Gegenansprüche bei WEG-Beiträgen: Aufrechnung nicht möglich
Das Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven befasst sich mit der Aufrechnung von Gegenansprüchen gegenüber Hausgeldforderungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagten wurden verurteilt, Hausgeldzahlungen zu leisten, da eine Aufrechnung mit Gegenforderungen nach § 242 BGB ausgeschlossen ist. Das Gericht betont die Wichtigkeit der Liquidität und ordnungsmäßigen Verwaltung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft und limitiert die Möglichkeiten der Aufrechnung.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Das Amtsgericht Wilhelmshaven entschied über Hausgeldforderungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
- Die Beklagten sind zur Zahlung von 292,81 Euro zzgl. Zinsen verurteilt.
- Eine Aufrechnung der Beklagten mit Gegenforderungen ist nach § 242 BGB ausgeschlossen.
- Die Liquidität und ordnungsmäßige Verwaltung der Gemeinschaft hat Vorrang.
- Treuepflicht der Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft wird betont.
- Ausnahmen vom Aufrechnungsverbot betreffen nur unstreitige, anerkannte oder rechtskräftig titulierte Forderungen.
- Das Urteil legt fest, dass das Vorbringen der Beklagten keine abweichende Entscheidung rechtfertigt.
- Das Gericht sieht keinen Anlass für die Zulassung einer Berufung.
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Übersicht
Rechtliche Auseinandersetzung im WEG-Recht
Das Amtsgericht Wilhelmshaven verhandelte einen Fall, der im Zentrum des Wohneigentumsrechts stand. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, forderte von den Beklagten, den Eigentümern des Sondereigentums, Hausgeldzahlungen für den Zeitraum von Januar 2020 bis Februar 2022. Der geforderte Betrag belief sich auf 292,81 Euro, basierend auf § 28 WEG in Verbindung mit den jeweiligen Wirtschaftsplänen.
Kern der Auseinandersetzung: Aufrechnung mit Gegenforderungen
Die Beklagten versuchten, gegen diese Forderung mit einer eigenen Gegenforderung in Höhe von 2.190,30 Euro aufzurechnen. Diese Gegenforderung wurde jedoch vom Gericht nicht anerkannt. Laut § 242 BGB ist die Aufrechnung mit Gegenansprüchen gegenüber dem Beitragsanspruch der Gemeinschaft grundsätzlich ausgeschlossen. Dieses Aufrechnungsverbot dient dem Schutz der finanziellen Stabilität und der ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums.
Juristische Begründung und Treuepflicht
Das Gericht führte aus, dass die Liquidität und die ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ohne die laufenden Beitragsleistungen der Eigentümer gefährdet wären. Die Eigentümer unterliegen einer Treuepflicht gegenüber der Gemeinschaft, welche die Basis für das Aufrechnungsverbot bildet. Ausnahmen von diesem Verbot bestehen nur für unstreitige, anerkannte oder rechtskräftig titulierte Forderungen.
Entscheidung des Amtsgerichts Wilhelmshaven
Das Gericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung der geforderten 292,81 Euro zuzüglich Zinsen. Die Beklagten tragen zudem die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Berufung wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt sind.
In diesem Verfahren wurde deutlich, dass die WEG-Rechtsprechung komplexe Regelungen und Verpflichtungen für Wohnungseigentümer beinhaltet. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer geregelten finanziellen Verwaltung in Wohnungseigentümergemeinschaften und setzt klare Grenzen bei der Aufrechnung von Gegenforderungen. Es dient als Orientierung für ähnliche Fälle, in denen Wohnungseigentümergemeinschaften und einzelne Eigentümer aufeinandertreffen.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Inwiefern unterscheidet sich die Aufrechnung im WEG-Recht von der allgemeinen Aufrechnung nach dem BGB?
Die Aufrechnung ist ein Rechtsgeschäft, durch das gegenseitige und gleichartige Forderungen wechselseitig miteinander verrechnet werden. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind die Voraussetzungen und Wirkungen der Aufrechnung in den §§ 387 ff. BGB geregelt. Grundsätzlich ist eine Aufrechnung stets dann möglich, wenn die eigene Forderung wirksam und fällig ist und die einander geschuldeten Leistungen gleichartig sind.
Im Wohnungseigentumsrecht (WEG-Recht) gibt es jedoch einige Besonderheiten. Die Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gegen den Anspruch auf Hausgeldzahlung ist nur eingeschränkt zulässig, um eine ordnungsgemäße Verwaltung nicht zu gefährden und die Liquidität der Eigentümergemeinschaft zu sichern. Diese Einschränkung gilt nicht nur für Hausgeldvorschüsse, sondern auch für Nachschüsse auf Grundlage einer Jahresabrechnung.
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann nur dann ein Guthaben aus einer Jahresabrechnung gegen eine andere offene Forderung aufrechnen, wenn Forderungen gegen den Wohnungseigentümer bestehen. Ist dagegen die Forderung des Wohnungseigentümers von der WEG bestritten und noch nicht rechtskräftig festgestellt, muss der Wohnungseigentümer zunächst das Wohngeld leisten und ist darauf verwiesen, seine Forderung in einem separaten Verfahren geltend zu machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aufrechnung im WEG-Recht im Vergleich zur allgemeinen Aufrechnung nach dem BGB stärker eingeschränkt ist, um die finanzielle Stabilität der Wohnungseigentümergemeinschaft zu gewährleisten.
