Kündigungsschutz und Hausfrieden: Ein Blick auf die Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung in Mietverhältnissen
Die Entscheidung des Landgerichts Kassel (Az.: 1 S 17/18) vom 20.02.2018 befasst sich mit der fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Bedingungen eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrags rechtens ist. In diesem Fall hatte die Klägerin, die Vermieterin, dem Beklagten, dem Mieter, fristlos gekündigt, nachdem dieser die Wohnungseingangstür eines Mitmieters mit einem Holzhammer beschädigt hatte. Das Gericht musste abwägen, ob die Kündigung sowohl formal als auch materiell-rechtlich wirksam ist und ob die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt wurden.
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Übersicht
- 1 Kündigungsschutz und Hausfrieden: Ein Blick auf die Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung in Mietverhältnissen
- 1.1 Formalien und Begründung der Kündigung
- 1.2 Materielle Rechtmäßigkeit der Kündigung
- 1.3 Berücksichtigung besonderer Umstände
- 1.4 Soziale Aspekte und Obdachlosigkeit
- 1.5 Schlussbetrachtung: Recht zur Vertragsbeendigung
- 1.6 Fristlose Kündigung wegen Sachbeschädigung: Was tun, wenn psychische Erkrankungen im Spiel sind?
- 2 Das vorliegende Urteil
Formalien und Begründung der Kündigung
Das Gericht stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung formal korrekt erfolgt war. Sie war schriftlich verfasst und ausreichend begründet. Der Kündigungsgrund – die Beschädigung der Wohnungseingangstür eines Mitmieters – wurde sowohl im Kündigungsschreiben als auch in der Klageschrift ausreichend dargelegt. Das Gericht sah daher keinen Anlass, die Kündigung aus formalen Gründen zu beanstanden.
Materielle Rechtmäßigkeit der Kündigung
Weiterhin prüfte das Gericht die materielle Rechtmäßigkeit der Kündigung. Es wurde festgestellt, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vorlag. Die Beschädigung der Tür stellte eine gravierende Verletzung der mietvertraglichen Pflichten und eine erhebliche Störung des Hausfriedens dar. Das Gericht führte aus, dass die Anwendung von Gewalt, insbesondere mit einem gefährlichen Werkzeug wie einem Holzhammer, die Kündigung rechtfertigt.
Berücksichtigung besonderer Umstände
Das Gericht ging auch auf die psychische Erkrankung des Beklagten ein. Obwohl ein erhöhtes Maß an Toleranz im Umgang mit psychisch und suchtkranken Menschen gefordert sei, könne dies das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes nicht entkräften. Die Gefahr, dass der Beklagte erneut die Kontrolle verliere, sei nicht auszuschließen, und dies sei der Klägerin nicht zuzumuten.
Soziale Aspekte und Obdachlosigkeit
Ein weiterer Aspekt, den das Gericht berücksichtigte, war die Frage der Obdachlosigkeit. Es wurde festgestellt, dass keine Obdachlosigkeit drohe, da die Stadt eine Obdachlosenunterkunft unterhalte. Dies wurde in die Abwägung der Einzelfallumstände einbezogen.
Schlussbetrachtung: Recht zur Vertragsbeendigung
Insgesamt kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Klägerin das Recht zur Vertragsbeendigung habe. Die Kündigung war sowohl formal als auch materiell-rechtlich wirksam, und die Interessen beider Parteien wurden angemessen berücksichtigt. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung des Hausfriedens und der mietvertraglichen Pflichten im Kontext von außerordentlichen Kündigungen.
Fristlose Kündigung wegen Sachbeschädigung: Was tun, wenn psychische Erkrankungen im Spiel sind?
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Das vorliegende Urteil
LG Kassel – Az.: 1 S 17/18 – Beschluss vom 20.02.2018
Gründe
I.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, das Prozesskostenhilfegesuch sowie die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung nach Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das am 28.12.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Melsungen beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Vielmehr hat das Amtsgericht der Klage zu Recht im angefochtenen Umfang stattgegeben.
