Streitfall um Sondereigentum: Der Balkon als Zankapfel in der Wohnungseigentümergemeinschaft
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann die Zuordnung von Gebäudeteilen wie Balkonen zu spezifischen Wohneinheiten rechtliche Komplexitäten hervorrufen, die zu Streitigkeiten führen. Das betrifft insbesondere die Frage, ob solche Gebäudeteile als Sonder- oder Gemeinschaftseigentum eingestuft werden. Im hier vorgestellten Fall spielt eine solche Auseinandersetzung eine Rolle: Die betroffenen Parteien (Beteiligte 1 und 2) hatten am 21.12.2017 eine notarielle Urkunde zur Aufhebung von Sondereigentum, Aufhebung und Neubegründung von Sondernutzungsrechten, Bestandteilszuschreibung und Anbaurecht erstellt. Hierbei ging es insbesondere um einen Balkon, der im Aufteilungsplan als Terrasse über den Sondereigentumseinheiten Nr. 4 und 5 bezeichnet wurde.
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Übersicht
Notarielle Urkunde und Grundbuchamt
Die in der notariellen Urkunde vorgenommenen Regelungen bezogen sich vor allem auf die Aufhebung von Sondereigentumsrechten an dem genannten Grundstück und der Terrasse. Ferner wurde das bisherige Sondereigentum Nr. 5 vollständig aufgehoben, und der bisherige Miteigentumsanteil zu 1/100 wurde auf die Wohnungseigentumseinheiten Nr. 1 und Nr. … neu aufgeteilt. Es folgte die Vorlage der Urkunde beim Grundbuchamt am 10.01.2018 zur Vollziehung. Das Grundbuchamt äußerte jedoch in einem Schreiben vom 8.5.2019 Bedenken, indem es den betreffenden Balkon als Bestandteil des Sondereigentums einordnete, an dem kein Sondernutzungsrecht begründet werden könne.
Rechtslage und Beschwerde
Die Notarin legte daraufhin Beschwerde gegen die Entscheidung des Grundbuchamts ein. Sie argumentierte, dass das Schreiben des Grundbuchamts kein Mittel zur Beseitigung des Hindernisses enthalten hätte, sondern lediglich darauf hingewiesen habe, dass der Antrag zurückzunehmen sei. Im Kontext des Sondereigentums ist es wichtig zu bemerken, dass es generell als möglich angesehen wird, dass ein zu einer Wohnung gehörender Balkon sondereigentumsfähig ist.
Komplexität der Sondereigentumsfähigkeit
Die Frage der Sondereigentumsfähigkeit eines Balkons kann nach herrschender Meinung sowohl bejaht als auch verneint werden. In diesem Kontext würde ein massiv mit einer Außenbrüstung versehener Balkon nicht nur als sondereigentumsfähig betrachtet, sondern würde auch der Alleinnutzung des Wohnungseigentümers dienen, dem er zugeordnet ist. Das gilt auch ohne entsprechende Nummerierung oder Zuweisung. Daher gehört er nach § 94 BGB kraft der gesetzlichen Verbundenheit auch zum Sondereigentum der Wohnung (§ 5 Abs. 1 WEG).
Diese Rechtslage hat weitreichende Auswirkungen auf die Struktur und die rechtlichen Verpflichtungen innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften und ist daher von entscheidender Bedeutung für die Parteien, die an solchen Gemeinschaften beteiligt sind. In diesem speziellen Fall zeigt sie das Potenzial für Rechtsstreitigkeiten und die Notwendigkeit für klare und eindeutige Regelungen in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse von Gebäudeteilen wie Balkonen und Terrassen innerhalb solcher Gemeinschaften auf.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 34 Wx 327/19 – Beschluss vom 26.06.2020
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen die als Zwischenverfügung bezeichnete Entscheidung des Grundbuchamts vom 8. Mai 2019 wird verworfen.
II. Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.
Gründe
I.
Mit notarieller Urkunde vom 28.12.2000 begründeten die Beteiligten zu 1 und 2 an einem ihnen als Miteigentümer zu je ½ gehörenden bebauten Grundstück Wohnungseigentum. Es wurden Miteigentumsanteile gebildet und diese mit Sondereigentum an einer Wohnung oder an Garagen verbunden. Nach Ziff. II. der Vereinbarung sollte ein Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung im Obergeschoß samt Terrasse, im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichnet als Alleineigentum der Beteiligten zu 2 vorgetragen werden. In dem beigelegten Plan ist eine als Terrasse bezeichnete Fläche auf dem gesamten Dach über den mit Nrn. 4 und 5 bezeichneten Garagen mit der Nr. 2 versehen. Die Eintragungen wurden entsprechend vorgenommen.