Welche Rolle spielen Gegenansprüche in der Auseinandersetzung zwischen Wohnungseigentümern und der Eigentümergemeinschaft?
Gegenansprüche spielen eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Wohnungseigentümern und der Eigentümergemeinschaft. Sie können in verschiedenen Kontexten auftreten und haben unterschiedliche Auswirkungen.
Ein Wohnungseigentümer kann beispielsweise Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wegen der Beeinträchtigung von Gemeinschaftseigentum selbst geltend machen. Dies kann jedoch zu mehreren Verfahren gegen einen Dritten führen, der nicht Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.
Die Geltendmachung von Gegenansprüchen durch einzelne Wohnungseigentümer ist jedoch nur in einem engen Rahmen möglich. Eine Aufrechnung mit Gegenforderungen ist nur zulässig, wenn diese anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wurden oder einer Notgeschäftsführung entsprachen.
Ein weiterer Kontext, in dem Gegenansprüche eine Rolle spielen, ist die Aufrechnung gegen Hausgeldzahlungen. Diese ist nur eingeschränkt zulässig. Wenn ein Wohnungseigentümer keine Vorschusszahlungen auf den Wirtschaftsplan geleistet hat, kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht mit Gegenforderungen aufrechnen.
Die Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat grundsätzlich auch dann einen Gegenanspruch auf Aufwendungsersatz, wenn sie gegen einen WEG-Beschluss handelt. Dies stärkt die Organstellung und die rechtliche Stellung des WEG-Verwalters.
Insgesamt ist die Rolle von Gegenansprüchen in der Auseinandersetzung zwischen Wohnungseigentümern und der Eigentümergemeinschaft komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Umstände des Einzelfalls und der geltenden rechtlichen Bestimmungen.
Das vorliegende Urteil
AG Wilhelmshaven – Az.: 6 C 123/22 – Urteil vom 15.05.2023
In der Wohnungseigentumssache hat das Amtsgericht Wilhelmshaven auf die mündliche Verhandlung am 17.01.2023 im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO am 05.05.2023 für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 292,81 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 292,81 Euro.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, hat gegen die Beklagte zu 1.), die Eigentümerin des Sondereigentums Nr. .. ist, unstreitig einen Anspruch auf Hausgeldvorauszahlungen für den Zeitraum 01.01.2020 bis einschließlich Februar 2022 in Höhe von noch 292,81 Euro. Der Anspruch folgt aus § 28 WEG in Verbindung mit den jeweiligen Wirtschaftsplänen, die die Klägerin zur Gerichtsakte gereicht hat. Die Beklagten zu 2.) und 3.) haften als Gesellschafter der Beklagten neben der Beklagten zu 1.) als Gesamtschuldner.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diese nicht berechtigt, mit einer Gegenforderung in Höhe vom 2.190,30 Euro aufzurechnen, weil die Aufrechnung vorliegend nach § 242 BGB ausgeschlossen ist. Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Eigentümers ist gegenüber dem Beitragsanspruch der Gemeinschaft grundsätzlich nach § 242 BGB ausgeschlossen, weil die Liquidität und damit die ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ohne die laufenden Beitragsleistungen der Eigentümer gefährdet wären und die Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft einer Treuepflicht unterliegen. […] Ausgenommen vom Aufrechnungsverbot sind in Anlehnung an § 309 Nr. 3 BGB unstreitige, anerkannte oder rechtskräftig titulierte Forderungen des die Aufrechnung erklärenden Eigentümers. Beruft sich der aufrechnende Eigentümer auf ein Anerkenntnis der Gemeinschaft, so ist die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn die Abgabe des Anerkenntnisses von der Gemeinschaft bestritten wird oder diese behauptet, sie habe die anerkannte Forderung mit anderen (streitigen) Rückständen des Eigentümers verrechnet, BeckOGK/G. Hermann, 1.3.2023, WEG § 28 Rn. 87, 88.
Nach diesen Grundsätzen greift vorliegend ein Aufrechnungsverbot. Zwar ist den Beklagten zuzugeben, dass die Verwalterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass es entsprechende Guthaben gibt und das diesen „wahrscheinlich“ entsprechende Beschlüsse der Gemeinschaft zu Grunde liegen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt hieraus jedoch kein Anerkenntnis, weil die Klägerin die Aktivlegitimation der Beklagten bestritten hat. Die Klägerin hat insoweit erklärt, dass die Einheiten, auf die etwaige Guthabenbeträge entfallen nicht mehr vollständig im Eigentum der Beklagten stehen. Damit ist die Gegenforderung jedenfalls teilweise streitig. Auch bei unterstellter Aktivlegitimation der Beklagten wäre jedoch vorliegend eine Aufrechnung ausgeschlossen, weil die Klägerin erklärt hat, sie habe die Guthabenbeträge mit Gegenforderungen (Kosten für die Führung von Rechtsstreitigkeiten) verrechnet.
Dieser Vortrag hindert nach den oben genannten Grundsätzen die Aufrechnung in diesem Verfahren.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist von der Klägerin in diesem Rechtsstreit eine weitergehende Substantiierung ihres Vortrages nicht zu verlangen. Weil das Vorbringen der Beklagten aus den Schriftsätzen vom 31.01.2023 und 01.02.2023 keine abweichende Entscheidung rechtfertigt, war die mündliche Verhandlung auch nicht wieder zu eröffnen.
Auf den Betrag von 292,81 Euro kann die Klägerin beantragte Prozesszinsen ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag, mithin ab dem 24.03.2022 verlangen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind.