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Untervermietung einer Einzimmerwohnung

LG Berlin – Az.: 67 S 7/22 – Urteil vom 07.04.2022

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. Dezember 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 7 C 149/21 – abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Untervermietung eines Teils der Wohnung X an Herrn Y bis zum 30. November 2022 zu genehmigen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10% abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der klagende Mieter begehrt die Zustimmung zur befristeten Gebrauchsüberlassung eines Teils der von den Beklagen angemieteten Einzimmerwohnung für die Zeit eines Auslandsaufenthalts.

Der Kläger führt im Zeitraum von Juni 2021 bis November 2022 im Ausland ein von der Z-Bibliothek unterstütztes Projekt durch, währenddessen er die Wohnung für monatlich 241,00 Euro untervermieten möchte. Seine in der Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände sind im Wohnzimmer in einem Bauernschrank und einer Kommode, ferner in einem am Ende des Flurs 1×1 m großen, durch einen Vorhang abgetrennten, nur von ihm nutzbaren Bereich gelagert. Er ist weiter im Besitz eines Schlüssels für die Wohnung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht hinreichend vorgetragen, bereits die Umstände des behaupteten Auslandsaufenthalts nicht konkret unter Beweisantritt dargetan. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. 33-38 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 22. Dezember 2021 zugestellte Urteil mit am 3. Januar 2022 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit am 24. Februar 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er rügt, das Amtsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Bei Erteilung des gebotenen richterlichen Hinweises hätte er seinen Vortrag bereits im ersten Rechtszug unter Beweisantritt konkretisiert.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Mitte – 7 C 149/21 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Untervermietung eines Teils der Wohnung X an Herrn Y bis zum 30. November 2022 zu genehmigen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie verweisen ferner auf die in der Berufungserwiderung – unstreitig – erklärte außerordentliche und fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund der ohne ihre Erlaubnis erfolgten Untervermietung der Wohnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gegen die Beklagten gemäß § 553 Abs. 1 BGB zu.

Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter von dem Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entsteht. Ein berechtigtes Interesse des Mieters liegt vor, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Rechtsentscheid v. 3. Oktober 1984 – VIII ARZ 2/84, BGHZ 92, 213 (zu § 549 BGB a.F.)). Berechtigt ist jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17, NZM 2018, 325; Kammer, Urt. v. 17. März 2022 – 67 S 286/21; Urt. v. 9. April 2015 – 67 S 28/15, WuM 2015, 421).

Ein derartiges Interesse kommt dem Kläger zu.

Der Antrag auf Erlaubniserteilung genügt – anders als die Berufung meint – hinsichtlich der Angaben zu der Person des in Aussicht genommenen Untermieters den Anforderungen des § 553 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat jedenfalls mit der in der Klageschrift ergänzten Mitteilung der letzten Wohnanschrift des namentlich unter Angabe des Geburtsdatums benannten Dritten seinen Informationspflichten genügt. Die Beklagten waren auf Grundlage dieser Informationen ohne Weiteres in die Lage versetzt, zu prüfen, ob in der Person des Untermieters die Erlaubnis hindernde Umstände vorlagen. Darüber hinaus war der Kläger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls abgesehen von der bereits mit Schreiben vom 18. März 2021 von den Beklagten erklärten generellen, nicht auf unzureichende Angaben im Antrag auf Erlaubnisantrag gestützten Verweigerung der Untermieterlaubnis nicht zu Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dritten verpflichtet. Denn diese sind im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit der Gebrauchsüberlassung gemäß § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig nicht von Relevanz, schon aufgrund der alleinigen Haftung des Mieters für die Zahlung des Mietzinses (vgl. AG Mitte, Urt. v. 26. November 2020 – 25 C 16/20, GE 2021, 189; V. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Stand 26. April 2022, § 553 Rz. 12 m.w.N.).

