Berufungsverfahren führt zur Rückverweisung an das Amtsgericht Nauen
In einem komplexen juristischen Wirrwarr zwischen einer Klägerin und der Beklagten wurde das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts Nauen durch das Landgericht Potsdam aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung des Landgerichts Potsdam (Az.: 4 S 37/21) vom 19.11.2021 zeigt einmal mehr, wie entscheidend Details im Prozessablauf sein können. Der zentrale Streitpunkt in diesem Berufungsverfahren lag auf der Zustellung des ursprünglichen Urteils und der damit verbundenen Berufungsfrist.
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Übersicht
Bedeutung der korrekten Zustellung und Fristen
Die Klägerin legte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nauen ein, und dieses Berufungsverfahren wurde vom Landgericht Potsdam als form- und fristgerecht anerkannt. Die Beklagte jedoch machte geltend, dass die Klägerin das Urteil bereits am 01.04.2021 hätte erhalten müssen, was die Berufungsfrist und damit die Zulässigkeit der Berufung in Frage stellte.
Die Klägerin argumentierte, dass sie das Urteil erst am 12.04.2021 erhalten habe, da sie vom 02.04. bis 11.04.2021 nicht im Büro war. Dieser Zeitraum umfasste die Osterfeiertage und einen anschließenden Urlaub der Klägerin.
Entscheidung des Landgerichts und Konsequenzen
Das Landgericht Potsdam entschied zugunsten der Klägerin. Die Beklagte konnte keine stichhaltigen Beweise vorlegen, die das Argument der Klägerin widerlegen würden, dass das Urteil bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugestellt wurde.
Diese Entscheidung führt zur Aufhebung des ursprünglichen Urteils und zur Rückverweisung des Falles an das Amtsgericht Nauen für eine erneute Verhandlung und Entscheidung. Darüber hinaus werden die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens niedergeschlagen, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der korrekten Zustellung von Urteilen und der Einhaltung von Fristen. Sie hebt hervor, wie kritisch diese Aspekte für den Verlauf und das Ergebnis eines juristischen Verfahrens sein können, insbesondere in einem komplexen Berufungsverfahren.
Das vorliegende Urteil
LG Potsdam – Az.: 4 S 37/21 – Urteil vom 19.11.2021
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 31.03.2021, Az. 16 C 69/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 1 S.1 Nr. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Sache war nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO in Verbindung mit § 301 ZPO unter Aufhebung des Urteils an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen.
1. Zulässigkeit der Berufung
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Nauen ist zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgerecht gem. § 517 ZPO eingelegt und auch form- und fristgerecht gem. § 520 ZPO begründet. Die Berufungsbegründung ist innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO bei Gericht eingegangen.
Ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 184 d. A.) über die Zustellung des angegriffenen Urteils ist dieses der Klägerin am 12.04.2021 zugestellt worden. Das Vorbringen der Beklagten in Bezug auf die fristgemäße bzw. verfristete Begründung der Berufung führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den sich in der Akte befindlichen Erledigungsvermerk vom 01.04.2021 vorgetragen, dass der Klägerin das Urteil bereits am 01.04.2021 per beA zugestellt worden sein müsste. Die Klägervertreterin hat hierzu im Schriftsatz vom 20.09.2021 Stellung genommen und konkret vorgetragen, dass sie sich im Zeitraum vom 02.04-11.04.2021 nicht im Büro befunden habe und ihr daher das Urteil erst am 12.04.2021 zugestellt worden sei. Zur Erläuterung hat sie ausgeführt, dass der Zeitraum vom 02.04-05.04.2021 die Osterfeiertage umfasste und die Klägervertreterin danach noch bis einschließlich 09.04.2021 im Urlaub gewesen sei. Am 01.04.2021 sei sie in den Vormittagsstunden noch im Büro gewesen und habe in dieser Zeit das angegriffene Urteil nicht erhalten.
Auf diesen Vortrag der Klägerseite hat die Beklagte nichts Substantiiertes erwidert. Sie hat lediglich allgemein bestritten, dass der Klägerin das Urteil erst am 12.04.2021 zugestellt worden ist. Triftige Anhaltspunkte, die dafür sprechen würden, dass der Klägerin das Urteil bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugestellt worden wäre bzw. die den Vortrag der Klägervertreterin entkräften könnten, hat die Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Es ist somit davon auszugehen, dass das Urteil des Amtsgerichts die Klägerin erst am 12.04.2021 erreicht hat. Dies auch insbesondere unter Berücksichtigung des von der Beklagten zitierten § 14 BORA, wonach ein Empfangsbekenntnis unverzüglich zu erteilen ist. Anhaltspunkte, die darauf hinweisen könnten, dass die Klägervertreterin unter Verletzung des § 14 BORA das Empfangsbekenntnis verspätet abgegeben habe, bestehen nicht und zeigt die Beklagte auch nicht auf.
