Kündigung und Vergütung: Ein komplexer Rechtsstreit zwischen Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwalterin
Der Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt am Main verhandelt wurde, dreht sich um einen komplexen Rechtsstreit zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft und ihrer ehemaligen Verwalterin. Die Verwalterin hatte gegen die Eigentümergemeinschaft geklagt, da sie nach ihrer Abberufung und fristlosen Kündigung eine Vergütung für die restliche Vertragslaufzeit forderte. Das Hauptproblem in diesem Fall war die rechtliche Gültigkeit der Kündigung und die Frage, ob der Verwalterin eine Vergütung zusteht.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2-13 S 6/23 >>>
Übersicht
Die Rolle des Verwaltervertrags
Im Mittelpunkt des Streits stand der Verwaltervertrag, der zwischen der Verwalterin und der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossen wurde. Laut Vertrag konnte eine Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen. Die Eigentümergemeinschaft hatte die Verwalterin jedoch abberufen und den Vertrag fristlos gekündigt, ohne einen solchen Grund nachweisen zu können. Das Amtsgericht Langen hatte die Klage der Verwalterin abgewiesen, da der Vertrag durch die Abberufung automatisch beendet worden sei.
Berufung und teilweiser Erfolg
Die Verwalterin legte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ein und verfolgte ihre Forderungen weiter. Das Landgericht Frankfurt am Main entschied teilweise zu ihren Gunsten. Es stellte fest, dass die Kündigung des Vertrags nicht rechtmäßig war, da kein wichtiger Grund vorlag. Die von der Eigentümergemeinschaft angeführten Gründe, wie etwa versäumte Zahlungen für die Gebäudeversicherung oder die Grundsteuer, wurden als nicht ausreichend erachtet.
Vergütungsanspruch und ersparte Aufwendungen
Das Gericht entschied, dass der Verwalterin eine Vergütung zusteht, allerdings nur für die sechs Monate nach der Abberufung und reduziert um ersparte Aufwendungen. Dies basiert auf § 615 BGB und der Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 WEG. Die Verwalterin konnte somit nicht die volle Vergütung für die gesamte Vertragslaufzeit beanspruchen, erhielt jedoch einen teilweisen Ausgleich.
Revision und Kostenverteilung
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde zugelassen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden so verteilt, dass die Klägerin 85% und die Beklagte 15% tragen müssen. Damit bleibt der Fall weiterhin offen und könnte in einer höheren Instanz erneut verhandelt werden.
Wann endet der Verwaltervertrag nach Abberufung? Klare Antworten für Wohnungseigentümergemeinschaften
Sie sind Teil einer Wohnungseigentümergemeinschaft und haben Ihren WEG-Verwalter abberufen, sind sich aber unsicher, wie es nun mit dem Verwaltervertrag weitergeht? Gerichtsurteile wie das des Landgerichts Frankfurt am Main zeigen, dass die rechtliche Lage nicht immer eindeutig ist. Ich biete Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung, um Klarheit in Ihre spezielle Situation zu bringen. Danach können wir gemeinsam entscheiden, welche Schritte sinnvoll sind, um Ihre Rechte und Interessen optimal zu schützen. Nehmen Sie Kontakt auf, um Ihre Fragen zu klären.
Wichtige Begriffe einfach erklärt
- Wohnungseigentümergemeinschaft: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist eine Gruppe von Personen, die jeweils Eigentum an einer oder mehreren Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus besitzen. Sie sind gemeinsam für das gesamte Gebäude und die dazugehörigen Gemeinschaftsflächen wie Treppenhaus, Garten oder Keller verantwortlich. Oft gibt es regelmäßige Versammlungen, in denen Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel über die Instandhaltung des Gebäudes oder die Auswahl eines Verwalters. Jeder Eigentümer hat dabei in der Regel so viele Stimmen, wie es seiner Eigentumsquote entspricht.
