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Wohnungsmietvertrag – bei schwersten Beleidigungen ist fristlose Kündigung zulässig

Landgericht München I bestätigt fristlose Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens

Das Landgericht München I bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts München, die fristlose Kündigung eines Wohnungsmietvertrags aufgrund schwerster Beleidigungen durch den Mieter als rechtmäßig anzusehen. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen, und es wurde entschieden, dass die ausgesprochenen Kündigungen sowohl formell als auch materiell wirksam sind. Die Beklagten müssen die Wohnung räumen und die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Hausfriedens und die Folgen seiner nachhaltigen Störung durch Mieter.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 S 7692/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der fristlosen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags aufgrund schwerster Beleidigungen durch den Mieter.
  2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München wurde zurückgewiesen.
  3. Die fristlose Kündigung wurde als formell und materiell wirksam angesehen.
  4. Nachhaltige Störung des Hausfriedens als Grund für die Kündigung.
  5. Die Beklagten müssen die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
  6. Keine Zulassung der Revision gegen dieses Urteil.
  7. Die Bedeutung der rechtzeitigen und substantiierten Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung.
  8. Die Entscheidung betont die Schwere und Häufigkeit der Beleidigungen als maßgebliche Faktoren für die Kündigungsberechtigung.

Wohnungsmietvertrag: Fristlose Kündigung bei schwersten Beleidigungen

Ein Wohnungsmietvertrag kann unter bestimmten Umständen fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter den Vermieter oder andere Mieter schwerwiegend beleidigt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Schwere der Beleidigung und die Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden müssen. In schwerwiegenden Fällen kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wie ein Urteil des Amtsgerichts München bestätigt. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Hausfriedens und die Folgen seiner nachhaltigen Störung durch Mieter. Um eine fundierte Einschätzung der Situation zu erhalten und die rechtlichen Schritte zu besprechen, ist es ratsam, sich im Zweifelsfall an einen Mieterverein oder einen Rechtsanwalt zu wenden.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, bei dem es um fristlose Kündigungen im Wohnungsmietvertrag aufgrund schwerster Beleidigungen geht, fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Zwischen Vertragspflichten und persönlichem Fehlverhalten

Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein langjähriges Mietverhältnis, das zwischen der Klägerin und den Beklagten seit dem 1. Mai 1986 bestand. Die Beklagten, ein Ehepaar und ihr 1977 geborener Sohn, bewohnten die streitgegenständliche Wohnung und sahen sich mit zwei fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen konfrontiert. Auslöser waren mehrere Vorfälle, die zwischen Ende Mai und Anfang Juni 2020 sowie im Oktober und Dezember desselben Jahres stattfanden. Die Klägerin mahnte die Beklagten zunächst ab und sprach schließlich die Kündigungen aus, die durch schwerwiegende Beleidigungen und eine daraus resultierende nachhaltige Störung des Hausfriedens begründet wurden. Die Vorwürfe gegen den Sohn der Beklagten, der ebenfalls im Mietobjekt wohnte, beinhalteten unter anderem rassistische Äußerungen gegenüber Passanten, die weit über das Maß zivilen Zusammenlebens hinausgingen.

Das Urteil des Amtsgerichts München und die Berufung

Das Amtsgericht München gab der Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung statt und setzte eine Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2022 fest. Die Entscheidung wurde den Parteien im Juni 2022 zugestellt. Die Beklagten legten daraufhin Berufung ein, die sie mit einer angeblichen Fehlbewertung der Beweislage und der Wirksamkeit der Kündigungen begründeten. Insbesondere kritisierten sie die angebliche Voreingenommenheit der Zeugen sowie die materiell-rechtliche Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts bezüglich der mietrechtlichen Relevanz der vorgeworfenen Äußerungen.

Die Entscheidung des Landgerichts München I

Das Landgericht München I wies die Berufung der Beklagten zurück. In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass keine rechtlichen Bedenken gegen das Urteil des Amtsgerichts bestehen. Die Prüfung der Beweislage und die materiell-rechtliche Bewertung der Kündigungsgründe durch das Amtsgericht wurden bestätigt. Insbesondere

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die nachhaltige Störung des Hausfriedens rechtlich bewertet?

Die rechtliche Bewertung einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens ist im deutschen Mietrecht ein bedeutender Aspekt, der sowohl für Mieter als auch Vermieter von großer Relevanz ist. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens liegt vor, wenn es zu schwerwiegenden Verstößen kommt, die die gegenseitige Rücksichtnahme innerhalb eines Wohnverhältnisses verletzen. Zu den häufigsten Fällen gehören Nachbarschaftsstreitigkeiten, die durch mehrfache oder nächtliche Polizeieinsätze gekennzeichnet sein können.

Eine solche Störung muss als „besonderer wichtiger Kündigungsgrund“ betrachtet werden, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Es genügt nicht nur eine einmalige Störung, sondern die Störung muss nachhaltig sein, was bedeutet, dass sie wiederholt oder dauerhaft auftritt. In diesem Zusammenhang ist es für die kündigende Partei erforderlich, die nachhaltige Störung des Hausfriedens detailliert darzulegen und zu beweisen. Ein Lärm- bzw. Störungsprotokoll kann dabei helfen, die Störungen nach Art, Intensität, Datum, Uhrzeit und Dauer zu dokumentieren.

Vor einer Kündigung aufgrund einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich, um dem Mieter die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten zu ändern. Nur unter seltenen Umständen kann auf diese Abmahnung verzichtet werden. Die Rechtsprechung sieht vor, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein kann, wenn andere Bewohner des Hauses sich wiederholt beschweren und die Störung des Hausfriedens anhält.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die nachhaltige Störung des Hausfriedens im Mietrecht ernst genommen wird und zu schwerwiegenden Konsequenzen wie einer fristlosen Kündigung führen kann. Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten sich der Bedeutung des Hausfriedens bewusst sein und bei Konflikten versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 14 S 7692/22 – Urteil vom 19.10.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2022, Az. 461 C 6326/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Klagepartei hinsichtlich der Kostenfolge (Ziffer 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 12.632,88 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in der Folge zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens in Anspruch.

Mit Mietvertrag vom 18.03.1986 und Mietbeginn am 01.05.1986 mieteten die Beklagten zu 1) und zu 2) die streitgegenständliche Wohnung in der … an. Bei dem Beklagten zu 3) (Jahrgang 1977) handelt es sich um den Sohn der Erst- und des Zweitbeklagten. Er wohnt ebenfalls im verfahrensgegenständlichen Mietobjekt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Mietverhältnisses wird auf den Tatbestand des erstgerichtlichen Endurteils verwiesen.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 und 10.06.2020 mahnte die Klagepartei die Beklagten wegen diverser Vorfälle im Zeitraum zwischen dem 29.05.2020 und dem 09.06.2020 ab.

Mit Schreiben vom 16.11.2020 erklärte die Klägerin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, wobei sie sich auf einen Vorfall vom 22.10.2020 bezog.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.02.2021 ließ die Klägerin eine weitere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aussprechen. Die Kündigung war mit einem Vorfall vom 28.12.2020 begründet.

Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird ebenfalls auf die tatbestandlichen Ausführungen im erstgerichtlichen Urteil sowie auf die Anlagen K 5 und K 7 Bezug genommen.

Die Klägerin vertrat bereits in erster Instanz die Auffassung, dass die ausgesprochenen Kündigungen formell und materiell wirksam seien. Die Klägerin könne mithin Räumung und Herausgabe des verfahrensgegenständlichen Mietobjekts verlangen.

Die Beklagten bestritten dagegen im Wesentlichen die kündigungsgegenständlichen Vorwürfe und stellten die Wirksamkeit der Kündigungen in Abrede.

Mit Endurteil vom 15.06.2022 hat das Amtsgericht München der auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Es ist eine Räumungsfrist bis 31.10.2022 gewährt worden.

Das Urteil ist den Parteivertretern jeweils am 17.06.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.07.2022, beim Landgericht am selben Tage eingegangen, hat die beklagte Partei gegen das vorstehende Urteil Berufung eingelegt. Die diesbezügliche Begründung ist mit Schriftsatz vom 17.08.2022 erfolgt, der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist.

Die beklagte Partei führt in der Rechtsmittelinstanz im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe.

Das Erstgericht habe zwar eine „umfangreiche und detaillierte Beweisaufnahme durchgeführt“, sodann aber insbesondere die Voreingenommenheit der klägerseits benannten Zeugen übersehen und diese – zu Unrecht – pauschal als glaubwürdig erachtet. In materiell-rechtlicher Hinsicht sei namentlich verkannt worden, dass der (bestrittene) abgemahnte Vorfall vom 09.06.2020 (Vorwurf rassistischer Beleidigung von Straßenpassanten seitens des Beklagten zu 3) u.a. mit den Worten „Drecks-Kanaken, ab nach Dachau mit euch!“) keine mietrechtlich relevante Pflichtverletzung darstelle. Denn der Beklagte zu 3) habe sich zu diesem Zeitpunkt weder im Haus noch auf Flächen, die zum Haus gehören, befunden. Auch hätten sich die Äußerungen weder gegen „Mitglieder […] der Klägerin noch [gegen] Bewohner […] oder Besucher […]“ des Hauses gerichtet. Für außenstehende Dritte habe der Beklagte zu 3) überdies nicht den Eindruck erweckt, dass er „im weitesten Sinne zum Haus gehör[e].“ sei. Da mithin keine wirksame Abmahnung anzunehmen, eine solche aber auch nicht entbehrlich sei, gingen die fristlosen Kündigungen ins Leere.

Nach alledem müsse der Berufung Erfolg beschieden sein.

Die Beklagten beantragen daher zu erkennen:

1. Das Endurteil des AG München vom 15.06.2022 – Az. 461 C 6326/21 -, zugestellt am 17.06.2022, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klagepartei beantragt demgegenüber:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2022 begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich nach § 529 ZPO. Hiernach sind die vom Gericht der ersten Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Berücksichtigungsfähige neue Tatsachen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wurden nicht dargelegt. Eine Rechtsverletzung im angefochtenen Urteil ist nicht erkennbar. Dabei kann zunächst auch auf das nachvollziehbar und zutreffend begründete Urteil des Erstgerichts verwiesen werden.

Soweit das Amtsgericht den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nach § 546 Abs. 1, Abs. 2 BGB aufgrund wirksamer fristloser Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB bejaht hat, ist dies nach Überzeugung der Kammer letztlich nicht zu beanstanden.

Denn jedenfalls die fristlose Kündigung vom 01.02.2021 ist als wirksam zu erachten und hat das Mietverhältnis zwischen der Klagepartei und den Beklagten zu 1) und zu 2) beendet.

Hierzu im Einzelnen:

1. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht auch den Beklagten zu 3) zur Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung verurteilt hat.

Denn die gegen den vorstehenden Beklagten gerichtete Klage ist insbesondere als zulässig zu erachten. Zwar ist der Beklagte zu 3) zu keinem Zeitpunkt Partei des Mietvertrags geworden und zudem bereits als minderjähriges Kind zusammen mit seinen Eltern in das Mietobjekt eingezogen. Gleichwohl ist er nicht (mehr) als bloßer Besitzdiener zu erachten, weshalb von einem Rechtsschutzbedürfnis der Klagepartei und damit von der Zulässigkeit der Klage auszugehen ist. Soweit der Beklagte zu 3) in der Berufungsverhandlung vom 19.10.2022 – entgegen der Beklagten zu 1) und trotz Hinweises auf die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO – behauptet hat, durchgehend in der Wohnung gelebt zu haben, war erstinstanzlich unstreitig geblieben, dass dies gerade nicht der Fall war. Die Kammer geht daher – mit dem Erstgericht und von der Berufung nicht beanstandet – von einem Mitbesitz des Beklagten zu 3) aus.

2. Entgegen der Berufung ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.

Auf Grundlage seiner – auch durch die Kammer einer Entscheidung zugrunde zu legenden – Feststellungen war das Amtsgericht davon überzeugt, dass die klägerseits behauptete nachhaltige Störung des Hausfriedens durch den Beklagten zu 3) nachgewiesen werden konnte.

Das Amtsgericht hat die Beweise – soweit erforderlich – erhoben und ausführlich gewürdigt. Ausweislich der Sitzungsprotokolle vom 10.02.2022 und 06.05.2022 ist eine umfassende und gründliche Vernehmung der Zeuginnen bzw. Zeugen … und … durchgeführt worden. Ferner sind eingehende, gewissenhafte Parteianhörungen erfolgt. Die erhobenen Beweise sind sodann im angefochtenen Urteil mit Sorgfalt gewürdigt worden.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung vermögen keineswegs zu verfangen.

Soweit die Berufung die Beweiswürdigung angreift, vermag sie keine Fehler oder Verstöße gegen Denkgesetze aufzuzeigen, welche Zweifel an den Feststellungen begründen würden. Sie ersetzt vielmehr in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes durch ihre eigene; dies ist der Kammer in ihrer Entscheidung aber verwehrt. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes unterliegt nur in dem nach § 529 Abs. 1 ZPO beschränkten Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht. Konkrete Anhaltspunkte zu Zweifeln an der Vollständigkeit des seitens des Amtsgerichts zugrunde gelegten Sachverhaltes, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, können sich etwa aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil oder aus dem Übergehen des erstinstanzlichen Vorbringens ergeben (vgl. BGH NJW 2004, 1876). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Amtsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1987, 1557). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt u.a. dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH NJW 1991, 1894).

Dies ist hier jeweils nicht im Ansatz der Fall.

a) Soweit die Berufung meint, das Erstgericht sei „pauschal“ von der Glaubwürdigkeit der Zeugen der Klagepartei ausgegangen und habe insbesondere deren Voreingenommenheit nicht gesehen, kann dem keineswegs zugestimmt werden. Vielmehr hat das Erstgericht nicht nur eine umfangreiche und überaus sorgfältige sowie erschöpfende Beweisaufnahme durchgeführt, sondern sodann auch eine ausführliche und gewissenhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Dabei ist auch dem Umstand Beachtung geschenkt worden, dass einige der vernommenen Zeugen in einem Näheverhältnis zur Klagepartei stehen.

Mit den von den Aussagen der klägerischen Zeugen abweichenden Angaben der Beklagten zu 1) bis 3) hat sich das Erstgericht ebenfalls mit Ausführlichkeit, nachvollziehbar und überzeugend befasst. Letztlich ist der profunden und widerspruchsfreien erstgerichtlichen Beweiswürdigung seitens der Kammer nichts weiter hinzuzufügen.

b) Soweit die Berufung mehrfach zum Ausdruck bringt, dass die Beweisaufnahme wegen unsubstantiierten Sachvortrags der Klagepartei und „ins Blaue hinein“ erhobener Vorwürfe schon nicht erforderlich gewesen sei, ist dies zur Gänze unbehelflich. Denn die kündigungsgegenständlichen Vorwürfe waren ohne Zweifel insbesondere zeitlich und inhaltlich substantiiert. Selbstverständlich bestand daher Veranlassung, die Beweisaufnahme durchzuführen.

c) Dass das Erstgericht unter Berücksichtigung der gesamten Beweisaufnahme vom kündigungsgegenständlichen Verhalten des Beklagten zu 3) überzeugt war, ist nach alledem vollumfänglich von § 286 ZPO getragen und daher von der Kammer nicht zu beanstanden.

3. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vermag das erstgerichtliche Urteil – jedenfalls im Ergebnis – zu überzeugen.

Völlig zu Recht ist in Ansehung der nachgewiesenen Verfehlungen des Beklagten zu 3) von einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens ausgegangen worden.

a) Soweit die Berufung moniert, dass sich das abgemahnte Verhalten des Beklagten zu 3) vom 09.06.2020 nicht als mietrechtliche Pflichtverletzung darstelle, kann dies vorliegend dahinstehen.

Denn die Klagepartei hat hier nach den Abmahnungen insgesamt zwei fristlose Kündigungen ausgesprochen. Die dem Beklagten zu 3) insoweit zum Vorwurf gemachten Beleidigungen stellen sich – zumal auf dem verfahrensgegenständlichen Anwesen ausgesprochen und gegen Mitbewohner bzw. die Ehefrau eines Mitgesellschafters der Klagepartei gerichtet – zweifelsfrei als mietrechtlich relevante Verhaltensweisen dar, die den Beklagten zu 1) und zu 2) freilich zugerechnet werden können.

Ginge man zugunsten der beklagten Partei von einer Unwirksamkeit der klägerseits ausgesprochenen Abmahnungen aus, so könnte jedenfalls die erste fristlose Kündigung vom 16.11.2020 ohne Weiteres in eine Abmahnung umgedeutet werden, § 140 BGB. Dem Erfordernis einer vorangegangenen Abmahnung nach § 543 Abs. 3 BGB wäre daher mit Blick auf die zweite fristlose Kündigung vom 01.02.2021 ersichtlich genügt.

b) Die Berufung vermag schließlich auch dahingehend nicht zu überzeugen, als sie meint, das (bestrittene) Fehlverhalten des Beklagten zu 3) rechtfertigten keine Kündigung des Mietverhältnisses.

Es stellt sich vielmehr auch nach Überzeugung der Kammer so dar, dass die wiederholten massiven Ehrverletzungsdelikte des Beklagten zu 3) zum Nachteil gleich mehrerer Mitbewohner bzw. der Ehefrau eines Mitgesellschafters der Klagepartei den Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens rechtfertigen. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, dass die Schwere und Häufigkeit der Beleidigungen zum Nachteil gleich mehrerer Personen erheblich ins Gewicht fällt. Sowohl die Herabwürdigung von Mitbewohnern als „Nazis“, als auch die sexistisch-sexualisierte Beleidigung der Ehefrau eines klägerischen Mitgesellschafters mit den Worten „Fick dich, du fette Proletenhausfrau!“ bringen ein unsägliches Maß an Abschätzigkeit und Respektlosigkeit zum Ausdruck. Ein derartiges Verhalten weist nicht nur strafrechtliche Relevanz nach § 185 StGB, sondern eben auch und gerade eine gravierende mietrechtliche Bedeutsamkeit auf und trägt im vorliegenden Fall die fristlose Beendigung des verfahrensgegenständlichen Mietverhältnisses.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Verweis der Berufung auf eine schwierige Situation, in der sich der Beklagte zu 3) wegen des gesundheitlichen Zustands seines Vaters, des Beklagten zu 2), zeitweise befunden habe. Denn dies rechtfertigt nicht im Ansatz das vorgenannte überaus befremdliche, entgrenzte Verhalten des Beklagten zu 3), das jegliche Rücksichtnahme und den gebotenen zwischenmenschlichen Anstand schon im Ansatz vermissen ließ.

Der Berufung ist nach alledem kein Erfolg beschieden.

III.

1. Die Kostenfolge beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Der festgesetzte Streitwert beruht auf dem Jahresbetrag der Nettomiete von 1.012,35 Euro nebst Betriebskostenpauschale in Höhe von 40,39 Euro.

2. Eine weitere Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO konnte vorliegend nicht gewährt werden.

Dabei wird nicht verkannt, dass das Mietverhältnis sicherlich als langjährig zu bezeichnen ist und der Gesundheitszustand des Beklagten zu 2) durchaus angeschlagen sein dürfte. Auch das fortgeschrittene Alter der Erst- und des Zweitbeklagten sowie der angespannte Mietmarkt in der Landeshauptstadt kann an sich zugunsten der Beklagten im Rahmen des Bestandsinteresses Berücksichtigung finden.

Allerdings hat die Kammer hier maßgeblich in die Abwägung einzustellen, dass bereits das Erstgericht eine längere Räumungsfrist gewährt hat und dass das Mietverhältnis aufgrund nachhaltiger Störung des Hausfriedens spätestens mit Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 01.02.2021 – mithin schon vor mehr als 1 3/4 Jahren – beendet worden ist. Aufgrund der nach dem persönlichen Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2022 nicht erkennbaren Unrechtseinsicht des Beklagten zu 3) kann überdies nicht ausgeschlossen werden, dass es zu weiteren gravierenden verbalen Übergriffen des Beklagten zu 3) kommen wird. Dies aber ist der Klagepartei in keiner Weise mehr zuzumuten.

 

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