er differenziere nicht hinreichend zwischen den Kosten, die für die Instandsetzung der Garagen einerseits und für die Instandsetzung der Hofdeckensanierung andererseits anfallen würden. Die Kosten der Hofdeckensanierung seien von sämtlichen Eigentümern zu tragen, die Kosten der Instandsetzung der Garagen dagegen jedenfalls zum Teil allein von den Garageneigentümern. Die Kläger monierten zu Recht, dass die Kostenpositionen 1.5.1.17 bis 1.5.1.25 in dem Angebot der Firma R. GmbH vom 7.1.2020 (Kosten der Einfahrtstore der Tiefgarage; Tore der Einzelgaragen in der Tiefgarage; Kosten der Brandschutzertüchtigung; Beleuchtungsanlagen der Garagen; Demontage der Elektroanlage in den Garagen) auf alle Eigentümer ungelegt worden seien, obwohl diese jedenfalls überwiegend von den Garageneigentümern getragen werden müssten. Bezüglich der Garagentore und sonstiger Instandsetzungsarbeiten innerhalb der einzelnen Tiefgarageneinheiten beruhe die alleinige Kostentragungspflicht der Garageneigentümer darauf, dass diese nach § 7b) ba) der Teilungserklärung im Sondereigentum der Garageneigentümer stünden. Schließlich wäre es auch erforderlich gewesen, bei der Verteilung der Kostenposition 1.1. des Angebots vom 7.1.2020 (Baustelleneinrichtung / vorbereitende Arbeiten) sowie den Kosten der Baubetreuung zwischen den Kosten der Garagen- und Hofdeckensanierung zu differenzieren. Den Eigentümern sei bei der Verteilung der voraussichtlich anfallenden Kosten auch nicht deshalb ein Ermessen einzuräumen, weil die endgültige Abrechnung erst im Rahmen der Jahresabrechnung zu erfolgen habe. Auch wenn die Sonderumlage lediglich zur Beschaffung von Finanzmitteln erfolgt, müsse ihre Erhebung entsprechend des maßgeblichen Verteilungsschlüssels erfolgen.

Mit ihrer Berufung will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Sie trägt vor, das Amtsgericht hätte den angefochtenen Beschluss jedenfalls nicht insgesamt, sondern allenfalls teilweise und nur insoweit für ungültig erklären dürfen, als ein fehlerhafter Kostenverteilungsschlüssel in Ansatz gebracht worden sei. Zudem sei Anlass für die baulichen Maßnahmen die Anordnung des Landes Berlin vom 8.12.2020 (Anlage B 4) gewesen, mit der die Nutzung der Tiefgarage wegen der unrechtmäßig verschlossenen Lüftungsöffnungen und der Gefahr des Einsturzes der Tiefgaragendecke baupolizeilich untersagt worden sei. Die Notwendigkeit der Hofdeckensanierung beruhe auf dieser Untersagungsverfügung. Wegen der Eingriffe in die Hofdecke seien aus Gründen des Brandschutzes weitergehende Arbeiten in der Tiefgarage erforderlich geworden, insbesondere Arbeiten im Bereich der Elektroleitungen, der Sanitärleitungen, der Heizung und der in der Tiefgarage befindlichen Garagentore.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 10.2.2022 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen im Wesentlichen vor, die Kostenverteilung hätte schon wegen der Regelung in § 4 Abs. 3 GO nicht nach Miteigentumsanteilen, sondern im Verhältnis der Wohnfläche erfolgen müssen. Jedenfalls müsse im Bereich der Tiefgaragen der vereinbarte Kostenverteilungsschlüssel in Ansatz gebracht werden. Ferner bestreiten sie, dass insbesondere die Arbeiten im Bereich der Elektroleitungen, der Sanitärleitungen, der Heizung und der in der Tiefgarage befindlichen Garagentore ausschließlich aus Brandschutzgründen durchgeführt werden müssen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist weder nichtig noch verstößt er aus den von den Klägern vorgetragenen Gründen gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.