Am 21.12.2017 errichteten die Beteiligten zu 1 und 2 eine notarielle Urkunde zur Aufhebung von Sondereigentum, Aufhebung und Neubegründung von Sondernutzungsrechten, Bestandteilszuschreibung und Anbaurecht. Darin war geregelt:
II. Aufhebung von Sondereigentum, Aufhebung und Neubegründung von Sondernutzungsrechten und Aufhebung der rechtlichen Vereinigung
1.
Die Ehegatten … (Beteiligte zu 1 und 2) sind sich bereits heute über die Aufhebung ihrer Sondereigentumsrechte (Garage Nr. 5) an dem Grundstück … und der mit Nr. 2 im Aufteilungsplan bezeichneten Terrasse über den Sondereigentumseinheiten Nr. 4 und 5 einig und bewilligen und beantragen die entsprechenden Grundbucheintragungen.
Die Sondereigentumsrechte sind dementsprechend an dem Grundstück … und der vorgenannten Terrasse aufgehoben.
Die Ehegatten … (Beteiligte zu 1 und 2) sind sich ferner bereits heute über die vollständige Aufhebung des Sondereigentums Nr. 5 einig und verbinden den bisherigen Miteigentumsanteil zu 1/100 zu 0,5/100 mit dem Sondereigentum an der Wohnungseigentumseinheit Nr. 1 und zu 0,5/100 mit dem Sondereigentum an der Wohnungseigentumseinheit Nr. 2, die sich nunmehr wie folgt beschreiben:
… 49/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück … verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung im Obergeschoß samt Terrasse Nr. 2 laut Aufteilungsplan.
2.
… Die Ehegatten … (Beteiligte zu 1 und 2) begründen hiermit folgendes Sondernutzungsrecht:
Dem jeweiligen Eigentümer des Sondereigentums Nr. 2 wird die in dem als Anlage beigefügten Sondernutzungsrechtsplan 2 eingezeichnete Terrasse zur ausschließlichen und alleinigen Sondernutzung zugewiesen.
Im Weiteren ist in der Urkunde die Aufhebung der rechtlichen Vereinigung der Grundstücke dahingehend geregelt, dass das Flurstück, auf dem die Garage Nr. 5 steht, und das Flurstück, auf dem die Garage Nr. 4 sowie das Wohngebäude stehen, zerlegt werden und das Flurstück mit Garage Nr. 5 dem Nachbargrundstück zugeschrieben und damit verschmolzen wird.
In dem der Urkunde beiliegenden Sondernutzungsplan 2 ist nun nur noch der über der Garage Nr. 4 gelegene Teil als Terrasse markiert, der über der dem Nachbargrundstück zugeschriebenen Garage (bisher Nr. 5) gelegene Teil der bisher der Einheit 2 als Sondereigentum zugewiesenen Terrasse ist nicht als Sondernutzungsbereich markiert.
Die Urkunde hat die Notarin am 10.1.2018 dem Grundbuchamt zum Vollzug vorgelegt. Dieses hat am 8.5.2019 in einem als Zwischenverfügung bezeichneten Schreiben mitgeteilt, dass der dem Sondereigentum vorgelagerte Balkon Bestandteil des Sondereigentums sei, an dem kein Sondernutzungsrecht begründet werden könne. Die Anträge seien daher binnen gesetzter Frist zurückzunehmen.
Dagegen richtet sich die von der Notarin eingelegte Beschwerde. Die Fläche stelle die Bedachung der Garage dar, die aber nicht in sich abgeschlossen sei, da sie zum Nachbargrundstück keinerlei Abgrenzung aufweise. Nach § 5 Abs. 3 WEG könnten Wohnungseigentümer vereinbaren, dass Bestandteile des Gebäudes, die Gegenstand des Sondereigentums sein könnten, zum Gemeinschaftseigentum gehörten.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da gegen die Entscheidung des Grundbuchamts kein Rechtsmittel statthaft ist.
Zwar kann eine Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nach allgemeiner Ansicht mit der Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO angegriffen werden. Vorliegend hat das Grundbuchamt allerdings in dem Schreiben vom 8.5.2019 kein Mittel der Beseitigung des Hindernisses mitgeteilt, sondern nur darauf hingewiesen, dass der Antrag zurückzunehmen sei.
Förmliche Voraussetzung einer Zwischenverfügung ist, dass ein Eintragungshindernis und unter Setzung einer Frist das Mittel zu dessen Beseitigung unmissverständlich benannt werden (Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; Demharter § 18 Rn. 29 ff.; Hügel/Zeiser § 18 Rn. 32). Der bloße Hinweis auf das Hindernis genügt auch bei einem durch den Notar vertretenen Beteiligten nicht. Es muss in jedem Fall dem Antragsteller aufgezeigt werden, wie er das Hindernis beseitigen kann (Senat vom 23.5.2014, 34 Wx 135/14 in NotBZ 2014, 248; Hügel/Zeiser § 18 Rn. 34). Schon wegen der (allein) rangwahrenden Funktion der Zwischenverfügung (vgl. Anm. Lorbacher zu OLG Schleswig FGPrax 2010, 282) darf es nämlich nicht ins Belieben des Antragstellers gestellt werden, ob er ein Hindernis unter Umständen nur mit ex nunc-Wirkung beseitigt.
Allerdings führt das Grundbuchamt aus, dass der Antrag zurückzunehmen sei, da an dem als Balkon zu nutzenden vorgelagerten Garagendach kein Sondernutzungsrecht bestellt werden könne. Somit geht das Grundbuchamt offenbar nicht davon aus, dass das Hindernis zu beseitigen ist. Dann stellt ein solcher Hinweis jedoch lediglich eine Meinungsäußerung dar oder kann als Ankündigung verstanden werden, dass der Antrag, falls er nicht zurückgenommen wird, zurückgewiesen wird. Ein solches Schreiben kann allerdings selbst dann, wenn es als Zwischenverfügung bezeichnet ist, nicht als Entscheidung im Sinne von § 71 Abs. 1 GBO angesehen werden (BayObLGZ 1979, 81/85; Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 75). Ein Rechtsmittel dagegen ist daher nicht statthaft (BGH NJW 1980, 2521; Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 35 und 19).
2. Ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt weist der Senat auf folgendes hin:
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat an der Ansicht festhalten würde, wonach ein zu einer Wohnung gehörender, mit einer massiven Außenbrüstung versehener Balkon nicht nur sondereigentumsfähig ist, sondern als Raum zu der ihm zuordnungsfähigen abgeschlossenen Wohnung der Alleinnutzung dieses Wohnungseigentümers dient und auch ohne entsprechende Nummerierung oder Zuweisung kraft der gesetzlichen Verbundenheit nach § 94 BGB auch zum Sondereigentum der Wohnung (§ 5 Abs. 1 WEG) gehört (Senat vom 23.9.2011, 34 Wx 247/11, DNotZ 2012, 364; ebenso Schneider, in: Riecke/Schmid, WEG 4. Aufl. § 5 Rn. 37; Schmidt MittBayNot 200, 442/447; a.A. Staudinger/Rapp BGB Stand 2018 § 5 WEG Rn. 7 und 25; zwar sondereigentumsfähig, aber nur nach Begründung gemäß § 5 Abs. 1 WEG: KG FGPrax 2017, 7; LG Itzehoe ZWE 2017, 279; Hügel/Kral Sonderteil WEG Rn. 29; Jennißen/Griwotz WEG 6. Aufl. § 5 Rn. 68; Jennißen/Krause § 7 Rn. 17a; Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 88; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG 13. Auflage § 5 Rn. 7; Bärmann/Abramenko WEG, 13. Auflage § 5 Rn. 58; Spielbauer/Then WEG 3. Aufl. § 5 Rn. 4; Hügel/Elzer DNotZ 2012, 4/10). Denn nach den vorliegenden Gegebenheiten besteht gerade kein mit einer massiven, umlaufenden Außenbrüstung versehener Balkon; vielmehr geht es hier nur um den Teil eines Garagendaches über der Garage Nr. 4, zu dem von den Beteiligten vorgebracht wird, dass eine Abgrenzung zu der auf dem Nachbargrundstück stehenden Garage Nr. 5 nicht bestehe. Selbst nach der Ansicht von Schmidt (MittBayNot 2001, 442/449) ist eine Abgrenzung der als Balkon zu nutzenden Fläche von sonstigen Dachflächen jedoch ein entscheidendes Kriterium.
b) Vorliegend ergibt sich aus der Urkunde, dass die bisher einheitlich genutzte Fläche über zwei Garagen durch Aufhebung der rechtlichen Vereinigung der Grundstücke und Zuschreibung der Grundstücksfläche der Garage Nr. 5 mit einem anderen Grundstück die bisherige Abgeschlossenheit aufgehoben hat und damit nun auch von einem anderen Grundstück aus, nämlich vom Dach der Garage Nr. 5, zugänglich ist. Mithin ist mit dem Vollzug der von den Wohnungseigentümern vereinbarten Aufhebung des Sondereigentums der Raum über dem Garagendach der Garage Nr. 4 nicht als Sondereigentum, sondern nur als Gemeinschaftseigentum zu qualifizieren, so dass daran ein Sondernutzungsrecht bestellt werden kann (Hügel/Elzer WEG 2. Aufl. § 13 Rn. 53).
III.
1. Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG war von der Erhebung von Kosten abzusehen, da das Grundbuchamt durch die unrichtige Sachbehandlung die Erhebung eines unzulässigen Rechtsmittels veranlasst hat (Keidel/Weber FamFG 20. Aufl. § 81 Rn. 14).
2. Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.