Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann ist eine Eigenbedarfskündigung überhaupt zulässig?
- Wie schützt mich mein Mietvertrag bei einem Eigentümerwechsel?
- Kann ein Vermieter vertraglich auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung verzichten?
- Was kann ich tun, wenn ich die Eigenbedarfskündigung meines Vermieters anzweifle?
- Welche Besonderheiten gelten bei sehr langen Mietverhältnissen für Kündigungen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 21 C 434/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Hamburg
- Datum: 17.09.2024
- Aktenzeichen: 21 C 434/23
- Verfahren: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Schuldrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Eigentümer und Vermieter des Gebäudekomplexes, der die Wohnung des Beklagten wegen Eigenbedarfs kündigte und Räumung forderte.
- Beklagte: Der Mieter einer Wohnung im Gebäudekomplex seit 1993, der sich auf langfristige Vereinbarungen zum Erhalt des Wohnprojekts beruft und die Abweisung der Klage beantragt.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Vermieter kündigte dem Mieter einer Wohnung in einem langjährig bestehenden „Wohnprojekt“ wegen Eigenbedarfs, obwohl frühere Vereinbarungen mit dem Voreigentümer die dauerhafte Erhaltung des „Wohnmodells“ vorsahen und der Kläger als Erwerber in diese Vereinbarungen eingetreten war.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Ist eine Eigenbedarfskündigung eines Vermieters wirksam, wenn ein Mietverhältnis in einem seit langem bestehenden Wohnprojekt durch frühere Vereinbarungen zwischen dem Voreigentümer und den Mietern als „Wohnmodell“ „dauerhaft“ erhalten werden sollte und der Erwerber in diese Vereinbarungen eingetreten ist?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Klage abgewiesen: Die Klage des Vermieters auf Räumung der Wohnung wurde abgewiesen.
- Kernaussagen der Begründung:
- Ausschluss der Eigenbedarfskündigung durch Vereinbarung: Die Vereinbarung von 1998, in die der Kläger als Erwerber des Gebäudes eintrat (§ 566 BGB), schließt eine Eigenbedarfskündigung mittelbar aus, da das darin festgelegte „Wohnmodell“ dauerhaft erhalten bleiben sollte.
- Fehlender tatsächlicher Eigenbedarf: Das Gericht konnte sich im Rahmen der persönlichen Anhörung des Klägers nicht davon überzeugen, dass der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf ernsthaft und konkret vorlag.
- Keine Anwendung der 30-Jahres-Frist: Die gesetzliche 30-Jahres-Frist des § 544 BGB ist weder direkt anwendbar, noch war ihre analoge Frist seit Abschluss der Vereinbarung von 1998 abgelaufen.
- Folgen für den Kläger:
- Der Kläger konnte die Räumung der Wohnung nicht durchsetzen.
- Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Der Fall vor Gericht
Kann ein neuer Vermieter einfach kündigen, obwohl es alte Abmachungen zum Schutz der Mieter gibt?
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen eine vermietete Immobilie. Natürlich möchten Sie als neuer Eigentümer vielleicht selbst einziehen. Doch was passiert, wenn die Mieter seit Jahrzehnten dort wohnen und es spezielle, alte Vereinbarungen mit dem Voreigentümer gibt, die ihr Wohnrecht schützen sollen? Sind Sie als neuer Eigentümer an diese alten Abmachungen gebunden? Genau mit dieser Frage musste sich das Amtsgericht Hamburg in einem bemerkenswerten Fall auseinandersetzen. Ein neuer Eigentümer kündigte langjährigen Mietern eines einzigartigen Wohnprojekts, um selbst mit seiner Familie einzuziehen. Doch die Mieter wehrten sich und beriefen sich auf jahrzehntealte Verträge.
Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Mietverhältnis?

Um das Urteil zu verstehen, müssen wir eine kleine Zeitreise machen. Im Zentrum des Falles steht ein Gebäudekomplex in Hamburg, bestehend aus drei Häusern, die intern miteinander verbunden sind. Seit 1980 existiert dort ein sogenanntes „Wohnprojekt“. Das Besondere daran: Die Bewohner mieten einzelne Zimmer, teilen sich aber Küchen, Bäder und andere Gemeinschaftsflächen – ähnlich einer großen Wohngemeinschaft.
Der Beklagte in diesem Fall wohnt seit 1993 in zwei kleinen Zimmern dieses Projekts. Die ursprüngliche Eigentümerin, eine Immobiliengesellschaft namens DIFAG, hatte bereits 1986 eine erste wichtige Vereinbarung mit den damaligen Mietern getroffen. Darin sicherte sie zu, den Wohnraum nicht in Gewerbeflächen umzuwandeln. Im Gegenzug verzichteten die Mieter darauf, gegen einen Bebauungsplan zu klagen. Diese Vereinbarung wurde Teil aller Mietverträge.
Ein Dutzend Jahre später, 1998, wurde es noch konkreter. Die Stadt Hamburg und die DIFAG schlossen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Das ist ein Vertrag zwischen einer Privatperson oder Firma und einer staatlichen Stelle, hier der Stadt. Darin verpflichtete sich die DIFAG, das „Wohnmodell“ „ohne zeitliche Befristung dauerhaft zu erhalten“. Kurz darauf schloss die DIFAG eine zweite, ergänzende Vereinbarung mit allen Mietern, auch mit dem Beklagten. Hier wurde die Zusage, das Wohnmodell „dauerhaft zu erhalten“, noch einmal schriftlich festgehalten. Als Gegenleistung verzichteten die Mieter darauf, rechtlich gegen eine neue Baugenehmigung für ein Nachbargrundstück vorzugehen. Entscheidend war: Die DIFAG musste diese Verpflichtungen bei einem Verkauf an jeden neuen Eigentümer weitergeben.
Im Jahr 2011 kaufte der Kläger den Gebäudekomplex für 740.000 Euro. In seinem Kaufvertrag stand ausdrücklich, dass er in alle Rechte und Pflichten aus den Vereinbarungen von 1986 und 1998 eintritt.
Warum wollte der neue Eigentümer den Mietern kündigen?
Im Februar 2023, also zwölf Jahre nach dem Kauf, kündigte der Kläger dem Beklagten und allen anderen Mietern des Hauses 9. Der Grund: Eigenbedarf. Das ist ein gesetzlich anerkannter Kündigungsgrund, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Der Kläger gab an, er wolle mit seiner Partnerin und seinen drei Kindern aus Italien in das gesamte Haus 9 einziehen. Dieses Haus habe mit 320 Quadratmetern die perfekte Größe und Lage. Andere Immobilien, die ihm gehörten, seien entweder zu klein oder nicht zentral genug. Da die Mieter der anderen beiden Häuser (Haus 7 und 8) ebenfalls die Gemeinschaftsflächen in Haus 9 mitnutzten, kündigte er später auch ihnen. Sein Argument: Er könne seinen Eigenbedarf nur verwirklichen, wenn niemand sonst Zugang zu den Gemeinschaftsräumen in Haus 9 habe.
Wie hat das Gericht entschieden?
Das Amtsgericht Hamburg wies die Klage des Eigentümers vollständig ab. Das bedeutet: Die Kündigung ist unwirksam, und der Mieter muss seine Wohnung nicht räumen. Der Kläger wurde zudem dazu verurteilt, die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Warum war die Kündigung wegen Eigenbedarfs unwirksam?
Das Gericht nannte zwei zentrale Gründe für seine Entscheidung. Erstens war die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung durch die alten Verträge ausgeschlossen. Zweitens hatte das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass der vom Kläger angegebene Eigenbedarf tatsächlich und ernsthaft bestand.
Welche Rolle spielte die „Vereinbarung von 1998“ für das Urteil?
Dieser Punkt ist der Kern der Entscheidung. Das Gericht musste klären, ob der neue Eigentümer an die alten Versprechen der Voreigentümerin gebunden ist. Hier kommt ein fundamentaler Grundsatz des deutschen Mietrechts ins Spiel: § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), oft zusammengefasst als „Kauf bricht nicht Miete“.
Was bedeutet das konkret? Dieser Paragraph schützt Mieter bei einem Eigentümerwechsel. Er besagt, dass der Käufer einer vermieteten Immobilie automatisch in den bestehenden Mietvertrag eintritt – mit allen Rechten und Pflichten. Er wird also zum neuen Vermieter und muss sich an die Regeln halten, die sein Vorgänger mit dem Mieter vereinbart hat.
Das Gericht stellte fest, dass die Vereinbarung von 1998, die das „dauerhafte“ Bestehen des Wohnmodells zusicherte, eine Ergänzung zum Mietvertrag war. Durch den Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ ist der Kläger also direkt an diese Vereinbarung gebunden, genau wie die Voreigentümerin.
Aber schließt die Verpflichtung, ein „Wohnmodell dauerhaft zu erhalten“, eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aus? Im Vertragstext steht das Wort „Eigenbedarfskündigung“ schließlich nicht. Hier musste das Gericht den Vertrag auslegen, also den wahren Willen der damaligen Vertragspartner ermitteln. Die Richter kamen zu einem klaren Ergebnis: Ja, eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist hier ausgeschlossen. Ihre Logik war folgende:
- Sinn und Zweck der Vereinbarung: Das Ziel der Vereinbarung war es, die ganz besondere, kommuneartige Lebensform des Wohnprojekts zu schützen. Die Begriffe „Wohnmodell“ und die Zusage, es „dauerhaft“ zu erhalten, zeigen, dass es nicht nur um die reine Wohnnutzung ging, sondern um den Erhalt einer spezifischen Gemeinschaft.
- Widerspruch zum Eigenbedarf: Eine Kündigung aller Mieter eines Hauses, damit der Eigentümer dort allein mit seiner Familie leben kann, würde dieses Wohnmodell vollständig zerstören. Es wäre das genaue Gegenteil davon, es „dauerhaft zu erhalten“.
- Mittelbarer Kündigungsausschluss: Daher, so das Gericht, führt die Verpflichtung zum Erhalt des Wohnmodells zu einem „mittelbar-faktischen Kündigungsausschluss“. Obwohl es nicht wörtlich drinsteht, ergibt sich das Verbot aus dem übergeordneten Ziel des Vertrages.
Was ist mit den Argumenten des Klägers, dass die alten Verträge für ihn nicht gelten?