1. Der Beschluss ist nicht wegen formeller Beschlussmängel für ungültig zu erklären. Solche Mängel hat das Amtsgericht zutreffend verneint; zur weiteren Begründung kann auf das angefochtene Urteil selbst Bezug genommen werden.

2. Der Beschluss ist ferner nicht deshalb rechtswidrig, weil er die Kosten der beschlossenen Sanierungsmaßnahme statt nach dem Verhältnis der Wohnflächen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile auf die Miteigentümer verteilt. Dies ist nicht nur der gesetzlich bestimmte (§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG), sondern auch der nach der Teilungserklärung maßgebliche Kostenverteilungsschlüssel (§ 20 Abs. 1 I GO). Zwar bestimmt die mit der Nachtragsurkunde vom 13.4.1981 neu gefasste Regelung in § 4 Abs. 3 GO (Anlage K 4, Band I Blatt 136 d.A.), dass im Falle der Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum die „Lastenverteilung“ neu vorzunehmen ist und zwar entsprechend der neu geschaffenen Wohnfläche, „welche ins Verhältnis gesetzt wird zur übrigen Wohnfläche“. Das Amtsgericht hat aber zutreffend erkannt, dass diese Regelung auch nach einer erfolgten Umwandlung nicht ohne weiteres eine Änderung des bis dahin maßgeblichen Kostenverteilungsschlüssels bewirkt. Dass sie solche unmittelbaren Wirkungen nach einer Umwandlung entfalten soll, kann der Regelung auch durch Auslegung nicht entnommen werden.

Weil die Gemeinschaftsordnung Teil der Teilungserklärung und Bestandteil der Grundbucheintragung ist, ist – wie stets bei der Auslegung einer Grundbucheintragung – auf den Wortlaut und Sinn der Teilungserklärung abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann erkennbar sind (BGH v. 23.6.2017 – V ZR 102/16, NJW-RR 2017, 1042, 1043, Tz. 11). Subjektive Vorstellungen der Urkundsbeteiligten sind dagegen nicht von Bedeutung; die Auslegung muss vielmehr „aus sich heraus“ objektiv und normativ erfolgen (BGH v. 15.12.2017 – V ZR 275/16, NZM 2018, 909, – Tz. 11; BGH v. 10.7.2015 – V R 169/14, Tz. 19).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann nicht angenommen werden, durch § 4 Abs. 3 GO werde der gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel unmittelbar abbedungen und es gelte im Falle der Umwandlung von Teilin Wohnungseigentum automatisch ein Verteilungsschlüssel, der nicht auf das Verhältnis der Miteigentumsanteile, sondern auf das Verhältnis der Wohnfläche abstellt. Die in der Urkunde verwendete Formulierung, wonach die Lastenverteilung „neu vorzunehmen“ ist, kann nur dahingehend verstanden werden, dass zugunsten aller Eigentümer lediglich ein Anspruch auf eine entsprechende rechtsgeschäftliche Anpassung begründet werden soll. Zudem übersehen die Kläger, dass der maßgebliche Passus der Gemeinschaftsordnung lediglich eine Neuvornahme der „Lastenverteilung“ bestimmt. Ebenso wie § 16 Abs. 2 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung unterscheidet aber auch die im Jahr 1980 / 1981 errichtete Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung zwischen den „Kosten“ und den „Lasten“ des gemeinschaftlichen Eigentums. Zu den „Lasten“ des gemeinschaftlichen Eigentums gehören die einmaligen oder wiederkehrenden Geldleistungspflichten, die aus dem gemeinschaftlichen Grundstück zu erfüllen sind, wie z.B. kommunale Beiträge und Gebühren (Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl. 2023, § 16 Rn. 49 ff). Sie sind von den „Kosten“ des gemeinschaftlichen Eigentums – hierzu zählen insbesondere die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums – zu unterscheiden. Da § 4 Abs. 3 GO lediglich die Neuvornahme der Lastenverteilung anordnet, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, die Vorschrift ermächtige die Eigentümer auch zur Anpassung der Kostenverteilung. Da die Regelung insofern unklar ist, ist sie eng auszulegen. Dahingestellt bleiben kann es, ob die Urkundsbeteiligten die Änderungsbefugnisse zu eng gefasst und sie möglicherweise weitergehende Änderungen des Kostenverteilungsschlüssels ermöglichen wollten. Auf ihre Vorstellungen kommt es – wie ausgeführt – bei der Auslegung einer Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung nicht an.

