Geruchsbelästigung durch Nachbarwohnung – Mieter haben Anspruch auf Mangelbeseitigung und Mietminderung.
Die Kläger haben erfolgreich vor Gericht gegen ihre Vermieterin geklagt. In ihrer Wohnung drangen trotz geschlossener Türen und Fenster penetrante Kochgerüche aus der darunterliegenden Wohnung ein. Die Belästigung war besonders intensiv im Schlafzimmer, wo die Gerüche massiv die Nachtruhe der Mieter störten. Das Gericht hat mittels eines Gutachtens bestätigt, dass die Geschossdecke zwischen den Wohnungen undicht ist und somit der Mangel vorliegt. Die Mieter haben daher einen Anspruch auf Mangelbeseitigung und Mietminderung von 10 % seit dem 01.07.2020. Die Vermieterin hatte die Durchführung von Arbeiten behauptet, konnte dies aber nicht substantiiert darlegen. Eine höhere Mietminderung von 15 % wurde nicht für angemessen gehalten, da die Belästigung nicht durchgängig, sondern nur temporär auftritt und nicht die gesamte Wohnung betrifft. Der Vorrang einer Leistungsklage für die Bezifferbarkeit der Forderung besteht nicht, wenn der Anspruch noch nicht abschließend beziffert werden kann.
AG Berlin-Mitte – Az.: 122 C 156/21 – Urteil vom 13.10.2022
1. Die Beklagte werden verurteilt, in der Wohnung …, folgenden Mangel zu beheben: In das Schlafzimmer dringen durch in der Decke befindliche Öffnungen Gerüche, die von Kochvorgängen und Speisenzubereitungen in der direkt darunter belegenen Wohnung stammen.
2. Es wird festgestellt, dass die Kläger gegenüber der Beklagten ab dem 01.07.2020 berechtigt sind, die für die Wohnung in der …, vereinbarte Bruttowarmmiete wegen der durch den im Tenor zu 1. beschriebenen Mangel verursachten Gebrauchsbeeinträchtigung bis zu dessen Behebung um 10 % zu mindern.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu 5/6 zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
6. Der Streitwert wird auf € 2.831,28 (jeweils € 1.415,64 für die Klageanträge zu 1. und zu 2.) festgesetzt.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 10.10.2001, bezüglich dessen Inhalts auf Bl. 5 ff. d.A. Bezug genommen wird, mieteten die Kläger eine Wohnung der Beklagten. Die Bruttowarmmiete liegt derzeit bei € 786,44. Unter dem Schlafzimmer der klägerischen Wohnung befindet sich die Kochstelle der darunter liegenden Wohnung. Mit E-Mails vom 08.02. und 22.02.2019 sowie 15.03. und 22.04.2020 rügten die Kläger erfolglos einen Mangel in Form einer Geruchsbelästigung aus der unter ihnen liegenden Wohnung.
Die Kläger behaupten, durch die Altbaudecke zur darunter liegenden Wohnung würden in die Wohnung der Kläger trotz geschlossener Türen und Fenster Kochgerüche dringen. Die eindringenden Gerüche würden massiv den Wohngebrauch, insbesondere die Nachtruhe der Kläger stören, zumal der Bewohner der unteren Wohnung sehr häufig zur Nachtzeit kochen würde. Die Gerüche seien so penetrant und intensiv, dass sie nichts mit einem sozialadäquaten Kochverhalten zu tun hätten. Der Geruch sei so extrem, als würde man direkt neben dem Herd stehen. Eine Minderung der Miete in Höhe von 15% sei angemessen.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte zu verurteilen, in der Wohnung … folgenden Mangel zu beheben: In das Schlafzimmer dringen durch in der Decke befindliche Öffnungen Gerüche, die von Kochvorgängen und Speisenzubereitungen in der direkt darunter belegenen Wohnung stammen,
2. festzustellen, dass die Kläger gegenüber der Beklagten ab 01.07.2020 berechtigt sind, die für die Wohnung … vereinbarte Bruttowarmmiete wegen der durch den im Klageantrag zu 1. beschriebenen Mangel verursachten Gebrauchsbeeinträchtigung bis zu dessen Behebung um 15 % zu mindern.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Feststellungsantrag sei unzulässig, da für den Zeitraum bis zur Anhängigkeit der Klage wegen der Bezifferbarkeit der Forderung der Vorrang der Leistungsklage bestehe. Für den Zeitraum nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung sei es dem Gericht zudem nicht möglich, Bedingungen oder abstrakte Umschreibungen zukünftiger Beeinträchtigungen zu formulieren, angesichts derer eine Minderung auch künftig im bisherigen Maß fortbestehen wird, da nicht absehbar sei, wie der untere Mieter sich künftig verhält. Die Beklagte behauptet, die Geschossdecke verhindere das Eindringen von Küchengerüchen in die klägerische Wohnung. Das Kochen – auch zur Nachtzeit – sei sozialadäquat und ein hinzunehmender vertragsgemäßer Gebrauch. Ein über das normale Kochen hinausgehendes Kochen erfolge nicht. Die von den Klägern geforderten Arbeiten seien zwischenzeitlich ausgeführt worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 19.11.2021 und 12.01.2022 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen … .
Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 16.05.2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht angesichts der zwischen den Parteien streitigen Mietminderung bezüglich der Feststellungklage ein Feststellungsinteresse der Klägerin.
Unzutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Feststellungsantrag sei unzulässig, da für den Zeitraum bis zur Anhängigkeit der Klage wegen der Bezifferbarkeit der Forderung der Vorrang der Leistungsklage bestehe. Denn dieser Vorrang besteht nicht, wenn die Forderung noch nicht abschließend beziffert werden kann, weil der anspruchsbegründende Sachverhalt sich noch in der Fortentwicklung befindet – dies gilt auch dann, wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden kann (Zöller-Greger, Kommentar zur ZPO, 31. Aufl., § 256 Rdnr. 7a).
Dem weiteren Einwand der Beklagten, für den Zeitraum nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung sei es nicht möglich, Bedingungen oder abstrakte Umschreibungen zukünftiger Beeinträchtigungen zu formulieren, angesichts derer eine Minderung auch künftig im bisherigen Maß fortbestehen wird, da nicht absehbar sei, wie der untere Mieter sich künftig verhält, ist entgegenzuhalten, dass ein Einstellen des Kochens durch den Mieter der unteren Wohnung nach der allgemeinen Lebenserfahrung kaum zu erwarten ist. Ob die Beeinträchtigung künftig auftritt, hängt daher maßgeblich davon ab, ob bauliche Mängel beseitigt werden. Dies wird vom Klageantrag hinreichend erfasst.
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1.
Die Kläger haben gegen die Beklagte gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Mangelbeseitigung dahingehend, dass in das Schlafzimmer der Wohnung durch die Geschossdecke keine Gerüche von Kochvorgängen und Speisenzubereitungen in der darunter gelegenen Wohnung mehr dringen.
a)
Die Mietsache ist mangelhaft.
Ein Mangel der Mietsache ist anzunehmen, wenn die „Ist-Beschaffenheit‟ des Objektes von den nach dem Vertrag vereinbarten Erfordernissen, der „Sollbeschaffenheit‟ der Mietsache, abweicht.
Dies kann auch bei in die Wohnung eindringenden Gerüchen der Fall sein. Die Verbreitung von Küchengerüchen stellt allein zwar noch keinen Mangel der Mietwohnung dar, auch wenn das Kochen anderer Mietvertragsparteien von einzelnen Mietern als Beeinträchtigung des Wohlbefindens wahrgenommen wird. Ein Mangel liegt aber vor, wenn es sich um eine erhebliche oder durchgängige Belastung des Geruchsempfindens handelt (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 536 Rdnr. 112).
Vorliegend haben die Kläger vorgetragen, dass die eindringenden Gerüche den Wohngebrauch massiv stören und insbesondere ihre Nachtruhe beeinträchtigen, da der Bewohner der unteren Wohnung sehr häufig zur Nachtzeit kochen würde. Die Gerüche seien so penetrant und intensiv, dass sie nichts mit einem sozialadäquaten Kochverhalten zu tun hätten, und seien so extrem, als würde man direkt neben dem Herd stehen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich eine das erträgliche Maß überschreitende Intensität der Beeinträchtigungen daraus ergeben kann, dass Mieter nachts in ihrem Schlafzimmer Geruchsbelästigungen ausgesetzt sind, die ihren Schlaf bei lebensnaher Betrachtung beeinträchtigen. Die Störung der Nachtruhe durch Gerüche stellt eine besonders intensive Beeinträchtigung des Gebrauchs der Mietsache dar, weil die Mieter ihr machtlos, nicht vorhersehbar, während der Ruhezeiten ausgesetzt sind, die – ausweislich zahlreicher gesetzlicher Regelungen – einen besonderen Schutz genießen (LG Berlin GE 2017, 1470 für Nikotingeruch).
Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das erkennende Gericht hinreichend davon überzeugt, dass die Behauptung der Kläger zutrifft und somit die Grenze des Hinnehmbaren überschritten ist. Der Sachverständige … hat in seinem schriftlichen Gutachten, dem das Gericht nach inhaltlicher Prüfung folgt, überzeugend herausgearbeitet, dass in der unteren Wohnung erzeugte Kochgerüche trotz geschlossener Fenster und Türen in die Wohnung gelangen. Im Schlafzimmer der Wohnung liegt die Akzeptanz des Geruchs im negativen Bereich und eine Nebelprobe zeigte es eine deutliche bzw. erhebliche Undichtigkeit der Geschossdecke zwischen den Einheiten. Dies führt dazu, dass die Gerüche im Schlafzimmer unter allen Bedingungen als nicht akzeptabel zu bezeichnen sind. Somit hat sich das Vorliegen eines Mangels bestätigt und den Klägern steht ein Anspruch auf Mangelbeseitigung zu.
b)
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Mangel bereits beseitigt wurde. Zwar behauptet die Beklagte, dass die von den Klägern geforderten Arbeiten zwischenzeitlich ausgeführt worden seien. Indes hat die Beklagte dies nur pauschal behauptet, was die Kläger zurecht als unsubstantiiert bezüglich des Zeitpunktes und des Inhalts der Arbeiten gerügt haben. Darüber hinaus haben die Kläger die Durchführung von Arbeiten bestritten, ohne dass die für die Mangelbeseitigung beweisbelastete Beklagte insoweit einen Beweis angeboten hätte.
2.
Darüber hinaus war festzustellen, dass die Kläger wegen des vorbezeichneten Mangels ab dem 01.07.2020 bis zur Mangelbeseitigung zur Mietminderung um 10 % berechtigt sind.
a)
Die Kläger rügten den Mangel mit E-Mails vom 08.02. und 22.02.2019 sowie 15.03. und 22.04.2020, so dass eine Minderung ab dem 01.07.2020 nicht gemäß § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist.
b)
Der Höhe nach hält das Gericht eine Minderung in Höhe von 10 % für angemessen. In der Vergangenheit wurden für ähnliche Fälle unterschiedliche Minderungsquoten gewährt (LG Stuttgart WuM 1998, 724: 20 % für Belästigungen durch Essensgerüche und Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung aufgrund von baulichen Gegebenheiten; AG Köln WuM 1990, 338: 15 % für durch einen Lüftungsschacht in die Wohnung eindringende Gerüche aus einer benachbarten Pizzabäckerei; LG Berlin NZM 2013, 727: 10 % für Rauchgeruch aus der Nachbarwohnung; AG Charlottenburg GE 2008, 1061: 10 % für eindringenden Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung; LG Berlin v. 07.10.2008, 65 S 124/08: 10 % für kalten Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung; LG Berlin NZM 2013, 727: 10 % für Rauchgeruch aus der Nachbarwohnung; AG Tiergarten MM 1994, 68: 7 % für durch den Küchenfußboden aufsteigende Essensgerüche aus anderen Wohnungen; AG Kerpen WuM 2010, 764: 5 % für Belästigung durch Zigarettenrauch aus der Nachbarwohnung; AG Lübeck WuM 2014, 138: 5 % für Rauchgeruch aus der Nachbarwohnung). Angesichts des Umstandes, dass die Belästigung vorliegend nicht durchgängig, sondern nur temporär auftritt und zudem nicht die gesamte Wohnung der Kläger erheblich betrifft, sondern nur das Schlafzimmer, andererseits dort aber sehr massiv auftritt, erscheint vorliegend eine Minderung in Höhe von 10 % ausreichend und angemessen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.