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WEG – Beseitigung eines eigenmächtig errichteten Sichtschutzes

LG Hamburg – Az.: 318 S 45/18 – Urteil vom 30.10.2019

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 09.04.2018, Az. 22a C 116/17, wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten der I. Instanz tragen die Kläger 13 % und die Beklagte 87 %. Die Kläger haben zudem die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für die I. Instanz auf 5.750,00 € und für das Berufungsverfahren auf 750,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft W. … in H.. Sie streiten in der Berufungsinstanz noch über das klägerische Beseitigungsbegehren gegenüber der Beklagten hinsichtlich einer von dieser errichteten Sichtschutzwand.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat mit seinem 09.04.2018 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen, soweit die Kläger beantragt hatten, die Beklagte zu verurteilen, den seitlich an der Terrasse aus Holz hergestellten Sichtschutz in einer Höhe und Tiefe von ca. 1,50 m auf eigene Kosten zu beseitigen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet. Ein Beseitigungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte gemäß §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3, 14 Ziff. 1 WEG bestehe nicht. Es fehle an einer Beeinträchtigung der Kläger i.S.d. § 14 Ziff. 1 WEG. Der Terrassenbereich sei optisch weitgehend dem Anblick entzogen durch die grünen Sträucher und Büsche, die davor gepflanzt seien, und zwar auf der kompletten Breitseite des Gebäudes, also nicht nur im Bereich der Wohnung der Beklagten. Ein verkehrsüblicher seitlicher Sichtschutz vermöge berechtige Interessen der Kläger nicht zu beeinträchtigen. Durch einen derartigen Sichtschutz werde das Erscheinungsbild des Gesamtgebäudes nicht nachhaltig verändert. Der Sichtschutz sei zum einen kaum wahrnehmbar und zum anderen aufgrund seiner verkehrsüblichen Beschaffenheit auch nicht negativ wahrnehmbar. Zu Unrecht gingen die Kläger davon aus, dass es bei der Beurteilung des Sichtschutzes darauf ankäme, wie sich die Sachlage ohne Büsche und Sträucher darstellen würde. Die Gartenanlage habe insgesamt ein Gepräge durch Büsche und Sträucher vor den Terrassen erhalten, nicht nur auf der Höhe der Einheit der Beklagten.

WEG - Beseitigung eines eigenmächtig errichteten Sichtschutzes
(Symbolfoto: Beekeepx/Shutterstock.com)

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.05.2018 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem am 07.06.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 28.06.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Kläger tragen vor, dass sich der Sichtschutz auf der Gemeinschaftsfläche befinde. Die Beklagte habe die Sichtschutzwand neu errichtet. Der Sichtschutz verändere das Erscheinungsbild des Gesamtgebäudes nachteilig. Der Anspruch ergebe sich zudem aus dem Gesamtzusammenhang der Terrassenerweiterung, Neuerrichtung der Sichtschutzwand und der Neubepflanzung als bauliche Veränderung.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 09.04.2018, Az.: 22a C 116/17, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den seitlich an der Terrasse aus Holz hergestellten Sichtschutz in einer Höhe und Tiefe von ca. 1,50 m auf eigene Kosten zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil bzgl. der erfolgten Klageabweisung. Ein Sichtschutz bestehe bereits mehr als 40 Jahre. Der „alte“ Sichtschutz sei vor mehr als 18 Jahren durch ein lediglich im Muster leicht abweichendes Element ausgetauscht worden. Lediglich für die Dauer eines im Jahr 2016 vorgenommenen Austausches der Terrassenplatten sei das Sichtschutzelement kurzfristig abgenommen und danach an der gleichen Stelle in der gleichen Weise wieder aufgestellt worden. Der Sichtschutz sei nur für kurze Zeit zu sehen gewesen. Inzwischen werde er durch den Kirschlorbeer fast vollständig verdeckt. Zudem befinde sich der Sichtschutz auf einer ihr als Sondernutzung zugewiesenen Fläche. Ein etwaiger Anspruch der Kläger sei verwirkt, jedenfalls verjährt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

1.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Kläger verfügen insbesondere auch über die notwendige Beschwer (§ 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO).

Maßgebend für den Wert des Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist das Interesse der Kläger an der Abänderung des angefochtenen Urteils; dieses ist grds. unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren allein auf die Person des Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen. Entscheidend ist der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Ohne Bedeutung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 19.06.2013 – V ZB 182/12, Rn. 7, zitiert nach juris). Wird nach dem klägerischen Vortrag – wie vorliegend – das gesamte Gebäude optisch erheblich verändert, ist jedoch auch das ideelle Interesse des Klägers an der Gebäudegestaltung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 21.06.2018 – V ZB 254/17, Rn. 9, zitiert nach juris). Das ideelle Interesse der Kläger an der Beseitigung der Sichtschutzwand schätzt die Kammer vorliegend auf 1.000,00 €.

2.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht Hamburg die Klage auf Beseitigung des streitgegenständlichen Sichtschutzes abgewiesen.

Den Klägern steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Beseitigung der Sichtschutzwand nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG zu.

Zwar stellt der von der Beklagten errichtete Sichtschutz eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG dar, der die übrigen Wohnungseigentümer nicht zugestimmt haben.

Die Kläger werden durch den Sichtschutz aber nicht über das in § 14 Ziffer 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, so dass eine Zustimmung nicht erforderlich war. Ein Nachteil im Sinne dieser Vorschrift ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, wobei die Schwelle insgesamt eher niedrig anzusetzen ist. Es bedarf einer konkreten und objektiven Beeinträchtigung, wobei es entscheidend darauf ankommt, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (std. Rspr.; siehe etwa nur BGH, Urteil vom 08.04.2011 – V ZR 210/09, Rn. 5 m.w.N., zitiert nach juris).

Die Kläger können sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass durch den Sichtschutz der optische Gesamteindruck der Wohnanlage erheblich verändert werde.

Geht mit der Maßnahme eine erhebliche optische Veränderung des gesamten Gebäudes einher, ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich. Denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht (BGH, Urteil vom 14.12.2012 – V ZR 224/11, Rn. 5 zitiert nach juris).

Ob mit der streitgegenständlichen Sichtschutzwand eine optische Veränderung des gesamten Gebäudes einhergeht, kann dahin gestellt bleiben. Entscheidend ist, dass die optische Veränderung von außen sichtbar ist. Von einer erheblichen bzw. nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks kann daher nur ausgegangen werden, wenn sie von außen, beispielsweise von der Straße, vom Hof oder Garten aus sichtbar ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.2009 – I-15 Wx 15/09, 15 Wx 15/09, ZMR 2010, 389, Rn. 17; OLG Köln, Beschluss vom 12.01.2000 – 16 Wx 149/99, Rn. 7 zitiert jeweils nach juris; Vandenhouten in: Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 22 Rn. 102). An einer von außen wahrnehmbaren optischen Veränderung des gesamten Gebäudes fehlt es hier. Insoweit teilt die Kammer zunächst die Auffassung des Amtsgerichtes, dass es auf die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse ankommt und nicht darauf, wie sich die Sachlage ohne Büsche und Sträucher darstellen würde. Es kann daher offen bleiben, ob den Klägern ein Beseitigungsanspruch im Hinblick auf die von der Klägerin vor ihrer Terrasse gepflanzten Büsche und Sträucher zusteht. Die Sichtschutzwand wird – wie sich mit den Anlagen B 2 (Bl. 45 f. d.A.) und B 6 (Bl. 167 d.A.) eingereichten aussagekräftigen Lichtbildern ergibt – verdeckt und ist daher von außen so gut wie nicht sichtbar. Die Sichtbarkeit aus der Luft reicht insoweit nicht aus (BayObLG, Beschluss vom 26.07.2001 – 2Z BR 73/01, Rn. 26, zitiert nach juris; Vandenhouten in: Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O.).

Ein Nachteil nach § 14 Ziffer 1 WEG besteht auch nicht deshalb, weil es durch die Sichtschutzwand zu einer Erschwerung von Sanierungsarbeiten an der Gebäudefassade kommen könnte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 07.02.2014 – V ZR 25/13, Rn. 11, zitiert nach juris). Dies haben die Kläger nicht (hinreichend) dargetan. Sie sind insbesondere dem Vortrag der Beklagten, dass der Sichtschutz lediglich mit einem Seil an der Regenrinne befestigt sei, nicht entgegengetreten.

Warum sich ein Beseitigungsanspruch aus dem Gesamtzusammenhang der Terrassenerweiterung, Neuerrichtung der Sichtschutzwand und der Neubepflanzung als bauliche Veränderung ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Vorliegend handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Sache hat daher keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.

Die Entscheidung über den Streitwert für das Berufungsverfahren beruht auf § 49a GKG. Maßgeblich ist das hälftige Gesamtinteresse, das sich anhand des (hälftigen) klägerischen Interesses an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse der Beklagten, keinen Rückbau vornehmen zu müssen, bemisst (BGH, Beschluss vom 17.11.2016 – V ZR 86/16, Rn. 5, zitiert nach juris). Das Interesse der Klägerin auf Beseitigung des Zaunes schätzt die Kammer auf 1.000,00 €. Das Interesse der Beklagten, die Rückbaukosten zu vermeiden, schätzt die Kammer auf 500,00 €. Das hälftige Gesamtinteresse beträgt danach € 750,00. Daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten; diese sind eingehalten.

Die Kammer hat ferner von § 63 Abs. 2 Nr. 2 GKG Gebrauch und den Streitwert für die I. Instanz unter Berücksichtigung dem erstinstanzlich auch streitgegenständlichen Beseitigungsbegehren der Kläger bzgl. der von der Beklagten errichteten Pflanzenkübeln/Mauer auf insgesamt 5.750,00 € festgesetzt. Dies führt zu Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung (vgl. hierzu Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 308 Rn. 9).

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