Der Kläger hatte mehrere Argumente vorgebracht, warum er nicht an die alten Vereinbarungen gebunden sei. Das Gericht prüfte diese sorgfältig und verwarf sie.
Ein zentrales Argument des Klägers war, dass eine solch langfristige Bindung einer Enteignung gleichkäme und gegen den Rechtsgedanken des § 544 BGB verstoße. Dieser Paragraph sieht vor, dass Mietverträge, die für länger als 30 Jahre geschlossen werden, nach Ablauf dieser Zeit gekündigt werden können. Dies soll verhindern, dass sich Menschen „ewig“ binden.
Das Gericht entgegnete jedoch: Die 30-Jahres-Frist sei, selbst wenn man sie hier anwenden würde, noch gar nicht abgelaufen. Denn die entscheidende Vereinbarung stammt aus dem Jahr 1998. Die Frist würde also erst 2028 enden. Ob die Regelung danach überhaupt anwendbar ist, ließ das Gericht offen.
Der Kläger argumentierte auch, eine solche Bindung sei sittenwidrig. Das Gericht sah das anders. Schließlich habe der Kläger die Immobilie zu einem verhältnismäßig günstigen Preis gekauft – gerade weil diese starken Mieterrechte bestanden. Er wusste, worauf er sich einließ, da die Übernahme der Pflichten explizit im Kaufvertrag stand.
Hat das Gericht dem Kläger seinen Eigenbedarf überhaupt geglaubt?
Unabhängig von der vertraglichen Situation hatte das Gericht noch einen zweiten, eigenständigen Grund, die Klage abzuweisen: Es war nicht vom tatsächlichen Bestehen des Eigenbedarfs überzeugt.
Nach dem Gesetz muss ein Gericht die volle Überzeugung gewinnen, dass der Kündigungsgrund – hier der Nutzungswunsch – wirklich besteht. Dafür kann es die Beteiligten persönlich anhören. Im Juristendeutsch heißt das freie Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).
Nach der persönlichen Anhörung des Klägers kamen dem Gericht Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Konkretheit seiner Pläne. Die Richter waren also nicht davon überzeugt, dass der Kläger wirklich die feste Absicht hatte, mit seiner Familie wie beschrieben in das Haus einzuziehen. Allein dieser Zweifel hätte schon ausgereicht, um die Kündigung für unwirksam zu erklären.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg verdeutlicht, dass neue Vermieter nicht automatisch von allen vertraglichen Bindungen ihrer Vorgänger befreit sind und dass vertragliche Zusagen zu dauerhaften Wohnformen sehr weitreichende Konsequenzen haben können.
- Übertragung mietvertraglicher Zusagen: Das Urteil bestätigt, dass der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB) auch für ergänzende Vereinbarungen zum Mietvertrag gilt, wodurch neue Eigentümer automatisch an die Versprechen ihrer Vorgänger gebunden werden, selbst wenn diese jahrzehntealt sind.
- Auslegung pauschaler Dauerzusagen: Daraus folgt, dass Vereinbarungen zur „dauerhaften Erhaltung“ eines spezifischen Wohnmodells durch richterliche Auslegung einen mittelbaren Kündigungsausschluss bewirken können, auch wenn dies nicht explizit formuliert wurde, sofern Kündigungen dem Vertragszweck fundamental widersprechen würden.
- Beweiswürdigung bei Eigenbedarfskündigungen: Das Urteil zeigt, dass Gerichte die Ernsthaftigkeit und Konkretheit von Eigenbedarfsansprüchen durch persönliche Anhörung kritisch prüfen und bei begründeten Zweifeln an der tatsächlichen Nutzungsabsicht die Kündigung als unwirksam bewerten.
Diese Entscheidung unterstreicht die besondere Schutzwirkung langfristiger mietvertraglicher Vereinbarungen und die Grenzen von Eigenbedarfskündigungen bei alternativen Wohnformen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann ist eine Eigenbedarfskündigung überhaupt zulässig?
Eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ist in Deutschland nur unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Sie stellt eine der wenigen Möglichkeiten für den Vermieter dar, ein unbefristetes Mietverhältnis zu beenden. Entscheidend ist, dass ein tatsächlicher und nachvollziehbarer Bedarf für die Wohnung besteht und bestimmte Formvorschriften eingehalten werden.
Wer kann Eigenbedarf anmelden und für wen?
Der Vermieter kann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, wenn er die gemieteten Räume für sich selbst, für nahe Familienangehörige oder für Angehörige seines Haushalts benötigt. Der Gesetzgeber (im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) hat hier einen klaren Kreis vorgegeben:
- Der Vermieter selbst: Wenn er die Wohnung als Hauptwohnsitz nutzen möchte.
- Nahe Familienangehörige: Dazu zählen in erster Linie seine Kinder, Eltern, Geschwister, Enkelkinder und Großeltern. Auch Stiefkinder oder Schwiegerkinder können unter bestimmten Umständen dazu gehören, wenn ein besonders enges Vertrauensverhältnis besteht.
- Angehörige des Haushalts: Das können beispielsweise Pflegepersonal sein, das dauerhaft zum Haushalt des Vermieters gehört und für dessen Versorgung unentbehrlich ist.
Nicht zulässig ist eine Eigenbedarfskündigung hingegen für entfernte Verwandte wie Cousins, Tanten oder Onkel, es sei denn, es handelt sich um eine Ausnahme, bei der sie nachweislich zum Haushalt des Vermieters gehören.
Was bedeutet „Eigenbedarf“ und welche Nutzung ist gemeint?
Es muss ein ernsthaftes und vernünftiges Interesse des Vermieters oder der genannten Personen bestehen, die Wohnung zu nutzen. Ein bloßer Wunsch, die Wohnung anderweitig zu vermieten oder zu verkaufen, reicht nicht aus. Der Bedarf muss nachvollziehbar sein und kann verschiedene Formen annehmen:
- Wohnzwecke: Dies ist der häufigste Fall, etwa wenn der Vermieter selbst einziehen möchte, weil er eine neue Arbeitsstelle hat, seine bisherige Wohnung zu klein wird oder er näher bei Angehörigen sein möchte.
- Berufsbezogene Nutzung: In bestimmten Fällen kann auch eine berufsbezogene Nutzung Eigenbedarf begründen, wenn die Wohnung beispielsweise als Homeoffice oder als Praxisräume benötigt wird und die berufliche Tätigkeit zwingend eine Nutzung der Wohnung erfordert. Eine rein gewerbliche Nutzung ohne direkten Bezug zum Wohnen ist in der Regel kein Eigenbedarf.
- Kein „Vorratseigenbedarf“: Der Vermieter darf nicht einfach kündigen, um die Wohnung für einen zukünftig möglichen, aber noch nicht konkretisierten Bedarf freizuhalten. Der Bedarf muss zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestehen oder zumindest konkret absehbar sein.
Welche Formvorschriften muss die Kündigung einhalten?
Eine Eigenbedarfskündigung muss schriftlich erfolgen. Dies ist eine absolute Pflicht. Zudem muss der Vermieter den Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben detailliert und nachvollziehbar darlegen. Es reicht nicht aus, nur „Eigenbedarf“ anzugeben. Der Vermieter muss vielmehr begründen, warum genau die Wohnung benötigt wird und für wen. Wenn der Bedarf für eine dritte Person besteht, muss das Verwandtschaftsverhältnis oder die Haushaltszugehörigkeit klar benannt werden.
Zusätzlich müssen die gesetzlichen Kündigungsfristen eingehalten werden, die sich nach der Dauer des Mietverhältnisses richten. Diese Fristen sind gestaffelt und können bei langjährigen Mietverhältnissen bis zu neun Monate betragen.
Praktische Auswirkungen dieser Voraussetzungen
Für Sie als Mieter bedeutet dies, dass eine Eigenbedarfskündigung nicht willkürlich ausgesprochen werden kann. Der Vermieter muss nicht nur einen der genannten Gründe haben, sondern diesen auch präzise im Kündigungsschreiben erläutern. Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist oder der Bedarf nur vorgeschoben wird, ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam. Dies gibt Mietern die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung genau zu überprüfen.
Wie schützt mich mein Mietvertrag bei einem Eigentümerwechsel?
Ihr Mietvertrag bietet Ihnen bei einem Eigentümerwechsel einen umfassenden Schutz. Der wichtigste Grundsatz im deutschen Mietrecht lautet: „Kauf bricht nicht Miete“. Dieser ist in § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Er besagt, dass Ihr bestehender Mietvertrag voll gültig bleibt, auch wenn die Immobilie, die Sie bewohnen, verkauft wird und einen neuen Eigentümer bekommt.
Ihr Mietvertrag bleibt unverändert gültig
Wenn ein neuer Eigentümer die vermietete Immobilie erwirbt, tritt dieser automatisch in alle Rechte und Pflichten des bisherigen Vermieters ein. Das bedeutet für Sie als Mieter, dass:
- Ihr Mietvertrag unverändert weitergilt: Alle Vereinbarungen, die Sie mit dem vorherigen Vermieter getroffen haben – wie die Höhe der Miete, die Kautionshöhe, Regelungen zur Nebenkostenabrechnung oder die Hausordnung – behalten ihre volle Gültigkeit. Es ist kein neuer Mietvertrag erforderlich. Der neue Eigentümer kann die bestehenden Konditionen nicht einfach ändern, nur weil er der neue Eigentümer ist.
- Rechte und Pflichten übertragen sich: Sie behalten Ihre Rechte als Mieter, zum Beispiel das Recht auf eine intakte Wohnung oder auf eine ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnung. Gleichzeitig sind Sie weiterhin an Ihre Pflichten gebunden, wie die pünktliche Zahlung der Miete.
Schutz vor Kündigung durch den neuen Eigentümer
Der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ schützt Sie auch vor einer einfachen Kündigung durch den neuen Eigentümer. Der neue Eigentümer kann den Mietvertrag nicht einfach auflösen, nur weil er jetzt der Eigentümer ist. Er muss sich an die gesetzlichen Kündigungsfristen und die strengen Voraussetzungen für eine Vermieterkündigung halten, die auch für den ursprünglichen Vermieter galten.
Ein bekannter Kündigungsgrund, der auch nach einem Eigentümerwechsel zum Tragen kommen kann, ist der sogenannte Eigenbedarf. Auch wenn ein neuer Eigentümer Eigenbedarf geltend macht, muss dieser nachvollziehbare und ernsthafte Gründe haben und alle gesetzlichen Anforderungen detailliert erfüllen. Die Geltendmachung von Eigenbedarf ist kein Automatismus, sondern muss im Einzelfall sorgfältig geprüft und begründet werden. Ihr Mietvertrag bietet Ihnen auch hier eine starke Grundlage, sodass Ihre Wohnsituation nicht willkürlich beendet werden kann.
Sie können die genauen Regelungen hierzu im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nachlesen, insbesondere in den Paragraphen § 566 BGB (Kauf bricht nicht Miete) und § 573 BGB (Ordentliche Kündigung des Vermieters). Diese rechtlichen Grundlagen stellen sicher, dass Ihre Wohnsituation auch bei einem Wechsel des Eigentümers weitestgehend geschützt ist.
Kann ein Vermieter vertraglich auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung verzichten?
Ja, ein Vermieter kann vertraglich auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung verzichten. Dies ist im deutschen Mietrecht grundsätzlich möglich und wird in der Praxis auch angewendet.
Die Möglichkeit eines vertraglichen Kündigungsverzichts
Das deutsche Mietrecht basiert auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit. Das bedeutet, Vermieter und Mieter können im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben viele Punkte ihres Mietverhältnisses frei vereinbaren. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass der Vermieter auf bestimmte Kündigungsrechte verzichtet, wie eben das Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs.
Ein solcher Verzicht kann die Mietparteien in die Lage versetzen, ein Mietverhältnis langfristig und mit großer Sicherheit zu gestalten. Stellen Sie sich vor, Sie möchten als Mieter dauerhaft in einer Wohnung leben und suchen die größtmögliche Sicherheit vor einer Kündigung. Ein vertraglich vereinbarter Verzicht des Vermieters auf die Eigenbedarfskündigung bietet hierfür eine starke Grundlage.
Wie ein solcher Verzicht vereinbart werden kann
Ein Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung kann auf verschiedene Weisen im Mietvertrag oder in einer späteren Zusatzvereinbarung festgehalten werden:
- Ausdrücklicher Kündigungsausschluss: Die häufigste Form ist eine klare Formulierung im Mietvertrag, die besagt, dass der Vermieter für eine bestimmte Zeit oder sogar für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses auf das Recht zur Eigenbedarfskündigung verzichtet. Dies gibt beiden Seiten klare und unmissverständliche Sicherheit.
- Stillschweigender Kündigungsausschluss: Manchmal ergibt sich ein Verzicht nicht aus einer direkten Formulierung, sondern aus dem Sinn und Zweck der gesamten Vereinbarung. Wenn beispielsweise ein Mietvertrag über viele Jahrzehnte läuft und besondere Umstände berücksichtigt werden (wie es oft in speziellen Wohnprojekten der Fall ist), kann das Gericht im Einzelfall auch ohne explizite Klausel einen stillschweigenden Verzicht annehmen. Hier kommt es stark auf die Auslegung des Gesamtvertrages an und darauf, welche Absichten die Parteien bei Vertragsabschluss hatten.
Praktische Auswirkungen und Bedeutung
Für den Mieter bedeutet ein wirksam vereinbarter Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung eine erhebliche Erhöhung der Planungssicherheit und des Wohnfriedens. Das Risiko, die Wohnung aufgrund des Eigenbedarfs des Vermieters verlassen zu müssen, entfällt oder ist zumindest stark eingeschränkt.
Für den Vermieter bedeutet ein solcher Verzicht, dass er für die vereinbarte Zeit auf die Möglichkeit verzichtet, die Wohnung für sich selbst oder nahe Angehörige zu nutzen, selbst wenn später ein dringender Bedarf entstehen sollte. Solche Vereinbarungen sind rechtsverbindlich und können nicht einfach widerrufen werden. Sie sind daher eine wichtige Abwägung bei der Gestaltung von Mietverhältnissen, insbesondere bei langjährigen Bindungen oder speziellen Wohnformen.
Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das die allgemeinen Regelungen für Mietverträge und die Vertragsfreiheit enthält.
Was kann ich tun, wenn ich die Eigenbedarfskündigung meines Vermieters anzweifle?
Wenn Sie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten und Zweifel an deren Begründung haben, ist es wichtig, die Situation genau zu betrachten. Das deutsche Mietrecht sieht vor, dass eine Eigenbedarfskündigung nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam ist und der Vermieter einen echten und nachvollziehbaren Bedarf haben muss.
Grundlagen einer Eigenbedarfskündigung
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist zulässig, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Dieser Bedarf muss ernsthaft und konkret sein. Es ist nicht ausreichend, dass der Vermieter die Wohnung einfach nur haben möchte. Er muss einen nachvollziehbaren Grund darlegen, warum er oder die genannte Person die Wohnung benötigt.
Anzeichen für mögliche Zweifel am Eigenbedarf
Zweifel können aufkommen, wenn die Begründung der Kündigung nicht plausibel erscheint oder bestimmte Umstände im Widerspruch dazu stehen. Mögliche Gründe für Zweifel können sein:
- Vorgetäuschter Bedarf: Der Vermieter hat eigentlich andere Pläne mit der Wohnung, etwa den Verkauf zu einem höheren Preis oder die Vermietung an eine andere Person zu einer höheren Miete. Wenn der Vermieter die Wohnung nach Ihrem Auszug nicht selbst nutzt, kann dies ein Indiz sein, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war.
- Kein tatsächlicher Bedarf: Der angegebene Bedarf scheint übertrieben oder nicht notwendig. Zum Beispiel, wenn eine alleinstehende Person eine sehr große Wohnung für Eigenbedarf beansprucht, obwohl kleinere, leerstehende Wohnungen im gleichen Haus vorhanden wären.
- Widersprüchliche Angaben: Der Vermieter macht widersprüchliche Aussagen zu seinen Plänen oder dem angeblichen Bedarf.
- Zeitliche Nähe zu anderen Ereignissen: Kurz vor der Kündigung wurde Ihnen eine Mieterhöhung angekündigt, die Sie abgelehnt haben, oder es gab andere Streitigkeiten, die einen Racheakt vermuten lassen.
Wie Sie reagieren können
Wenn Sie die Eigenbedarfskündigung anzweifeln, haben Sie verschiedene Möglichkeiten, sich mit der Situation auseinanderzusetzen.
- Die Kündigungsgründe prüfen: Der Vermieter muss die Kündigung schriftlich und begründet aussprechen. Prüfen Sie genau, ob alle formalen Anforderungen erfüllt sind und ob die Begründung des Eigenbedarfs detailliert und nachvollziehbar ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, legt die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung fest.
- Widerspruch gegen die Kündigung einlegen: Nach Erhalt einer Kündigung wegen Eigenbedarfs haben Sie das Recht, Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen. Dies ist in § 574 BGB geregelt. Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und Gründe enthalten, die die Fortsetzung des Mietverhältnisses für Sie oder Ihre Familie eine unzumutbare Härte darstellen würden. Dies kann beispielsweise aufgrund von Alter, Krankheit, Schwangerschaft, drohender Obdachlosigkeit oder der Schwierigkeit, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden, der Fall sein. Auch Zweifel am Vorliegen des Eigenbedarfs können im Widerspruch dargelegt werden. Dieser Widerspruch muss dem Vermieter spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses zugehen.
- Die gerichtliche Prüfung: Wenn Sie der Kündigung widersprechen und keine Einigung mit dem Vermieter erzielt wird, muss der Vermieter in der Regel eine Räumungsklage einreichen, um die Wohnung gerichtlich durchzusetzen. In einem solchen Verfahren prüft das Gericht die Stichhaltigkeit des Eigenbedarfs sehr genau. Der Vermieter muss dem Gericht detailliert darlegen und beweisen, dass der Eigenbedarf tatsächlich besteht und die Kündigung nicht nur vorgeschoben ist. Hierbei werden alle von Ihnen vorgetragenen Zweifel und Härtefallgründe berücksichtigt. Wenn das Gericht feststellt, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war, ist die Kündigung unwirksam.
Welche Besonderheiten gelten bei sehr langen Mietverhältnissen für Kündigungen?
Bei Mietverhältnissen, die viele Jahre oder gar Jahrzehnte bestehen, greifen bestimmte gesetzliche Regelungen, die sowohl für Mieter als auch Vermieter von Bedeutung sein können. Diese sollen entweder übermäßige Bindungen verhindern oder langjährige Mieter besonders schützen.
Die „30-Jahres-Frist“ (§ 544 BGB)
Die sogenannte 30-Jahres-Frist, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 544 BGB) verankert ist, wird oft missverstanden. Sie betrifft nicht das automatische Kündigungsrecht eines Vermieters bei einem bereits unbefristeten Mietvertrag, nur weil dieser 30 Jahre oder länger besteht. Stattdessen bezieht sie sich auf Mietverträge, die von Anfang an für eine feste Zeit von mehr als 30 Jahren abgeschlossen wurden.
Stellen Sie sich vor, ein Mietvertrag wird auf 40 Jahre befristet. Nach dem Gesetz ist es so, dass beide Parteien – also Mieter und Vermieter – diesen eigentlich so lange angelegten Vertrag nach Ablauf von 30 Jahren ordentlich kündigen können, als wäre er ein unbefristeter Vertrag. Der Sinn dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass Vertragsparteien über einen extrem langen Zeitraum hinaus unkündbar an einen Vertrag gebunden sind, wenn dieser ursprünglich auf eine überlange feste Dauer angelegt war.
Für Sie als Mieter eines unbefristeten Vertrages, der schon lange läuft, bedeutet die 30-Jahres-Frist daher in der Regel keinen zusätzlichen Kündigungsgrund für den Vermieter. Hier gelten andere Schutzvorschriften.
Besonderer Schutz durch die Sozialklausel (§ 574 BGB)
Der wichtigste Schutz für langjährige Mieter in einem unbefristeten Mietverhältnis ist die sogenannte Sozialklausel im Mietrecht (§ 574 BGB). Wenn ein Vermieter ein Mietverhältnis ordentlich kündigt – zum Beispiel wegen Eigenbedarfs oder einer Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung –, kann der Mieter der Kündigung widersprechen, falls diese für ihn oder seine Familie eine unzumutbare Härte darstellen würde. Eine unzumutbare Härte ist eine Belastung, die nicht zugemutet werden kann und so schwerwiegend ist, dass sie die Interessen des Vermieters überwiegt.
Die Dauer des Mietverhältnisses ist hierbei ein ganz entscheidender Faktor. Je länger Sie in der Wohnung wohnen, desto stärker kann dieses Argument wiegen. Neben der Dauer der Mietzeit spielen weitere Umstände eine Rolle, wie zum Beispiel:
- Hohes Alter des Mieters
- Schwere Krankheit oder Behinderung
- Fehlende oder sehr schwierige Möglichkeiten, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden
- Starke Verwurzelung im Wohnumfeld, zum Beispiel durch Schule oder Arbeitsplatz der Familie
In einem solchen Fall wird abgewogen: die Interessen des Vermieters (z.B. Eigenbedarf) gegen die Härte, die die Kündigung für den Mieter bedeuten würde. Fällt die Abwägung zugunsten des Mieters aus, kann das Mietverhältnis fortgesetzt werden.
Längere Kündigungsfristen für den Vermieter
Eine weitere Besonderheit bei langjährigen Mietverhältnissen betrifft die Kündigungsfristen für den Vermieter. Je länger ein Mieter in der Wohnung wohnt, desto länger wird die gesetzliche Kündigungsfrist, die der Vermieter einhalten muss:
- Bei einer Mietzeit bis zu fünf Jahren beträgt die Kündigungsfrist für den Vermieter drei Monate.
- Bei einer Mietzeit von mehr als fünf Jahren verlängert sie sich auf sechs Monate.
- Bei einer Mietzeit von mehr als acht Jahren verlängert sie sich auf neun Monate.
Diese verlängerten Fristen geben langjährigen Mietern mehr Zeit, sich auf die Kündigung einzustellen und eine neue Wohnung zu suchen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass lange Mietverhältnisse in Deutschland durch diese Vorschriften, insbesondere die Sozialklausel, einen besonderen Schutz für Mieter bieten und für Vermieter verlängerte Kündigungsfristen mit sich bringen können. Die 30-Jahres-Frist hat hingegen eine sehr spezielle Anwendung auf von Beginn an langfristig befristete Mietverträge.
Weitere Informationen finden Sie in den entsprechenden Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere §§ 544, 573, 573a und 574 BGB.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Eigenbedarf
Eigenbedarf ist ein gesetzlich anerkannter Grund für einen Vermieter, ein Mietverhältnis zu kündigen, weil er die Wohnung für sich selbst, nahe Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Der Bedarf muss ernsthaft, nachvollziehbar und nicht nur vorgeschoben sein. Dies ist eine der wenigen Möglichkeiten für Vermieter, ein unbefristetes Mietverhältnis zu beenden. Im vorliegenden Fall wollte der neue Eigentümer den Mietern kündigen, um selbst mit seiner Familie in das Haus einzuziehen, was er als Eigenbedarf geltend machte.
freie Beweiswürdigung (§ 286 ZPO)
Die freie Beweiswürdigung ist ein Grundsatz im deutschen Zivilprozessrecht, der besagt, dass ein Gericht die Beweise frei und nach seiner eigenen Überzeugung würdigen muss. Es gibt keine starren Regeln, wie viel Gewicht ein Beweismittel hat; stattdessen entscheidet das Gericht anhand des Gesamtergebnisses der Verhandlung, ob es von einer Tatsache überzeugt ist oder nicht. Dieses Prinzip dient dazu, eine gerechte Entscheidung auf Basis aller vorliegenden Informationen zu treffen. Im vorliegenden Fall nutzte das Gericht die freie Beweiswürdigung, um zu beurteilen, ob der vom Kläger angegebene Eigenbedarf tatsächlich und ernsthaft bestand, und kam zu Zweifeln.
Kauf bricht nicht Miete (§ 566 BGB)
Der Rechtsgrundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ bedeutet, dass der Kauf einer vermieteten Immobilie das bestehende Mietverhältnis nicht auflöst. Gemäß § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) tritt der neue Eigentümer automatisch in alle Rechte und Pflichten des ursprünglichen Vermieters ein. Ihr Mietvertrag bleibt also mit dem neuen Eigentümer vollständig gültig, und dieser kann die Konditionen nicht einfach ändern. Dieser Grundsatz war im Fall entscheidend dafür, dass der neue Eigentümer an die alten Vereinbarungen der Voreigentümerin mit den Mietern gebunden war, insbesondere an die Zusage, das „Wohnmodell dauerhaft zu erhalten“.
öffentlich-rechtlicher Vertrag
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist eine besondere Art von Vertrag, der zwischen einer staatlichen Stelle (z.B. einer Stadt oder Behörde) und einer Privatperson oder einem Unternehmen geschlossen wird. Im Gegensatz zu einem rein zivilrechtlichen Vertrag dient er der Regelung von Angelegenheiten im öffentlichen Interesse und unterliegt teilweise anderen rechtlichen Bestimmungen. Er kann bindende Verpflichtungen für beide Seiten begründen. Im Artikel schlossen die Stadt Hamburg und die Immobiliengesellschaft DIFAG einen solchen Vertrag, in dem sich die DIFAG verpflichtete, das „Wohnmodell“ dauerhaft zu erhalten, was eine entscheidende Rolle im Gerichtsurteil spielte.