- Verwaltervertrag: Ein Verwaltervertrag ist eine Vereinbarung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und einer dritten Person oder Firma, die die Verwaltung des Gebäudes und der Gemeinschaftsflächen übernimmt. In diesem Vertrag werden die Aufgaben und Pflichten des Verwalters genau festgelegt. Das kann von der Organisation der Eigentümerversammlungen bis zur Durchführung von Reparaturen reichen. Auch die Vergütung des Verwalters und die Bedingungen für eine Kündigung werden in diesem Vertrag geregelt.
- Wichtiger Grund für Kündigung: Ein „wichtiger Grund“ ist eine besondere Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit ein Vertrag vorzeitig beendet werden kann. Was als „wichtiger Grund“ gilt, kann im Vertrag definiert sein oder muss im Streitfall von einem Gericht entschieden werden. Typische wichtige Gründe könnten zum Beispiel schwere Vertragsverletzungen sein, wie die Nichtzahlung von Gebühren oder das Missachten von Pflichten. Ein wichtiger Grund muss so schwerwiegend sein, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zumutbar ist.
- Vergütungsanspruch und ersparte Aufwendungen: Der Vergütungsanspruch bezieht sich auf das Geld, das jemand für eine geleistete Arbeit oder Dienstleistung erhalten soll. In einem Rechtsstreit kann es jedoch passieren, dass dieser Anspruch reduziert wird, wenn der Vertrag vorzeitig beendet wird. „Ersparte Aufwendungen“ sind die Kosten, die dem Dienstleister nicht entstanden sind, weil er die Arbeit nicht mehr ausführen musste. Diese ersparten Aufwendungen werden dann vom ursprünglichen Vergütungsanspruch abgezogen, um den Betrag zu ermitteln, der tatsächlich noch gezahlt werden muss
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 6/23 – Urteil vom 07.09.2023
In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Frankfurt am Main – 13. Zivilkammer – auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2023 für Recht erkannt:
1. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das Urteil des Amtsgerichts Langen (Hessen) vom 09.12.2022 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.991,20 € nebst Zinsen aus jeweils 1.665,20 € seit dem 01.01.2022, dem 01.02.2022, dem 01.03.2022, dem 01.04.2022, dem 01.05.2022 sowie dem 01.06.2022 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 85% und die Beklagte zu 15%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis 65.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als ehemalige Verwalterin der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft von dieser Zahlung … für die Zeit nach ihrer Abberufung.
Durch Beschluss der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 24.09.2019 wurde die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2024 zum Verwalter bestellt. In am 22.10.2019 zwischen den Parteien geschlossenen Verwaltungsvertrag heißt es unter § 1 Ziff. 1.3 des Vertrages:
„Der Verwaltervertrag wird für die Dauer der Bestellung geschlossen, höchsten für jeweils 5 Jahre. Er beginnt mit dem Anfang der Bestellungszeit und endet mit dessen Ablauf. Endet das Verwalteramt vor Ablauf der Bestellzeit, endet damit zugleich und zeitgleich auch der Verwaltungsvertrag.“
Weiter heißt es unter § 1 Ziff. 1.5:
„Der Verwaltungsvertrag kann für die Zeit der Vertragsdauer von beiden Vertrags parteien nur aus wichtigem Grund gekündigt werden Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Der wichtige Grund ist in der Kündigung anzugeben. Die Kündigung durch die Verwalterin kann nur in der Eigentümerversammlung oder schriftlich gegenüber allen Eigentümern erfolgen.“
…
In der Eigentümerversammlung vom 25.11.2021 beschlossen die Mitglieder der Beklagten unter TOP 1 die Abberufung der Klägerin mit sofortiger Wirkung und die fristlose Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigem Grund.
Die Klägerin begehrt nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von der Beklagten Zahlung in Höhe der restlichen Netto-Verwaltervergütung unter Abzug ersparter Aufwendungen in Höhe von 20%.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass auf Grund der im Verwaltervertrag enthaltenen Regelungen über die Kopplung zwischen Vertragsbestehen und Bestehen des Verwalteramts mit der Abberufung vom 25.11.2021 auch der Verwaltervertrag automatisch sein Ende gefunden habe. Während die Regelung, welche die Abberufung auf einen wichtigen Grund beschränkte, nach neuem Recht nicht mehr binde, fände die – auch einer AGB-Prüfung standhaltende – Kopplungsklausel weiterhin Anwendung, sodass hier jederlei Abberufung auch zur Vertragsbeendigung führe und die Klägerin einen Vergütungsanspruch aus dem Verwaltervertrag nicht mehr herleiten könne.
…
Gegen das klageabweisende Urteil wendet sich die Klägerin mit Berufung, mit welcher sie ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgt, wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die insoweit gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
1. In der Hauptsache steht der Klägerin gegen die Beklagte nur ein um ersparte Aufwendungen reduzierter Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 1 und 2 BGB für die auf die Abberufung folgenden sechs Monate zu. Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Zahlungsanspruch zu.
a) Anders als die Beklagte meint, entfällt ein Anspruch der Klägerin nicht schon deshalb vollständig, weil der Verwaltungsvertrag zurecht aus wichtigem Grund gekündigt worden wäre. Ohne dass es einer Beantwortung der Fragen zur Form der fristlosen Kündigung vom 25.11.2021 bedürfte, wurde der Verwaltungsvertrag durch sie allein nicht beendet, weil schon ein wichtiger Grund nicht vorlag. Dass eine Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich gewesen wäre, ergibt sich konkludent aus der Bestellung für eine feste Laufzeit (vgl. BGH NZM 2012, 347). Die von der Beklagten angeführten Gründe greifen hingegen nicht durch:
aa) Unstreitig ist zwar, dass die Klägerin bis zu ihrer Abberufung die Prämie für die Gebäudeversicherung, eine Erstprämie nach Wechsel des Versicherers nicht zahlte. Dass die Gefahr der Leistungsfreiheit (§ 37 Abs. 2 VVG) oder einer jederzeitigen Kündigung des Versicherers (§ 37 Abs. 1 VVG) bestand, hat die Beklagte aber nicht dargelegt.
Zum Rücktritt nach § 37 Abs. 1 VVG wäre der Versicherer nur berechtigt gewesen, wenn er zuvor – dies ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 37 Abs. 1 VVG – „eine exakte Erstprämienanforderung an den Versicherungsnehmer gerichtet hat“ (BeckOK VVG/Klimke, 18. Ed. 1.2.2023, VVG § 37 Rn. 19 mwN). Dies ist von der Beklagten jedoch nicht vorgetragen. Bei der sogenannten Prämienrechnung vom 07.09.2021 handelt es sich um eine Rechnung des Versicherungsmaklers, nicht um eine Anforderung seitens des Versicherers.
Auch eine Leistungsfreiheit nach § 37 Abs. 2 S. 1 VVG drohte nach dem Vortrag der Beklagten nicht. Hierauf hätte sich der Versicherer nur berufen können, wenn er zuvor der Hinweispflicht nach § 37 Abs. 2 S. 2 VVG nachgekommen wäre. Das dies geschehen war, hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.
bb) Auch mit Blick auf die vermeintlich unterlassene rechtzeitige Anforderung der Grundsteuer bei der Mieterin trägt die Beklagte eine Pflichtverletzung nicht schlüssig vor. Es fehlt bereits an der Darlegung einer gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Pflicht. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin bei der Gemeinschaft in der Pflicht stand, die Grundsteuer, welche allein die einzelnen Eigentümer schulden, auf die Mieterin umzulegen und deren Zahlungen an die einzelnen Eigentümer auszukehren.
cc) Ob der Klägerin im Zusammenhang mit den Beanstandungen des TÜV Saar im Jahre 2018 zu den raumlufttechnischen Anlagen und den Brandschutzklappen eine Pflichtverletzung dahingehend vorzuwerfen ist, dass sie nicht für die fristgerechte Mangelbeseitigung sorgte, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre insoweit vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung nötig gewesen, weil ein etwaiges Unterlassen der Beseitigung der geringfügigen und mittleren Mängel jedenfalls nicht so schwer wöge, dass das Vertrauen sogleich unwiederbringlich verloren gewesen wäre.
b) Der volle vertraglich vereinbarte Vergütungsanspruch bis zum Ende der regulären Laufzeit steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu. Denn obschon auch für die Abberufung kein wichtiger Grund vorlag – insoweit gelten entsprechend die Ausführungen zur Kündigung des Verwaltungsvertrags -, endete der Verwaltungsvertrag nach der zwingenden Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 WEG nF sechs Monate nach der Abberufung vom 25.11.2021 (aa). Der Klägerin steht gegen die Beklagte aber ein um ersparte Aufwendungen reduzierter Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 1 und 2 BGB für die auf die Abberufung folgenden sechs Monate gemäß § 26 Abs. 3 S. 2 WEG nF zu (bb). Denn trotz ursprünglich wirksamer Vereinbarung (cc) kann die Beklagte der Klägerin eine unverändert fortgeltende Kopplungsklausel nicht entgegenhalten, sodass der Verwaltungsvertrag nicht schon am 25.11.2021 endete (dd).
aa) Nach der am 25.11.2021 bereits geltenden Regelungen des § 26 Abs. 3 S. 1 WEG nF kann der Verwalter jederzeit abberufen werden. Abweichende Regelungen sind gemäß § 26 Abs. 5 WEG nF unzulässig. Dass dies auch in Fällen gilt, in denen das Bestellungsrechtsverhältnis vor dem 1.12.2020 begründet wurde, entspricht überwiegender Auffassung (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 26 Rn. 265; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 26 Rn. 148; MüKoBGB/Zschieschack § 26 WEG Rn. 59; ebenso Jacoby/Mehde ZMR 2023, 625 (634)). Auch der BGH hat bereits – in einem Altfall – entschieden, dass entsprechende Vereinbarungen ebenso wie entgegenstehende Regelungen im Verwaltervertrag unwirksam geworden sind (BGH NZM 2022, 381 Rn. 25).
Ebenso zwingend, da gleichsam von § 26 Abs. 5 WEG nF umfasst, ist auch die Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 WEG nF, wonach ein Vertrag mit dem Verwalter spätestens sechs Monate nach dessen Abberufung endet. Auch diese Regelung ist auf Verträge, die vor dem 1.12.2022 geschlossen wurden, ebenfalls anzuwenden.
Allerdings wird teilweise vertreten, dass unter Verweis auf Art. 170 EGBGB im Falle von in der Vergangenheit abgeschlossenen Verwaltungsverträgen noch altes Recht bezüglich des Verwaltervertrages Anwendung finde (so aber Jacoby/Mehde ZMR 2021, 625 (636).
Mit Blick auf die zwischenzeitlich hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NZM 2022, 381 Rn. 25) teilt die Kammer diese Ansicht nicht. Dieser Ansicht steht bereits entgegen, dass die Folge davon wäre, dass das Vertragsverhältnis bestehen bliebe, da insoweit altes Recht gelten würde, das Bestellungsrechtsverhältnis allerdings nach der Regel des § 26 Abs. 3 WEG nF beendet werden kann (so in der Konsequenz ausdr. Jacoby/Mehde ZMR 2023, 625 (636)). Die entsprechende Anwendung des § 170 EGBGB kann jedoch nur dazu führen, dass das alte Rechtsverhältnis in Gänze Anwendung findet (MüKoBGB/Krüger, 5. Aufl. 2010, EGBGB Art. 170 Rn. 5). Ein Auseinanderfallen von Vertrag und Bestellung war im alten Recht allerdings nicht vorgesehen. Die in der ursprünglichen – § 26 Abs. 3 S. 2 WEG nicht enthaltenen – Regelung des Reformentwurfes des WEG vorgesehene Problematik, dass nach einer Abberufung der Vergütungsanspruch des Verwalters fortbesteht, hat den Rechtsauausschuss des Deutschen Bundestages gerade zu der Einführung des § 26 Abs. 3 S. 2 WEG bewogen, der diese Folge vermeidet (BT-Drs. 19/22634, 46). Auch der Verwaltervertrag sorgte durch die Kopplungsklausel dafür, dass es hierzu nicht kommen konnte. Insofern wäre mit dem isolierten Bestehenlassen der alten Regeln für den Verwaltervertrag gerade ein Ergebnis erzielt, was im alten Recht nicht eintreten konnte und zu einer einseitigen Belastung der WEG führen würde, da diese mit den Kosten des Verwaltervertrages belastet wäre, ohne aufgrund der wirksamen Abberufung die Leistung verlangen zu können.
Aus dem WEMoG ergibt sich auch für den hier relevanten Bereich eindeutig, ein von Art. 170 EGBGB abweichender Geltungswille (dazu BGH NJW 1966, 155). Dies folgt neben der klaren – oben zitierten Aussage -, dass es zu weiteren als in § 26 Abs. 3 S. 2 WEG vorgesehenen Vergütungsansprüchen eines abberufenen Verwalters nicht kommen soll, daraus, dass § 48 WEG Übergangsregeln enthält, zu denen Regeln über den Verwaltervertrag nicht gehören. Insoweit kann man auch nicht daraus, dass dem Gesetzgeber bezüglich der fehlenden Regelung von anhängigen Entstörungsklagen eine planwidrige Regelungslücke unterlaufen ist (BGH NZM 2021, 561 Rn. 13) annehmen, dies sei stets der Fall, wenn es an einer eindeutigen Äußerung des Gesetzgebers fehle (so aber Jacoby/Mehde ZMR 2021, 625 (626)). Für das materielle Recht entspricht es dem klaren gesetzgeberischen Willen, dass nur noch das neue WEG-Recht Anwendung findet (BT-Drs. 19/18791, 84; BGH NZM 2022, 381 Rn. 19).
Die Kammer hegt insoweit auch keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des (fehlenden) Übergangsrechts. Wie die Kammer bereits mit Blick auf den Entfall der Klagebefugnis in Fällen einer bereits erhobenen Beseitigungs- oder Unterlassungsklage durch das WEMoG entschieden hat, verfügt „nach der Rechtsprechung des BVerfG […] der Gesetzgeber hinsichtlich der Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse über einen breiten Gestaltungsspielraum (BVerfG NVwZ 2016, 56 (57); FamRZ 2003, 834; BVerfGE 43, 242 = NJW 1977, 1049 (1053)). Dass eine Rechtsänderung zu Härten führt, liegt in der Natur der Sache und führt nicht dazu, dass entsprechende Regelungen verfassungswidrig sind (BVerfG NVwZ 2016, 56 (57)). Als nicht zu beanstandende Kriterien für eine übergangslose Invollzugsetzung von Rechtsänderungen sind dabei insbesondere die Rechtssicherheit, die klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt, anerkannt (BVerfG NVwZ 2016, 56 (57); FamRZ 2003, 834). Gerade von diesem Gedanken hat sich der Gesetzgeber bei den Übergangsvorschriften leiten lassen und es für erforderlich gehalten, zu vermeiden, dass über einen langen Zeitraum altes und neues Recht nebeneinander anzuwenden ist; dies ist mit der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichts möglich und damit hinzunehmen“ (Kammer ZWE 2023, 145 Rn. 28). Bei Anlegung dieser Maßstäbe, ist es nicht zu beanstanden, dass auch für den hier zu beurteilenden Bereich der Verwalterbestellung und des Verwaltervertrages das neue Recht unmittelbar gilt. Zwar mag die bedingungslose Möglichkeit der Abberufung vom Verwalter bei Übernahme der Verwaltung nicht absehbar gewesen sein, der Gesetzgeber hat aber im Rahmen seines weiten Gestaltungsermessens mit dem sechsmonatigen Fortbestehen des Vergütungsanspruchs eine ausreichende Kompensation geschaffen, die auch in Altfällen ausreichend ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich auch in anderen Bereichen die Stellung des Verwalters durch die WEG-Reform ohne Übergangsvorschriften umfassend änderte. Isolierte Ausnahmen der Geltung des neuen Rechts für die Beendigung von Verwalterstellung und -vertrag hätten hier zwangsläufig zu „Unwuchten“ im neuen System geführt.
Hinzu kommt, dass angesichts des gerichtsbekannten bundesweiten Verwaltermangels die Zahl der Verwalter, denen es in sechs Monaten nicht gelingt, Folgeverträge bei anderen Gemeinschaften zu finden, überschaubar sein dürfte. Dies dürfte auch für die Klägerin gelten, die auf ihrer Hompage damit wirbt, Teil einer in mehreren Städten tätigen Unternehmensgruppe zu sein.
Dies gilt auch für die Fälle der vor der Reform mit Kopplungsklauseln versehenen Verwaltungsverträge, zumal die Kopplungsklausel nach altem Recht ohnehin keine für den Verwalter vorteilhafte Regelung war, auf Grund derer sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Verwalter hätte aufbauen können. Vielmehr wurde die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begünstigt, die dank ihr nach Abberufung sich um eine Kündigung des Verwaltungsvertrags nicht gesondert sorgen musste.
Die Kopplungsklausel unter § 1 Ziff. 1.3 wurde zwar wirksam vereinbart, führt im Ergebnis aber nicht zu einem Vertragsende am 25.11.2021 wegen der Abberufung vom selben Tag.
bb) Die hier verwendete Kopplungsklausel wurde wirksam vereinbart und hält auch einer AGB-Prüfung stand, insbesondere ist sie weder überraschend noch mehrdeutig (§ 305c Abs. 1 BGB). Anders als die Beklagte meint, kommen zu Zweifeln führende Unklarheiten bei der Lektüre des Vertrags nicht auf. Die Kopplung des Vertrags an das Amt ist eindeutig.
Auch für Zweifel, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin gingen, bei der Frage, ob eine Abberufung auch ohne wichtigen Grund möglich gewesen sein soll, bestehen keine Anhaltspunkte. Das Bestellungsrechtsverhältnis ist ohnehin vertraglichen Vereinbarungen entzogen und richtet sich allein nach den gesetzlichen Regelungen. Fraglos aber konnte unter altem Recht bei fester Laufzeit eine Abberufung nur aus wichtigem Grund erfolgen, woraus für die Kopplungsklausel zwingend folgt, dass ohne wichtigen Grund für eine vorzeitige Abberufung der Vertrag nicht vorzeitig endet. Der beabsichtigte Gleichlauf war damit sichergestellt. Unwuchten erhielt dieses System erst und allein durch das WEMoG, wonach eine vorzeitige Abberufung auch ohne wichtigen Grund erfolgen kann. Die nachträgliche Gesetzesänderung führt jedoch nicht dazu, dass der ursprüngliche Vertrag unklar wird.
cc) Die ihrem Wortlaut nicht auf eine Abberufung aus wichtigem Grund beschränkte Kopplungsklausel führt im Ergebnis aber nicht dazu, dass mit der wirksamen, da nunmehr jederzeit möglichen, Abberufung vom 25.11.2021 gleichsam auch der Verwaltungsvertrag endete.
Dabei kann dahinstehen, auf welchem Weg dieses von der Kammer für zutreffend erachtete Ergebnis erzielt wird.
