Oberlandesgericht: Kein Kündigungsschutz für Untermieter bei Gewinnerzielungsabsicht
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln wurde zurückgewiesen, da ein wirksames Mietverhältnis mit den Beklagten besteht und das Gericht eine gewerbliche Zwischenvermietung annahm, basierend auf Aussagen und einer Vielzahl von Indizien, einschließlich der Gestaltung des Mietvertrags und der Rolle der Schwägerin des Klägers.
Übersicht
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 65 S 191/22 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts Neukölln, die Berufung des Klägers abzuweisen.
- Es wurde ein wirksames Mietverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten angenommen, da die Zwischenvermietung als gewerblich eingestuft wurde.
- Die Schwägerin des Klägers, die als Zwischenmieterin agierte, hatte die Wohnung an die Beklagten untervermietet, was vom Gericht als Teil einer gewerblichen Tätigkeit gesehen wurde.
- Trotz Berufung des Klägers bestätigte das Gericht, dass die Kündigung des Mietverhältnisses nicht wirksam erfolgt sei.
- Die Annahme der gewerblichen Vermietung basierte auf Aussagen und Indizien wie der Gestaltung des Mietvertrags und der Rolle der Schwägerin.
- Die Revision wurde nicht zugelassen, da die rechtlichen Bewertungen auf geltendem Recht und höchstrichterlicher Rechtsprechung beruhten.
Komplexe Mietverträge und gewerbliche Vermietung
Als Mieter ist es wichtig, die rechtlichen Aspekte rund um die Weitervermietung von Wohnungen zu kennen. Die Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Weitervermietung hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten. Während die private Untervermietung in der Regel zulässig ist, gelten für gewerbliche Untervermieter strengere gesetzliche Anforderungen.
Ob eine Vermietung als gewerblich einzustufen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen beispielsweise die Anzahl der Wohnungen, die Mietdauer und die Gewinnerzielungsabsicht. Eine Abgrenzung ist oftmals schwierig und wird von den Gerichten im Einzelfall entschieden. Umso wichtiger ist ein grundlegendes Verständnis dieser komplexen Materie.
➜ Der Fall im Detail
Der Streitfall: Gewerbliche Weitervermietung vor Gericht
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, unter welchen Umständen eine Weitervermietung als gewerblich zu betrachten ist. Ausgangspunkt war die Klage eines Vermieters gegen die Nutzer einer Wohnung in Berlin, die ursprünglich an seine Schwägerin vermietet und von ihr untervermietet wurde. Der Vertrag zwischen Vermieter und Schwägerin sah sowohl Wohnzwecke als auch eine teilgewerbliche Nutzung vor und gestattete die Untervermietung explizit.
Die juristische Auseinandersetzung
Die Schwägerin vermietete die Wohnung weiter an die Beklagten, was zu einer rechtlichen Kontroverse führte, als der Vermieter die Räumung der Wohnung begehrte. Das Amtsgericht Neukölln wies die Klage ab, da es von einem wirksamen Mietverhältnis zwischen den Parteien ausging, das nicht durch Kündigung beendet wurde. Der Vermieter legte gegen dieses Urteil Berufung ein, argumentierte jedoch erfolglos vor dem Landgericht Berlin.
Entscheidung des Landgerichts Berlin
Das Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und lehnte die Berufung des Klägers ab. Die Richter erkannten ein wirksames Mietverhältnis zwischen den Beklagten und dem Kläger, welches die Kriterien eines gewerblichen Mietverhältnisses erfüllte. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung der Äußerungen des Klägers und seiner Vertreterin, die darauf hindeuteten, dass die ursprüngliche Vermietung an die Schwägerin mit der Intention erfolgte, Gewinne zu erzielen.
Die Bedeutung der gewerblichen Zwischenvermietung
Das Gericht betonte, dass der Schutz der Mieter im Vordergrund stehe und Vermietungskonstellationen, die ausschließlich der Gewinnerzielung dienen, den sozialen Schutz des Wohnraummietrechts nicht unterlaufen dürfen. Der Fall zeigt auf, dass Vermieter die Grenzen des Mietrechts respektieren müssen und nicht durch Vertragsgestaltungen den Mieterschutz umgehen können.
Auswirkungen des Urteils
Die Entscheidung unterstreicht die strenge Handhabung des Mietrechts in Fällen der gewerblichen Weitervermietung und setzt ein klares Signal gegen die Umgehung von Mieterschutzvorschriften. Für Vermieter bedeutet dies, dass sie bei der Gestaltung von Mietverträgen sorgfältig vorgehen und die Rechte der Mieter berücksichtigen müssen. Die Entscheidung trägt dazu bei, die Balance zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern zu wahren und den Mieterschutz zu stärken.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was versteht man unter gewerblicher Weitervermietung?
Unter gewerblicher Weitervermietung versteht man den Prozess, bei dem ein Zwischenmieter, wie zum Beispiel ein Bauträger-, Immobilien- oder Hausverwaltungsunternehmen, Wohnraum vom Eigentümer anmietet und diesen zu gewerblichen Zwecken an Dritte weitervermietet.
Dies ist ein Sonderfall der Untermiete und wird im § 565 BGB geregelt. Bei Beendigung des Mietverhältnisses zwischen dem Vermieter und dem Zwischenmieter tritt der Vermieter in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag zwischen Zwischenmieter und Endmieter ein. Die gewerbliche Weitervermietung unterscheidet sich von der privaten Vermietung, die als private Vermögensverwaltung gilt, wenn man sein unbewegliches Vermögen, wie eine geerbte oder gekaufte Wohnung, vermietet oder verpachtet und dadurch Einkünfte erzielt.
Gewerbliche Vermietung hingegen geht über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinaus und wird als gewerbliche Tätigkeit eingestuft, wenn besondere Umstände hinzutreten, die der Tätigkeit das Gepräge einer selbstständigen, nachhaltigen und vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen. Kriterien, die eine Vermietung als gewerblich einstufen, sind beispielsweise:
- Die Vermietungstätigkeit überschreitet die reine Vermögensnutzung und es liegt eine einheitliche gewerbliche Organisation vor, wie bei einer hotelmäßigen Nutzung.