Aufgrund der Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils am 12.04.2021 endete die Berufungsbegründungsfrist regulär mit Ablauf des 12.06.2021. Da es sich hierbei jedoch um einen Samstag handelte, verschob sich das Fristende gem. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1, 193 BGB auf den Ablauf des 14.06.2021. Der Berufungsbegründungsschriftsatz ist am 14.06.2021 bei Gericht eingegangen, sodass die Frist mithin gewahrt worden ist.
2. Vorliegen eines unzulässigen Teilurteils
Gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO ist die Sache unter Aufhebung des angegriffenen Urteils an das Amtsgericht Nauen zurückzuverweisen, da ein unzulässiges Teilurteil gem. § 301 ZPO vorliegt. Diese Tatsache ist vom Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 2 ZPO) (siehe BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 − VIII ZR 42/10 NJW 2011, 2736, beck-online).
Ein unzulässiges Teilurteil ist dann gegeben, wenn die Voraussetzungen eines Teilurteils nach § 301 ZPO nicht erfüllt sind. Ein Teilurteil kann erlassen werden, wenn
– a) der Streitgegenstand des Verfahrens teilbar ist,
– b) nur ein Teil des Streitgegenstands entscheidungsreif ist, und
– c) wenn das Gebot der Widerspruchsfreiheit zum Schlussurteil beachtet worden ist, d. h. die Entscheidung im Rahmen des Teilurteils unabhängig von der Entscheidung des noch anhängigen restlichen Streitgegenstands ist.
Hier fehlt es an der Voraussetzung der Widerspruchsfreiheit des Teilurteils gegenüber dem Schlussurteil. Ein Teilurteil darf nur dann ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (Zöller/Feskorn § 301 ZPO Rn. 12 m. w. N.). Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht namentlich dann, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (vgl. BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 − VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 13, beck-online). Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist bereits dann gegeben, wenn es zu einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht kommen kann (vgl. Zöller/Feskorn a. a. O.). Eine solche Gefahr kann bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche bestehen, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 − VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 14, beck-online).
Vorliegend hat das Amtsgericht im Rahmen des Teilurteils in der Sache über einen Schadenersatzanspruch der Klägerin auf Ersatz von Reinigungskosten entschieden und die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Widerklage hat das Amtsgericht über einen Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten entschieden und diesen dem Grunde nach bejaht. Das Amtsgericht hat über die Höhe des Kautionsrückzahlungsanspruchs jedoch nur im Umfang von 270,60 € (gemeint waren 207,16 €, hier dürfte insoweit eine offenbare Unrichtigkeit gem. § 319 Abs. 1 ZPO vorliegen) entschieden. Über den restlichen Teil hat das Amtsgericht noch nicht entschieden. Dies umfasst die Frage der wirksamen Aufrechnung der Klägerin gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Mieten.
Betrachtet man nur den Erlass des Teilurteils im Verhältnis zum noch anhängigen restlichen Streitgegenstand dürfte die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht bestehen. Denn die Frage des Bestehens eines Anspruchs der Klägerin auf Zahlung rückständiger Mieten gem. § 535 Abs. 2 BGB kann unabhängig von der Entscheidung im Rahmen des Teilurteils entschieden werden. Sollte das Amtsgericht eine wirksame Aufrechnung der Klägerin bejahen, würde die Widerklage im Übrigen abgewiesen werden. Auf die Abweisung der Klage hätte dies jedoch keinen Einfluss, da diese ausweislich der Entscheidungsgründe bereits aufgrund der Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin abgewiesen worden ist.
In dem Fall, dass das Amtsgericht eine wirksame Aufrechnung der Klägerin nicht als gegeben ansehen würde, wäre die Widerklage auch hinsichtlich des restlichen Betrages begründet. Auf die Entscheidung über die Klage hätte jedoch auch dies keinen Einfluss, da wie bereits ausgeführt die Klage schon aufgrund der Versagung eines Schadenersatzanspruchs abgewiesen worden ist.
Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht jedoch unter Berücksichtigung einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht.
