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Zustimmung aller Wohnungseigentümer für einen bestimmten Dachbodenausbau

AG München – Az.: 482 C 6671/11 WEG – Urteil vom 29.08.2012

I. Der Beschluss der Wohnungseigentümer unter TOP 5 laut Protokoll der ordentlichen Versammlung der Wohnungseigentümer vom 28.07.2011 wird für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kläger tragen von den Kosten des Rechtsstreits 6 %, die Beklagten 94 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Ziffer II.

Die Kläger bzw. die Beklagten haben vor der Vollstreckung jeweils eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages zu leisten.

Streitwert: Der Streitwert wird auf 80.000,00 € festgesetzt.

Hinsichtlich TOP 5 wurden die im Verfahren 481 C 780/09 mitgeteilten Kosten eines eventuellen Rückbaus und hiervon 50 % zu Grunde gelegt, § 49 a Abs. 1 GKG.

Hinsichtlich TOP 6 hält das Gericht einen Regelstreitwert im oberen Bereich von 5.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend.

Tatbestand

Der Kläger und die Beklagten bilden zusammen die oben näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 28.02.2011 fasste die Gemeinschaft eine Reihe von Beschlüssen, von denen die Kläger die zu TOP 5 und 6 ergangenen Beschlüsse angefochten haben. Dabei hat TOP 5 die Genehmigung des Ausbaus der Speicherräume über der Wohnung Nr. … in München, insbesondere im Hinblick auf den Einbau der beiden auf der Nordseite eingebauten Dachflächenfenster sowie die Erweiterung des Treppenlochs von der Wohnung Nr. 14 zu den darüberliegenden Speicherräumen des Eigentümers … zum Inhalt.

TOP 6 regelt, dass die Kostenverteilerschlüssel wegen baulicher Veränderungen nicht geändert werden.

Die Kläger tragen hierzu im Wesentlichen vor, dass der Beklagte … mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I Az.: 1 S 4387/10 verurteilt wurde, die beiden auf der Nordseite des Anwesens … München im Dach über der Wohnung Nr. 14 angebrachten Dachflächenfenster zu beseitigen und die Dachhaut in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Desweiteren sei der Beklagte … mit noch nicht rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München vom 30.07.2010 (481 C 780/09) verurteilt worden, den Ausbau der Speicherräume der Wohnung Nr. 14 zu beseitigen und den Speicherraum in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, wie es sich aus der anliegenden Skizze ergebe. Das Verfahren sei derzeit beim Landgericht München I in der Berufungsinstanz anhängig.

Der Ausbau der Speicherräume insbesondere durch den Einbau der beiden Dachflächenfenster und der Erweiterung des Treppenlochs sei eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, weil es sich hierbei um einen auf Dauer angelegten Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums handle. Der Speicher sei ursprünglich nicht ausgebaut und nur über eine Zugtreppe zu erreichen gewesen. Nun sei das Treppenloch erweitert und eine Wendeltreppe eingebaut worden. Desweiteren habe der Beklagte … die Speicherräume, an denen er ein Sondernutzungsrecht hat, zu Wohnräumen umgebaut und dazu zwei zusätzliche Fenster auf der Dachsüdseite, eine Treppe in den Dachboden, eine geänderte Grundrissaufteilung mit nunmehr zwei Dachbodenzimmern, einem Vorzimmer und zwei Sanitärräumen eingebaut.

Die Kläger tragen vor, dass sie durch diese baulichen Veränderungen in der Nutzung ihrer eigenen Wohnungen beeinträchtigt werden würden, zudem auch in ihrer Kostenlast, da trotz erweiterter Nutzung und Vergrößerung der Fläche der Kostenverteilerschlüssel nicht geändert werde (TOP 6).

Die Kläger beantragen daher: Wie zuerkannt.

Und zusätzlich: Der Beschluss der Wohnungseigentümer unter TOP 6 laut Protokoll der ordentlichen Versammlung der Wohnungseigentümer vom 28.02.2011 ist unwirksam.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Sie tragen hierzu im Wesentlichen vor, dass wegen der nicht geschehenen Vorabbefassung in einer Versammlung das Landgericht München I wohl im Rahmen der zweiten Instanz die Vorgreiflichkeit eines entsprechenden Beschlusses gesehen habe. Das Verfahren 481 C 780/09 (36 S 15951/10) schwebe insoweit. Das bereits rechtskräftig abgeschlossene Urteil beziehe sich ausschließlich auf die Entfernung der Dachflächenfenster sowie auf die Herstellung des ursprünglichen Zustandes des Daches.

In TOP 5 werde auch nur der Ausbau der Speicherräume genehmigt. Eine Umwidmung in Wohnraumnutzung sei nicht Gegenstand des angegriffenen Beschlusses. Auch habe der Miteigentümer … keine neuen Leitungen verlegt. Wasseranschlüsse, Ver- und Entsorgungsleitungen seien bereits angelegt und von den angrenzenden Miteigentümern entsprechend in ihrem Sondereigentum genutzt worden.

Selbst wenn der Ausbau bzw. eine Nutzung über das in der Teilungserklärung bestimmte Maß hinausgehe, sei ein Eingriff in das Sondernutzungsrecht bei entsprechender Beschlussfassung möglich, da sich in der Teilungserklärung in § 17 Ziffer 3 eine Öffnungsklausel befinde (vergleiche Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung, Anlage B 1).

Diese hebe ausdrücklich auf den Bestand von Sondernutzungsrechten ab und regle auch nur diese. Das erforderliche Quorum sei mit der streitgegenständlichen Beschlussfassung erreicht worden. Die Öffnungsklausel gestatte sogar Änderungen im Bestand von Sondernutzungsrechten, wobei hier als Bedingung nur die Zustimmung der sondernutzungsberechtigten Wohnungseigentümer zusätzlich zur 3/4-Mehrheit erforderlich sei. Der sondernutzungsberechtigte Miteigentümer … habe jedoch dem Ausbau zugestimmt.

Hinsichtlich der Dachflächenfenster liege zudem ein genehmigender Umlaufbeschluss der einzelnen Miteigentümer mit Ausnahme der Kläger vor, in dem der Einbau der Dachflächenfenster dem Miteigentümer … mehrheitlich genehmigt worden sei (Umlaufbeschuss vom 04.08.2008, Anlage B 2).

Der Beschluss wäre nur anfechtbar gewesen, nicht jedoch nichtig. Desweiteren stehe die Rechtskraft des Urteils aus dem Verfahren 1 S 4387/10 einer weiteren Beschlussfassung hinsichtlich der Genehmigung der Dachflächenfenster nicht entgegen.

Selbst wenn es sich bei dem Einbau der Dachflächenfenster um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG handle, so sei auf der Grundlage von § 17 Ziffer 3 der GO § 22 Abs. 1 WEG dahingehend abgeändert worden, dass statt der Zustimmung der Betroffenen und des Mehrheitsbeschlusses nunmehr eine qualifizierte 3/4-Mehrheit aller Eigentümer ausreichend sei. Im Anwesen seien mannigfaltige Veränderungen, Einbauten, Anbauten und Nutzungsänderungen vorgenommen worden, die allesamt toleriert worden seien. Darüber hinaus steile der Einbau der Dachflächenfenster eine Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG dar.

Die Vergrößerung des Treppenlochs, die einen sicheren Zugang zu den Speicherräumen gewährleiste, stellt keinen Nachteil gegenüber den anderen Eigentümern dar. Weder Statik noch Brandschutz seien durch die Vergrößerung des Treppenloches beeinträchtigt, wie der Miteigentümer … nachgewiesen habe.

Eine Verpflichtung zur Beschlussfassung nach § 16 Abs. 3 WEG sei nicht gegeben. Ein begründetes Verlangen eines Wohnungseigentümers, den Verteilungsschlüssel zu ändern, ergebe sich nur aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 06.07.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Nr. 4, 62 Abs. 1 WEG.

Die zulässige Klage ist auch im Hinblick auf TOP 5 begründet.

Die materiellen Ausschlussfristen gemäß § 46 Abs. 1 WEG wurden hinsichtlich beider Anfechtungen (TOP 5 und TOP 6) eingehalten.

Die nachträgliche Genehmigung des Ausbaus der Speicherräume über der Wohnung Nr. 14, insbesondere bezogen auf den Einbau der beiden auf der Nordseite gelegenen Dachflächenfenster, sowie die Erweiterung des Treppenlochs widersprechen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Eine nachträgliche Genehmigung der eingebauten Dachflächenfenster im Wege eines Mehrheitsbeschlusses ist hier nicht möglich, da die materielle Rechtskraft im Verfahren 481 C 780/09 entgegensteht. Die materielle Rechtskraft des Urteils kann nicht mit einem Mehrheitsbeschluss ausgehebelt werden.

Es ist daher nicht entscheidungserheblich, ob ein mehrheitlicher genehmigender Umlaufbeschluss vom 04.08.2008 existiert, der zu seiner Existenz auch eine Verkündung durch die Hausverwaltung bedurft hätte.

Desweiteren handelt es sich bei den eingebauten Dachflächenfenstern und dem Ausbau der Speicherräume mit Erweiterung des Treppenlochs um bauliche Veränderungen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. § 7 Ziffer 3 der Gemeinschaftsordnung mit der Folge, dass bauliche Veränderungen oder Wertverbesserungen des gemeinschaftlichen Eigentums mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, ist hier nicht einschlägig, da § 7 Ziffer 3 der Gemeinschaftsordnung voraussetzt, dass diese baulichen Veränderungen oder Wertverbesserungen zur Erhaltung des Wertes oder der Wirtschaftlichkeit des gemeinschaftlichen Eigentums nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderlich sind bzw. in Folge des technischen Fortschritts oder des gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards dringend geraten erscheinen.

Es ist nicht ersichtlich, inwieweit hier durch den Ausbau der Speicherräume eine „Werterhaltung“ verbunden ist. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern dies wirtschaftlicher sein sollte. Auch ist der Ausbau sicherlich nicht wegen des technischen Fortschrittes oder des gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandards dringend geraten.

Das gemäß Ziffer 1 Nr. 5 der Teilungserklärung eingeräumte Sondernutzungsrecht bezüglich der Speicherräume bezieht sich ausschließlich auf die „Nutzung“. Eine Genehmigung des Ausbaus ist damit nicht verbunden.

§ 17 Ziffer 3 in Anlage 3 der Gemeinschaftsordnung (Öffnungsklausel) bezieht sich ausdrücklich auf Änderungen dieser Gemeinschaftsordnung. Hier sind jedoch nicht Regelungen in der Gemeinschaftsordnung durch TOP 5 beschlossen worden, sondern die nachträgliche Genehmigung des Ausbaus der Speicherräume unter Einschluss des Einbaus von Dachflächenfenstern und Vergrößerung des Treppenlochs. In diesem Zusammenhang ergibt die Auslegung von § 17 Ziffer 3 Satz 2 „Änderungen im Bestand von Sondernutzungsrechten an Teilen des Gemeinschaftseigentums bedürfen in jedem Fall der Zustimmung der sondernutzungsberechtigten Wohnungseigentümer“ wegen der Verwendung des Begriffes „Bestand“ klar, dass zwar Sondernutzungsrechte in ihrem Umfang („Bestand“) zum Beispiel durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Fläche, an der ein Sondernutzungsrecht besteht, durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss verändert werden können, jedoch nur mit Zustimmung der sondernutzungsberechtigten Wohnungseigentümer. Eine bloße Veränderung der Nutzungsmöglichkeiten und bauliche Veränderungen sind darunter aber nicht zu subsumieren.

Bezüglich der Beurteilung, ob durch die vorgenommenen Ausbauten und Umbauten ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG für die Kläger verbunden ist, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Es ist nicht möglich, einzelne Maßnahmen gesondert hinsichtlich ihrer Nachteiligkeit zu beurteilen.

Zudem reicht schon die Möglichkeit der Wohnnutzung aus, auch wenn eine tatsächliche Wohnnutzung des Speichers derzeit nicht gegeben sein sollte. Die ausgebauten Räume werden in der Teilungserklärung als „Speicher“ bezeichnet. Damit ist eine Zweckbestimmung in der Teilungserklärung insoweit enthalten.

Grundsätzlich ist die Schaffung oder erhebliche Erleichterung einer intensiveren, mit der Zweckbestimmung des Sondereigentums/Sondernutzungsrechts nicht mehr vereinbaren Nutzungsmöglichkeit geeignet, einen Nachteil gemäß § 14 Nr. 1 WEG zu begründen. Hierzu ist bei typisierender Betrachtung ausreichend, wenn der Ausbau eine intensivere und also störendere Nutzung ermöglicht. Die bloße geschaffene Möglichkeit der teilungserklärungswidrigen Nutzung reicht aus, um einen Nachteil gemäß § 14 Nr. 1 WEG zu begründen.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Speicherraum unstreitig ursprünglich nicht gedämmt war. Die Ausbaumaßnahmen haben eine Wohnraumnutzung ermöglicht bzw. jedenfalls erheblich erleichtert. Der Ausbau der Zugleiter zu einer Wendeltreppe bedingt, dass der Raum ohne weiteres von den darunter liegenden Wohnräumen betreten werden kann. Hierdurch wird der Speicherraum praktisch direkt in den darunterliegenden Wohnraum integriert. Die ermöglichte Wohnraumnutzung stört bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auch erheblich mehr als eine reine Speichernutzung.

Auch auf der Grundlage von § 17 Ziffer 3 der Gemeinschaftsordnung kann mit einer 3/4-Mehrheit nicht eine entsprechende nachträgliche Genehmigung erteilt werden (vergleiche zu dem vorstehenden auch Landgericht München I, Az.: 1 S 2551/11 WEG).

Die Klage war daher insoweit stattzugeben.

Hinsichtlich TOP 6 ist die Klage nicht begründet.

Die Ablehnung bzw. Beibehaltung des bisherigen Kostenverteilungsschlüssels widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Beschluss bzw. der Beschlussantrag nichts dazu enthält, wie die zukünftige Verteilung sein soll. Aus diesem Grunde ist die Ablehnung des Beschlusses bzw. die Entscheidung, den bisherigen Kostenverteilungsschlüssel beizubehalten, nicht zu beanstanden.

Die Parteien tragen die Kosten des Rechtsstreits nach der Höhe des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens, § 92 Abs. 1 S. 1

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