Der Fall eines Mietmangels: Legionellenbefall und die daraus resultierenden rechtlichen Folgen
Ein kürzlich ergangenes Urteil des Amtsgericht Dresden hat in einem Fall eines gravierenden Mietmangels aufgrund eines Legionellenbefalls des Trinkwassers entschieden. Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Brisanz des Themas und zeigt, wie solch ein Befall im Kontext des Mietrechts 2023 zu bewerten ist.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Mietmangel wegen Legionellenbefall des Trinkwassers.
- Kläger verlangt Räumung einer Wohnung im 6. Obergeschoss.
- Kläger argumentiert, dass seit Mai 2019 keine erhebliche Belastung mit Legionellen festgestellt wurde und die Legionellenkonzentration die Nutzbarkeit der Wohnung nicht beeinträchtigt hat.
- Beklagter behauptet, die Legionellenbelastung in der Trinkwasseranlage berechtige zu einer Minderung der Miete und verursache gesundheitliche Beschwerden.
- Kündigung vom 04.01.2023 entspricht dem Schriftformerfordernis.
- Nach Gerichtsauffassung gibt es trotz Legionellenbefall keine akute Gesundheitsgefährdung für den Durchschnittsmieter.
- Beklagter wurde über die Legionellenprüfungen und deren Ergebnisse informiert; er konnte jedoch keine konkrete Gesundheitsgefährdung nachweisen.
Übersicht
Die Urteilsdetails und seine Tragweite
Das Gericht verurteilte den Beklagten, eine Wohnung im 6. Obergeschoss, konkretisiert durch einen Lageplan und bezeichnet mit „6.01“, an die Klägerin zu räumen und herauszugeben. Diese Wohnung verfügt über eine Fläche von ungefähr 72,52 m² und besteht aus diversen Räumlichkeiten, einschließlich einer offenen Küche mit Einbauküche, einem Bad, einem zusätzlichen WC, einem Flur, einem Abstellraumund einem Balkon.
Zusätzlich wurde der Beklagte zur Zahlung eines Betrages von EUR 2832,85 zuzüglich Zinsen an die Klägerin verurteilt.
Das Phänomen Legionellenbefall und seine Auswirkungen
Ein Legionellenbefall des Trinkwassers stellt zweifelsohne einen erheblichen Mietmangel dar. Legionellen sind Bakterien, die unter bestimmten Umständen in Trinkwassersystemen gedeihen können. Ein solcher Befall kann zu erheblichen Gesundheitsgefährdungen führen, insbesondere wenn der Grenzwert für diese Bakterien im Trinkwasser überschritten wird. Für Mieter:innen kann ein solcher Befall nicht nur gesundheitliche Risiken bergen, sondern auch zu einer Mietminderung führen.
Bedeutung und Kontextualisierung des Urteils
Das genannte Urteil des Amtsgericht Dresden steht im Kontext einer ganzen Reihe von Urteilen, die sich mit Mietmängeln auseinandersetzen. Es unterstreicht die ernstzunehmende Natur eines Legionellenbefalls des Trinkwassers und stellt klar, dass solche Mängel nicht unbeachtet bleiben dürfen. Dieses Urteil, sowie ähnliche Entscheidungen, tragen zur fortlaufenden Evolution des Mietrechts 2023 bei und setzen Benchmarks, die in zukünftigen Fällen als Referenz dienen können.
Das Urteil zeigt zudem auf, dass Mietmängel, insbesondere solche, die die Gesundheit der Mieter:innen gefährden, mit der notwendigen Gravität behandelt werden müssen. Es ist somit nicht nur für die Parteien des vorliegenden Falles, sondern auch für die Allgemeinheit und insbesondere für Mieter:innen von großer Bedeutung.
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✔ Legionellenbefall – kurz erklärt
Legionellen sind Bakterien, die beim Menschen verschiedene Krankheitsbilder verursachen können, von grippeartigen Beschwerden bis zu schweren Lungenentzündungen. Bei einem Legionellenbefall sollten Mieter bestimmte Verhaltensregeln beachten, insbesondere die Vermeidung jeglicher Tätigkeit, bei der das Warmwasser fein zerstäubt wird, wie beispielsweise beim Duschen. Ein Legionellenbefall kann sich durch Symptome wie Husten, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, schweres Krankheitsgefühl und hohes Fieber äußern. In einigen Fällen können auch Durchfall oder Verwirrtheitszustände auftreten. Bei korrekter Behandlung bestehen gute Heilungsaussichten. Wenn ein Legionellenbefall festgestellt wird, sollten die betroffenen Leitungen umgehend gespült und desinfiziert werden. Es ist auch wichtig, die betroffenen Personen und Mieter zu informieren und die zuständige Gesundheitsbehörde zu benachrichtigen.
Das vorliegende Urteil
AG Dresden – Az.: 143 C 2593/22 – Urteil vom 16.02.2023
1. Der Beklagte wird verurteilt, die im Anwesen …, gelegene Wohnung im 6. Obergeschoss, näher konkretisiert mit dem zum Gegenstand der Klage gemachten Lageplan A (dort mit „6.01“ bezeichnet), Wohnfläche ca. 72,52 m², bestehend aus einer offenen Küche mit Einbauküche (Schränke, Herd mit Dunstabzugshaube, Spüle mit Armatur, Kühlschrank/Tiefkühl), Bad mit WC, ein WC, ein Flur und Abstellraum und Balkon, zu räumen sowie geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2832,85 nebst Zinsen in Höhe von
5%-Punkten über dem Basiszins aus EUR 210,25 seit dem 06.10.2020, aus EUR 486,72 seit dem 06.11.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.12.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.01.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.02.2021, aus EUR 237,32 seit dem
06.03.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.04.2021, aus EUR 237,32 seit dem
06.05.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.06.2021, aus EUR 237,32 seit dem
06.07.2021 sowie aus EUR 237,32 seit dem 06.08.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 11% und der Beklagte 89% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung hinsichtlich der Räumung in Höhe von 5000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 13.476,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt mit der Klage von dem Beklagten die Räumung und Herausgabe der im Anwesen …, gelegenen Wohnung sowie die Zahlung rückständiger Mieten.
Der Beklagte ist aufgrund Mietvertrags vom 04./10.07.2018 Mieter und die Klägerin ist Vermieterin der im streitgegenständlichen Anwesen im sechsten Obergeschoss gelegenen Wohnung Nr. 601. Die geschuldete Bruttomiete belief sich bis Mai 2022 auf 949,30 EUR und ab Juni 2022 auf 904 EUR.
Der Beklagte kam im Juni 2020 mit einer Mietzahlung in Höhe von 49,99 EUR und in den Monaten Juli und August 2020 mit Mietzahlungen von jeweils EUR 237,32 in Rückstand. Im Oktober 2020 zahlte der Beklagte 1 EUR und im November 2020 eine um EUR 486,72 reduzierte Miete. Ab Dezember 2020 bis August 2021 kürzte der Beklagte die monatlichen Mietzahlungen um jeweils 237,32 EUR.
Mit Schreiben vom 18.05.2022 kündigte die … namens und in Vollmacht der Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wiederholte die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung in der Klageschrift und den Schriftsätzen vom 30.11.2022 und 04.01.2023.
Im April 2019 wurde aufgrund Legionellenbefalls im streitgegenständlichen Objekt ein Duschverbot ausgesprochen. Dieses wurde im Juni 2019, nachdem im Objekt keine Legionellenkonzentration oberhalb von 10.000KbE/100 ml mehr nachgewiesen wurde, aufgehoben. Die Klägerin ist der Auffassung, die fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückstands habe das Mietverhältnis beendet. Dem Beklagten habe kein Minderungsrecht zugestanden, da erhebliche Belastungen mit Legionellen seit Mai 2019 nicht mehr festgestellt worden seien und alleine das Vorhandensein von Legionellen nicht zu einer Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der klägerischen Wohnung geführt habe. Zudem seien die gemessenen Werte seit Juni 2019 sämtlich nicht gesundheitsgefährdend gewesen. Ein Legionellenbefall im Jahr 2020 werde bestritten und von der in 2021 festgestellte Konzentration sei keine Gesundheitsgefahr ausgegangen. Der Kläger müsse indes eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch die Legionellenbelastung darlegen, was erst bei einer Konzentration in einem Umfang von über 10.000 KBE / 100 ml Wasser der Fall sei.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die im Anwesen …,gelegene Wohnung im 6. Obergeschoss, näher konkretisiert mit dem zum Gegenstand der Klage gemachten Lageplan A (dort mit „6.01“ bezeichnet), Wohnfläche ca. 72,52 m², bestehend aus einer offenen Küche mit Einbauküche (Schränke, Herd mit Dunstabzugshaube, Spüle mit Armatur, Kühlschrank/Tiefkühl), Bad mit WC, ein WC, ein Flur und Abstellraum und Balkon, zu räumen sowie geräumt an sie herauszugeben.
Den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 4.332,85 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins aus EUR 49,99 seit dem 06.06.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.07.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.08.2022, aus EUR 237,32 seit dem 06.09.2020, aus EUR 948,30 seit dem 06.10.2020, aus EUR 486,72 seit dem 06.11.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.12.2020, aus EUR 237,32 seit dem 06.01.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.02.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.03.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.04.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.05.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.06.2021, aus EUR 237,32 seit dem 06.07.2021 sowie aus EUR 237,32 seit dem 06.08.2021 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen sowie eine Räumungsfrist von einem Jahr zu bewilligen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Legionellenbelastung der Trinkwasseranlage von 100 KbE/100ml und mehr berechtige zu einer Minderung der Miete. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung liege bereits bei einem Messwert ab 100 KBE (= koloniebildende Einheiten) / 100 ml vor. Ab Juni 2019 bis zur Gefahrenfreimeldung im September 2021 seien die Legionellenwerte überhöht im vierstelligen kbE/100-ml-Bereich gewesen. Er habe daher die Miete im Zeitraum Mai 2019 bis Oktober 2019 um 20% und ab November 2019 um 25% gemindert. Aufgrund der Belastung habe er unter fortdauernden Lungenbeschwerden gelitten und seine Lebensgefährtin habe den Aufenthalt in der Wohnung vermieden.
Die mit Schreiben vom 18.05.2022 ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, da diese mit einem pauschalen Betrag von 3.790,37 EUR, dessen Zusammensetzung nicht näher erläutert wurde, begründet worden sei. Ferner hätten ein Herr… sowie eine Frau … die Kündigung mit dem Zusatz i. V. und i. A. unterzeichnet. Eine Vollmacht habe gefehlt, so dass die Kündigung aus formellen und materiellen Gründen mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2022 zurückgewiesen worden sei.
Bezüglich einer noch offenen Klageforderung erkläre er die Aufrechnung mit einem Mietrückforderungsanspruch in Höhe von 10% der Gesamtmiete für den Zeitraum ab September 2021 bis September 2022 in Höhe von monatlich 94,93 EUR bis Mai 2022 und in Höhe von 90,40 EUR bis September 2022, da die zur Begründung des Mietmangels und somit zur Mietminderung hinreichende Gefahrenbesorgnis so lange nicht entfalle, bis dem Mieter nachvollziehbar eine Entwarnung übermittelt worden sei. Auf seine Aufforderung mitzuteilen und nachzuweisen, dass kein gesundheitsgefährdender Legionellenbefall bestehe, sei keine Reaktion erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 BGB zu.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat mit dem mit Anlage K3 vorgelegten Grundbuchauszug nachgewiesen Eigentümerin des streitgegenständlichen Objekts und somit Vermieterin zu sein.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die mit Schreiben vom 18.05.2022 ausgesprochene Kündigung bzw. die in der Klageschrift oder im Schriftsatz vom 30.11.2022 ausgesprochenen Kündigungen das Mietverhältnis beendet haben, da zumindest die mit Schriftsatz vom 04.01.2023 ausgesprochene Kündigung wirksam war. Die Kündigung vom 04.01.2023 entspricht dem Schriftformerfordernis des § 568 BGB, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Schriftsatz vom 04.01.2023 gemäß § 195 ZPO an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt hat.
Nach Auffassung des Gerichts hat auch die in der Klageschrift ausgesprochene Kündigung dem Schriftformerfordernis genügt, denn die Abgabe der Kündigungserklärung in einem Schriftsatz, der mit einer qualifiziert elektronischen Signatur versehen elektronisch bei Gericht eingereicht wird, genügt dem Schriftformerfordernis (§ 126a Abs. 1 BGB). Soweit wie vorliegend der qualifiziert signierte Schriftsatz, der die Kündigung enthält, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zusammen mit dem Transfervermerk, der das Ergebnis der Integritätsund Signaturprüfung aufweist, zugeht, ist das Schriftformerfordernis erfüllt (Schmitt-Futterer/Streyl, a.a.O. § 568, Rn. 29).
Die Kündigung ist auch hinreichend begründet, da aus dem Schriftsatz vom 04.01.2023 und der Klageschrift der kündigungsrelevante Rückstand im Zeitraum Juni 2020 bis August 2021 in Höhe von 4332,85 EUR benannt ist.
Die mit Schriftsatz vom 04.01.2023 ausgesprochene fristlose Kündigung hat das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB beendet, da der Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung der Zahlung vom 06.04.2022 in Höhe von 1500 EUR mit Mieten in Höhe von 2832,85 EUR und somit mit mehr als 2 Monatsmieten in Verzug befand.
Der Beklagte konnte die Miete nicht wegen Vorliegens eines Mangels gemäß § 536 BGB mindern, denn durch einen Legionellenbefall von 100 kbE/100 ml wird zwar der in der Trinkwasserverordnung genannte Maßnahmewert überschritten, der Gebrauch der Mietsache jedoch nicht beeinträchtigt. Das Duschverbot war spätestens im September 2019 aufgehoben. Auch eine Gesundheitsgefahr, die zu einer Mietminderung berechtigt, lag bei dieser Konzentration und auch nicht bei einer Konzentration von 2800 KbE/100 ml vor.
Wann ein Mangel im Sinne von § 536 BGB vorliegt, bestimmt sich durch eine am Vertragszweck orientierte Auslegung gemäß § 157 BGB, bei der die Interessen der Vertragsparteien und die Verkehrssitte sowie die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung maßgeblich sind. Diese Art der Auslegung gebietet es, nicht auf die (zumeist nicht kommunizierten und nicht erkennbaren) Empfindlichkeiten oder gesundheitlichen Besonderheiten des Mieters oder eines sonstigen Nutzers abzustellen, sondern mit einer Art überindividuellem, allgemeinen Maßstab auf einen Durchschnittsnutzer, dessen gesundheitliche Reaktionen im Rahmen des für den Vermieter Erwartbaren halten. Hat der besonders empfindliche Mieter nichts Besonderes vereinbart, kann er nur die Einhaltung des für alle geltenden Standards erwarten (Schmitt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 569 Rn. 15). Zu den Maßstäben, nach denen sich beurteilt, ob eine Gesundheitsgefahr vorliegt, gehören etwa anerkannte medizinische und technische Regeln, gesetzliche (insbesondere baupolizeiliche) Vorschriften, technische Richtwerte oder sonstige Grenzwerte und allgemeine sachverständige Empfehlungen, wenn deren Einhaltung dem Gesundheitsschutz dienen soll (Schmitt-Futterer/Streyl, a.a.O., Rn. 16). Die nach dem Vertragszweck vorzunehmende Auslegung bei der auf den Durchschnittsnutzer abzustellen ist, ergibt bei Heranziehung der Handlungsanweisungen in dem Arbeitsblatt W 551 des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches), dass bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes von 100 KbE/100 ml auch bei Verpflichtung das Gesundheitsamt zu informieren, für den Durchschnittsmieter keine akute Gesundheitsgefährdung besteht (AG München, ZMR 2015, 139). Nach dem Arbeitsblatt kann erst bei Überschreitungen ab 10.000 KbE/100 ml von einer möglichen Gesundheitsgefahr ausgegangen werden. Dies ergibt sich daraus, dass in diesem Fall nur eine weitergehende Untersuchung angeordnet wird. Ferner kann dies auch aus § 7 Absatz 1 Satz 2 Trinkwasserverordnung entnommen werden, denn dort ist ausdrücklich bestimmt, dass die sonst für Trinkwasser verbindlichen einzuhaltenden Grenzwerte der Anlage 3 für Legionellen nicht gelten. Vorliegend wurden ausweislich der mit Anlage B2 vorgelegten Hausmitteilungen über die Legionellenprüfungen seit Juni 2019 keine kritischen Werte über 10.000 KbE/100 ml festgestellt. Im September 2019 wurden Werte zwischen 2800 KbE/100 ml festgestellt und im April 2021 wurden in der Wohnung des Beklagten Werte von 200 KbE/100 ml gemessen. Im Juli 2021 wurde mitgeteilt, dass keine erhöhten Werte mehr vorliegen und im Juni 2022 wurde lediglich an einer Abnahmestelle ein Wert von 200kbE/100 ml festgestellt. Im August 2022 wurde ein gemessener Wert von 1.900 KbE/100 mitgeteilt. Der Beklagte wurde ausweislich der mit Anlage B2 und B16 vorgelegten Hausmitteilungen auch hinreichend über die Legionellenprüfungen und deren Ergebnisse informiert.
Dafür, dass dennoch eine konkrete Gesundheitsgefahr bestand, hat der Beklagte keine tragfähigen Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die eine Beweisführung hinsichtlich des Bestehens einer erheblichen Gesundheitsgefahr ermöglichen könnte.
Die Kündigung ist nicht nachträglich gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden.
Denn der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt sämtliche Mietrückstände beglichen Der Klägerin steht gegen den Beklagten ferner unter Verrechnung der unstreitig am 06.04.2022 erfolgten Zahlung von 1500 EUR ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Mieten in Höhe von 2832,85 EUR aus § 535 BGB i.V.m. dem streitgegenständlichen Mietvertrag zu. Der Beklagte hat unstreitig die Mieten im Zeitraum Juni 2020 bis August 2021 in Höhe von 4332,35 EUR unterzahlt. Unter Verrechnung der Zahlung von 1500 EUR mit den ältesten Mieten gemäß § 366 BGB von 49,99 EUR für Juni 2020, von jeweils 237,32 EUR für die Monate Juli 2929 bis September 2020 sowie von 738,05 EUR für Oktober 2020 verbleibt ein Rückstand von 210,25 EUR für Oktober 2020, ein Rückstand von 486,72 EUR für November 2020 sowie Rückstande von jeweils 237,32 EUR für die Monate Dezember 2020 bis August 2021. Dem Beklagten stand aus den oben genannten Gründen kein Minderungsrecht wegen Legionellenbefalls von 25% der Bruttowarmmiete gemäß § 536 BGB zu, womit die rückständige Miete geschuldet ist. Da im streitgegenständlichen Zeitraum keine Gesundheitsgefährdung nachgewiesen wurde, steht dem Beklagten auch für die Monate September 2021 bis September 2022 keine aufrechenbare Forderung wegen überzahlter Mieten zu.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten in Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen aus §§ 286, 288 BGB zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 7, 711, 712 ZPO.
Dem Beklagten war keine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO zu gewähren, da er nicht dargetan hat, inwieweit er sich um Ersatzwohnraum bemüht hat. Dass eine allgemeine Mangellage aufgrund der Flüchtlingskrise besteht, kann nach den Erkenntnissen des Gerichts aus anderen Verfahren nicht bestätigt werden.