Kammergericht Berlin
Az: 12 U 6/07
Urteil vom 28.04.2008
In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2008 für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Dezember 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin – 32 O 500/06 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. der angefochtenen Entscheidung wie folgt lautet:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus jeweils 1.176,44 EUR vom 6. Februar 2006 bis zum 6. Dezember 2006, vom 6. April bis zum 15. Juli 2007, vom 6. Mai 2006 bis zum 15. Juli 2007, vom 6. Juni 2006 bis zum 15. Juli 2007, vom 6. Juli 2006 bis zum 15. Juli 2007 und vom 6. August 2006 bis zum 15. Juli 2007 zu zahlen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 1. Dezember 2006 verkündete Urteil des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte u. a. vor:
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Mieträume ohne Heizungsanlage vermietet worden seien und dass eine Pflicht zur Bereitstellung einer Beheizung nicht geschuldet sei.
Den zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache habe sie schlüssig dargelegt. Der Verlust von Wärmeenergie ergebe sich unmittelbar aus den erstinstanzlich als Anlage B 2 vorgelegten Abrechnungen. Dieser Verlust in Höhe von 38% (2002) bzw. 33% (2003) entstehe zwischen der Messeinrichtung für die Energieanlieferung für das gesamte Grundstück und der Erfassung des jeweiligen Energieverbrauchs in den einzelnen Mieteinheiten. Dieser Verlust des Netzes sei auf das veraltete und mangelhaft isolierte Leitungsnetz auf dem Grundstück der Klägerin zurückzuführen. Die Gebrauchsbeeinträchtigung erschließe sich unmittelbar aus der Tatsache, dass die Beklagte als Mieterin über die höheren Preise pro verbrauchte Einheit die Verluste im Netz zu tragen habe. In Rechtsprechung und Literatur sei allgemein anerkannt, dass eine verlustreich arbeitende Heizung einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache darstelle.
Die Klägerin habe die Flächen im Gebäude entgegen den Heizkreisläufen im Gebäude vermietet, so dass eine Erfassung ihres, der Beklagten, Verbrauchs nicht ordnungsgemäß möglich gewesen sei. Erst zum Jahreswechsel 2005/2006 habe die … die für eine ordnungsgemäße Erfassung erforderlichen Änderungen an Leitungsnetz und Messeinrichtungen vorgenommen.
Im Herbst 2007 habe die … GmbH die Abrechnungsmodalitäten so umgestellt, dass die Verluste des Netzes in Zukunft nicht mehr auf die Mieter des Gewerbegebietes abgewälzt würden. Sie, die Beklagte, habe daraufhin die Mietminderung ausgesetzt.
Die Parteien haben den Rechtsstreit wegen der Hauptforderung der Klage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage -soweit sie nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist – abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an sie 52.291,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. November 2006 zu zahlen
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 sowie mit Verfügung vom 15. November 2007, die in Bezug genommen werden, hat der Senat die Beklagte darauf hingewiesen, dass ihre Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Mit Beschluss vom 29. Januar 2008 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte verurteilt und die Widerklage abgewiesen.
1. Unzutreffend ist allerdings die Ansicht des Landgerichts, die Mieträume seien ohne Heizungsanlage vermietet worden. Die Heizungsanlage ist Bestandteil der Mieträume und wurde zusammen mit diesen mitvermietet. § 23 des Mietvertrages betrifft lediglich den Abschluss eines Wärmelieferungsvertrages zwischen der Beklagten und der …, nicht die Bereitstellung der Heizkörper und der Zuleitungen.
Einen Anspruch auf Wärmelieferung hat die Beklagte deshalb nicht gegen die Klägerin, sondern – einen entsprechenden Vertragsschluss vorausgesetzt – gegen die … GmbH. Die Klägerin hat aber für die Tauglichkeit der Heizkörper und deren Zuleitungen einzustehen (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III, Rn. 1310).
2. Die angefochtene Entscheidung ist aber im Ergebnis zutreffend, weil die Beklagte einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache nicht dargelegt hat und sie deshalb nicht berechtigt ist, die Miete für die Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2005 gemäß der Aufstellung auf den Seiten 5 und 6 ihres Schriftsatzes vom 25. Oktober 2006 sowie in den Monaten Februar 2006 und April 2006 bis August 2006 um jeweils 10% zu mindern.
Eine Minderung gemäß § 536 BGB kommt nur in Betracht, wenn die Mietsache einen Mangel hat, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch in einem nicht unerheblichen Umfang aufhebt (vgl. KG, KGReport Berlin 2006, 89 = Grundeigentum 2005, 1427 = WuM 2005, 774 m.w.N). Das Vorliegen eines solchen Mangels hat die Beklagte nicht vorgetragen.
a) Soweit die Beklagte behauptet, das Leitungsnetz sei „veraltet und mangelhaft isoliert“, ist dieser Vortag zum einen unsubstantiiert, zum anderen aber im Hinblick auf die begehrte Mietminderung unschlüssig, da nicht dargelegt wird, inwieweit dieser „Mangel“, so er denn vorliegt und sich als Mangel der Mietsache darstellt, deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch in einem nicht unerheblichen Umfang aufhebt. Die Heizungsanlage ist nämlich unstreitig in der Lage, die Mieträume ausreichend mit Wärme zu versorgen.
b) Ein Mangel der Mietsache folgt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Umstand, dass die … GmbH in ihren Abrechnungen der gelieferten Fernwärme für die Jahre 2002 und 2003 Leitungsverluste auf sie, die Beklagte sowie die übrigen Mieter des Gewerbeobjektes der Klägerin umlegte, wodurch sich die Heizkosten um 38% bzw. 33% erhöht haben.
aa) Unzutreffend ist schon die Ansicht der Beklagten, eine verlustreich arbeitende Heizung stelle per se einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar. Der Kostenaspekt ist für den Begriff des Sachmangels irrelevant (KG, KGReport 2006, 89 = WuM 2005, 774; LG Hamburg, NJW-RR 1988, 907). Selbst außergewöhnlich hohe Heizkosten stellen als solche keinen Fehler der Mietsache dar. Nur wenn diese hohen Heizkosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen, kann ein Mangel der Mietsache vorliegen. Ob ein Fehler der Heizungsanlage vorliegt, ist aber nach dem Stand der Technik zur Zeit des Einbaus der Heizungsanlage bzw. der Gebäudeerrichtung zu beurteilen (vgl. Bub/Treier, aaO, III Rn 1305). Dass die Heizungsanlage diesem Stand nicht entspricht, ist dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten aber nicht zu entnehmen. Auch ist der Vermieter nicht verpflichtet, die Anlage ständig auf dem neuesten technischen Stand zu halten und muss daher auch nicht eine dem technischen Entwicklungsstand zur Zeit ihres Einbaus entsprechende Heizungsanlage deshalb erneuern, weil sie nach heutigen Maßstäben unwirtschaftlich arbeitet; ebenso wenig schuldet er eine Verbesserung der dem technischen Stand zur Zeit der Gebäudeerrichtung entsprechenden Wärmedämmung (Bub/Treier aaO, III Rn 1282 mit weiteren Nachweisen).
Dass die Heizungsanlage nicht dem Mindeststandard (vgl. zu diesem Begriff: BGH, WuM 2004, 527) entspricht, den die Beklagte bei Vertragsschluss im Jahr 2001 erwarten durfte, hat diese nicht einmal im Ansatz dargelegt.
bb) Die von der Beklagten gewünschte Ausweitung des Mangelbegriffs des §536 Absatz 1BGB ist abzulehnen (vgl. zum Folgenden: Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Auflage, G, Rn 46, mit weiteren Nachweisen). Weicht der tatsächliche Zustand des Mietobjekts nicht von der aus dem Vertragszweck definierten Sollbeschaffenheit ab, weil die Anlagen und Einrichtungen funktionieren und der Mieter damit die Gebrauchsmöglichkeit erhält, die ihm der Vermieter aus § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB, so ist die Mietsache nicht mangelhaft. Dass hier kein Mangel im Sinne des § 536 Absatz 1 BGB vorhanden ist, macht auch die Gegenprobe deutlich. Wäre ein Mangel gegeben, hätte der Mieter aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB einen selbständigen Anspruch auf Beseitigung der Unwirtschaftlichkeit. Ein derartiger Anspruch steht ihm indes bei einer ordnungsgemäß gewarteten und einwandfrei laufenden Anlage nicht zu. Die Annahme eines Fehlers würde auch die Entschließungsfreiheit des Vermieters partiell in Frage stellen. Die Entscheidung, mit welchen Anlagen und Einrichtungen der Vermieter ein Mietobjekt ausstatten will, muss aber diesem überlassen bleiben.
cc) Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 4. November 1982 (WuM 1984, 54 = MDR 1983, 229) steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zum einen handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die unter – undogmatischer (vgl. Langenber, aaO, Fn 72) – Zuhilfenahme der Grundsätze von Treu und Glauben zur der Annahme gelangt, dass eine mit einem Energieverlust von rund 60% arbeitende, auf Kosten des Mieters betriebene Heizungsanlage einen zur Minderung des Mietpreises berechtigenden Mangel der Mietsache darstellt. Zum anderen erreicht der vorliegend behauptete Energieverlust nicht die Grenze, die eine Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben in dem hier zu entscheidenden Fall rechtfertigen könnte.
dd) Dem Vortrag der Beklagten ist auch nicht zu entnehmen, dass es sich bei der von der … GmbH betriebenen Heizungsanlage um eine solche handelt, die im Vergleich zu den Heizungsanlagen vergleichbarer Gewerbeobjekte besonders unwirtschaftlich arbeitet. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die von ihr gezahlten Heizkosten pro Flächen- oder Raumeinheit die für vergleichbare Mietobjekte zu zahlenden Kosten in einem besonders auffälligen Maß übersteigen. Dem Vortrag ist lediglich zu entnehmen, dass diese Anlage wirtschaftlicher arbeiten könnte, wenn die behaupteten Leitungsverluste nicht auftreten würden. Leitungsverluste sind aber- dies ist gerichtsbekannt – bei Fernwärmeheizungen systemimmanent, sie stellen den größten Nachteil dieser Beheizungsart dar und lassen sich nie vollständig verhindern. In Betracht kommt vorliegend deshalb allenfalls eine Reduzierung der nach dem Vortrag der Beklagten auftretenden Leitungsverluste. Einen Anspruch auf Minderung der Miete wegen einer nicht optimal arbeitenden Heizung hat die Beklagte aber, wie oben dargelegt, nicht.
ee) Den mit Schriftsatz vom 14. November 2007 eingereichten Anlagen ist zu entnehmen, dass es vorliegend nicht um die Frage der Mangelhaftigkeit der Mietsache geht sondern um die Frage der richtigen Abrechnung der Fernwärme durch die … GmbH, insbesondere um die Frage der Abrechung der Netzverluste.
Wie die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26. April 2007 (Anlage B 15) ausführt, besteht der Mangel der Mietsache aus ihrer Sicht dann nicht mehr, wenn Verluste im Netz des Gesamtobjektes nicht mehr auf die einzelnen Mieter umgelegt werden. Lässt sich der behauptete Mangel aber durch eine schlichte Änderung der Abrechnungsmodalitäten beseitigen, dann handelt es sich nicht um einen Mangel der Mietsache sondern um die Frage der richtigen Abrechnung durch die … GmbH.
c) Auch der Umstand, dass die Klägerin die Flächen im Gebäude entgegen den Heizkreisläufen im Gebäude vermietet hat, so dass eine Erfassung des Verbrauchs der Beklagten nicht ordnungsgemäß möglich war, stellt keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit dieser Umstand die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch in einem nicht unerheblichen Umfang aufgehoben hat.
III.
Der Zinsanspruch, der nach Grund und Höhe nicht bestritten ist, ergibt sich aus Verzug.
Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Absatz 1 ZPO, 91a ZPO. Der Beklagten waren die Kosten auch im Umfang der Hauptsachenerledigung aufzuerlegen, da sie die Berufung auch insoweit verloren hätte. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.