Dem berechtigten Interesse steht nicht von vornherein entgegen, dass es sich bei dem unterzuvermietenden Wohnraum um eine Einzimmerwohnung handelt. § 553 Abs. 1 BGB stellt bereits keine quantitativen Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums auf, sondern macht den Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlässt (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2014 – VIII ZR 349/13, NJW 2014, 2717). Ausgehend davon ist unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 553 Abs. 1 BGB, dem Mieter den Wohnraum zu erhalten, ein großzügiger Maßstab anzulegen und ein berechtigtes Interesse von vornherein nur dann zu verneinen, wenn die Mietpartei die Sachherrschaft über die Wohnung endgültig und vollständig zu Gunsten einer anderen Person verliert (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2014, a.a.O., 30.; AG Mitte, a.a.O.). Ausgerichtet an diesen Maßstäben ist auch dem Mieter einer Einzimmerwohnung die Möglichkeit einzuräumen, einen Teil des Wohnraums bei nachweisbarem berechtigtem Interesse an Dritte zu überlassen. Zwar kann er nicht ein eigenes Zimmer für sich behalten, jedoch ist die „Überlassung eines Teils des Wohnraums“ bereits gegeben, wenn er den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er einen Bereich in der Wohnung behält, in dem er seine in der Wohnung belassenen persönlichen Gegenstände lagert, erst recht, wenn er zudem noch im Besitz eines Schlüssels bleibt (vgl. AG Mitte, a.a.O.; Emmerich, in: BeckOGK, BGB, Stand 1. April 2022, § 553 Rz. 12; Wiederhold, in: BeckOK BGB, 61. Ed. 1.2.2022, § 553 Rz. 4; Schur, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, Stand 1. Februar 2020, § 553 Rz. 7; zum Meinungsstand Flatow, in: Schmidt-Futterer, BGB, 15. Aufl. 2021, § 553 Rz. 7 m.w.N.). Nach dieser Maßgabe stellt sich die Gebrauchsüberlassung nach dem nunmehr unstreitigen räumlichen Überlassungskonzept des Klägers (vgl. hierzu Kammer, Beschluss vom 15. Juli 2021 – 67 S 87/21, WuM 2021, 615), wonach er seine persönlichen Gegenstände in konkret bezeichneten und dem Untermieter nicht zugänglichen Bereichen gelagert und weiterhin einen Wohnungsschlüssel hat, nicht als vollständige Überlassung der ganzen Wohnung dar.

Der unstreitig nach Abschluss des Mietvertrages entstandene Wunsch des Klägers, während seines bis Ende November befristeten berufsbedingten Auslandsaufenthalts einen Teil der Wohnung einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, stellt ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB dar (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2014, a.a.O., Tz. 13; AG Mitte, a.a.O., Tz. 16; V. Emmerich, a.a.O., Rz. 9a). Die Erklärung des Klägers, die Untervermietung solle zur Verringerung der finanziellen Belastung durch den Auslandsaufenthalt erfolgen, steht der Annahme eines hinreichend erheblichen Interesses nicht entgegen, da die teilweise Gebrauchsüberlassung vornehmlich dem von § 553 Abs. 1 BGB geschützten Erhalt seiner Wohnung während des zeitlich beschränkten Auslandsaufenthalts dient.

Der Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung ist nicht aufschiebend bedingt durch eine Zustimmung des Klägers zur Erhöhung der Miete um einen Untermietzuschlag (vgl. Schur, a.a.O., Rz. 23). § 553 Abs. 1 BGB geht grundsätzlich davon aus, bei einem berechtigten Interesse des Mieters könne dieser die Erteilung der Erlaubnis verlangen, ohne dass dies generell mit einem Untermietzuschlag belastet ist. Eine Ausnahme ist nur bei Unzumutbarkeit für den Vermieter anzunehmen, § 553 Abs. 1 S. 2 BGB. Systematisch daran anschließend regelt § 553 Abs. 2 BGB ausschließlich für den Fall, dass die Untervermietung sonst nicht zumutbar wäre, die Möglichkeit für den Vermieter, die Erlaubniserteilung von einer Mieterhöhung abhängig zu machen. Bereits aus dieser Gesetzessystematik, insbesondere der Vorschrift des § 553 Abs. 1 BGB, wonach die Interessen des Mieters bei der Untervermietung regelmäßig Vorrang vor denen des Vermieters haben, ergibt sich, dass für eine Abgeltung der Untervermietung ein Mietzuschlag nur in dem Ausnahmefall einer vermehrten Belastung des Vermieters durch die Gebrauchsüberlassung an den Dritten gefordert werden kann (vgl. Kammer, Beschluss vom 21. November 2017 – 67 S 212/17, MM 2018, Nr. 5, 27; Flatow, a.a.O., Rz. 19ff.; V. Emmerich, a.a.O., Rz 16ff.; Bub/Treier MietR-HdB, 5. Aufl. 2019, Kapitel III. Durchführung des Mietverhältnisses Rz. 2523-2526, beck-online; Schur, a.a.O., Rz. 23ff.; teils abweichend LG Berlin, Urt. v. 21. August 2019 – 64 S 266/18, GE 2019. 1639).

Daran fehlt es indes aufgrund der nicht höheren Belegung der Wohnung und nicht vorgetragener oder ersichtlicher Anhaltspunkte zusätzlicher Aufwendungen, etwa einer stärkeren Abnutzung. Ausgehend davon kann offenbleiben, ob die vereinbarte Untermiete die Bruttowarmmiete möglicherweise geringfügig überschreitet, wobei ein solcher Zuschlag angesichts der Nutzung der nahezu gesamten auch mit Möbeln des Klägers ausgestatteten Wohnung ohnehin als angemessen erscheint.

Dem Anspruch auf Zustimmung zur geltend gemachten Untervermietung steht schließlich die im Schriftsatz vom 30. März 2022 erklärte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nicht entgegen. Zwar hat der Kläger seine Vertragspflichten verletzt, indem er die Untervermietung ohne vorherige Erlaubniserteilung der Beklagten vorgenommen hat (vgl. nur BGH, Urt. v. 2. Februar 2011 – VIII ZR 74/10, NJW 2011, 1065). Jedoch unterliegt bereits die Annahme einer sowohl für die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung des seit Juli 2000 währenden Mietverhältnisses gemäß §§ 543 Abs., Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erforderlichen – und aufgrund der §§ 569 Abs. 5, 573 Abs. 4 BGB nicht wirksam in § 6 Ziffer 3 des Mietvertrages abbedungenen – erheblichen Verletzung der Rechte der Beklagten angesichts des begründeten Anspruchs des Klägers auf Zustimmung zur beantragten Gebrauchsüberlassung durchgreifenden Bedenken (vgl. Kammer, Urt. v. 6. Oktober 2016 – 67 S 203/16, WuM 2016, 734; Blank/Börstinghaus, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 6. Aufl. 2020, § 543 Rz. 120 m.w.N.). Jedenfalls aber ist die auf die unbefugte Untervermietung gestützte Kündigung nach zuvor erbetener und von den beklagten Vermietern trotz bestehender Pflicht zur Erteilung verweigerter Erlaubnis gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH, Urt. v. 2. Februar 2011, a.a.O., Tz. 22). Davon abgesehen können die Beklagten aus der ordentlichen Kündigung auch deshalb keine Rechte herleiten, weil die Kündigungsfrist vor Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen war und auch die Voraussetzungen des § 259 ZPO nicht erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO. Die Kammer hat gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu ermöglichen, ob die „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB auch hinsichtlich einer Einzimmerwohnung vorliegen kann.

Das aufgrund eines offenkundigen Schreib- oder Diktierfehlers unrichtige Verkündungsdatum des angefochtenen Urteils im verkündeten Tenor zu 1) hat die Kammer gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt.

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