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Herausgabeklage bei Verletzung der Mitwirkungspflichten des Mieters nach Eigentümerwechsel

LG Kiel – Az.: 18 O 233/09 – Urteil vom 08.03.2010

1. Die Beklagte zu 2) wird dazu verurteilt, die in der Liegenschaft … gelegene Fläche mit einer Gesamtfläche von ca. 300 qm – in der Anlage K 7 zur Klageschrift vom 2.10.2009 (Bl. 19 d. A.) als Fläche 1 A blau umrandet und rot/blau schraffiert gemäß Grundrissplan – zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte zu 2) wird dazu verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) von der Pflicht zur Erstattung der Prozesskosten aus diesem Verfahren freizustellen.

3. Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin 41,18 %, die Beklagte zu 2) trägt 58,82 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) 58,82 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 Euro, für den Beklagten zu 1) in Höhe von 12/10 des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Räumung von Gewerbeflächen.

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2007 Eigentümerin der Liegenschaft …, in der ein Fachmarktzentrum mit Mietern aus verschiedenen Branchen betrieben wird.

Am 28.3.2006 schloss die Beklagte zu 2), deren Prokurist der Beklagte zu 1) ist, mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Vereinbarung über die Nutzung der im Tenor bezeichneten Gewerbefläche (im Folgenden als Fläche 1 A bezeichnet). Für die Nutzung der Fläche sollte die Beklagte zu 2) ein monatliches Entgelt von 364,00 Euro zzgl. MwSt. zahlen. Die Parteien vereinbarten zudem eine dreimonatige Kündigungsfrist jeweils zum Quartalsende.

Nachdem die Beklagte zu 2) die Fläche etwa sechs Monate in Gebrauch genommen hatte, sprach die Rechtsvorgängerin der Klägerin Ende September 2006 eine „Änderungskündigung“ aus. In dem Schreiben vom 29.9.2006 teilte sie mit, dass sie die zwischen den Parteien getroffene Nutzungsvereinbarung zum 31.12.2006 formell kündige, gleichzeitig aber bereit sei, das Mietverhältnis mit einer geänderten Kündigungsfrist von vier Wochen zu einem Monatsende fortzusetzen. Zur Begründung verwies sie auf anstehende Sanierungsarbeiten in dem streitgegenständlichen Objekt. Da diese unter Umständen eine zeitweise oder völlige Räumung der von der Beklagten zu 2) genutzten Fläche erforderlich machten, müsse sie „kurzfristiger handlungsfähig“ sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 29.9.2006 (Anlage K 11 zum Schriftsatz vom 6.1.2010, Bl. 68 d. A.) Bezug genommen.

Das Schreiben wurde von dem Beklagten zu 1) als Vertreter der Beklagten zu 2) entsprechend der darin enthaltenen Aufforderung gegengezeichnet.

Am 30.11.2006 wies die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagte zu 2) schriftlich auf den bevorstehenden Eigentumswechsel hin und teilte mit, dass die Nutzungsvereinbarung zum Jahreswechsel auf die Klägerin als neue Eigentümerin übergehen würde. Dabei wies sie zugleich darauf hin, dass die Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt eine größere Fläche als die ursprünglich vereinbarte nutzte, was man bislang stillschweigend geduldet habe. Wegen des bevorstehenden Eigentumswechsels sei jedoch nunmehr die Räumung der darüberhinausgehenden Fläche erforderlich.

In der Folgezeit nutzte die Beklagte zu 2) die ursprünglich gemietete Fläche 1 A weiter, darüberhinaus auch die als Flächen 2, 3 und 4 auf dem Grundrissplan Anlage K7 zur Klageschrift ausgewiesenen, rot schraffierten und blau umrandeten, jeweils etwa 100 qm großen Teilflächen (im Folgenden jeweils als Flächen 2, 3 und 4 bezeichnet) zum Be- und Entladen von Waren. Auf der Fläche 2 lagerte der Beklagte zu 1) Möbel und Gegenstände für einen befreundeten Unternehmer ab. Weitere Maschinen und Gegenstände der Beklagten zu 2) stellte der Beklagte zu 1) auf der etwa 800 qm großen, als Fläche 1 B auf dem Grundrissplan Anlage K 7 zur Klageschrift ausgewiesenen Teilfläche (im Folgenden als Fläche 1 B bezeichnet) ab. Die als Heizung auf dem Grundrissplan Anlage K7 zur Klageschrift ausgewiesene, rot schraffierte und blau umrandete Teilfläche von etwa 30 qm (im Folgenden als Fläche Heizung bezeichnet) nutzte die Beklagte zu 2) unstreitig nicht.

Ab Januar 2008 stellte die Beklagte zu 2) jegliche Entgeltzahlungen an die Klägerin ein.

Im Juli 2009 fiel dem Zeugen …, dem kurz zuvor bei der Klägerin zuständig gewordenen Asset Manager, auf, dass die Beklagte zu 2) in der streitgegenständlichen Liegenschaft offenbar größere Flächen ohne Entgeltzahlung nutzte. Da die Klägerin ein bestehendes Miet/Nutzungsverhältnis in ihren Unterlagen nicht feststellen konnte, wandte sie sich an den Beklagten zu 1). Dieser teilte auf die Rückfragen der Klägerin mit, es bestehe ein Mietverhältnis, Belege hierfür wies er jedoch nicht vor.

Mit Schreiben vom 7.8.2009 forderte die Klägerin den Beklagten zu 1) zur Räumung und Herausgabe der genutzten Fläche auf und übersandte ein entsprechendes Schreiben zugleich an die Geschäftsadresse der Beklagten zu 2). Darauf meldete sich mit Datum vom 14.8.2009 der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für den Beklagten zu 1) und wies auf eine mit der Rechtsvorgängerin getroffene Nutzungsvereinbarung hin.

Nachdem die Klägerin ihre Unterlagen nochmals vergeblich auf eine entsprechende Nutzungsvereinbarung überprüft hatte, forderte sie mit Schreiben vom 26.8.2009 die Beklagten dazu auf, klarzustellen, wer von den Beklagten ein Besitzrecht an der Fläche beanspruche und dieses Besitzrecht ggf. zu belegen. Auf dieses Schreiben reagierten die Beklagten nicht.

Mit Datum vom 15.9.2009 kündigte die Klägerin vorsorglich ein etwaig bestehendes Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Die fristlose Kündigung begründete sie mit dem Umstand, dass seit Januar 2008 keinerlei Nutzungsentgelt mehr entrichtet wurde. In dem Schreiben forderte die Klägerin die Beklagten zugleich unter Fristsetzung bis zum 30.9.2009 zur Räumung und Herausgabe sämtlicher genutzten Flächen auf. Auch auf dieses Schreiben reagierten die Beklagten nicht.

Nachdem die Klägerin die Klage zunächst gegen beide Beklagten gerichtet hat, hat sie die Klage gegen den Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 zurückgenommen. Sie hat des Weiteren die Klage insoweit zurückgenommen, als diese zunächst auch auf die Räumung und Herausgabe der Teilfläche „Heizung“ gerichtet war. Nachdem der Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 erklärt hat, dass die Flächen 1B, 2, 3 und 4 zwischenzeitlich vollständig geräumt worden seien, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Räumung und Herausgabe dieser Teilflächen übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die in der Liegenschaft … Kaltenkirchen gelegene Fläche mit einer Gesamtfläche von ca. 300 qm – in der Anlage K 7 zur Klageschrift vom 2.10.2009 als Fläche 1 A blau umrandet und rot/blau schraffiert gemäß Grundrissplan – zu räumen und an die Klägerin herauszugeben sowie die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) von der Pflicht zur Erstattung der Prozesskosten aus diesem Verfahren freizustellen.

Die Beklagte zu 2) beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, es habe im Herbst 2007 an dem streitgegenständlichen Objekt einen Wasserschaden gegeben, der zu Schäden an den Geräten und am Mobiliar der Beklagten zu 1) geführt hätte. Im Rahmen einer gemeinsamen Begehung mit dem Hausmeister, dem Zeugen … seien diese Schäden auf 6.000 Euro beziffert worden. Es seien sodann ab Januar 2008 Dachsanierungsarbeiten an dem Objekt durchgeführt worden, wobei es zu weiteren Schäden an Geräten und Maschinen der Beklagten zu 2) gekommen sei. Diese Schäden beliefen sich auf 8.020,00 Euro. Hinsichtlich des Gesamtschadens von 14.020,00 Euro habe man mit der Klägerin eine Vereinbarung getroffen, dass etwaige Mietzinsforderungen damit verrechnet werden sollten.

Zum Beweis für die behaupteten Schäden haben die Beklagten Beweis durch Vernehmung der Zeugen … und … angeboten. Die Behauptung, es sei eine entsprechende Verrechnungsvereinbarung getroffen worden, haben sie unter Beweis gestellt durch Vernehmung des Zeugen ….

Entscheidungsgründe

Der auf Räumung und Herausgabe der Teilfläche 1 A bezeichnete Klageantrag ist zulässig und begründet. Hinsichtlich der Räumung und Herausgabe der übrigen Teilflächen war wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen und der teilweisen Klagerücknahmen nur noch über die Kosten zu entscheiden.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Tenor bezeichneten Teilfläche 1 A gemäß § 546 BGB.

Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über die Fläche 1 A ist durch Kündigung beendet worden.

1.) Eine wirksame Kündigungserklärung liegt vor. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Schreiben vom 7.8 und 26.8.2009 als Kündigungserklärungen aufzufassen sind, in denen der Wille zur Vertragsbeendigung hinreichend klar zum Ausdruck kommt (vgl. dazu Palandt – Weidenkaff § 542 BGB Rn. 12). Die Klägerin hat jedenfalls mit Schreiben vom 15.9.2009 gekündigt. Aus dem Schreiben ergibt sich eindeutig, dass ein etwaiges Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin gekündigt werden sollte.

2.) Es bestand auch ein Kündigungsgrund. Die Klägerin war aufgrund der Vereinbarung der Parteien berechtigt, das Nutzungsverhältnis innerhalb von vier Wochen zu einem Monatsende zu kündigen, so dass das zwischen den Parteien bestehende Nutzungsverhältnis jedenfalls mit Wirkung zum 31.10.2009 endete.

a) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte zu 2) haben mit Wirkung zum 31.12.2006 die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit geänderter, nunmehr vierwöchiger, Kündigungsfrist vereinbart.

In dem als „Änderungskündigung“ bezeichneten Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 29.9.2006 lag zugleich ein Angebot auf Fortsetzung des Mietverhältnisses mit veränderter Kündigungsfrist. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den bestehenden Nutzungsvertrag ausschließlich wegen der bis dahin geltenden dreimonatigen Kündigungsfrist kündigen und einen neuen Vertrag gleichen Inhalts, aber mit veränderter Kündigungsfrist, schließen wollte. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat insoweit ausdrücklich auf die bevorstehenden Sanierungsarbeiten hingewiesen, die unter Umständen eine kurzfristige Räumung erforderlich machten. Das Schreiben vom 29.9.2006 konnte die Beklagte zu 2) daher insgesamt nur als Angebot einer entsprechenden Vereinbarung der Fortsetzung des Mietverhältnisses mit verkürzter Kündigungsfrist verstehen.

Die Beklagte zu 2) hat dieses Angebot auch angenommen. Sie hat durch ihr gesamtes Verhalten jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie das Mietverhältnis auch unter der Voraussetzung einer nur vierwöchigen Kündigungsfrist fortsetzen wollte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) das Schreiben vom 29.9.2006 für die Beklagte zu 2) gegengezeichnet hat. Anhaltspunkte dafür, dass er namens der Beklagten zu 2) der geänderten Kündigungsfrist widersprechen wollte, lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Handschriftliche Änderungen hat der Beklagte zu 1) lediglich hinsichtlich der Firmenanschrift der Beklagten zu 2) eingefügt, nicht aber hinsichtlich des Inhalts. Die Gegenzeichnung ist – trotz der darin enthaltenen Aufforderung – auch nicht als bloße Bestätigung des Empfangs des Schreibens zu verstehen. Für die Beklagte zu 2) war nach dem gesamten Inhalt des Schreibens ersichtlich, dass es der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausschließlich und gerade um die Änderung der Kündigungsfristen ging. Wenn die Beklagte zu 1) ein derartiges Schreiben unterschreibt, dabei sogar handschriftliche Korrekturen hinsichtlich der Firmenadresse vornimmt, das Schreiben ansonsten aber ohne jeden Widerspruch kommentarlos zurückschickt und die betreffende Fläche weiter nutzt, kann dies aus Sicht eines objektiven Empfängers anstelle der Rechtsvorgängerin der Klägerin nur so zu verstehen sein, dass die Beklagte zu 1) mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses unter veränderter Kündigungsfrist einverstanden war.

b) Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte zu 1) haben sich auch nicht nachträglich auf eine Verlängerung der Kündigungsfristen verständigt.