II.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteils (UA S. 2 – 3 = Bl. 67 f. d.A.) Bezug genommen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt kann dahingehend zusammengefasst werden, dass die Klägerin den Beklagten nach außerordentlich ausgesprochener Kündigung vom 26.10.2017 u. a. auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Obergeschoss rechts des Hauses „……“ in „……“ , bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einer Diele, einem Bad sowie einem Kellerraum in Anspruch genommen hat.
Das Amtsgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe – über das Teilanerkenntnis hinsichtlich des Zahlungsbegehrens hinaus – gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der angemieteten Wohnung aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu. Das Mietverhältnis habe durch fristlose Kündigung vom 26.10.2017 geendet.
Die außerordentliche Kündigung sei formal wirksam erklärt worden. Sie sei in schriftlicher Form verfasst (§ 568 Abs. 1 BGB) und insbesondere ausreichend begründet (§ 569 Abs. 4 BGB) worden. Der Kündigungsgrund – die Beschädigung der Wohnungseingangstür des Mitmieters am 22.07.2017 – sei sowohl im Kündigungsschreiben vom 26.10.2017 als auch in der Klageschrift ausreichend individualisiert dargestellt.
Die Kündigung sei auch materiell-rechtlich wirksam.
Insbesondere sei die Kündigung rechtzeitig erfolgt. Die Frist von rund drei Monaten, die die Klägerin bis zum Ausspruch der Kündigung habe verstreichen lassen, sei noch angemessen.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung gemäß § 569 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 543 Abs. 1 BGB liege vor. Denn aufgrund des unstreitigen Vorfalls vom 22.07.2017 könne der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden. Das Einschlagen der Wohnungseingangstür eines Mitmieters mittels Holzhammers stelle eine solch gravierende Verletzung der mietvertraglichen Verpflichtungen und eine so nachhaltige Störung des Hausfriedens dar, dass eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 569 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 543 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sei.
Unter den gegebenen Umständen könne der Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden. Die Anwendung von Gewalt sei besonders verwerflich und rechtfertige in der Regel die Kündigung. Dies gelte umso mehr, wenn – wie hier – die Wohnungseingangstür eines Mitmieters nicht bloß mit körperlicher Gewalt, sondern mittels eines gefährlichen Werkzeuges in Form eines Holzhammers so stark beschädigt werde, dass die Tür ausgetauscht werden müsse. Gerade die Ausübung derart massiver Gewalt erfordere ein rasches Handeln zum Schutze sowohl des Vermieters als auch der Mieter.
Die mittels des Holzhammers unter Anwendung grober Gewalt begangene Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB habe das für die zukünftige Vertragserfüllung notwendige Vertrauen der Klägerin nachvollziehbarerweise zerstört. Das Verhalten des Beklagten wirke für die Klägerin unbeherrscht und unkontrollierbar. Zwar erscheine die begangene Sachbeschädigung in einem milderen Licht, sofern – bei Wahrunterstellung des Beklagtenvortrages – dem streitgegenständlichen Vorfall eine Provokation der Freundin des Beklagten durch den Mitmieter „……“ vorausgegangen sei. Eine Reaktion wie die hier stattgefundene überschreite aber jedes gerade noch nachvollziehbare Maß an Gegenreaktion bei weitem.
Dem Beklagten sei zuzugestehen, dass auch im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit psychisch und suchtkranken Menschen ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft zu fordern sei. Die Grenze der Toleranz sei jedoch dort erreicht, wo Vermieter und Mieter zu Schaden kommen bzw. ernsthaft gefährdet scheinen. Auch die zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits bestehende Betreuung des Beklagten habe ihm nicht zu helfen vermocht, sich sozialadäquat zu verhalten. Dass der Beklagte psychisch erkrankt sei, vermöge das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes daher nicht zu entkräften.
Der eingetretene Vorfall und insbesondere die auf dem vorgelegten Lichtbild dokumentierte Intensität der Schäden zeigten, dass dem Beklagten ein erhebliches Gewaltpotenzial immanent sei und er zu unbeherrschtem Verhalten neige. Es könne jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der Beklagte abermals einen Kontrollverlust erleide und sich von ihm dabei ausgeübte Gewalt möglicherweise nicht nur gegen Gegenstände, sondern auch gegen Personen richte. Aufgrund der jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlichen Gefahrverwirklichung und des damit einhergehenden Vertrauensverlustes auf Seiten der Klägerin sei dieser das Recht zur Vertragsbeendigung zuzubilligen. Aus Sicht der Klägerin seien jedenfalls keine den Beklagten entlastenden Umstände erkennbar, die ihn zukünftig an derartigen Verstößen hindern werden. Vielmehr deute auch das vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegte, wegen Verdachts der Beschädigung eines Wohnwagens zunächst eingeleitete und mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel vom 17.11.2017 gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellte Ermittlungsverfahren darauf hin, dass sich der Beklagte nicht im Griff habe. Auch wenn der Beklagte sich offenbar nach dem streitgegenständlichen Vorfall jedenfalls im streitbefangenen Anwesen keine weiteren Sachbeschädigungen zum Nachteil der Klägerin habe zuschulden kommen lassen, verbleibe auf Seiten der Klägerin ein Risiko, dass der Beklagte abermals einen Kontrollverlust erleide. Dies sei der Klägerin nicht zuzumuten.
Dabei werde nicht verkannt, dass die Klägerin aufgrund des überaus günstigen Mietzinses freilich auch damit rechnen müsse, mit sozial schwachen, gehandicapten und suchtkranken Mietern zu kontrahieren. Selbst in Ansehung dieser Umstände habe die Klägerin als Vermieterin und Eigentümerin des Anwesens gleichwohl ein vitales Interesse daran, dass ihr Eigentum nicht – wie geschehen – beschädigt werde. Eine derart massive Sachbeschädigung und dadurch eingetretene nachhaltige Störung des Haufriedens müsse die Klägerin nicht hinnehmen.
Anders als bei einer ordentlichen Kündigung, könne das Fehlverhalten des Beklagten auch durch das Bemühen um eine anschließende Schadenswiedergutmachung nicht in einem milderen Licht erscheinen. Denn im Gegensatz zu den Fällen der ordentlichen Kündigung könne das Verhalten des Mieters nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Abwägung der vorliegend relevanten Einzelfallumstände sei ferner zu berücksichtigen, dass nicht zu befürchten stehe, dass der Beklagte durch die Kündigung und einer sich gegebenenfalls anschließenden Zwangsräumung obdachlos werde. Obdachlosigkeit drohe nämlich dann nicht, sofern die Gemeinde bzw. die Stadt notfalls verpflichtet sei, dem Räumungsschuldner eine Notwohnung zur Verfügung zu stellen. So liege der Fall auch hier, da die Stadt „……“ eine Obdachlosenunterkunft namens „“……““ unterhalte.
Die Klägerin habe ihr Kündigungsrecht entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht verwirkt, weil es jedenfalls am Umstandsmoment einer Verwirkung fehle. Im Übrigen sei der diesbezügliche Beklagtenvortrag unsubstantiiert und für die Klägerin nicht einlassungsfähig.
Der Ausspruch einer Abmahnung durch die Klägerin vor Beendigung des Vertragsverhältnisses sei vorliegend gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich gewesen, weil die sofortige Beendigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt sei. Durch das Einschlagen der Wohnungseingangstür mittels Holzhammers sei nämlich eine so gravierende und nachhaltige Störung des Hausfriedens eingetreten, dass eine Kündigung auch ohne Abmahnungserfordernis gerechtfertigt erscheine. Der Klägerin könne nicht zugemutet werden, zunächst eine Abmahnung auf den Verstoß vom 22.07.2017 auszusprechen. Vielmehr sei eine sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses sowohl zum Schutze der Klägerin als auch ihrer Mieter erforderlich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsbegründung wird auf die Urteilsausführungen (UA S. 3 – 6 = Bl. 68 – 71 d.A.) Bezug genommen.
Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Beklagte unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils eine Abweisung des Räumungs- und Herausgabebegehrens. Er rügt im Wesentlichen eine fehlerhafte rechtliche Bewertung durch das Amtsgericht, da der Klägerin ein Grund zur Beendigung des Mietverhältnisses nicht zustehe.
Das Amtsgericht habe verkannt, dass es sich angesichts der erstinstanzlich unter Beweis gestellten besonderen Vorgeschichte und Sozialstruktur der – in der Regel im Leistungsbezug befindlichen – Mieter vor Ort im Haus „……“ in „……“ nicht um eine besonders „grobe Form von Gewalt“, die eine sofortige Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertige, handele, da einzelfallbezogen die Vielzahl der Umstände, die hier letztlich zur Gewaltentstehung geführt hätten, mildernd und relativierend Berücksichtigung hätten finden müssen. Der durch die Klägerin bestrittene alkoholische „gesellige Umtrunk“ mit enthemmenden Alkoholkonsum bei allen Beteiligten vor dem Ereignis an der Wohnungstür in der Wohnung des Beklagten sei insoweit auch unter Beweis gestellt worden.
Auch sei zu berücksichtigen, dass die Freundin des Beklagten zuvor durch den Zeugen „……“ , dem Mieter der Wohnung im Haus „……“ mit der sodann bei ihm beschädigten Wohnungstür, beim gemeinsamen geselligen Umtrunk über Gebühr belästigt worden sei, so dass sich eine starke emotionale Spannung und eben leider auch eine Aggression bei dem chronisch schwer suchtkranken Beklagten aufgebaut habe, die dann in einem bedauerlichen Einmalversagen im Nachbarschaftsverhältnis im Haus „……“ zu dem bekannten Vorfall der Wohnungstürbeschädigung geführt habe.
Der Vorfall, der zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Sachbeschädigung an einem Wohnwagen auf einer Stellfläche in „……“ gegen den Beklagten geführt habe, sei Gegenstand einer mündlichen Verhandlung vor dem AG Melsungen am 17.01.2018. Eine rechtskräftige Verurteilung liege noch nicht vor, so dass zunächst die Unschuldsvermutung für den Beklagten greife.
Auch im Sinne des weiteren Regelungs- und Sinngehaltes der Normen der § 35 Abs. 1 S. 1 StGB und § 199 StGB analog sei das Vorverhalten des Mitmieters „……“ und dessen Ursächlichkeit bei der Auseinandersetzung im Wohnhaus am 22.7.2017 unter den Mitmietern im Einzelfall von Bedeutung und als den Unrechtsgehalt mildernd zu berücksichtigen.
All dies stelle insoweit eine ganz „besondere Härte im Einzelfall“ dar, die es ausnahmsweise geboten erscheinen lasse, von einer fristlosen und fristgemäßen Kündigung der Wohnung abzusehen, da sie eine unverhältnismäßige und nicht zumutbare Beeinträchtigung der Rechtsgüter des gemäß vorgelegtem Gutachten schwer chronisch suchterkrankten wie geistig behinderten Berufungsklägers darstelle, die auch unter der gebotenen Abwägung und Berücksichtigung der zu wahrenden Rechtsgüter der Berufungsbeklagten in diesem Einzelfall nicht gerechtfertigt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 16.01.2018 (Bl. 89 ff. d. A.) verwiesen.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 28.12.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Melsungen, 4 C 325/17 (70), die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im Obergeschoss rechts des Hauses „……“ in „……“ abzuweisen.
III.
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Auch die Kammer gelangt zu dem Ergebnis, dass das Amtsgericht der Klage im angefochtenen Umfang zu Recht stattgegeben hat, und macht sich die zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil – zur Vermeidung von Wiederholungen – ausdrücklich zu Eigen (UA S. 3 – 6 = Bl. 68 – 71 d.A.).
Unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe ist lediglich ergänzend anzumerken:
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 26.10.2017 (Bl. 16 f. d.A.) wirksam beendet worden, da ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliegt und auch den formellen Erfordernissen, was auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, ausreichend Genüge getan ist.
Die Vorschrift muss als Auffangtatbestand für die in §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 BGB nicht ausdrücklich geregelten Fälle angesehen werden. Dies bedeutet keineswegs, dass eine Partei auf Abs. 1 zurückgreifen kann, wenn einer der speziellen Kündigungstatbestände nicht erfüllt ist, etwa weil ein Tatbestandsmerkmal fehlt. Vielmehr ist Abs. 1 für solche Fälle gedacht, denen ein ähnliches Gewicht beizumessen ist, wie den speziellen Kündigungstatbeständen. Nach dem Wortlaut des § 543 Abs. 1 BGB kommt es des weiteren darauf an, ob dem Vermieter das Festhalten am Mietvertrag „bis zum Ablauf der Kündigungsfrist“ zugemutet werden kann. Der Gesetzesbegründung hierzu ist zu entnehmen, dass die Gesetzesfassung des § 543 Abs. 1 im Hinblick auf die gleichlautende Regelung des § 626 Abs. 1 BGB zum Dienstvertragsrecht gewählt wurde, um für beide Tatbestände eine einheitliche Regelung zu haben (Schmidt-Futterer/Blank, BGB, 13. Aufl. 2017, § 543 Rn. 160 f., beck-online).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes sind die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vorliegend erfüllt.
Dem Beklagten ist ein nicht akzeptables Fehlverhalten vorzuwerfen, welches unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls derart massiv ist, dass der Klägerin zum Schutz ihres Eigentums sowie den Interessen der weiteren Mitmieter im Hause „……“ eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten angeführten Umständen nicht mehr zumutbar ist. In diesem Zusammenhang kann auf die rechtsfehlerfreien Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Die massive Gewalteinwirkung durch den Beklagten mittels eines Holzhammers auf die Tür eines Mietmieters und die in diesem Zusammenhang angerichteten Schäden (vgl. Lichtbild Bl. 19 d.A.), welche sogar zu einem Austausch der Wohnungseingangstür geführt haben, lassen auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten angeführten – zwischen den Parteien streitigen – Vorgeschichte (Umtrunk, Belästigung der Freundin des Beklagten durch den Zeugen „……“ etc.) sowie der übrigen Umstände eine andere Bewertung vorliegend nicht zu. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Sachbeschädigung durch einen Mieter als schwerwiegende Vertragsverletzung die fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigt (z.B. LG München I, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – 14 S 22556/05 -, juris; (AG München, Urteil vom 17. Oktober 2005 – 461 C 18919/05 -, juris; LG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 1983 – 64/63a S 147/83 -, Rn. 3, juris; ferner Münch in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 543 BGB, Rn. 176; Schmidt-Futterer/Blank, a. a. O., § 543 Rn. 191, beck-online).
Sofern in der Vergangenheit umstritten gewesen ist, ob Raum für die Anwendung der Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB gegeben ist, nach der die Kündigung aus wichtigem Grunde nur binnen angemessener Frist erklärt werden muss, nachdem der Kündigende von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, hat der Bundesgerichtshof dies jedenfalls für die Wohnraummiete wegen des abschließenden Charakters der gesetzlichen Regelung in § 543 BGB generell verneint (BGH 13. 7. 2016 – VIII ZR 296/15, NJW 2016, 3720). Jedoch bleibt es dabei, dass der Berechtigte nach § 242 BGB mit der Kündigung nicht übermäßig lange zuwarten darf, widrigenfalls er das Kündigungsrecht verwirkt, was dann angenommen werden kann, wenn er die Vertragsverletzungen des anderen Teils zunächst jahrelang hinnimmt, ohne dagegen einzuschreiten (Staudinger/Emmerich (2018) BGB § 543, Rn. 12). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt vorliegend offenkundig nicht vor, da die Kündigung vom 26.10.2017 auf eine Vertragsverletzung vom 22.07.2017 abstellt.
Eine Räumungsfrist über den 30.06.2018 hinausgehend ist dem Beklagten aus den vom Amtsgericht dargelegten Gründen nicht zu gewähren. Die Entscheidung zur Räumungsfrist beruht auf § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Weitergehende durchgreifende Berufungsangriffe hat der Beklagte nicht geführt.
IV.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls Rücknahme des Prozesskostenhilfegesuchs sowie der Berufung binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Soweit nach Fristablauf eine Beschlussentscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, löst dies die Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO aus. Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG tritt dann nicht ein.