Möglich erscheint eine (ergänzende) Vertragsauslegung dahingehend, dass die Parteien den Gleichlauf von Abberufung und Vertragsende auf die Fälle eines wichtigen Grundes beschränken hätten, hätten sie um die kommende gesetzliche Regelung gewusst. Hierfür spricht, dass die Rechtsfolge des vollständigen Vergütungsverlusts bei einer Abberufung ohne wichtigen Grund als unangemessen empfunden werden könnte (vgl. BeckOGK/Greiner, 1.6.2023, WEG § 26 Rn. 249) und die Klausel bei ihrer Vereinbarung einzig den Fall der Abberufung aus wichtigem Grund regelte, indem stets – da die Maßstäbe identisch sind – zugleich auch ein Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt (BGH ZWE 2022, 220 Rn. 32), auf die mit der Klausel verzichtet wurde. Dagegen spricht, dass – vorbehaltlich einer Auslegung der Auslegung im Einzelfalls – im Grundsatz ausschlaggebend für eine Kopplungsklausel der Wille ist, dass Bestellung und Vertrag gemeinsam enden (so BeckOK WEG/Elzer, 52. Ed. 3.4.2023, WEG § 26 Rn. 203, 204 unter Verweis auf LG Düsseldorf ZWE 2012, 44 = ZMR 2011, 898 (899); ebenso iE Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentumsrechts, § 11 Rn. 186).
Nach anderer Auffassung, kann sich die Gemeinschaft jedenfalls auf eine auch für den Fall der nicht aus wichtigem Grund erfolgten Abberufung anwendbare Kopplungsklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen. Ob die Treuwidrigkeit eines Berufens auf die Klausel daraus abgeleitet wird, dass dem Verwalter ein Anpassungsanspruch gemäß § 313 Abs. 1 BGB zusteht (so BeckOGK/Greiner, 1.6.2023, WEG § 26 Rn. 249; zweifelnd noch Dötsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 Kap. 9 Rn. 66) oder sich die Treuwidrigkeit bereits daraus ergibt, dass die Kopplungsklausel nach dem ursprünglichen Willen der Parteien an die Beschränkung der Abberufungsmöglichkeit aus wichtigem Grund geknüpft war (so Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 26 Rn. 268) kann im Ergebnis dahinstehen. Jedenfalls würde die Ausnutzung der nun sich für den Verwalter überraschend als schädlich erweisenden Rechtslage eine mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht mehr vereinbare Rechtsausübung der Beklagten bedeuten. Denn auch hier gilt die oben angeführte Argumentation, dass bei Vertragsschluss die Parteien sich einig waren, dass im Falle einer Abberufung aus wichtigem Grund, eine Kündigung entbehrlich sein sollte und Vertragsverhältnis und Verwalterbestellung zeitgleich enden sollten. Dass damit später eine komplette Änderung des Lösungsrechts der GdWE vom Verwalter unterlaufen werden würde, konnten die Parteien bei Vertragsschluss nicht ahnen.
dd) In Konsequenz der Anwendung des neuen Rechts steht der Klägerin gegen die Beklagte aus § 615 S. 1 und 2 BGB mithin ein um ersparte Aufwendungen reduzierter Vergütungsanspruch gemäß § 615 S. 1 und 2 BGB für die auf die Abberufung folgenden sechs Monate zu. ….
2. Zinsen auf die Hauptforderung schuldet die Beklagte der Klägerin als Verzugszinsen gemäß den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB jeweils zum Ersten des Folgemonats, da im Verwaltungsvertrag der Klägerin unter § 4 Ziff. 4.1 ein „monatliches Entgelt“ versprochen ist, womit sich die Beklagte mithin jeweils am Ersten des Folgemonats in Verzug befand (vgl. BGH NJW-RR 1999, 593, (595)). Demgegenüber ist der Berechtigung der Beklagten zum Einzug der Verwaltervergütung zum 15. eines Monats gemäß § 4 Ziff. 4.4 keine Bestimmung der Leistungszeit zu entnehmen; es handelt sich vielmehr um eine Regelung zur Zahlungsmodalität.