Soweit die Beklagten nach der mündlichen Verhandlung innerhalb der ihnen nachgelassenen Schriftsatzfrist erstmals vorgetragen haben, die Beklagte zu 2) habe durch den Beklagten zu 1) „im Nachgang dieses Schreibens“ mehrfach geäußert, die kurze Kündigungsfrist nicht zu akzeptieren, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass der insoweit gänzlich neue Vortrag nicht hinreichend substantiiert genug ist. Die Beklagten haben insbesondere nicht vorgetragen, wann der Beklagte zu 1) wem gegenüber welche Äußerungen getätigt haben, welche Kündigungsfristen er seinerseits vertraglich vereinbaren wollte, und welche Reaktionen hierauf erfolgt sind. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass dem Beklagten zu 1) das Schreiben vom 29.9.2006 in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 vorgehalten wurde. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Beklagte zu 1) zu dem Schreiben lediglich angegeben, dass er dieses kenne und es unterschrieben habe. Er hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Gericht erkennen lassen, dass er dem Inhalt des Schreibens und insbesondere der Verkürzung der Kündigungsfrist im Nachhinein in irgendeiner Weise widersprochen haben will.

Selbst wenn man aber das Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt und annimmt, dass der Beklagte zu 1) der Verkürzung der Kündigungsfrist nachträglich widersprochen hätte, hätten die Parteien damit noch keine anderweitige Nutzungsvereinbarung mit einer längeren Kündigungsfrist getroffen. Die Beklagten haben lediglich vorgetragen, dass sie der Verkürzung der Kündigungsfrist auf vier Wochen widersprochen haben, eine konkrete andere Kündigungsfrist haben sie nach ihrem eigenen Vorbringen nicht zur Verhandlung gestellt. Ein derartiges Verhalten der Beklagten zu 2) hätte daher allenfalls dahin verstanden werden können, dass sie den alten Vertrag wiederaufleben lassen wollte. Einer entsprechenden Vertragsänderung hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin jedoch nicht, auch nicht konkludent zugestimmt. Für die Beklagte zu 2) war nach dem Schreiben vom 29.9.2006 offensichtlich, dass es der Rechtsvorgängerin der Klägerin gerade auf die Verkürzung der Kündigungsfrist ankam. Bei dieser Sachlage durfte die Beklagte zu 2) jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit einer etwaigen stillschweigenden Duldung der weiteren Nutzung zugleich ihr Einverständnis mit dem Wiederaufleben des alten Vertrags erteilen wollte. Eine nachträgliche Vereinbarung, wonach die dreimonatige Kündigungsfrist wieder gelten sollte, liegt somit nicht vor. Sie hätte ohnehin zu keinem anderen Ergebnis geführt, da das Mietverhältnis auch unter Zugrundlegung der ursprünglich vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31.12.2009, mithin vor der mündlichen Verhandlung bereits beendet gewesen wäre.

c) Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist auch nicht durch eine nachträgliche Vereinbarung hinsichtlich des Abmietens etwaiger Schadensersatzforderungen ausgeschlossen worden. Soweit sich die Beklagte zu 2) in dem Schriftsatz vom 29.01.2010 darauf beruft, sie habe mit dem Vertreter der Klägerin, Herrn … , vereinbart, dass während der Frist des Abmietens die ordentliche Kündigung des Nutzungsverhältnisses ausgeschlossen sei, handelt es sich um neues Vorbringen, das nach § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen war. Dem Beklagtenvertreter ist in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 Schriftsatznachlass lediglich im Hinblick auf den klägerischen Schriftsatz vom 6.1.2010 gewährt worden, mit dem die Klägerin die Anlagen K 10 bis 12 vorgelegt hat. Wenn die Beklagte zu 1) nunmehr erstmalig behauptet, das Recht zur ordentlichen Kündigung sei durch Vereinbarung ausgeschlossen worden, handelt es sich diesbezüglich um ein völlig neues Vorbringen, das über eine Erwiderung auf den klägerischen Schriftsatz hinausgeht. Dass sich die Klägerin bei ihrem Räumungsanspruch auch auf ein Recht zur ordentlichen Kündigung stützte, war der Beklagten zu 1) bereits aus dem vorprozessualem Schriftverkehr bekannt. Die Beklagten selbst haben sich schon in der Klageerwiderung auf die Verrechnung mit von ihnen behaupteten Schadensersatzansprüchen berufen. Es wäre ihnen ohne weiteres möglich gewesen, bereits zu diesem Zeitpunkt, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 zu einer entsprechenden Vereinbarung vorzutragen.

In diesem Zusammenhang war schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht haben, für den Fall des Scheiterns der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen eine weitere Verzögerung des Rechtsstreits (einschließlich des Ganges in die nächsthöhere Instanz) herbeiführen zu wollen, um die Fläche so lange wie möglich nutzen zu können.

Vor diesem Hintergrund war eine Wiederöffnung der Verhandlung nicht geboten (vgl. hierzu Zöller – Greger § 157 Rn. 4). Das insoweit neue Vorbringen der Beklagten zu 1) war nach § 296 a ZPO zurückzuweisen.

Nach alledem war die Klägerin zur Kündigung binnen einer Frist von vier Wochen jeweils zum Monatsende berechtigt. Auf die Frage, ob der Klägerin auch ein außerordentliches Kündigungsrecht aufgrund des seit Januar 2008 einbehaltenen Nutzungsentgelts zustand, kam es somit nicht mehr an. Dem von den Beklagten diesbezüglich angebotenen Zeugenbeweis war daher nicht mehr nachzukommen.

Da das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 15.9.2009 zum 31.10.2009 beendet wurde, hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Fläche 1A.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Freistellung von der Pflicht zur Erstattung der Prozesskosten gegenüber dem Beklagten zu 1) gemäß § 280 BGB.

Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 BGB in Gestalt des Nutzungsvertrags über die Fläche 1 A. Aus einem derartigen Schuldverhältnis erwächst grundsätzlich für beide Vertragspartner die Verpflichtung, die Durchführung des Vertrags zu ermöglichen (Mitwirkungspflicht, siehe dazu Palandt – Grüneberg § 280 Rn. 29) und über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren (Aufklärungspflichten, siehe dazu Palandt – Grüneberg § 280 Rn. 30). Dabei kann sich nach Auffassung des Gerichts die Verpflichtung eines Vertragspartners auch darauf erstrecken, der anderen Seite Informationen über den Vertragsschluss zu erteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – der ursprüngliche Vertrag nur mit dem Rechtsvorgänger des Vertragspartners geschlossen wurde, d. h. eine Partei an dem originären Vertragsschluss gar nicht beteiligt war. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu 1) diese Verpflichtung verletzt. Die Klägerin hat die Beklagte zu 2) wiederholt vorgerichtlich dazu aufgefordert, einen Beleg für den geschlossenen Nutzungsvertrag vorzulegen, insbesondere klarzustellen, wer von den beiden Beklagten ein Besitzrecht an der Fläche beansprucht. Die Beklagte zu 2) ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Weder auf das Schreiben vom 26.8.2009 noch auf das Schreiben vom 15.9.2009 haben die Beklagten reagiert, nachdem durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 14.8.2008 der Eindruck erweckt worden war, Vertragspartner sei der Beklagte zu 1).

Die Beklagte zu 1) hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Sie hat insoweit keinerlei Umstände zu ihrer Entlastung vorgetragen, insbesondere nicht erklärt, warum sie auf die Aufforderungen der Klägerin nicht reagiert hat.

Der Klägerin ist infolge der Pflichtverletzung schließlich auch ein Schaden entstanden. Mangels Aufklärung durch die Beklagte zu 2) musste sie davon ausgehen, dass Vertragspartner vorliegend (auch) der Beklagte zu 1) sein konnte und die Klage auch gegen diesen erheben. Nach erfolgter Klagerücknahme hat sie im Verhältnis zum Beklagten zu 1) die hieraus entstehenden Kosten zu tragen, so dass sie von einem entsprechenden Anspruch des Beklagten zu 1) nach § 249 Abs. 1 BGB freizuhalten ist (vgl. dazu Palandt – Grüneberg § 249 Rn. 4; § 257 Rn. 1).

III. Bei der Entscheidung über die Kosten waren zum einen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beklagten hinsichtlich der Herausgabe der Flächen 1 B, 2, 3 und 4 zu berücksichtigen, zum anderen die Rücknahme des Antrags auf Räumung der Fläche Heizung und die Rücknahme der Klage gegen den Beklagten zu 1).

1.) Nachdem die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Räumung und Herausgabe der Flächen 1 B, 2, 3 und 4 in der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2010 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hatte das Gericht diesbezüglich nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden, § 91 a ZPO. Dies führte dazu, dass nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) die Kosten der Beklagten zu 2) aufzuerlegen waren, da sie auch hinsichtlich des Antrags auf Räumung und Herausgabe der Teilflächen 1 B, 2, 3 und 4 aller Voraussicht nach unterlegen gewesen wäre. Ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses hätte der Klägerin voraussichtlich ein Anspruch auf Herausgabe der von ihr genutzten Flächen nach § 985 BGB zugestanden. Die Klägerin war unstreitig Eigentümerin der Flächen. Die Beklagte zu 2) dürfte nach dem ohne Erledigung zu erwartenden Verfahrensausgang auch Besitzerin der Flächen gewesen sein. Voraussetzung für den Erwerb von Besitz ist die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache sowie der Besitzbegründungswille des Erwerbers. Der Beklagte zu 1) hat für die Beklagte zu 2) selbst eingeräumt, dass auf den Flächen 1 B, 2, 3 und 4 Gegenstände der Beklagten zu 2) abgestellt wurden. Zwar ist zweifelhaft, ob ein nur vorübergehendes, kurzfristiges Abstellen von Gegenständen auf einer Fläche zur Begründung von Besitz an der Fläche genügt. Indes hat der Beklagte zu 1) hinsichtlich der Flächen 1 B und 2 eingeräumt, dass dort Gegenstände dauerhaft abgestellt und zum Teil (Fläche 1 B) mit einer Plane abgestellt wurden. Soweit der Beklagte zu 1) hinsichtlich der Flächen 3 und 4 vorgetragen hat, er habe diese Flächen zum Be- und Entladen genutzt, war wiederum zu berücksichtigen, dass hier kein kurzer, einmaliger Entladevorgang vorlag, sondern die Flächen nach den eigenen Angaben des Beklagten zu 1) regelmäßig zum Be- und Entladen benutzt wurde, wobei die Gegenstände schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten mehrere Tage dort lagerten. Hinzu kommt, dass die Klägerin Fotos vorgelegt hat, wonach zahlreiche Gegenstände jedenfalls in den zwei Monaten nach Klageeinreichung nicht bewegt wurden. Nach dem bisherigen Parteivorbringen der Parteien war daher davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) Besitz an sämtlichen von ihr genutzten Teilflächen begründet hat. Schließlich stand der Beklagten zu 2) auch kein Besitzrecht zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich die geschlossene Nutzungsvereinbarung nur auf die Teilfläche 1 A bezog. Es war daher davon auszugehen, dass der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses einen Anspruch auf Herausgabe nach § 985 BGB gehabt hätte.

2.) Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich der Räumung und Herausgabe der Fläche Heizung zurückgenommen hat, weil die Beklagte zu 2) diese Fläche unstreitig nie genutzt hat, führt dies nicht zu einer Änderung der Kostenverteilung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2). Die Fläche Heizung mit einer Größe von 30 qm machte im Verhältnis zu der von der Beklagten zu 2) genutzten Fläche von 1.400 qm lediglich einen Anteil von etwa 2 % aus. Im Rahmen der Verteilung entsprechend § 92 ZPO war dieser Anteil nach dem Grundgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu vernachlässigen (geringfügige Zuvielforderung).

Im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) waren die Kosten somit der Beklagten zu 2) aufzuerlegen.

3.) Im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) trägt nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Klägerin die Kosten. Ein Fall, in dem die Kosten ausnahmsweise dem Beklagten zu 1) aufzuerlegen waren, lag nicht vor (vgl. zum Vorliegen eines entsprechenden Sonderfalles Zöller – Greger § 269 Rn. 18, 18 a).

4.) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zu Ziff. III 1.) bis 3.) war über die Kostenverteilung nach Maßgabe der Baumbach’schen Formel zu entscheiden. Dies führte zu der aus dem Tenor ersichtlichen Kostenentscheidung.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Beschluss vom 27.05.2010: Das Urteil vom 08.03.2010 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, dass die diesem Beschluss beigefügte Anlage K7 zur Klageschrift vom 2.10.2009 (Bl. 19 d. A.) mit dem Urteil verbunden wird.

Gründe

Das Urteil war wie geschehen von Amts wegen gemäß § 319 ZPO zu berichtigen. Das Urteil weist eine Unvollständigkeit auf, da die Anlage, auf die der Tenor zur exakten Bezeichnung der zu räumenden Fläche Bezug nimmt, dem Urteil nicht beigefügt war. Die Anlage ist angesichts des Akteninhalts und der genauen Bezeichnung im Tenor auch eindeutig identifizierbar. Es handelt sich mithin um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die nach § 319 ZPO im Wege der Beifügung der Anlage jederzeit von Amts wegen berichtigt werden kann (siehe dazu OLG München vom 21.07.2008, Az.: 5 U 2059/08 zitiert nach juris).

 

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