Im Übrigen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber den Wohnungseigentümern mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl. I 2187) am 1.12.2020 in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit einräumt, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten einen von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG (Verteilung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile) oder von einer Vereinbarung abweichenden Verteilung zu beschließen. Das bedeutet, dass sie nicht mehr uneingeschränkt an den gesetzlich bestimmten oder einen vertraglich vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel gebunden sind. Auch aus diesem Grund kommt eine Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses wegen der Verwendung eines nach Ansicht der Kläger unzutreffenden Kostenverteilungsschlüssels nicht in Betracht. Aufgrund der Neuregelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG sind die Wohnungseigentümer insbesondere auch befugt, die Kosten einer einmalig anfallenden Instandsetzungsmaßnahme nach einem anderen als dem gesetzlich bestimmten oder einem vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen (BT-Drucks. 19/18791, S. 56). Unerheblich ist es dabei, ob die Eigentümer im Zeitpunkt der Beschlussfassung in dem Bewusstsein handeln, dass sie von der durch § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen oder ob ihre Entscheidung von anderen Motiven oder rechtlichen Bewertungen getragen wird. Das Bewusstsein, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung zu beschließen, ist nur erforderlich, wenn der Kostenverteilungsschlüssel dauerhaft geändert werden soll (vgl. BGH v. 8.6.2018 – V ZR 195/17, NZM 2018, 905 Rn. 18). Es ist dagegen entbehrlich, wenn von dem gesetzlichen oder einem vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel einmalig abgewichen wird. Ob ein solcher Beschluss anfechtbar ist, hängt nach der Gesetzesbegründung bei einer Einzelfallentscheidung allein davon ab, ob er die allgemeinen Vorgaben der Ordnungsmäßigkeit wahrt, insbesondere ob er billigem Ermessen entspricht (vergleiche § 18 Absatz 2 WEG), wobei im Rahmen des billigen Ermessens der Gebrauch und die Möglichkeit des Gebrauchs zu berücksichtigen sein wird (BT-Drucks. 19/18791, S. 56). Eine Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen trägt diesen Anforderungen aber ohne weiteres Rechnung.

Es kann auch dahin gestellt bleiben, ob zugunsten der Kläger aufgrund der Bestimmung in § 4 Abs. 3 GO oder jedenfalls nach § 10 Abs. 2 WEG ein Anspruch besteht, dass der aufgrund der Teilungserklärung maßgebliche Kostenverteilungsschlüssel dahingehend abgeändert wird, dass die zukünftige Kostenverteilung dem Verhältnis der Wohnfläche entsprechen muss. Eine solche Regelung haben die Wohnungseigentümer jedenfalls bislang nicht getroffen. Sie können ihrer Zahlungsverpflichtung einen solchen Abänderungsanspruch nicht einredeweise entgegenhalten (BGH v. 13.7.1995 – V ZB 6/94, BGHZ 30, 304, 313, -). Aus dem gleichen Grund begründet das Bestehen eines solchen Abänderungsanspruchs auch keinen Anfechtungsgrund, der die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen würde.

3. Der angefochtene Beschluss ist entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht deshalb nichtig oder für ungültig zu erklären, weil in der Sonderumlage Kosten für die Instandsetzung und Reparatur solcher Baubestandteile enthalten sind, an denen nach § 5 Abs. 1 WEG Sondereigentum besteht oder die zwar nach § 5 Abs. 2 WEG im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, für deren Instandhaltung die Teilungserklärung aber in § 20 Abs. 1 Abschnitt IV Buchstabe a) GO eine gesonderte Kostenverteilung vorsieht.

a) Dies betrifft zum einen die in der Tiefgarage befindlichen Garagenstellplätze. An diesen Garagen ist Sondereigentum begründet worden. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Garagenräume selbst, sondern auch die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt ist oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird, Gegenstand des Sondereigentums sind.

Stehen – wie von den Klägern behauptet – einzelne Baubestandteile wie z.B. Elektro- und Sanitärleitungen, Heizungen und in der Tiefgarage befindliche Garagentore im Sondereigentum, hat dies zur Folge, dass es den Wohnungseigentümern grundsätzlich verwehrt ist, die Kosten für die Instandhaltung und Reparatur dieser Gebäudebestandteile auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen. Vielmehr sind die Kosten von den jeweiligen Sondereigentümer allein zu tragen. Diese Verpflichtung ist dem Sondereigentum immanent. Sie ergibt sich für den Streitfall auch unmittelbar aus § 8 Abs. 1 GO.

Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren die Eigentümergemeinschaften, die unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung Instandsetzungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum beschlossen haben, die notwendigerweise Substanzeingriffe auch am Sondereigentum erfordert haben, befugt, zugleich auch diejenigen Maßnahmen zu beschließen, die zur Wiederherstellung des Sondereigentums erforderlich sind (BGH v. 8.7.2022 – V ZR 207/21, NJW-RR 2022, 1598, Rn. 14). Dabei hat es der Bundesgerichtshof dahingestellt bleiben lassen, ob die Beschlusskompetenz hinsichtlich der Wiederherstellung des Sondereigentums nur aus § 14 Nr. 4 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung und der dort bestimmten Entschädigungspflicht folgt oder auch aus dem übergeordneten Gedanken, dass die Wiederherstellung regelmäßig das mildeste Mittel ist und dem Gebot der Rücksichtnahme entspricht. Weil die Gemeinschaft in solchen Fällen jedenfalls zur Naturalrestitution verpflichtet war, waren die Kosten für die Wiederherstellung des früheren Zustandes im Ergebnis nicht von den jeweiligen Sondereigentümern allein, sondern von allen Eigentümern gemeinschaftlich zu tragen.

Ausgehend von diesen Überlegungen steht auch für den Streitfall nicht fest, ob die Arbeiten, sofern sie einzelne im Sondereigentum stehenden Bestandteile betreffen, zwingend von den jeweiligen Sondereigentümern allein zu tragen sind. Ob Sondereigentümer zur Kostentragung verpflichtet sind oder ob die Kosten aufgrund der Regelung in § 14 Abs. 3 WEG im Ergebnis von der Gemeinschaft zu tragen sind, hängt in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob der Substanzeingriff in die im Sondereigentum stehenden Gebäudebestandteile notwendige Folge der baupolizeilichen Anordnung und den darauf beruhenden Anstrengungen der Beklagten zur Behebung der dafür maßgeblichen Gründe war.

b) Zutreffend ist ferner, dass der angefochtene Beschluss den in § 20 Abs. 1 Abschnitt IV Buchstabe a) GO bestimmten Kostenverteilungsschlüssel außer Acht lässt. Die vorgenannte Regelung erfasst „die Kosten der Instandhaltung und Reparatur der Auf- und Abfahrten der Garage einschließlich der Garagenhaupttore“. Sie sind nach der getroffenen Vereinbarung „gemäß den Miteigentumsanteilen (…) von den Eigentümern der Garagen (…) mit den Ziffern G 1 und G 30“ allein zu tragen.

Dies bedeutet aber nicht, dass die Kostenverteilung zwingend nach dieser Vereinbarung erfolgen muss. In Betracht zu ziehen ist, dass die Wohnungseigentümer möglicherweise berechtigt sind, auch diesen Kostenverteilungsschlüssel aufgrund der in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG enthaltenen Öffnungsklausel zu ändern. Allerdings ist die Reichweite dieser gesetzlichen Öffnungsklausel ungeklärt. Einerseits räumt § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG den Wohnungseigentümern – wie ausgeführt – die Kompetenz ein, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungspflicht einen anderen Verteilungsmaßstab zu wählen. Für den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung und der Zulässigkeit einer von § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG a.F. abweichenden Kostenverteilung hat der Bundesgerichtshof allerdings entscheiden, dass die Eigentümer im Rahmen einer solchen Beschlussfassung das sog. Belastungsverbot zu beachten haben. So begründeten die in § 16 Abs. 3 und 4 WEG a.F. enthaltenen Öffnungsklauseln nach der Auslegung des Bundesgerichtshofs nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit ist, durch Beschluss erstmals an solchen Kosten zu beteiligen (vgl. BGH v. 1.6.2012 – V ZR 225/11, NJW 2012, 2578, Rn. 13 für den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 WEG a.F.). Ob das Belastungsverbot auch im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG weiterhin zu beachten ist oder nicht, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Diese Frage wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (für Fortgeltung des Belastungsverbots vgl. Bärmann/Becker, a.a.o., § 16 Rn. 120; a.A. Jennißen/Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2022, § 16 Rn. 85). Die gewählte Kostenverteilung ist somit jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn das sog. Belastungsverbot im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht mehr gilt und somit einer Änderung der Regelung in § 20 Abs. 1 Abschnitt IV Buchstabe b) GO durch Mehrheitsbeschluss nicht entgegensteht.

Aber auch dann, wenn der Anwendungsbereich dieser Öffnungsklausel eine Änderung des in § 20 Abs. 1 Abschnitt IV Buchstabe a) GO bestimmten Kostenverteilungsschlüssels nicht erlauben würde, wäre die Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen nicht ohne weiteres rechtswidrig. Zu berücksichtigen ist, dass die nach der vorstehenden Regelung belasteten Eigentümer aufgrund des Rücksichtnahmegebots – dieser Grundsatz liegt den Regelungen in § 14 WEG (insbesondere auch in § 14 Abs. 3 WEG) zugrunde – möglicherweise verlangen können, dass sie – entgegen den Vorgaben der Teilungserklärung – nicht allein mit den auf diese Baubestandteile entfallenden Kosten belastet werden. Dies könnte dann in Betracht kommen, wenn die Entstehung der Kosten nicht aufgrund eines Instandsetzungsbedarfs an den von der Vereinbarung erfassten Bauteilen selbst, sondern allein dadurch veranlasst wird, weil aufgrund der Notwendigkeit der Sanierung der Hofdecke auch ein Eingriff in diese Bauteile unvermeidlich ist. Insoweit sind die gleichen Überlegungen anzustellen wie im Falle der Sanierung von Baubestandteilen, die nach § 5 Abs. 1 WEG im Sondereigentum stehen.

c) Die vorstehend unter a) und b) aufgeworfenen Fragen musste die Eigentümerversammlung im Vorfeld der Beschlussfassung nicht beantworten. Vielmehr entspricht es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 19 Abs. 1 WEG, diese Fragen bei der Vorbereitung und Planung der zwingend vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen zunächst unbeantwortet zu lassen und die Kosten zunächst generell nach Miteigentumsanteilen auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen.

Beschlüsse über die Festsetzung von Vorschüssen sind mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl. I 2187) allein am Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Das Gesetz schreibt nicht mehr vor, dass die Höhe der nach § 28 Abs. 1 WEG festzusetzenden Vorschüsse zwingend den im Wirtschaftsplan ermittelten anteiligen Beträgen entsprechen muss (LG Berlin v. 30.8.2022 – 55 S 7/22 WEG, ZMR 2022, 988, -). Ein Beschluss, mit dem zur Deckung voraussichtlich anfallender Kosten Vorschüsse festgelegt werden, genügt nach der Rechtsprechung der Kammer daher auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels (LG Berlin v. 30.8.2022 – 55 S 7/22 WEG, ZMR 2022, 988, -). Dies gilt entsprechend in solchen Fällen, in denen die Zuordnung der Kosten nicht ohne weiteres möglich und der anzuwendende Kostenverteilungsschlüssel aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zwischen den beteiligten Wohnungseigentümern im Streit steht.

Entsprechendes gilt für den Beschluss über eine Sonderumlage, der insoweit den gleichen Zwecken dient. Die der Beschlussfassung über die Sonderumlage zugrundeliegende Berechnung ist ebenso wie der Wirtschaftsplan lediglich ein Instrument, um die Höhe der festgesetzten Vorschüsse für die Wohnungseigentümer nachvollziehbar zu machen. Sie ist selbst aber nicht Teil der Beschlussfassung. Ebenso wie die Wohnungseigentümer berechtigt sind, abweichend von den Vorgaben eines Wirtschaftsplans z.B. die Höhe der Kostenansätze (Rechnungsposten) zu verändern oder andere als im Wirtschaftsplan verwendete Kostenverteilungsschlüssel in Ansatz zu bringen, steht ihnen diese Befugnis auch bei einer Sonderumlage zu.

Diese Handhabung ist sachgerecht, weil der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage – ebenso wie die Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung im Sinne von § 28 Abs. 1 WEG – lediglich vorläufigen Charakter hat. Solche Beschlüsse beruhen, auch wenn ihnen – wie im Streitfall – ein detailliertes Angebot zugrunde liegt – im Wesentlichen auf Prognosen und Schätzungen. Wird eine Sonderumlage beschlossen, um notwendige Maßnahmen für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums umzusetzen, ist zudem zu berücksichtigen, dass das Ausmaß der auszuführenden Arbeiten jedenfalls bei umfangreichen Maßnahmen wie im Streitfall vor Beginn der Arbeiten regelmäßig nicht vollständig erfasst werden kann und spätere Änderungen, Ergänzungen und Korrekturen meist unumgänglich sind.

Diese Handhabung trägt aber auch den Interessen aller Wohnungseigentümer und damit auch denen der Kläger an einer zügigen Umsetzung der Sanierungsmaßnahme Rechnung. Denn der Beschluss über eine Sonderumlage dient – ebenso wie der Beschluss nach § 28 Abs. 1 WEG – dazu, der Gemeinschaft die zur Bewirtschaftung des Grundstücks erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Nur wenn diese Mittel verfügbar sind und die Finanzierung gesichert ist, wird die Beklagte in die Lage versetzt, die ihr nach §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG gegenüber allen Wohnungseigentümern obliegende Verpflichtung zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ordnungsgemäß zu erfüllen (vgl. BGH v. 1.6.212 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797, Rn. 23; BGH v. 10.7.2020 – V ZR 178/19, WuM 2020, 595, 599, Rn. 33). Die endgültige Klärung der Frage, nach welchem Verteilungsschlüssel die tatsächlich angefallenen Kosten auf die Wohnungseigentümer zu verteilen sind, bleibt demgegenüber der späteren Abrechnung vorbehalten, zumal bei umfangreichen Baumaßnahmen wie im Streitfall erst dann endgültig feststeht, welche Arbeiten zur Behebung des Instandsetzungsbedarfs tatsächlich erforderlich waren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 und 2 ZPO und trägt dem Umstand Rechnung, dass der angefochtene Beschluss Beitragspflichten der Kläger in unterschiedlicher Höhe begründet. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision hat die Kammer nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

 

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