AG Hamburg-Altona, Az.: 303a C 20/12, Urteil vom 15.03.2013
1. Die auf der Eigentümerversammlung vom 05.07.2012 gefassten Beschlüsse zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2011 (TOP 3.1), zur Entlastung des Beirats für 2011 (TOP 3.2), zur Entlastung des Verwalters für 2011 (TOP 3.3), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2006 (TOP 3.4a), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2007 (TOP 3.4b) und zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2008 (TOP 3.4c) werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen.
Die Parteien sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft …, … Hamburg,
Der Kläger hatte das Haus 2004 zu Alleineigentum erworben, in den Jahren 2004/2005 kernsaniert, parallel nach Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt und ab 2005 sämtliche Einheiten bis auf eine veräußert. Die Wohnungseigentümergemeinschaft existiert seit 2005, sie hat 8 Wohnungs- und 2 Sondereigentümer, wobei dem Kläger nur noch die Einheit Nr. 9 n gehört, die er zum Betrieb eines Cafes vermietet hat.
Auf der Eigentümerversammlung am 05.07.2012 fassten die Miteigentümer verschiedene Beschlüsse zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2011 (TOP 3.1), zur Entlastung des Beirats für 2011 (TOP 3.2), zur Entlastung des Verwalters für 2011 (TOP 3.3), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2006 (TOP 3.4a), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2007 (TOP 3.4b) und zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2008 (TOP 3.4c), die der Kläger mit dieser Klage an ficht.
Auf das Protokoll vom 05.07.2012 (Anlage K 10, Blatt 54 ff der Akte) wird ergänzend Bezug genommen.
Mit der Einladung zur Eigentümerversammlung, welche am 22.06.2012 bei dem Kläger einging, übersandte die Verwaltung einen Entwurf einer Jahresabrechnung 2011, von der der Kläger die sein Sondereigentum betreffende Abrechnung erhielt. Die Abrechnung bestand aus der Jahresabrechnung 2011 vom 16.06.2012 (vergleiche Anlage K1a, Blatt 19ff der Akte), der Heizkostenabrechnung 2011 (vergleiche Anlage K1b, Blatt 22ff der Akte) und der Anlage zur Jahresabrechnung (vergleiche Anlage K1c, Blatt 24 der Akte).
Wenige Tage später äußerte der Kläger gegenüber der Verwaltung eine Reihe von Kritikpunkten an der ihm übersandten Abrechnung. Daraufhin erhielt er von der Verwalterin bei der Eigentümerversammlung am 05.07.2012 eine korrigierte Jahresabrechnung vom 05.07.2012 bezüglich seiner Einheit (vergleiche Anlage K2, Blatt 25 ff der Akte).
Den übrigen Miteigentümern wurden keine korrigierten Abrechnungen überreicht.
Der Kläger behauptet, sowohl die ursprüngliche als auch die korrigierte Abrechnung 2011 seien in sich nicht stimmig und schon deshalb insgesamt für ungültig zu erklären.
Überdies habe er-der Kläger- seine Stimme zu einer Abrechnung abgegeben, die unter Ziffer 5 (Gesamtwerte der Abrechnung) Gesamteinnahmen aus Vorauszahlungen in Höhe von 45.318,38 € anführe, während die übrigen Eigentümer ihre Stimme zu einer Abrechnung abgegeben hätten, die an entsprechender Stelle einem Betrag von 44.774,99 € nenne. Dieser unterschiedlichen Angaben würden sich dadurch erklären, dass die erste Abrechnung-unstreitig-zu wenig Vorauszahlungen des Klägers berücksichtigt habe, was dann rechtzeitig vor der Versammlung in der ihn betreffenden Abrechnung korrigiert worden sei, aber nicht in den Abrechnungen der anderen Eigentümer.
Diese fehlende inhaltlicher Deckungsgleichheit setze sich hinsichtlich der Positionen „Gesamteinnahme aus direkt zugeordneten Posten“, „Saldo Ausgaben-Einnahmen“, „Summe der Nachzahlungen aus der Abrechnung“, „Summe der Guthaben aus der Abrechnung“ und „Saldo Abrechnung“ fort.
Letztlich enthalte die Abrechnung unter einzelnen Abrechnungspositionen Fehler, die er-der Kläger- ebenfalls rüge.
Betreffend die drei Abrechnungen 2006, 2007 und 2008 fehle es unstreitig an den notwendigen Angaben zum Anfangs- und Endstand der Gemeinschaftskonten und die Erläuterung der Kontoentwicklung.
Der Kläger beantragt, die auf der Eigentümerversammlung vom 05.07.2012 gefassten Beschlüsse zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2011 (TOP 3.1), zur Entlassung des Beirates für 2011 (TOP 3.2), zur Entlastung des Verwalters für 2011 (TOP 3.3), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2006 (TOP 3.4a), zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2007 (TOP 3.4b), und zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2008 (TOP 3.4c) für ungültig zu erklären.
Die Beklagten haben die Anträge des Klägers betreffend die Jahresabrechnungen 2006-2008 (TOP 3.4a- 3.4c) anerkannt.
Im Übrigen beantragen die Beklagten, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die beschlossene Gesamtjahresabrechnung 2011 ergebe sich aus der Anlage B1 (Blatt 77-87 der Akte), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Diese Gesamtabrechnung habe der Gemeinschaft am 05.07.2012 Vorgelegen und sei zuvor vom Beirat geprüft worden und die in der Einzelabrechnung des Klägers vorgenommenen Veränderungen seien den versammelten Miteigentümern erläutert worden.
Die Korrektur der Einzelabrechnung des Klägers habe lediglich die Einstellung des Betrages von € 511,28 aus dem Jahre 2008 sowie eine Umbuchung der geleisteten Vorauszahlungen auf Hausgeld und Sonderumlage betroffen.
Beide Korrekturen hätten bis auf die geänderte Ausweisung der Gesamteinahmen von € 44.774, 99 auf € 45.318,38 keine Auswirkungen auf die Einzelabrechnungen der anderen Eigentümer gehabt.
Diese Änderung habe die Verwaltung im Rahmen der Versammlung mitgeteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 43 Nr 4 WEG zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet.
Dies ergibt sich hinsichtlich der Beschlüsse betreffend die Einzel- und Gesamtjahresabrechnungen der Jahre 2006-2008 bereits aus dem Anerkenntnis der Beklagten.
Hinsichtlich der übrigen angefochtenen Beschlüsse betreffend die Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2011, der Entlastung des Beirats für 2011 und der Entlastung der Verwaltung für 2011 folgt dies daraus, dass die Beschlussfassungen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
Denn die Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2011 ist in sich nicht stimmig, teilweise nicht nachvollziehbar und überdies geht das Gericht davon, dass den Miteigentümern bei der Eigentümerversammlung am 05.07.2012 jeweils Abrechnungen Vorlagen, die in Punkten, in denen sie deckungsgleich hätten sein müssen, nicht vollständig deckungsgleich waren.
Gemäß § 28 Abs. 3 WEG muss die Verwaltung eine geordnete, übersichtliche Einnahmen- und Ausgabenrechnung nach Ablauf des Kalenderjahres vorliegen, welche auch Angaben betreffend die gebildeten Rücklagen enthält.
Dem Wohnungseigentümer muss dieser Abrechnung auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein. Eine Abrechnung genügt diesen Anforderungen nur, wenn sie die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben ausweist und betreffend die Instandhaltungsrücklage die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Rücklage als Einnahmen darstellt und zusätzlich auch die geschuldeten Zahlungen angibt.
In der Jahresabrechnung sind zwingend die Kontenstände der Gemeinschaftskonten für den Anfang und für das Ende des Abrechnungszeitraumes anzugeben, denn nur so kann der Wohnungseigentümer überprüfen, ob die in der Abrechnung aufgelisteten Ausgaben und Einnahmen mit der Realität, d.h. mit der Entwicklung des Gemeinschaftskontos übereinstimmen.
Die Ungültigkeit der Beschlüsse ergibt sich bereits daraus, dass für das Gericht im vorliegenden Rechtsstreit nicht einmal nachvollziehbar ist, welche Jahresabrechnung den Miteigentümern bei der Beschlussfassung tatsächlich vorgelegen haben soll.
Die von der Beklagten als Anlage B1 eingereichte Jahresabrechnung weist zum einen verschiedene Daten, nämlich den 30.8.2012 und dann den 05.07.2012 (betreffend die umgelegten Konten) auf und entspricht überdies nicht der normalen Form einer Gesamtjahresabrechnung, sondern vielmehr eine Aufstellung der Verwaltung, welche zur Vorbereitung der Erstellung der Gesamtjahresabrechnung erfolgt sein könnte.
Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, was der Beschlussfassung zugrundelag und warum die Abrechnung, die nach den Angaben der Verwaltung nach der Versammlung als korrigierte Abrechnung an die jeweiligen Eigentümer übersandt worden sein soll (vergleiche Anlage B 2, Blatt 88 ff der Akte), den anwesenden Eigentümern nicht bereits unmittelbar vor Beginn der Versammlung ausgehändigt worden ist, wie es im Verhältnis zum Kläger-unstreitig-geschehen ist.
Sofern die Verwaltung einwendet, die in der Einzelabrechnung des Klägers vorgenommenen Veränderungen seien den versammelten Miteigentümern erläutert worden, ist dies zum einen unsubstantiiert und zum anderen findet sich diesbezüglich keinerlei Angabe im Protokoll betreffend die durchgeführte Eigentümerversammlung.
Wenn sich in einer Eigentümerversammlung Korrekturbedarf hinsichtlich der als Entwurf vom Verwalter vorgelegten Abrechnungen ergibt, müssen diese Korrekturen in dem Beschluss aufgenommen werden, damit jeder Eigentümer anhand des ursprünglichen Entwurfs und des anschließenden Beschlusstextes überprüfen kann, ob die beschlossenen Korrekturen dann auch in die zu überarbeitende Fassung der Abrechnungen eingeflossen sind.
Nach den für Beschlüsse geltenden Auslegungsgrundsätzen ist hier davon auszugehen, dass die bis zur Versammlung vorgelegten Abrechnungen genehmigt wurden und es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass nicht die Abrechnung beschlossen worden sein soll, die den Eigentümern vor der Versammlung vorlag, selbst wenn hierüber in der Versammlung gesprochen worden sein sollte.
Vor allem die Eigentümer, die auf der Versammlung nicht anwesend waren, sind nicht in der Lage anhand des getroffenen Beschlusses zu erkennen, dass nicht die Abrechnung beschlossen worden sein soll, die ihnen vor der Versammlung vorlag.
Weiterhin ist anzumerken, dass in der Anlage B1 einzelne Kostenpositionen auftauchen, die weder in der ursprünglichen Jahresabrechnung 2011 vom 16.06.2012 noch in der korrigierten Jahresabrechnung vom 05.07.2012 betreffend den Kläger erscheinen, wohingegen diese Positionen in der nach der Versammlung gefertigten, korrigierten Jahresabrechnung vom 05.07.2012 betreffend die übrigen Wohnungseigentümer (Anlage B2, Blatt 88ff der Akte) genannt werden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen vorgetragen, dass ihm nach der Versammlung keine weitere korrigierte Fassung übersandt worden sei.
Die Beklagten räumen ein, dass die Zwischensummen der drei Gruppen in der Auflistung der „Ausgaben/Einnahmen“ falsch sind. Auch wenn dies Positionen betreffen sollte, an denen der Kläger nicht zu beteiligen ist, müssen diese Kostenpositionen auch in der Abrechnung des Klägers auftauchen, da es ansonsten an einer Überprüfbarkeit der Abrechnung fehlt.
In der Anlage B2 wird als Zwischensumme zur Position „3) Sonstige Kosten“ ein Betrag in Höhe von 15.843,09 € genannt während sich aus der korrigierten Abrechnung betreffend den Kläger insoweit nur 15.648,17 € ergeben.
Zur Gesamtsumme aus diesem Zwischensummen werden zwei unterschiedliche Beträge genannt, nämlich einerseits 37.300,90 € und andererseits 37.495,82 €.
Weiterhin ergeben sich Kritikpunkte, da von den Kosten „Aufzugstelefon“ nur 75 % umgelegt werden, die Ausgaben und Einnahmen gemäß Abrechnung sich nicht mit der in der Abrechnung dargestellten Kontoentwicklung decken und es zudem – auch wenn es sich um ein geringen Betrag handelt – widersprüchlich ist, wenn es in der Abrechnung der Rücklage zum einen heißt, es seien 5,61 € weniger eingezahlt worden als tatsächlich geschuldet, es andererseits aber auch heißt, dass es keine offenen Salden geben würde.
Da die vom Beirat geprüfte Abrechnung fehlerhaft ist und nach Auffassung dieses Gerichtes geändert werden muss, entsprach auch der Beschluss zur Entlassung des Beirates für 2011 zu TOP 3.2 nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Beirat nach § 29 Abs.3 WEG die Jahresabrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Miteigentümer genau zu prüfen hat, um Fehler aufzudecken.
Auch der Beschluss zu TOP 3.3 betreffend die Entlastung des Verwalters für 2011 entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da zum einen nicht klar ist, welche Abrechnung den Eigentümern zum Zeitpunkt der Beschlussfassung überhaupt Vorgelegen hat, die Abrechnung in verschiedenen Punkten fehlerhaft ist und letztlich nur gegenüber einem Miteigentümer, nicht aber gegenüber allen Miteigentümern vor der Beschlussfassung geändert worden ist.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.