Auch die Abberufung vom 25.11.2021 führt zu keinem anderen Ergebnis, weil der Anspruch nach § 615 BGB nicht für die gesamte Restvergütung auf einen Schlag fällig wird, sondern sich die Fälligkeit jeweils nach der Fälligkeit der originär geschuldeten Vergütung richtet (BeckOK BGB/Baumgärtner, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 615 Rn. 32). Deshalb geht auch die Mahnung vom 16.12.2021 ins Leere, weil sie vor Fälligkeit erfolgte; im Übrigen würde sich auch als sogenannte Zuvielmahnung keine Wirkung entfalten, bereits weil die Höhe der tatsächlich geschuldeten Leistung in Unkenntnis der Höhe der ersparten Aufwendungen für die Beklagte nicht berechenbar war.
3. Außergerichtliches Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin von der Beklagten nicht verlangen. Wie unter Ziff. 2 ausgeführt, befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten am 16.12.2021 noch nicht in Verzug. Insoweit schuldet die Beklagte auch keine Zinsen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
6. Die Revision war beschränkt auf die Fragen, in welchem Umfang vorliegend der Vergütungsanspruch der Klägerin aufgrund der erfolgten Abberufung ohne wichtigen Grund bestand, für beide Parteien zuzulassen. Die Frage der Anwendbarkeit des § 26 Abs. 3 WEG nF auf Verwalterbestellungen und insbesondere Verträge mit Kopplungsklausel, die vor dem 1.12.2020 geschlossen wurden, bedarf einer Leitentscheidung des BGH, da sie umstritten ist und sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt. Demgegenüber warf die Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung des Verwaltervertrages vorliegt, keine über den Einzelfall bedeutsamen Fragen auf.
7. Die Höhe des Streitwerts richtete sich in Anwendung der §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO nach der Höhe der geltend gemachten Hauptforderung.
FAQ – Analyse des Urteils zum WEG-Verwalter und Verwaltervertrag
1. Was ist der Kern des Rechtsstreits?
Der Kern des Rechtsstreits betrifft die Abberufung einer Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und die damit verbundene Beendigung des Verwaltervertrags. Die Klägerin, die ehemalige Verwalterin, fordert von der Beklagten, der WEG, eine Vergütung für die Zeit nach ihrer Abberufung. Das Landgericht Frankfurt am Main hat in diesem Fall ein Urteil gefällt, das die Berufung der Klägerin teilweise anerkennt.
2. Was besagt der Verwaltervertrag bezüglich der Kündigung und Abberufung?
Der Verwaltervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten enthält Klauseln, die die Bedingungen für die Kündigung und Abberufung des Verwalters festlegen. Laut Vertrag kann der Verwalter nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, und die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Der Vertrag enthält auch eine sogenannte „Kopplungsklausel“, die besagt, dass der Verwaltervertrag automatisch endet, wenn das Verwalteramt vor Ablauf der Bestellzeit endet.
3. Welche Rolle spielt das neue WEG-Recht in diesem Fall?
Das neue WEG-Recht, das seit dem 1. Dezember 2020 in Kraft ist, ermöglicht die jederzeitige Abberufung des Verwalters. Diese Regelung ist zwingend und kann durch individuelle Vertragsklauseln nicht abgeändert werden. Das Gericht stellt fest, dass diese Regelung auch auf Verträge anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten des neuen WEG-Rechts geschlossen wurden.
4. Warum wurde die Klage der Verwalterin teilweise abgewiesen?
Das Gericht hat die Klage der Verwalterin teilweise abgewiesen, weil es der Ansicht ist, dass der Verwaltervertrag sechs Monate nach der Abberufung der Klägerin endet, gemäß § 26 Abs. 3 S. 2 WEG nF (neue Fassung). Daher steht der Klägerin nur ein um ersparte Aufwendungen reduzierter Vergütungsanspruch für die sechs Monate nach der Abberufung zu.
5. Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis der WEG-Verwaltung?
Die Entscheidung klärt wichtige Fragen zur Anwendbarkeit des neuen WEG-Rechts auf bestehende Verwalterverträge und zur Beendigung solcher Verträge im Falle einer Abberufung. Sie stellt klar, dass die jederzeitige Abberufung des Verwalters nach neuem Recht auch für alte Verträge gilt und dass der Verwaltervertrag spätestens sechs Monate nach der Abberufung endet.