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WEG-Anlage – bauliche Veränderung durch Fassadenneuanstrich

LG München I – Az.: 36 S 1982/12 WEG – Urteil vom 20.09.2012

I. Auf die Berufung des Klägers zu 3) wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 29.11.2011 aufgehoben.

II. Der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 5. Mai 2011 zu TOP 2 gefasste Beschluss mit der Nr. 24.2011, dass die gefassten Beschlüsse der Beschlussanträge 11.2011 und 12.20011 aus der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 14.04.2011 aufrecht erhalten bleiben, wird für ungültig erklärt.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 4.000,– festgesetzt.

Gründe

I.

Nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 540 Rn. 5 m. w. N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 4 WEG handelt.

II.

Die gemäß §§ 511 Abs. 1 Nr. 1, 517, 519 ZPO form- und fristgerecht und unter Beachtung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegte Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.12.2011 war aufzuheben und der angefochtene Eigentümerbeschluss 24.2011 vom 5. Mai 2011 für ungültig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 WEG, wonach bauliche Veränderungen nur beschlossen werden können, wenn alle Eigentümer zustimmen, die durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligt werden. Dies ist hier nicht der Fall; die Kläger haben nicht zugestimmt.

1. Bei dem beschlossenen Farbkonzept hinsichtlich des Neuanstrichs der Fassade handelt es sich um eine unter § 22 Abs. 1 WEG fallende Maßnahme, also um eine bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus geht. Zu den baulichen Veränderungen gehören insbesondere Veränderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes (vgl. § 5 Abs. 1 WEG), also des architektonisch-ästhetischen Bildes, auch der Farbgebung, jedenfalls soweit diese den Gesamteindruck der Anlage beeinflusst (Weitnauer-Lüke, WEG, 9. Aufl. 2005, § 14 Rn. 2 m. N.).

Vorliegend haben die Wohnungseigentümer den Neuanstrich dazu genutzt, das Gesamterscheinungsbild des Gebäudes gezielt zu verändern. Damit gehen sie über die bloße Instandhaltung, für die es ausgereicht hätte, die Fassade in der alten Farbe neu zu streichen, hinaus (vgl. OLG Hamburg, WOM 2005, 357, zitiert bei Juris, Rn. 16). Die bloße Änderung der Farbgebung kann eine bauliche Veränderung darstellen (KG NJW-RR 1993, 1105; OLG Hamburg, a. a. O., zitiert bei Juris, Rn. 16).

Bei Änderungen der Fassade durch einen Neuanstrich kann eine Beeinträchtigung im Sinne von §§ 22, 14 Nr. 1 WEG insbesondere in einer nicht nur unerheblichen nachteiligen Veränderung des optisch-architektonischen Gesamteindrucks der Anlage bestehen. Dabei gilt, dass nicht jede wesentliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig einzustufen ist (so aber etwa KG MDR 1992, 1055; OLG Celle, WuM 1995, 338; OLG Köln, NZM 2000, 765), sondern es vielmehr darauf ankommt, ob die Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig zu bewerten ist (BayObLG, WuM 1992, 709 ff; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 22 Rn. 95; OLG Zweibrücken, ZWE 2000, 93, 94 unter Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung).

Maßstab zur Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung beeinträchtigend wirkt, ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage objektiv und verständlicherweise benachteiligt fühlen kann (Merle in Bärmann, WEG, § 22 Rn. 174; BGH NJW 1992, 978; BayObLG, WuM 1992, 5063). Dazu hat nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine am konkreten Einzelfall orientierte Abwägung stattzufinden, die den Grundrechten sowohl des die bauliche Veränderung veranlassenden Eigentümers als auch der Wohnungseigentümer, die in ihrem Eigentumsrecht beeinträchtigt werden, hinreichend Rechnung tragen muss. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer nicht eine erhebliche Störung voraussetzt. Es greift vielmehr dann ein, wenn die bauliche Veränderung nicht nur unerheblich stört (so ausdrücklich Beschluss des BayObLG vom 20.11.2003, Az.: 2 ZBR 134/03). Die Schwelle einer Beeinträchtigung der Rechte der übrigen Wohnungseigentümer ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen, was im Übrigen der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG als Ausnahmeregelung entspricht (BVerfG, ZMR 2005, 634 ff; OLG München, ZMR 2006, 230, 231; OLG Köln, FGPrax 2005, 203, 204); nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen von völlig belanglosem oder bagatellartigem Charakter für das Gemeinschaftseigentums bzw. die äußere Gestaltung der Anlage bleiben außer Betracht (Jennißen, WEG, § 22 Rn. 30).

Die der Kammer vorgelegten Lichtbilder lassen aussagekräftige Schlüsse über den Eindruck, den die streitgegenständliche Fassade in ihrem Zustand vor der Renovierung (Anlage B 4) einerseits und im Zustand nach der Renovierung (Anlage B 9) andererseits vermittelt, zu. Dabei ist festzustellen, dass das Erscheinungsbild der Fassade nach dem Neuanstrich ein deutlich anderes ist: Die ursprüngliche Fassadengestaltung vermittelte ein einheitliches, ruhiges und neutrales Gestaltungsbild. So war die Fassade einheitlich in einem hellgelben Farbton gestrichen. Es handelte sich um eine unauffällige Farbgebung, deren Vorhandensein beim Betrachten der Fassade als solches kaum auffällt.

Ganz anders stellt sich das Erscheinungsbild der nunmehr renovierten Fassade dar. Waren bei der früheren Fassade Balkone, Brüstungen, Fenster und sonstige Hausbestandteile von gleichmäßiger Auffälligkeit bzw. Unauffälligkeit, so stechen nunmehr die orangefarbenen Streifen, die gleichsam als Akzentstreifen bei allen Balkonbrüstungen im unteren Teil angebracht sind, hervor und beherrschen das Erscheinungsbild der Fassade. Betrachtet man die Fassade, fällt der Blick sofort auf diese orangefarbenen Streifen, die sich in jedem Stockwerk über 6 Balkone (3 pro Haushälfte) erstrecken. Diese orangefarbenen Kontraststreifen beherrschen das Erscheinungsbild der Fassade und lassen die anderen Hauselemente zurücktreten.. Die Schaffung derartig starker Kontraste über die gesamte Fassade stellt eine wesentliche Änderung dar. Diese ist bei objektiver Würdigung durchaus als störend zu bezeichnen, wenn man von der Ausgangssituation einer einheitlich, ruhig gestalteten Fassade ausgeht. Durch diese Veränderung sind nicht nur bloße geschmackliche Empfindlichkeiten betroffen. Wird der Charakter einer Fassade so stark wie durch die hier angebrachten Kontraststreifen verändert, liegt hierin ein nicht nur unerheblicher Nachteil für die nicht zustimmenden Eigentümer.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der jetzige Zustand der Fassade als eine störende Veränderung des architektonisch-ästhetischen Gesamteindrucks empfunden werden kann. Demzufolge entsprach der angefochtene Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Deshalb war das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst. Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Damit ist die Entscheidung rechtskräftig.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a GKG; sie entspricht der zutreffenden und unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Erstgericht.

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