§ 544 BGB (30-Jahres-Frist)
§ 544 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung von Mietverträgen, die von Beginn an für eine feste Dauer von mehr als 30 Jahren abgeschlossen wurden. Er besagt, dass sowohl Mieter als auch Vermieter nach Ablauf dieser 30 Jahre den Vertrag mit der gesetzlichen Frist kündigen können, auch wenn er ursprünglich auf eine noch längere Zeit befristet war. Diese Regelung soll verhindern, dass Vertragsparteien über einen extrem langen Zeitraum hinaus unkündbar an einen Vertrag gebunden sind. Der Kläger argumentierte im Fall, dass eine zu lange Bindung an die alten Verträge gegen diesen Rechtsgedanken verstoßen würde, was das Gericht jedoch verneinte, da die Frist noch nicht abgelaufen war.
§ 574 BGB (Sozialklausel)
§ 574 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), bekannt als Sozialklausel, ermöglicht es Mietern, einer ordentlichen Kündigung des Vermieters zu widersprechen, wenn diese für sie oder ihre Familie eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dabei werden wichtige persönliche Umstände des Mieters wie hohes Alter, Krankheit, Behinderung oder die Schwierigkeit, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden, berücksichtigt. Das Gericht wägt dann die Interessen des Vermieters gegen die des Mieters ab. Die Dauer des Mietverhältnisses, wie im Fall des langjährigen Mieters, ist ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung einer solchen Härte und kann dazu führen, dass das Mietverhältnis trotz Kündigung fortgesetzt wird.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 566 BGB – Kauf bricht nicht Miete: Dieser wichtige Paragraph schützt Mieter, wenn ihre vermietete Wohnung oder ihr Haus verkauft wird. Er besagt, dass der neue Eigentümer automatisch in den bestehenden Mietvertrag eintritt und alle Rechte und Pflichten des früheren Vermieters übernimmt. Das bedeutet, dass der neue Eigentümer sich an alle Vereinbarungen halten muss, die der Voreigentümer mit dem Mieter getroffen hat, auch wenn er sie selbst nicht abgeschlossen hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall:** Der Kläger trat als neuer Eigentümer automatisch in alle bestehenden Mietverträge und die ergänzenden Vereinbarungen der Voreigentümerin mit den Mietern ein, insbesondere die Zusage zur dauerhaften Erhaltung des Wohnmodells.
- Grundsatz der Vertragsauslegung und vertragliche Kündigungsausschlüsse: Im deutschen Recht können Parteien innerhalb der Vertragsfreiheit Vereinbarungen treffen, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen oder diese konkretisieren. Gerichte legen solche Verträge nach dem tatsächlichen Willen der Vertragspartner aus, um deren Sinn und Zweck zu ermitteln. Eine vertragliche Regelung kann dann auch stillschweigend einen Kündigungsgrund ausschließen, selbst wenn dies nicht explizit genannt ist.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte die Vereinbarung von 1998, das „Wohnmodell dauerhaft zu erhalten“, so aus, dass sie eine Eigenbedarfskündigung der Mieter stillschweigend ausschließt, da diese dem vereinbarten Zweck entgegenstehen würde.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – Eigenbedarf als Kündigungsgrund: Dieses Gesetz ermöglicht es einem Vermieter ein Mietverhältnis zu kündigen, wenn er die Mietwohnung für sich selbst, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Der Vermieter muss dafür ein ernsthaftes und nachvollziehbares Interesse an der Nutzung darlegen. Es ist einer der häufigsten und wichtigsten Gründe für eine Vermieterkündigung.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger berief sich auf diesen gesetzlichen Kündigungsgrund, um die Mieter zu verdrängen, doch das Gericht prüfte, ob dieser Anspruch durch die alten Vereinbarungen ausgeschlossen war und ob der Bedarf überhaupt glaubhaft war.
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 286 ZPO – Freie Beweiswürdigung: Dieser Paragraph ist ein zentraler Grundsatz im Zivilprozessrecht und regelt, wie das Gericht die vorgebrachten Beweise und Tatsachen beurteilt. Der Richter entscheidet nach seiner freien Überzeugung, ob eine Tatsache als wahr bewiesen ist oder nicht. Das Gericht muss sich also von der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen – hier des angegebenen Eigenbedarfs – vollständig überzeugen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht nutzte seine freie Beweiswürdigung, um die Ernsthaftigkeit und Konkretheit des vom Kläger angegebenen Eigenbedarfs zu beurteilen und kam zu dem Schluss, dass dieser nicht überzeugend dargelegt wurde.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 544 BGB – Befristung von Mietverträgen auf Lebenszeit oder über 30 Jahre: Dieses Gesetz legt fest, dass Mietverträge, die für die Lebenszeit des Mieters oder für eine Dauer von mehr als 30 Jahren geschlossen werden, nach Ablauf von 30 Jahren von beiden Parteien gekündigt werden können. Es soll eine „ewige“ Bindung an alte Verträge verhindern, auch wenn sie ursprünglich auf unbestimmte Zeit oder sehr lang geschlossen wurden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger versuchte, sich auf diesen Paragraphen zu berufen, um die langfristigen Verpflichtungen der Vereinbarung von 1998 zu umgehen, doch das Gericht stellte fest, dass die 30-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen war.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg – Az.: 21 C 434/23 – Urteil vom 17.09.2024
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