- Es werden zusätzliche Dienstleistungen angeboten, die über die normale Vermietertätigkeit hinausgehen.
- Es besteht eine Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
- Es gibt eine hohe Fluktuation an Mietern oder eine professionelle Organisation der Vermietung.
Die Einstufung als gewerbliche Vermietung hat steuerliche Konsequenzen, da gewerbliche Vermieter je nach Unternehmensform Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer auf Mieteinnahmen zahlen müssen. Im Gegensatz dazu fallen bei privater Vermietung Einkommensteuer auf die Mieteinnahmen an, und die Kosten für die Wohnung können als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Es ist wichtig, mit dem zuständigen Finanzamt zu sprechen, um die Einstufung der Vermietungstätigkeit zu klären, da das Finanzamt über die Einstufung als private Vermögensverwaltung oder gewerbliche Tätigkeit entscheidet.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Vermieter bei gewerblicher Weitervermietung?
Vermieter, die Immobilien gewerblich weitervermieten, haben sowohl Rechte als auch Pflichten, die sich von denen bei privater Vermietung unterscheiden. Hier sind einige der besonderen Verpflichtungen, die bei gewerblicher Vermietung bestehen:
Instandsetzung und Instandhaltung
Vermieter von Gewerbeimmobilien sind für die Instandsetzung und Instandhaltung der vermieteten Räume verantwortlich. Dies kann im Mietvertrag geregelt werden, wobei die genauen Bedingungen zwischen den Parteien frei verhandelbar sind.
Konkurrenzschutz
Vermieter müssen unter Umständen einen Konkurrenzschutz gewähren. Das bedeutet, dass sie nicht an konkurrierende Unternehmen vermieten dürfen, wenn dies im Mietvertrag mit einem bestehenden Mieter ausgeschlossen wurde.
Garantiehaftung
Vermieter müssen dafür Sorge tragen, dass die notwendigen behördlichen Genehmigungen für den Gewerbebetrieb des Mieters vorliegen, sofern dies nach der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts erforderlich ist.
Brandschutz
Vermieter sind verpflichtet, die Einhaltung der Brandschutzvorschriften zu gewährleisten. Dies kann je nach Art des Gewerbes und der Immobilie unterschiedliche Maßnahmen erfordern.
Steuerliche Pflichten
Gewerbliche Vermieter müssen ihre Mieteinnahmen versteuern und sind je nach Unternehmensform verschiedenen Steuerarten unterworfen.
Mietvertrag
Ein Gewerbemietvertrag kann in der Regel freier gestaltet werden als ein Mietvertrag für Wohnraum. Die Laufzeit der Vermietung ist meistens festgelegt und läuft über einen längeren Zeitraum. Bei der Gestaltung des Mietvertrags haben Vermieter mehr Spielraum und können individuelle Vereinbarungen treffen.
Erreichbarkeit und Hausverwaltung
Vermieter müssen für ihre Mieter erreichbar sein und dürfen die Verwaltung der Immobilie an eine Hausverwaltung delegieren, wenn dies erforderlich ist.
Kündigungsfristen
Die Kündigungsfristen sind bei gewerblichen Mietverhältnissen in der Regel länger als bei privaten Mietverhältnissen und müssen vertraglich vereinbart werden.
Umgang mit Kautionen
Bei gewerblichen Mietverhältnissen gibt es keine gesetzliche Begrenzung der Kaution, wie es bei privaten Mietverhältnissen der Fall ist. Die Kaution kann also auch die Summe von drei Monatsmieten übersteigen.
Rechte bei Beendigung des Mietverhältnisses
Nach § 565 BGB tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, und die genauen Pflichten können je nach individuellem Mietvertrag variieren. Es ist wichtig, dass Vermieter sich mit den spezifischen Anforderungen des gewerblichen Mietrechts vertraut machen und bei Bedarf rechtlichen Rat einholen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 565 BGB (Eintreten in das Mietverhältnis bei Veräußerung des vermieteten Grundstücks): Dieser Paragraph regelt, dass beim Verkauf einer Immobilie das Mietverhältnis für den Käufer bestehen bleibt. Im Kontext der gewerblichen Weitervermietung zeigt er, dass Untermieter Schutz genießen, wenn das Hauptmietverhältnis endet.
- § 546 Abs. 2 BGB (Rückgabepflicht bei Beendigung des Mietverhältnisses): Besagt, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses die Mietsache zurückzugeben hat. Im Fall einer gewerblichen Weitervermietung ist dies relevant für die Frage, wer zur Rückgabe verpflichtet ist, wenn verschiedene Vermietungsebenen involviert sind.
- § 575 BGB (Zeitmietvertrag): Erläutert die Bedingungen, unter denen ein Mietvertrag zeitlich befristet abgeschlossen werden kann. Wichtig im Zusammenhang mit der gewerblichen Weitervermietung, um die Rechtsgrundlage für die Befristung zu verstehen.
- § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO (Bezugnahme auf tatsächliche Feststellungen): Erlaubt in Gerichtsverfahren die Bezugnahme auf die Feststellungen einer vorherigen Entscheidung. Dies ist relevant für die Einordnung des Falls und das Verständnis der gerichtlichen Entscheidungsfindung.
- § 286 Abs. 1 ZPO (Freie Beweiswürdigung): Gibt dem Gericht die Freiheit, Beweise nach eigenem Ermessen zu würdigen. Dies ist besonders wichtig bei der Bewertung der Beweislage in Fällen gewerblicher Weitervermietung.
- § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB (Erlaubnis zur Untervermietung): Regelt, unter welchen Umständen der Mieter berechtigt ist, die Mietsache unterzuvermieten. In Fällen gewerblicher Weitervermietung zentral für die Frage, ob und wie Untervermietungen zulässig sind.
- § 985 BGB (Herausgabeanspruch): Besagt, dass der Eigentümer einer Sache deren Herausgabe von dem Besitzer verlangen kann. Relevant für die Klärung von Besitzverhältnissen und Eigentumsansprüchen bei gewerblicher Weitervermietung.
Das vorliegende Urteil
LG Berlin – Az.: 65 S 191/22 – Urteil vom 09.05.2023
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 27. Oktober 2022 – 14 C 359/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen:
Der Kläger ist unter anderem Eigentümer und Vermieter mehrerer Wohnungen im Hause W.straße (…) Berlin, in dem auch die hier gegenständliche, nur von den Beklagten zu 2) bis 5) bewohnte Wohnung liegt.
Der Kläger vermietete die aus 5 Zimmern bestehende Wohnung mit „Zeitmietvertrag (befristeter Mietvertrag gemäß § 575 BGB)“ ab dem 1. Februar 2019 an seine Schwägerin, die ehemalige Beklagte zu 1) „zu Wohnzwecken mit teilgewerblicher Nutzung für 5 Personen.“
Nach Ziff. 1.2. des Mietvertrages wurde die Wohnung „Auf ausdrücklichen Wunsch des Mieters (…) teilgewerblich angemietet.“
Nach Ziff. 16.11 des Vertrages ist der Mieter zur Untervermietung der Mietsache berechtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes wird auf den Zeitmietvertrag (Blatt I/102ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Schwägerin des Klägers vermietete die Wohnung ihrerseits an die Beklagten zu 2) und 3).
Der Mietvertrag ist mit der Überschrift „Nutzungsvertrag für eine Wohnung auf bestimmte Zeit zur Untermiete“ versehen.
Im Vertragsrubrum ist die Schwägerin des Klägers unter der Bezeichnung „Wohnraumanbieter (-in)“ unter ihrer Anschrift in der E.allee (…) Berlin aufgeführt.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) folgen unter dem Begriff „Wohnraumnutzer (-innen)“.
Nach § 1 des Vertrages überlässt der „Wohnraumanbieter“ dem „Nutzer zu Wohnzwecken“ die Wohnung W.straße (…) Berlin, Vorderhaus 2. OG, mitte links zur Untermiete.
§ 9 („Nutzungssache“) enthält unter anderem folgende Regelung:
„Die Nutzung wird überlassen für 4 Personen. Eine Nutzung durch mehr als die hier angegebene Nutzerzahl ist nur in Ausnahmefällen gestattet.“
§ 11 des Vertrages „Betreten der Mietsache“ lautet wie folgt:
„Der/die Wohnraumanbieter (-in) oder Beauftragte dürfen jederzeit die Wohnung zur Prüfung ihres Zustandes oder zum Ablesen mit vorheriger Ankündigung betreten. (…)“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes wird auf den Vertrag (Blatt I/118ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2022 abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Räumungsanspruch nicht gegeben sei, weil zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 2) und 3) ein wirksames Mietverhältnis bestehe, das auch nicht durch eine Kündigung beendet wurde. Der Kläger sei infolge der Kündigung der ehemaligen Beklagten zu 1) in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen der ehemaligen Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) und 3) nach § 565 BGB eingetreten. Es hat ausgeführt, dass die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der ehemaligen Beklagten zu 1) eine gewerbliche Zwischenvermietung vorgesehen habe. Dies folge zum einen aus der Äußerung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2022, wonach die ehemalige Beklagte zu 1) die Wohnung angemietet habe, um damit Geld zu machen. Dieser Aussage komme ein besonderer Beweiswert zu. Der Kläger müsse sich die Aussage seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen, sodass es nicht darauf ankomme, ob er selbst Kenntnis davon gehabt habe. Er sei der Aussage auch selbst nicht entgegengetreten. Weiter folge dies für das Gericht aus der Zusammenschau verschiedener Indizien, die in ihrer Gesamtbetrachtung zu seiner Überzeugung von der zu beweisenden Tatsache führten. Dazu gehörten die Höhe des Mietzinses, die Zeugenaussagen und die persönliche Anhörung des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 28. Oktober 2022 zugestellte Urteil am 25. November 2022 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung innerhalb der verlängerten Frist am 24. Januar 2023 begründet.
Er meint, das Amtsgericht wende § 565 BGB unzutreffend an und würdige die Aussagen der vernommenen Zeugen fehlerhaft. Einseitig sei zudem die Würdigung der Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung. Auch habe das Amtsgericht zu Unrecht die Aussage der Klägervertreterin im Termin vom 17. März 2022 verwertet, wonach die ehemals Beklagte zu 1) die Wohnung angemietet habe, um damit Geld zu machen. Der Kläger meint, es liege eindeutig ein Verwertungsverbot vor, das sich daraus ergebe, dass die den Rechtsstreit entscheidende Richterin im Termin nicht anwesend war und die Klägervertreterin ihre Äußerung klargestellt habe. Im Übrigen sei „Geld machen“ nicht gleichzusetzen mit „Gewinn machen“. Geld machen und Gewinnerzielungsabsicht würden sich diametral unterscheiden.
Der Kläger wendet sich daneben gegen die Wertung des Amtsgerichts, wonach die Schwägerin eine Untervermietung an die Beklagten zu 4) und zu 5) zumindest konkludent gestattet habe.
Der Kläger meint, dass jedenfalls die mit Schreiben vom 16. September 2022 vorsorglich und hilfsweise erklärte Kündigung gegenüber den Beklagten zu 2) – 5) ein etwaiges Mietverhältnis beendet habe. Die Beklagten seien ohne Erfolg dazu aufgefordert worden, Zugang zur Mietsache zu gewähren. Darin liege eindeutig eine pflichtwidrige Verweigerung und damit erhebliche Pflichtverletzung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 24. Januar 2023 (Blatt II/83ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt, die Beklagten zu 2) bis 5) unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Neukölln vom 27. Oktober 2022 – 14 C 359/21 – zu verurteilen, die im Vorderhaus 2. OG mitte-links gelegene ca. 126,29 qm große Wohnung in der W.straße (…) Berlin, bestehend aus fünf Zimmern, Küche und Bad an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie geben an, dass der Kläger nach anfänglichen Terminschwierigkeiten bereits vor Monaten Zutritt zur Wohnung erhalten habe; er habe einräumen müssen, dass die Wohnung sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet und es nichts zu beanstanden gibt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Amtsgericht vom 17. März 2022 und vom 6. Oktober 2022 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der hier gegenständlichen Wohnung. Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 546 Abs. 2 BGB noch § 985 BGB.
Zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 2) und 3) besteht ein wirksames Mietverhältnis über Wohnraum, das der Kläger nur nach den Vorschriften des sozialen Wohnraummietrechts des BGB kündigen kann, aber nicht wirksam gekündigt hat.
a) Der Kläger ist nach § 565 Abs. 1 BGB in das (formal) zwischen der (durch Klagerücknahme aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen) Beklagten zu 1), der Schwägerin des Klägers und den Beklagten zu 2) und zu 3) begründete (Unter-)Mietverhältnis eingetreten.
Zuzugeben ist dem Kläger, dass der Regelungszweck des § 565 BGB nicht darauf abzielt, den Schutz des Mieters generell auf alle Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter durch eine Ausweitung des Gewerbebegriffs auszudehnen. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht dafür auch im Bereich des Wohnungsmietrechts mit dem darin geregelten sozialen Kündigungsschutz des Mieters dazu kein Anlass (vgl. BGH, Urt. v. 17.01.2018 – VIII ZR 241/16, Rn. 22; Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 311/14, Rn. 24).
Vermietungskonstellationen wie die hier praktizierte führen nach den vom BVerfG aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsätzen und der darauf basierenden Rechtsprechung des BGH jedoch zur (direkten) Anwendung des § 565 BGB.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG zur älteren (Missbrauchs-)Lösung des BGH (BGH, Urt. v. 21.04.1982 – VIII ARZ 16/81) und zur Rechtslage vor Schaffung der Regelung in § 565 BGB (bzw. der gleichlautenden Vorschrift des § 549a BGB aF) kann eine Grundrechtsverletzung – in dem entschiedenen Fall eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, Art. 3 Abs. 1 GG – nicht nur durch den Gesetzgeber, sondern auch die Gerichte begangen werden, dies insbesondere dann, wenn sie im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften oder der Lückenfüllung zu einer (auch) dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfG, Beschl. v. 11.06.1991 – 1 BvR 538/90, Rn. 8, mwN).
Anlass der Entscheidung des BVerfG – und nachfolgend der Schaffung der Regelung in § 565 BGB (§ 549a BGB aF, BT-Drs. 12/3254, S. 36 f.; 12/5342, S. 3) – war (zwar) eine Weitervermietung im Rahmen des sogen. Bauherrenmodells.
Die Feststellungen des BVerfG beschränken sich jedoch keineswegs auf diese Vermietungskonstellation.
Der Entscheidung zugrunde liegt (unter anderem) die Feststellung, dass der Untermieter von Wohnraum wegen des Räumungsanspruchs des Vermieters gegen den Untermieter bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses aus § 546 Abs. 2 BGB (§ 556 Abs. 3 BGB aF) weniger geschützt ist. Die Schutzlücke wirke sich weniger aus, wenn der (Haupt-)Mieter sich im Verhältnis zum Hauptvermieter seinerseits auf die Kündigungsschutzvorschriften für Wohnraum berufen könne, was bei einer gewerblichen Zwischenvermietung nicht der Fall sei.
Der Schutz eines solchen Mieters bleibe trotz der Missbrauchslösung des BGH (vgl. auch BGH, Urt. v. 20. März 1991 – VIII ARZ 6/90) hinter dem Schutz eines Mieters zurück, der den Wohnraum unmittelbar vom Eigentümer gemietet habe. Der BGH hatte in der vorzitierten Entscheidung darauf abgestellt, dass der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages nicht gewusst habe, dass er gegenüber dem Eigentümer keinen Wohnraumkündigungsschutz genießt. Das BVerfG sah darin keinen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grund, weil der Gesetzgeber den Kündigungsschutz für Wohnraum gerade nicht davon abhängig mache, ob der Mieter eine Beendigungsmöglichkeit absehen konnte.
Das gleichwertige Schutzbedürfnis des Mieters, der die Wohnung von einem Zwischenmieter mietet, leitet das BVerfG aus der von einem typischen Untermietverhältnis abweichenden Interessenlage der Parteien ab.
Der Untermieter stehe dort zum Hauptmieter in einer wesentlich engeren Beziehung, weil auch der Hauptmieter die Wohnung selbst nutze und der Untermieter nur im Rahmen des zwischen Eigentümer und Hauptmieter bestehenden Mietverhältnisses an der Nutzung beteiligt werde. Demgegenüber habe der Mieter in den Zwischenvermietungsfällen eine vollständige Wohnung von einem Vermieter gemietet, der sie selbst nicht als Wohnung genutzt hat oder nutzen will, sondern zum Zwecke der (gewerblichen) Weitervermietung vom Eigentümer erhalten habe.
Gewichtige Interessen des Vermieters, die die Verkürzung des sozialen Mieterschutzes rechtfertigen könnten, sah das BVerfG nicht tangiert. Zur Begründung führt das BVerfG (u.a.) aus, dass bei einem typischen Untermietverhältnis die Untervermietung in der Regel im Interesse des Hauptmieters liege, die gewerbliche Zwischenvermietung demgegenüber eine Vertragsgestaltung sei, die vom Eigentümer im eigenen Interesse gewählt werde.
Er wisse, dass der Zwischenvermieter die Wohnung an einen Mieter zur Nutzung als Wohnung vermieten will und diesem gegenüber an die gesetzlichen Vorschriften über den Mieterschutz gebunden ist. Diese Nutzung entspreche seinem Willen und regelmäßig auch seinem Interesse. Aus der Aufgabe des Gesetzgebers, im Mietrecht die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, könne daher ein sachlicher Grund für eine Besserstellung des Eigentümers, der die Wohnung einem gewerblichen Zwischenmieter vermietet hat, nicht hergeleitet werden (BVerfG, Beschl. v. 11. Juni 1991 – 1 BvR 538/90, NJW 1991, 2272, [2273], beck-online).
Diese Grundsätze gelten erst recht dann, wenn der Vermieter – wie hier nach Überzeugung des Amtsgerichts und der Kammer – den Zwischenmieter als Hauptmieter nur deshalb einschaltet, um die zwingenden Vorschriften des Wohnraummietrechts zu umgehen und die – formal vom Zwischenmieter begründeten – (Unter-)Mietverhältnisse jederzeit faktisch dadurch nach eigenem Belieben zu beenden, dass er von diesen die an keine weitere Voraussetzung als die der Beendigung des Hauptmietverhältnisses geknüpfte Räumung nach § 546 Abs. 2 BGB verlangt.
Es ist weder ein sachlicher Grund noch etwa ein gewichtiges Interesse des Klägers als Eigentümer/Vermieter vorgetragen oder ersichtlich, wonach es auch nur im Ansatz gerechtfertigt wäre, den nach dem sozialen Wohnraummietrecht des BGB zwingenden (Kündigungs-)Schutz des Mieters von Wohnraum hier zu verkürzen.
Mit jeder anderen Entscheidung würden die Gerichte – die Maßstäbe des BVerfG zugrunde gelegt – gegen Verfassungsrecht verstoßen.
Der Überzeugung der Kammer liegen folgende Feststellungen zugrunde:
aa) Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils – unstreitig – hat der Kläger allein in dem hier gegenständlichen Objekt W.straße (…) Berlin mindestens vier Wohnungen an seine Schwägerin vermietet.
Die Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts beruht (auch) auf den Angaben des Klägers in seiner mündlichen Anhörung vor dem Amtsgericht am 6. Oktober 2022 (Prot. Bl. II/12 d. A.).
Der Kläger mochte sich (zwar) nicht festlegen, wie viele Wohnungen genau er an seine Schwägerin vermietet hat. Nachdem das Amtsgericht den Kläger darauf hingewiesen hat, dass es nach Aktenlage im Objekt W.straße (..) vier seien, ist der Kläger dem jedoch nicht entgegengetreten.
Er hat sich (zunächst) darauf zurückgezogen, keine genaue Kenntnis zu haben und sich nicht in die Privatsphäre „der Mieter“ einzumischen. Die Mietverhältnisse zwischen ihm und seiner Schwägerin habe die Hausverwaltung abgeschlossen.
Dazu im Widerspruch steht seine Einlassung an anderer Stelle, wonach die „weiteren gewerblichen Zwischenvermietungen in der W.str. (…)“ nicht mit seiner Schwägerin „geschlossen“ waren, er mit seiner Schwägerin solche Zwischenvermietungen nicht geschlossen hätte.
Dafür, dass der Kläger auch sonst deutlich informierter war, als behauptet, spricht auch, dass er ins Protokoll aufgenommen sehen wollte, dass „im vorliegenden Verfahren explizit kein gewerblicher Zwischenmietvertrag geschlossen“ worden sei; in anderen Verträgen in der W.straße habe es demgegenüber – „explizit im Mietvertrag (…) ausgewiesen“ – solche gewerblichen Zwischenvermietungen gegeben.
Aus alledem lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Kläger sehr wohl eigene Kenntnis von den Vermietungsvorgängen im Allgemeinen und konkret an seine Schwägerin hatte.
An der Aussage ist im Übrigen (allenfalls) richtig, dass der Begriff der „Zwischenvermietung“ in dem hier gegenständlichen Hauptmietvertrag keine Verwendung findet.
Der hiesige Hauptmietvertrag wurde unter der Überschrift „Zeitmietvertrag“ befristet bis zum 31. Januar 2024 geschlossen. Die aus fünf Zimmern bestehende Wohnung wurde „zu Wohnzwecken mit teilgewerblicher Nutzung für 5 Personen“ vermietet (§ 1 des Mietvertrages, Bl. I/102ff.), in § 16.11. wird eine Untervermietung ohne jede Beschränkung erlaubt.
Der Kläger musste auch wissen, dass seine Schwägerin zu keinem Zeitpunkt selbst eine Eigennutzung der Wohnung beabsichtigte, denn sie wohnte und wohnt – unstreitig – in der E.allee (…) Berlin, der Anschrift unter der der Kläger – folgerichtig – die zunächst auch gegen sie gerichtete Räumungsklage zustellen ließ.
Soweit er geltend macht, nicht zu wissen, ob seine Schwägerin die Wohnung jemals bewohnt habe, weil er inzwischen wenig Kontakt zu ihr habe, da sie inzwischen mehr in Spanien wohne, vermag die Kammer (auch) dieser Einlassung nicht zu glauben. Ihrem Wahrheitsgehalt steht zum einen entgegen, dass der Kläger die (auch) gegen seine Schwägerin gerichtete Klage zurückgenommen haben will, weil „die Klage in der Familie großes Unbehagen ausgelöst“ habe (Prot. Bl. I/87 d. A.), zum anderen, dass er seine Schwägerin mit Schriftsatz vom 2. September 2021 unter ihrer Anschrift in der E.allee verklagt hat, nicht etwa in Spanien. Hinzu kommt, dass die – in jedem Fall – zahlreichen Vermietungen an seine Schwägerin erst recht keinen sinnvollen Grund erkennen lassen, wenn diese in Berlin über eine Hauptwohnung verfügt, ihren Lebensmittelpunkt aber nach Spanien verlegt haben soll.
Eben die Anschrift in der E.allee hat im Übrigen auch die (ehemalige) Beklagte zu 1) selbst angegeben, als sie sich – ausweislich der Urkunde über die Zustellung der ihr unter eben dieser Anschrift zugestellten Ladung als Zeugin in diesem Verfahren (Bl. I/140 d.A., §§ 182 Abs. 1, 418 ZPO) – mit Schreiben vom 14. Juni 2022 (Bl. I/151 d. A.) auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berief und mit Schreiben vom 27. Juni 2022 (Bl. I/158 d. A.) unter Angabe dieser Anschrift ihr verwandtschaftliches Verhältnis zum Kläger an Eides statt versicherte. Bei der Wohnung in der E.allee handelt es sich – den tatsächlichen Einlassungen und Angaben der Schwägerin des Klägers zufolge – um die Hauptwohnung im Sinne des § 22 Bundesmeldegesetzes (BMG).
Die Behauptung eines geringen Kontakts des Klägers zu seiner Schwägerin steht zudem im Widerspruch zu seiner Angabe in der mündlichen Anhörung, dass er vermute, diese habe den mit ihr bestehenden Mietvertrag gekündigt, weil er sie darauf hingewiesen habe, dass er die Untermieter aus seiner Wohnung haben wolle. Es gebe vielfältige Klagen von Nachbarn.
Soweit der Kläger in der Berufung eine einseitige Würdigung seiner Angaben in der persönlichen Anhörung beanstandet und meint, nachvollziehbar erläutert zu haben, dass er von der hier gegenständlichen Untervermietung erst im Zeitpunkt der Klage Kenntnis erlangt habe, nimmt er seine – protokollierten – Angaben selbst nur selektiv wahr. Direkt im Folgesatz fällt ihm offenkundig der logische Bruch dieser Angabe zu der bereits protokollierten Aussage zum (im Kündigungsschreiben nicht angegebenen) Grund für die Kündigung des Mietvertrages zwischen ihm und seiner Schwägerin auf, denn er korrigiert sich dahin, dass es früher gewesen sein müsse. Das wiederum muss – denklogisch – so zutreffen.
Die Angabe des Klägers zum Kündigungsgrund wiederum lässt keinen anderen Schluss zu als den, dass es (auch) bezüglich der Untervermietung/en – entgegen seiner Darstellung an anderer Stelle – sehr wohl Kommunikation zwischen ihm und seiner Schwägerin gegeben hat, der Kläger mithin darüber informiert war und eigene Interessen mit dem „Unter(ver)mietmodell“ verfolgte. Der Kläger agiert im Rahmen der Vermietung von Wohnraum als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB am Markt. Wenn er gegenüber seiner Schwägerin äußert, dass er die Untermieter „aus seiner Wohnung haben“ wolle, musste er wissen, dass auch der Unter-Vermieter (Mieter im Verhältnis zum Hauptvermieter) nur nach den zwingenden, das heißt nicht abdingbaren Vorschriften des sozialen Wohnraummietrechts das Untermietverhältnis kündigen kann.
Es darf auch das Wissen vorausgesetzt werden, dass es nicht ausreicht, durch nichts belegte Behauptungen zu einem angeblichen vertragswidrigen Verhalten des (Unter-)Mieters aufzustellen, diese vielmehr tatsächlich vorliegen müssen und im Zweifel zu beweisen sind.
Angesichts des Umstandes, dass der Kläger selbst seine Behauptungen zu seiner angeblichen Unkenntnis von der beabsichtigten Nutzung der in größerer Zahl an seine Schwägerin vermieteten Wohnungen widerlegt und mit Blick auf den Inhalt des hier gegenständlichen Hauptmietvertrages und die hier zugrunde zu legende Interessenlage, vermag die Kammer die durch nichts unterlegten Vermutungen des Klägers zur Nutzung der Wohnung durch seine Schwägerin („Wochenendwohnung, Liebesnest, zwei Kinder mit mangelnder Bonität, Homeschooling, soziale Hintergründe“) nicht als Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Die in diesem Verfahren feststehenden Tatsachen und die Angaben des Klägers selbst schließen jede der vom Kläger in den Raum gestellten, sich teilweise widersprechenden Verwendungsabsichten aus, zumal seine Schwägerin ja ohnehin „mehr in Spanien als in Berlin“ wohnen soll.
bb) Das gewerbsmäßige Vorgehen der Schwägerin des Klägers – sei es im eigenen und/oder im Interesse des Klägers und/oder im gemeinsamen Interesse – wird durch weitere – überwiegend unstreitige – Tatsachen gestützt.
Die (ehemalige) Beklagte zu 1) verwendet einen offenkundig für eine Vielzahl von Verwendungen, allerdings auf das hiesige Untervermietungsmodell – nicht aber die hiesigen Untermieter – abgestimmten Formularmietvertrag.
Der Vertrag ist mit der Überschrift „Nutzungsvertrag für eine Wohnung auf bestimmte Zeit zur Untermiete“ versehen (Bl. I/118ff.), die Schwägerin des Klägers im Vertragsrubrum als „Wohnraumanbieter/in“ unter ihrem Ehenamen und ihrer Anschrift in der E.allee 33, 14050 Berlin – anders als die Beklagten zu 1) und zu 2) – nicht handschriftlich, sondern maschinenschriftlich bzw. elektronisch eingefügt. Die Beklagten zu 2) und 3) erscheinen auf der anderen Seite des Rubrums nicht als „Untermieter“, sondern unter der vorformulierten Bezeichnung als „Wohnraumnutzer (-innen)“.
Überlassen wird die gesamte Wohnung (vgl. § 1 Abs. 1 des Mietvertrages: „Der Wohnungsanbieter (…) dem Nutzer zu Wohnzwecken folgende Wohnung W.straße (…) Berlin, VH 2. OG, mitte links zur Untermiete“), nach der Rechtsprechung von BGH und BVerfG (vgl. nur BGH v. 20.03.1991 – VIII ARZ 6(/90, Rn. 15; BVerfG, Beschl. v. 11.06.1991 – 1 BvR 538/90, NJW 1991, 2272, [2273]) eine Situation, die nicht der eines typischen Untermietverhältnisses entspricht und eine abweichende Interessenlage begründet.
Typischerweise und dem gesetzlichen Leitbild in § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend bewohnt der Untervermieter selbst die Wohnung; er überlässt sie dem oder den Dritten nur zu einem Teil, wobei es ausreichen kann, dass der (Haupt-)Mieter den eigenen Gewahrsam an der Wohnung – üblicherweise – nicht vollständig aufgibt (vgl. BGH v. 11.06.2014 – VIII ZR 349/13, [befristeter Auslandsaufenthalt der Mieter]).
Nichts deutet darauf hin, dass die Schwägerin des Klägers jemals eigenen Gewahrsam an der Wohnung begründet hat oder auch nur begründen wollte. Sie hätte sich dann wohl auch nach §§ 17ff. Bundesmeldegesetz (BMG) in jeder weiteren vom Kläger angemieteten Wohnung anmelden müssen mit der Folge, dass sie der Zweitwohnsteuerpflicht unterläge [vgl. §§ 2ff. Zweitwohnsteuergesetz Berlin (BlnZwStG)].
Die Annahme, dass Eigengewahrsam der Schwägerin des Klägers an der Wohnung zu keiner Zeit auch nur geplant war, wird zusätzlich durch die Regelung in § 11 des Mietvertrages gestützt. Danach dürfen „Der/Die Wohnungsanbieter(in) oder Beauftragte (…) jederzeit die Wohnung zur Prüfung ihres Zustandes (…) mit vorheriger Ankündigung betreten. (…)“. Die Regelung wäre überflüssig, wenn die Schwägerin – wie für die Untermiete typisch – selbst die Wohnung bewohnen würde oder dies zumindest geplant hätte.
cc) Für die Anwendung des § 565 Abs 1 BGB, der keine gewichtigen, mit der Rechtsordnung in Einklang stehenden Interessen des Klägers (und seiner Schwägerin) entgegenstehen, sprechen zudem maßgeblich die Umstände der Beendigung des Hauptmietverhältnisses.
Wie oben ausgeführt, wurde der hiesige Hauptmietvertrag als „Zeitmietvertrag“ befristet bis zum 31. Januar 2024 geschlossen, dies mit der Folge, dass er (eigentlich) auch von der „Mieterin“ nicht vorzeitig ordentlich kündbar war, § 542 Abs. 2 BGB.
Der Kläger hat die Kündigung des Mietverhältnisses durch seine Schwägerin zum 30. April 2021, die ausweislich des Kündigungsschreibens vom 20. Dezember 2020 (Bl. I/35 d. A.) noch nicht einmal einen Kündigungsgrund benennt, akzeptiert, so dass – rechtlich betrachtet – ein Mietaufhebungsvertrag mit der Folge zustande kommen konnte, dass das Hauptmietverhältnis beendet ist und der Kläger von den Beklagten zu 2) bis 5) (formal betrachtet) nach § 546 Abs. 2 BGB die Räumung und Herausgabe der Räumlichkeiten verlangen kann.
Nach den Einlassungen des Klägers in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht wollte er selbst die Untermieter aus seiner Wohnung haben, weil er „deren Nutzung der Wohnung für schädlich“ gehalten hat. Er vermutete, dass seine Schwägerin deshalb „den Mietvertrag zwischen uns“ gekündigt habe (Prot. Bl. II/13 d. A.).
Der Kündigung des Mietvertrages zwischen dem Kläger und seiner Schwägerin vorausgegangen war die Meldung eines Wasserschadens durch den Beklagten zu 3). In einem – die Maßstäbe des BVerfG und das gesetzliche Leitbild des § 553 Abs. 1 BGB zugrunde gelegt – typischen Untermietverhältnis wäre die Meldung eines Wasserschadens bereits überflüssig, denn dieser wäre dem Mieter/Untervermieter, der die Wohnung selbst bewohnt, aus eigener Anschauung bekannt. In einem typischen Untermietverhältnis würde sich der Mieter/Untervermieter im Übrigen schon aus eigenem Interesse selbst an den (Haupt-)Vermieter wenden.
Die Schwägerin reagierte indes so, wie es sich wohl auch der Kläger, der – aus welchen Gründen auch immer – die „Untermieter“ aus seiner Wohnung „haben wollte“, unter Ausnutzung des gewählten Vertragsmodells vorstellte: Unter dem Antwortbetreff: „Wasserschaden in Ihrer Wohnung bzw. erste Ansprache zum Thema Beendigung des Mietverhältnisses“ wies die Schwägerin des Klägers den Beklagten zu 3) „auf die rechtlichen Grundlagen hin, die sich aus der Beendigung des Hauptmietverhältnisses ergeben würden.“ Sie „bat“ zugleich um Mitteilung, zu welchem Zeitpunkt er das Untermietverhältnis beenden wolle, da er „nunmehr nicht mehr mit den Konditionen des gerade geschlossenen Vertrags zufrieden“ scheine (Bl. I/55 d. A.).
Es entspricht vollkommen unumstritten der Rechtslage, dass der Untermieter im Verhältnis zum Mieter (selbstverständlich) den gleichen Schutz genießt wie der Mieter im Verhältnis zum Vermieter (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 11.06.1991 – 1 BvR 538/90, NJW 1991, 2272 f.).
Dass der Vermieter (Untervermieter) den Mietvertrag beenden dürfte, weil der Mieter (Untermieter) seiner Pflicht aus § 536c BGB nachkommt, sich auf diese Weise seiner Erhaltungspflicht aus § 535 Abs. 1 BGB entzieht und entgegen § 536 Abs. 4 BGB die Herabsetzung der Miete umgeht, findet im Gesetz ersichtlich keine Grundlage. Eben diese Rechtsfolgen treffen im – typischen – Untermietverhältnis allerdings auch den Haupt-Vermieter. Ebenso wenig reicht – wie bereits ausgeführt – der bloße Wunsch des (Haupt-)Vermieters (hier des Klägers), unter Umgehung des im BGB vorgesehenen, zwingend ausgestalteten Kündigungsschutzes den (Unter-)Mieter „aus der Wohnung haben“ zu wollen.
dd) Da schon die vorstehenden Feststellungen – nach den vom BVerfG aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsätzen – keine abweichende Entscheidung rechtfertigen, kommt es auf die vom Kläger thematisierte Frage der Gewinnerzielungsabsicht seiner Schwägerin letztlich nicht an.
Seine Beanstandungen würden jedoch auch dann nicht greifen, wenn die Beantwortung der Frage entscheidungserheblich wäre.
Die genauen Motive und wirtschaftlichen Interessen des Klägers und seiner Schwägerin nachzuweisen, ist für den Mieter/Dritten naturgemäß schwierig.
Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht die nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderliche Gewissheit auf der Grundlage einer in sich widerspruchsfreien umfassenden Auseinandersetzung mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen gewonnen, eine sorgfältige Gesamtbewertung vorgenommen (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1993 – IX ZR 238/91; Urt. v. 6.5.2015 – VIII ZR 161/14) und dabei auch Stütztatsachen berücksichtigt (vgl. BVerfG v. 25.10.1990 – 1 BvR 953/90).
Als Gesichtspunkt von besonderem Gewicht im Rahmen der Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Amtsgericht zu Recht die protokollierte Äußerung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin vom 17. März 2022 vor dem Amtsgericht berücksichtigt (Prot. Bl. I/87).
Auch wenn die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die ausweislich des Rubrums des Hauptmietvertrages zugleich Geschäftsführerin der von diesem beauftragten Hausverwaltung ist, ihre Aussage im Schriftsatz vom 5. Mai 2022 zu relativieren versucht hat, so hat sie zu keiner Zeit behauptet, dass die Aussage nicht so, wie sie protokolliert wurde, tatsächlich gefallen ist. Weshalb die nach dem Richterwechsel zuständige Abteilungsrichterin an der Berücksichtigung der sorgfältig protokollierten, zu keiner Zeit berichtigten Aussage gehindert sein sollte, erschließt sich nicht.
Soweit der Kläger meint, das Amtsgericht habe den Wortlaut der Äußerung verkannt, weil „Geld machen und Gewinnerzielungsabsicht (…) sich diametral unterscheiden würden“, ist seine Auffassung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht zu vereinbaren.
Entscheidend hinzu kommt jedoch, dass der Kläger den vom Gesetz in § 565 BGB zugrunde gelegten Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“, den der BGH bereits mehrfach, bisher nicht abschließend konkretisiert hat, deutlich zu kurz fasst.
Nach der Rechtsprechung des BGH reicht ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Zwischenmieters für die direkte Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB selbst dann aus, wenn es nicht auf eine Gewinnerzielung aus der Vermietung selbst gerichtet ist.
Dem (mindestens) gleichzusetzen ist das Interesse des Zwischenmieters, sich unter Missbrauch des § 546 Abs. 2 BGB und unter Umgehung zwingender Mieterschutzvorschriften seinen Verpflichtungen gegenüber dem (Unter-)Mieter zu entziehen, ein Interesse, das sich – wie vorstehend dargestellt – mit dem Interesse des Klägers als Hauptvermieter deckt.
b) Die vorsorglich und hilfsweise ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom 16. September 2022 hat das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 2) und zu 3) nicht beendet.
Dahinstehen kann, ob überhaupt ein konkreter sachlicher Grund vorlag, der die Nebenpflicht der Beklagten zu 2) und zu 3) zu begründen geeignet war, dem Kläger Zutritt zur Wohnung zu gewähren (vgl. BGH, Urt. 26.04.2023 – VIII ZR 420/21; Urt. v. 04.06.2015 – VIII ZR 289/13, Rn. 20), ferner, ob der Kläger den Zutrittswunsch den Anforderungen gemäß angekündigt hat.
Der Kläger hat seine Behauptungen im Zusammenhang mit der Kündigung nicht unter Beweis gestellt. Er ist auch dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass diese bereits vor Monaten den Zutritt gewährt hätten, ohne dass sich im Übrigen irgendwelche – vom Kläger auch in seiner persönlichen Anhörung beleglos in den Raum gestellten – Vermutungen bestätigt hätten.
2. Die Beanstandungen bezüglich der Abweisung der Räumungsklage gegen die Beklagten zu 4) und zu 5) greifen schon deshalb nicht, weil der Kläger die den Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils zugrundeliegenden Tatsachen, dessen Berichtigung zu keiner Zeit beantragt wurde, unberücksichtigt lässt. Die Beklagten zu 2) und zu 4) haben das Wohnungsübergabeprotokoll stellvertretend für die Wohngemeinschaft unterzeichnet. Hinzu kommt, dass die Schwägerin des Klägers die „Nutzung“ der Wohnung ausweislich ihres Vertrages mit den Beklagten zu 2) und zu 3) ausdrücklich „für 4 Personen“ überlassen hat.
Die Rechtsnatur der zwischen den Beklagten zu 2) und 3) sowie den Beklagten zu 4) und 5) getroffenen (Überlassungs-)Vereinbarungen ist im Verhältnis zum Kläger als Hauptvermieter irrelevant, solange – wie hier – die Überlassung an die zwei weiteren Personen von den vertraglichen Vereinbarungen gedeckt wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung beruht auf dem geltenden Recht, seinen Materialien und höchstrichterlich geklärten Grundsätzen. Soweit sich in diesem Verfahren der Verdacht auf weitere, der hiesigen Vertragsgestaltung folgende Mietverhältnisse im Immobilienbestand des Klägers ergibt, trägt das allein (noch) nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung erst dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschl. v. 08.04.2003 – XI ZR 193/02, Rn. 2ff., mwN). Dies ist hier mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur (gewerbsmäßigen) Weitervermietung schon nicht der Fall.