AG Konstanz – Az.: 11 C 55/19 – Urteil vom 05.09.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag Zustimmung zur Mieterhöhung.
Die Klägerin ist Vermieterin der von den Beklagten innegehaltenen Wohnung, welche nicht preisgebunden ist. Die monatliche Miete ist seit mehr als 15 Monaten unverändert. Am 27.08.2018 wurden die Beklagten zur Zustimmung zur Anhebung der Miete von zurzeit 493,50 EUR auf 575,88 EUR aufgefordert. Zur Begründung des Erhöhungsverlangens wurde auf ein Gutachten Bezug genommen. Die Beklagten haben nicht zugestimmt.
Die Klägerin trägt vor, der Mieterhöhungsanspruch sei begründet., weil die verlangte neue Miete die ortsübliche Miete für vergleichbaren Wohnraum nicht übersteige.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von ihnen bei der Klägerin gemietete Wohnung im Hause Unterseestr. 3, 78479 Reichenau von zurzeit 493,50 EUR monatlich um 82,38 EUR monatlich auf 575,88 EUR monatlich ab dem 01.11.2018 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen, die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten tragen vor, das Gutachten sein insgesamt völlig unkonkret und rechtfertige nicht die verlangte Mieterhöhung. Es enthalte lediglich generelle Beschreibungen. Das Ergebnis der Recherche, die Spanne von 6,00 EUR bis 9,50 EUR/m² monatlich werde in der Herleitung in keiner Weise nachvollziehbar dargestellt. Das Gutachten erfülle in keiner Weise wissenschaftliche Standards.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, indem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen muss der Vermieter nach § 558a BGB in Textform erklären und begründen. Nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB kann zur Begründung Bezug genommen werden auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Liegt kein in formeller Hinsicht wirksames Mieterhöhungsverlangen vor, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Die formalen Mindestanforderungen an ein Sachverständigengutachten zur Mieterhöhung sind vorliegend nach Auffassung des Gerichts nicht erfüllt.
Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens zu einem Mieterhöhungsverlangen ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und dieses – zumindest ansatzweise – selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilenden Wohnungen in das örtliche Preisgefüge einordnen (BGH, NJW 2018, 2792). Der Gutachter muss dabei die Herangehensweise bei der Ermittlung und Auswertung der Daten darlegen. Bei der Frage der Richtigkeit des Gutachtens handelt es sich um eine Frage der materiellen Begründetheit, nicht der formellen Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens. Dem Mieter sollen Tatsachen mitgeteilt werden, die er zur Prüfung einer vom Vermieter begehrten Mieterhöhung benötigt (BGH, NJW-RR 2010, 1162). Der Sachverständige muss eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen. Eine Besichtigung der konkreten Wohnung des Mieters ist nicht erforderlich. Bei Wohnanlagen genügt die Besichtigung des gleichen Typs (Typengutachten). Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in einer Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart wurde. § 558 BGB verlangt für die Ermittlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete, dass die Wohnungen in Art, Lage, Ausstattung, Größe und Beschaffenheit vergleichbar sind. Einzelne Unterschiede können durch Zu- oder Abschläge ausgeglichen werden.
Diesen Anforderungen genügt das Sachverständigengutachten nicht. Zwar beschreibt die Sachverständige grob die Typisierung der streitgegenständlichen Wohnung mit „Gemeindegebiet von Reichenau“ sowie „gute bis mittlere Wohnlage“. Dann wird die Entfernung vom „Zentrum“ mit 5,2 km angegeben, die Entfernung vom Bahnhof mit 500 m. Die typisierten Wohnungen werden grob mit Quadratmeteranzahl, Zimmeranzahl und Baujahr beschrieben. Im übrigen macht die Sachverständige allgemein gehaltene Ausführungen, die für eine Vielzahl von Fällen gelten dürften. Sie ermittelt im Folgenden eine ortsübliche Miete zwischen 6,00 und 9,50 EUR/qm und nennt vier Wohnungen exemplarisch mit den jeweiligen Mietpreisen innerhalb dieser Spanne. Unter „Vorgehensweise bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ führt sie aus, die Vergleichswohnungen befänden sich „im Bereich der Gemeinde Reichenau in einer vergleichbaren Lage“. Hierbei sei die Lage im Gemeindegebiet, die Entfernung zum Zentrum und die Entfernung zu Geschäften des täglichen Bedarfes berücksichtigt worden.
Diese Ausführungen versetzen den Empfänger des Mieterhöhungbegehrens in keiner Weise in die Lage, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese – zumindest ansatzweise – selbst zu überprüfen. Die Sachverständige hat mittels dieser Ausführungen auch nicht die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge eingeordnet. Die Wohnstruktur der Gemeinde Reichenau ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Gemeindegebiet aus drei völlig unterschiedlichen Teilen zusammensetzt. Zum einen gibt es den Teil auf der Insel, Weltkulturerbe, mit Blick auf den Seerhein, das Schweizer Ufer, die Höri und den Gnadensee. Hier handelt es sich um eine sehr privilegierte Wohnlage. Einen völlig anderen Charakter haben die beiden anderen Gemeindeteile, die sich am Festland befinden. Die Waldsiedlung ist ein familiäres Gebiet, das sich in der Miete eines Waldstückes befindet. Der Lindenbühl ist ein Gemeindeteil direkt im Anschluss an Konstanz/Wollmatingen in unmittelbarer Nähe zu einem psychiatrischen Landeskrankenhaus. Die Sachverständige macht keinerlei Ausführungen dazu, in welchem Gemeindeteil sich die Vergleichswohnungen befinden. Sie führt lediglich aus, die Wohnungen seien im Bereich der Gemeinde Reichenau in einer „vergleichbaren Lage“ gelegen. Die Sachverständige unterlässt es schon, das vorliegend durch drei völlig unterschiedliche Gemeindeteile gekennzeichnete Preisgefüge überhaupt darzustellen; noch weniger wird die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge eingeordnet. Hierzu müsste auf die völlig unterschiedlich gestalteten Gemeindeteile zumindest eingegangen werden, die Unterschiede herausgearbeitet werden und eine Einordnung der Wohnung erfolgen.
Bei Betrachtung nach der gesetzlichen Zielsetzung muss sich das Mieterhöhungsbegehren mittels Gutachten in eine Reihe stellen lassen mit der Begründung durch Mietspiegel oder konkrete Vergleichswohnungen. Der Mietspiegel beruht auf städtischer Datensammlung, die Vergleichswohnungen existieren konkret. Ersatzweise stützt sich das Gutachten, was ebenfalls zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens dienen kann, auf die Expertise eines Sachverständigen. Dies setzt ein Mindestmaß an Empirie voraus, welche das vorgelegte, hauptsächlich aus Textbausteinen bestehende Gutachten vermissen lässt. Im Ergebnis erfüllt das Gutachten demgemäß die formellen Anforderungen nicht, so dass das Mieterhöhungsverlangen als unzulässig abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 8, 711 ZPO.