AG Köpenick, Az.: 13 C 203/15, Urteil vom 17.03.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beklagte hat von der Klägerin die im Haus … Berlin, im ersten Obergeschoss gelegene Wohnung gemietet. Die Wohnung hat eine Wohnfläche von 57,02 m². Das Haus wurde 1932 bezugsfertig, die … straße wird im Berliner Mietspiegel 2015 in der mittleren Wohnlage eingeordnet.
Mit Mieterhöhungsverlangen vom 19.6.2015 forderte die Klägerin von der Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zum 1.9.2015 in Höhe von monatlich 34,35 € auf eine Nettokaltmiete in Höhe von 350,81 €.
Die Klägerin stützte das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen auf die §§ 558 fortfolgende BGB und führte zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens aus:
„Zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete verweisen wir auf den als Anlage 2 beigefügten Auszug aus dem derzeit gültigen Mietspiegel Berlin 2015, mit dem wir dieses Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558a (2). Pkt. 1 BGB begründen, auch wenn dieser nach unserer Auffassung nicht qualifiziert im Sinne § 558 d (1) BGB ist.“
Die Klägerin ordnete die Wohnung im Mietspiegelfach E 2 ein und stellte im Schreiben vom 19.6.2015 fest, dass die von ihr mit dem Mieterhöhungsverlangen begehrte Miete von 6,26 € m² monatlich nach dem Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreite. Die Beklagte stimmt dem Mieterhöhungsverlangen nicht zu.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Mietspiegel Berlin 2015 könne nicht als Erkenntnisquelle für die Begründetheit des streitgegenständlichen Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden da der Mietspiegel 2015 kein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB sei, da er nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sei. Denn der Mietspiegel beruhe auf nicht repräsentativem Datenmaterial, verletze die Zuordnung von Wohnungen zu den Wohnlagen, zudem widerspreche die Extremwertbereinigung anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen. Auch sei die Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung in ihrer jetzigen Ausgestaltung als Schätzgrundlage für die Bestimmung der ortsüblichen Miete innerhalb der Spanne des jeweiligen Mietspiegelfeldes ungeeignet. Denn es seien lediglich ca. 30 der insgesamt über 80 wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale im Rahmen der Erstellung des Mietspiegels erhoben worden.
Gewichtige Umstände für die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete in der Orientierungshilfe, wie differenzierte Lagekriterien, seien unterrepräsentiert.
Die Ergebnisstichprobe sei zudem unzureichend, da diese nur aus 8304 Datensätzen des für den Mietspiegel relevanten Berliner Wohnungsbestandes von 1.347.700 gewonnen worden sei, was nur einer Quote von 0,62 % entspreche. Diese Mängel bei der Erstellung des Berliner Mietspiegel 2015 führten dazu, dass dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel gemäß § 558 c BGB zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden könne.
Die Klägerin stützt sich daher zum Beweis, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die Nettokaltmiete der Wohnung der Beklagten im Zeitpunkt des Zugangs des streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens mindestens 6,15 € pro Quadratmeter betrage, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens .
Die Klägerin meint, sie habe sich zur Begründung des streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens auf den Berliner Mietspiegel 2015 berufen können. Dieser sei als Begründungsmittel gemäß § 558 a Abs. 2 Nr.1 BGB zulässig. Die Beklagte sei durch das streitgegenständliche Erhöhungsverlangen in die Lage versetzt worden, sich während der Überlegungsfrist darüber schlüssig zu werden, ob sie dem Mieterhöhungsverlangen zustimme oder nicht. Das Begründungserfordernis sei ausreichend erfüllt, da der Mieter lediglich in die Lage versetzt werden müsse, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und die Berechtigung zumindest ansatzweise nachzuvollziehen.
Die Klägerin habe in dem streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Berliner Mietspiegel als Begründungsmittel ungeeignet sei, so dass das streitgegenständliche Erhöhungsverlangen formell wirksam sei.
Die Klägerin ist der Auffassung , die Begründung des Erhöhungsverlangens sei zu trennen von der Frage der Begründetheit des Zustimmungsverlangens, so dass ihre Rechtsposition, die Begründetheit des Erhöhungsverlangens nicht auf den Berliner Mietspiegel zu stützen sondern auf die Einholung eines Sachverständigengutachten, zulässig sei.
Hilfsweise trägt die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.3.2016 vor, dass die Wohnung der Beklagten in das Mietspiegelfeld E 2 des Berliner Mietspiegel 2015 einzuordnen sei. Betreffend die streitgegenständliche Wohnung sei festzustellen, dass die Merkmalgruppen Bad und Küche neutral ausfallen. Die Merkmalgruppe Wohnung falle positiv aus, da die Wohnung im Jahre 2002 mit Isolierglasfenstern ausgestattet worden sei und ein rückkanalfähiger Breitbandkabelanschluss in der Wohnung vorhanden sei, welchen die Beklagte ohne zusätzliche vertragliche Bindung mit einem Dritten nutzen könne. Ferner verfüge die Wohnung über einen Balkon mit einer Größe von ca. 8 m² sowie über einen separaten Abstellraum innerhalb der Wohnung in Form einer Speisekammer. Auch die Merkmalgruppe Gebäude verhalte sich positiv, da der Energieverbrauchswert des Gebäudes 80,1 KB kWh/qm a ) betrage wodurch zwei positive Merkmale erfüllt seien. Die Merkmalgruppe Wohnumfeld falle neutral aus, da sich die Wohnung zwar an einer Straße mit hoher Verkehrslärmbelastung befinde, jedoch eine gepflegte und sichtbegrenzend gestaltete Müllstandsfläche vorhanden sei, die nur den Mietern zugänglich sei.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die Wohnung … Berlin, 1. OG, von 316,46 € um 34,35 € auf 350,81 € mit Wirkung ab dem 1.9.2015 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Mieterhöhungsklage sei unschlüssig, da die Mieterhöhungserklärung sich auf den Mietspiegel des Landes Berlin für das Jahr 2015 stütze obwohl in der Begründung der Klage umfangreiche Ausführungen dazu gemacht werden, warum die Mieterhöhung nicht auf den Mietspiegel gestützt werden könne.
Es sei nicht zu erkennen auf welche gesetzlich vorgeschriebenen Begründungen sich die streitgegenständliche Mieterhöhung stütze.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere die gemäß § 558 b BGB einzuhaltende Klagefrist ist gewahrt.
Die auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB gerichtete Klage ist jedoch unbegründet.
Denn das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 19.6.2015 ist formell unwirksam.
Denn das Mieterhöhungsverlangen vom 19.6.2015 ist nicht ordnungsgemäß begründet.
Begründung im Sinne des § 558 a Abs.1 und Abs.2 BGB ist die Darlegung der verlangten Mieterhöhung anhand von Tatsachen. Damit soll der Mieter in die Lage versetzt werden, die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzuvollziehen. Die Begründung ist daher auf ein geeignetes Begründungsmittel zu stützen (vergleiche Palandt zu § 558 a BGB Rn. 4). In diesem müssen Tatsachen enthalten sein, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können (vergleiche BGH Urteil vom 3.2.2016 Az. VIII ZR 69/15 – zitiert nach Juris).
Mit der gesetzlich durch § 558 a BGB geforderten Begründung des Mieterhöhungsverlangens sollen dem Mieter im Interesse einer außergerichtlichen Einigung die Tatsachen mitgeteilt werden, die er zur Prüfung der vom Vermieter nach § 558 BGB begehrten Mieterhöhung benötigt. Der Mieter muss aufgrund konkreter Angaben in die Lage versetzt werden, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nachzugehen, muss dieses zumindest ansatzweise überprüfen können, um so die Entscheidung treffen zu können, ob er der begehrten Mieterhöhung zustimmen oder den Vermieter auf einen Prozess verweisen will (vergleiche BGH aaO).
Diesen rechtlichen Anforderungen genügt das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen der Klägerin 19.6.2015 nicht.
Denn zwar stützt die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen auf den Mietspiegel Berlin 2015, führt jedoch dabei aus, dass die Klägerin als Vermieterin der streitgegenständlichen Wohnung diesen Mietspiegel, welchen Sie zur Begründung heran zieht, für nicht qualifiziert im Sinne des § 558 d Abs. 1 BGB hält. Damit bringt die Klägerin explizit zum Ausdruck, dass sie sich auf ein Begründungsmittel stützt, welches nach ihrer eigenen Auffassung ungeeignet ist. Wenn jedoch der Vermieter – hier die Klägerin – selbst das herangezogene Begründungsmittel, den Berliner Mietspiegel 2015, für ungeeignet hält, die von ihr begehrte Mieterhöhung zu begründen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Mieter – hier die Beklagte – eine geeignete Tatsachengrundlage erhält für die Prüfung und Einschätzung, ob das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin begründet ist oder nicht. Die Klägerin verhält sich widersprüchlich, wenn sie die von ihr begehrte Mieterhöhung auf ein Begründungsmittel stützt, welches sie selbst für ungeeignet hält. Der durchschnittliche, juristisch nicht vorgebildete, Mieter unterscheidet nicht zwischen einem qualifizierten Mietspiegel und einem einfachen Mietspiegel.
Diese aus den rechtlichen Vorgaben der §§ 558 c BGB und 558 d BGB hergeleiteten Begrifflichkeiten sind dem durchschnittlichen Mieter nicht geläufig.
Vielmehr wird der Gebrauch des Wortes „qualifiziert“ landläufig als geeignet bzw. besonders geeignet verstanden.
Mit der Formulierung im Mieterhöhungsverlangen „auch wenn dieser nach unserer Auffassung nicht qualifiziert… ist“ wird dem Mieter somit suggeriert, dass der Vermieter den herangezogenen Mietspiegel selbst für ungeeignet hält, das Mieterhöhungsverlangen zu begründen. Dieses Verhalten der Klägerin als Vermieter ist zumindest widersprüchlich und versetzt den Mieter- hier die Beklagte – nicht in die Lage, aufgrund geeigneter Tatsachen die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu prüfen.
Die gesetzgeberische Intention, dass eine außergerichtliche Einigung aufgrund dem Mieter zugänglich gemachter Tatsachen zur Überprüfung der vom Vermieter begehrten Mieterhöhung möglich werden soll, wird dadurch konterkariert.
Vielmehr wird durch diese Formulierungen der Klägerin, mit denen das gegebene Begründungsmittel zugleich als ungeeignet dargestellt wird, der Mieter verunsichert. Dadurch besteht die Gefahr dass der Mieter in einen Prozess getrieben wird, um dort die Begründetheit der vom Vermieter begehrten Mieterhöhung prüfen zu lassen und zwar nach den Vorstellungen der Klägerin durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten im Fall der Begründetheit des Mieterhöhungsverlangen dem Mieter mit den Prozesskosten zur Last fallen. Demgegenüber fallen die Kosten der Begründung der Mieterhöhung gemäß § 558 a Abs.2 Nummer 3 BGB durch ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Klägerin als Vermieterin an.
Dieses Vorgehen der Klägerin, in dem diese zwar den Berliner Mietspiegel 2015 für ungeeignet hält, die von ihr begehrte Mieterhöhung zu begründen, die Kosten für die Heranziehung der weiteren in § 558 a Abs.2 BGB genannten Begründungsmittel jedoch nicht aufwenden will, um die von ihr begehrte Mieterhöhung zu begründen, sondern diese Kosten als im Prozess entstehende Kosten durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens – bei erfolgreicher Klage – den Mietern auferlegen zu lassen, entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben der Mieterhöhung nach den §§ 558 ff BGB.
Denn wenn die Klägerin als Vermieterin den Berliner Mietspiegel 2015 für ungeeignet hält, kann sie ein anderes Begründungsmittel heranzuziehen. § 558 a Abs. 3 5.Halbsatz BGB erlaubt dem Vermieter die Mieterhöhung auf ein anderes Begründungsmittel nach
§ 558 a Absatz 2 BGB zu stützen. § 558 a Abs. 3 BGB fordert lediglich, dass bei Vorhandensein eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne des § 558 d BGB diesbezügliche Angaben für die Wohnung vom Vermieter im Mieterhöhungsverlangen mitzuteilen sind.
Wenn die Klägerin somit der Meinung ist, dass der Berliner Mietspiegel 2015 als Begründungsmittel für die von ihr begehrte Mieterhöhung untauglich ist, so ist sie gehalten, die in § 558 a Abs. 2 Ziffer 2-4 genannten Begründungsmittel zu prüfen und die Mieterhöhung auf eines oder mehrere dieser rechtlich zulässigen Begründungsmittel zu stützen. Daneben hat sie gemäß § 558 a Abs. 3 vierter Halbsatz BGB die für die Wohnung enthaltenen Angaben im Berliner Mietspiegel 2015 im Mieterhöhungsverlangen mitzuteilen.
Diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht das streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 19.6.2015 nicht.
Vielmehr wird das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin auf ein von ihr für ungeeignet gehaltenes Begründungsmittel gestützt, so dass das Mieterhöhungsverlangen – wie oben ausgeführt – sich gemäß § 558 a BGB als nicht ordnungsgemäß begründet und damit formell unwirksam darstellt.
Auf den diesbezüglichen rechtlichen Hinweis des Gerichts in der Ladungsverfügung ist ein den Anforderungen des § 558 a BGB entsprechendes Mieterhöhungsverlangen von der Klägerin im Prozess nicht nachgeholt worden. Denn auch im Schriftsatz vom 10.3.2016 beharrt die Klägerin auf ihrer Rechtsauffassung, dass der Berliner Mietspiegel 2015 für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ungeeignet ist. Soweit sie lediglich hilfsweise auf die Erkenntnisquelle des Berliner Mietspiegels 2015 verweist, stellt dies nach Ansicht des Gerichts kein formell wirksames, den Anforderungen des § 558 a BGB genügendes, Mieterhöhungsverlangen dar. Doch selbst wenn man von einem im Prozess nachgeholten, wirksamen Mieterhöhungsverlangen auszugehen würde, hätte dieses gemäß § 558 b Abs. 3 Satz 2 BGB die Zustimmungsfrist nach § 558 b Abs. 2 Satz 1 BGB ausgelöst, welche im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen war.
Auf die inhaltliche Richtigkeit des Mieterhöhungsverlangens der Klägerin vom 19.6.2015, insbesondere auf die Frage, ob der Berliner Mietspiegel 2015 qualifiziert im Sinne § 558 d BGB ist oder – im Falle der Verneinung – jedenfalls als einfacher Mietspiegel gemäß § 558 c BGB im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO heranzuziehen ist, (vergleiche Landgericht Berlin Urteil vom 2.12.2015 Aktenzeichen 18 S 183/15 – zitiert nach Juris) kam es daher für die Entscheidung nicht an.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,708 Nummer 11,711 ZPO.