Im Rahmen der eingelegten Berufung hat das Berufungsgericht u. a. über die Frage des Bestehens eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin auf Ersatz der Reinigungskosten und über die Frage einer wirksamen vorprozessualen Verrechnungsabrede eines solchen Anspruchs mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch aufgrund der Vereinbarung im Übergabeprotokoll vom 29.01.2020 zu entscheiden. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Berufungsgericht zur Entscheidung kommt, es bestehe ein Schadenersatzanspruch der Klägerin und dieser sei wirksam mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten verrechnet worden und der erklärte Widerruf der Beklagten sei unwirksam (vgl. Übergabeprotokoll, Bl. 27 d. A.).
Eine solche Entscheidung würde dazu führen, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 934,59 € nur noch in Höhe von 134,77 € bestanden hätte (934,59 € – 799,82 € Reinigungskosten). Bereits aufgrund dessen wäre die Widerklage insoweit abzuweisen.
Käme das Amtsgericht im Rahmen seiner Entscheidung über den noch anhängigen Teil hingegen dazu, dass die Aufrechnung rückständiger Mieten durch die Klägerin gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch unwirksam gewesen ist, wäre im Rahmen des Schlussurteils der Beklagten der volle restliche Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 934,59 € abzüglich der bereits ausgeurteilten 207,60 € zuzusprechen.
Diese Entscheidung stände im Widerspruch zur zuvor skizzierten Entscheidung des Berufungsgerichts.
Da die Klägerin hier vorprozessual im Rahmen der Rückgabe der Wohnung durch die Beklagte einen etwaigen Schadenersatzanspruch sowie einen etwaigen Anspruch auf rückständige Mieten mit einem Kautionsrückzahlungsanspruch verrechnet bzw. gegenüber einem solchen aufgerechnet hat (Anl. K4, Bl. 29 d. A.) sind die selbstständigen Ansprüche der Parteien materiell-rechtlich miteinander verzahnt und stehen dadurch prozessual in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Aufgrund der somit bestehenden Gefahr einander widersprechender Entscheidungen liegt ein unzulässiges Teilurteil im Sinne des § 301 ZPO vor.
3. Weitere Voraussetzungen der Zurückverweisung/Ermessenserwägungen
Gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO darf das Berufungsgericht die Sache an das Ausgangsgericht zurückverweisen, wenn ein unzulässiges Teilurteil vorliegt. In diesem Fall bedarf es auch keines Antrags auf Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO. Da im Zivilprozess jedoch der Grundsatz der Selbstentscheidung des Berufungsgerichts gilt (vgl. § 538 Abs. 1 ZPO und Zöller/Heßler § 538 ZPO Rn. 1 ff.) steht die Zurückverweisung im Ermessen des Gerichts. Hierbei muss es den Gesichtspunkt der Prozessökonomie und einer schnellen Erledigung des Verfahrens gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz berücksichtigen. Ist die Sache entscheidungsreif, z. B. weil die Berufung offensichtlich unbegründet ist, kommt eine Zurückverweisung nicht in Betracht (Zöller/Heßler § 538 ZPO Rn. 6). Vorliegend ist eine Zurückverweisung jedoch sachdienlich, da es in der Sache einer erneuten Verhandlung und Entscheidung bedarf (vgl. Zöller/Heßler § 538 ZPO Rn. 7).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die gesamte Entscheidung über die Klage und die Widerklage im Rahmen des Teilurteils.
Das Amtsgericht hat im Rahmen der Klage einen Schadenersatzanspruch der Klägerin u. a. mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe der Beklagten keine Frist im Sinne des § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zur Nacherfüllung gesetzt und es liege auch keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte vor, denn hierzu hätte es eines ausdrücklichen Verlangens durch die Klägerin bedurft. Da die Vereinbarung im Übergabeprotokoll über einen Verzicht der Beklagten auf die Behebung der festgestellten Beschädigungen und der Verrechnung der Reinigungskosten mit der Kaution (Bl. 27 d. A.) im Nachgang von der Beklagten wirksam widerrufen worden sei, könne sich die Klägerin hierauf nicht berufen.
Mit dieser Begründung kann nach Auffassung der Kammer der Klägerin ein Schadenersatzanspruch nicht versagt werden.
Die Kammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein wirksamer Widerruf der Erklärungen im Rahmen der Übergabe der Wohnung am 29.01.2020 durch die Beklagte nicht vorliegen dürfte. Voraussetzung eines Widerrufsrechts gem. § 312g Abs. 1 BGB ist zunächst die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Kapitel 1 und 2 des entsprechenden Untertitels des BGB. Der Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Vorschrift des § 312 BGB. Nach § 312 Abs. 1 BGB ist die Vorschrift des § 312g BGB nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Abs. 2 BGB anzuwenden, welche eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.
Hier erscheint es nach Auffassung der Kammer bereits fraglich, ob in der Erklärung des Verzichts der Mängelbeseitigung und der Verrechnung mit der Kaution überhaupt ein (Verbraucher) Vertrag zu sehen ist. Ein Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung abzielenden Willens (siehe Palandt/Ellenberger Einf v. § 106 Rn. 1). Ob die Beklagte bei der Erklärung des Verzichts auf die Behebung der im Protokoll aufgeführten Beschädigungen mit Rechtsbindungswillen handelte, erscheint zumindest offen.
Nähme man aufgrund der richtlinienkonformen weiten Auslegung des Verbrauchervertrages einen solchen an, mangelt es jedenfalls an einer entgeltlichen Leistung der Klägerin im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vereinbarung über den Verzicht der Beklagten und die Verrechnung eine entgeltliche Leistung der Klägerin zum Gegenstand hätte. Auch unter Berücksichtigung einer weiten Auslegung der Vereinbarung ist eine Leistung der Klägerin als Gegenstand der Veruntreuung nicht erkennbar, sodass der Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB nach § 312 Abs. 1 BGB nicht eröffnet ist.
Die Auffassung des Amtsgerichts es handele sich um einen Vertrag über die Vermietung von Wohnraum gem. § 312 Abs. 4 S. 1 BGB wodurch die Vorschrift des § 312g BGB anwendbar sei, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zur Frage des Anwendungsbereichs des § 312 Abs. 4 S. 1 BGB unterfallen dieser Regelung nur Vereinbarungen der Parteien im laufenden Mietverhältnis über die Miethöhe (BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 94/17 NJW 2019, 303, Rn. 41 beck-online). Die Vereinbarung über einen Verzicht auf die Behebung von Beschädigungen und eine Verrechnung der entstehenden Kosten mit der geleisteten Kaution ist keine Vereinbarung über die Miethöhe. Geht man rein vom Wortlaut des § 312 Abs. 4 S. 1 BGB aus, der von einem Vertrag über die Vermietung von Wohnraum spricht, ist eine Vereinbarung eines Verzichts und einer Verrechnungsabrede hiervon ebenfalls nicht erfasst. Auch unter weiterer Berücksichtigung der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zwecke der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB ergibt sich keine Anwendung des § 312 Abs. 4 S. 1 BGB auf die Vereinbarung der Parteien im Rahmen der Übergabe am 29.01.2020. Der Verbraucher sollte vor den „Gefahren durch Überrumpelung und psychischen Druck“ geschützt werden (RegE, BT-Drs. 17/12637, 48; BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 94/17 NJW 2019, 303 Rn. 28, beck-online).
Die Kammer weist im Ergebnis daher darauf hin, dass der Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB nach § 312 BGB nicht eröffnet ist und der Beklagten in der Folge kein Widerrufsrecht zugestanden haben dürfte. Das Amtsgericht hat sich unter dieser Prämisse nochmals mit den Fragen eines Schadenersatzanspruchs der Klägerin und eines Kautionsrückzahlungsanspruchs der Beklagten zu befassen.
Aufgrund der dargelegten Ausführungen war das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (Zöller/Heßler § 538 ZPO Rn. 58).
IV.
Die Niederschlagung der Gerichtskosten der Berufungsinstanz erfolgt gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG. Danach werden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Dies sind hier die Kosten des Berufungsverfahrens. Nach allgemein anerkannter Auffassung kann eine unrichtige Sachbehandlung nur bei Entscheidungen angenommen werden, die den großen richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum überschreiten (vgl. BDZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 21 Rn. 5). So liegt es hier. Das angegriffene Urteil ist ein unzulässiges Teilurteil (siehe obige Ausführungen). Ein solches stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, weshalb die Gerichtskosten nicht zu erheben sind (vgl. auch Zöller/Heßler, § 538 ZPO Rn. 30 sowie OLG München Urt. v. 11.7.2013 – 23 U 695/13, BeckRS 2013, 12225, beck-online).
V.
Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist, um die Fortbildung des Rechts oder eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern.