Amtsgericht Siegburg klärt: Wer zählt als „Familienangehöriger“ bei Eigenbedarfskündigungen?
Im Mietrecht stellt die Eigenbedarfskündigung eine häufige Konfliktquelle zwischen Vermieter und Mieter dar. Zentral geht es dabei um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter das Mietverhältnis beenden kann, um die Räumlichkeiten für sich selbst oder nahestehende Personen zu nutzen. Ein besonders kontroverses Thema ist der Wohnbedarf für Familienangehörige, die nicht direkt mit dem Vermieter verwandt sind, wie beispielsweise die Tochter der Lebensgefährtin.
Hierbei spielen Begriffe wie „Familienangehörige“ und „Haushaltsangehörige“ eine entscheidende Rolle. Das Amtsgericht Siegburg hat sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt und dabei die Grenzen und Voraussetzungen einer solchen Kündigung beleuchtet. Für Mieter und Vermieter ist es essentiell, Klarheit über die Rechtssicherheit in solchen Fällen zu haben, um ihre Rechte und Pflichten im Mietverhältnis zu kennen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Amtsgericht Siegburg entschied, dass die Eigenbedarfskündigung für die Tochter der Lebensgefährtin des Vermieters unwirksam ist, da sie nicht als „Familienangehörige“ im Sinne des Mietrechts angesehen werden kann.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Eigenbedarfskündigung wurde vom Kläger für die Tochter seiner Lebensgefährtin ausgesprochen.
- Der Kläger hat ein enges Verhältnis zur Zeugin T und sieht sich faktisch als ihren Vater.
- Die Kündigung wurde auf den Wohnbedarf der Zeugin T gestützt.
- Die Zeugin T ist weder verwandt noch verschwägert mit dem Kläger und wohnt nicht in seiner Wohnung.
- Der Begriff „Familienangehöriger“ im Mietrecht ist eng auszulegen und muss für den Mieter erkennbar sein.
- Die Zeugin T fällt nicht unter den Begriff „Familienangehörige“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
- Das Gericht erkennt die Veränderung des Familienbegriffs in der Gesellschaft an, hält jedoch an der engen Auslegung im Mietrecht fest.
- Das Urteil betont die Bedeutung der Rechtssicherheit und klaren Definitionen im Mietrecht.
Übersicht
Der Ausgangspunkt: Ein komplexer Mietstreit
Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung durch den Kläger, der die Wohnung für die Tochter seiner Lebensgefährtin beansprucht. Der Kläger und Vermieter der Wohnung hat die Beklagte, die Mieterin, auf Räumung der Wohnung in Anspruch genommen. Die Mieterin bewohnte die Wohnung gemeinsam mit ihren drei minderjährigen Kindern, die örtliche Schulen besuchten. Der Kläger selbst bewohnte eine andere Wohnung im selben Haus zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Mutter der Zeugin T.
Die rechtliche Auseinandersetzung und ihre Gründe
Die rechtliche Auseinandersetzung begann, als der Kläger die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.06.2018 erklärte und diese mit Eigenbedarf begründete. Er gab an, dass die Tochter seiner Lebensgefährtin, die Zeugin T, nach Abschluss ihres Studiums wieder in die Nähe der Familie ziehen wolle. Der Kläger betonte sein enges Verhältnis zu der Zeugin und führte aus, dass er faktisch seit ihrem vierzehnten Lebensjahr die Rolle eines Vaters für sie übernommen habe. Er sei mit der Mutter der Zeugin verlobt, und sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, weshalb die Zeugin ihm bei der Bewirtschaftung des Hauses und seines Ladenlokals helfen solle.
Die rechtliche Bewertung und das Urteil des Amtsgerichts Siegburg
Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Definition und Interpretation des Begriffs „Eigenbedarf“ im Mietrecht. Die Frage ist, ob die Tochter der Lebensgefährtin des Vermieters als „Familienangehörige“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB angesehen werden kann und ob der geltend gemachte Eigenbedarf gerechtfertigt ist.
Das Amtsgericht Siegburg entschied, dass die Kündigung unwirksam sei, da kein Kündigungsgrund vorliege. Das Gericht stellte fest, dass die Zeugin T weder im Zeitpunkt der Kündigung noch aktuell in der vom Kläger selbst bewohnten Wohnung wohnte und daher nicht als „Angehörige seines Haushalts“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gelten könne. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Zeugin T weder mit dem Kläger verwandt noch verschwägert sei und daher nicht unter den Begriff „Familienangehörige“ falle.
Schlussfolgerungen und Implikationen für das Mietrecht
Das Gericht betonte, dass der Begriff „Familienangehöriger“ eng auszulegen sei und im Sinne der Rechtssicherheit auch für den Mieter erkennbar sein müsse. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass sich das Verständnis von „Familie“ im Laufe der Jahre geändert hat und dass die sogenannte Patchworkfamilie gesellschaftlich weit verbreitet ist. Dennoch muss der Begriff „Familienangehöriger“ im Sinne des Gesetzes eng ausgelegt werden.
Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere in Bezug auf die Definition von „Familienangehörigen“ im Mietrecht und die Anforderungen für eine Eigenbedarfskündigung. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Vermieter, sicherzustellen, dass sie einen gültigen Grund für eine Eigenbedarfskündigung haben und dass dieser Grund im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen steht.
Das Fazit des Urteils ist, dass die Eigenbedarfskündigung in diesem Fall nicht gerechtfertigt war und dass die Zeugin T nicht als „Familienangehörige“ im Sinne des Mietrechts angesehen werden kann. Es hebt die Bedeutung der Rechtssicherheit und der klaren Definitionen im Mietrecht hervor.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wer zählt zum „geschützten Personenkreis“ gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB?
Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zählt zum „geschützten Personenkreis“ in Bezug auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs eine bestimmte Gruppe von Personen, für die der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses geltend machen kann. Dies sind in der Regel Familienmitglieder oder Angehörige des Haushalts des Vermieters.
Die genaue Definition, wer zu diesem Personenkreis zählt, ist jedoch nicht abschließend im Gesetz festgelegt und kann daher je nach Einzelfall variieren. In der Rechtsprechung wird jedoch davon ausgegangen, dass eine besondere persönliche Beziehung zwischen dem Vermieter und der Bedarfsperson bestehen muss, die dem Vermieter eine soziale oder moralische Verpflichtung auferlegt, der Bedarfsperson eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.
Beispielsweise können leibliche Nichten und Neffen des Vermieters aufgrund ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter als Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB angesehen werden. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht jede Person, die mit dem Vermieter verwandt ist, automatisch zu diesem geschützten Personenkreis zählt. So wurde beispielsweise in einem Fall entschieden, dass ein Abkömmling des Großvaters des Vermieters nicht ohne weiteres eine Person ist, für die Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend gemacht werden kann.
Darüber hinaus ist es für die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht ausreichend, wenn der Vermieter die Räume lediglich einem privilegierten Angehörigen überlassen will. Erforderlich ist darüber hinaus, dass das Überlassungsinteresse aufgrund vernünftiger und nachvollziehbarer Erwägungen gerechtfertigt ist.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Siegburg – Az.: 105 C 97/18 – Urteil vom 17.10.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Räumung einer Mietwohnung in P in Anspruch.
Mit Wirkung zum 01.08.2009 mietete die Beklagte von dem Kläger eine 84 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in P zu einer monatlichen Kaltmiete von 550,00 EUR an. Die Wohnung befindet sich im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhaus, das dem Kläger gehört. Die Beklagte bewohnt die streitgegenständliche Wohnung gemeinsam mit ihren drei minderjährigen Kindern. Alle Kinder besuchen örtliche Schulen in P. Der Kläger selbst bewohnt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Mutter der Zeugin T (geb. A), ebenfalls eine der Wohnungen in dem Haus.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.2017 erklärte der Kläger die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.06.2018 und begründete diese mit Eigenbedarf. Insoweit führte er aus, die Tochter seiner Lebensgefährtin, die Zeugin T (geb. A) habe die Absicht, zum Ende ihres Studiums wieder in die Nähe der Familie zu ziehen. Das Studium ende voraussichtlich im Juli 2018. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf Anl. K1, Bl. 5 ff. d.A. Bezug genommen. Die Beklagte ließ der Kündigung durch Schreiben des Deutschen Mieterbundes vom 24.04.2018 (Anl. K2, Bl. 8 d.A.) widersprechen.
Der Kläger behauptet, die Zeugin T beabsichtige, gemeinsam mit ihrem Ehemann in die von der Beklagten bewohnte Wohnung einzuziehen. Er – der Kläger – habe ein sehr enges Verhältnis zu der Zeugin; faktisch habe er seit dem vierzehnten Lebensjahr für sie die Stellung eines Vaters eingenommen. Sie habe über Jahre in seiner Wohnung gelebt und sei auch aktuell regelmäßig dort, wenn ihr Studium dies zulasse. Es stelle ein großes Bedürfnis aller Beteiligten dar, dass die Familie eng beieinander wohne. Mit der Mutter der Zeugin T sei er inzwischen verlobt. Im Übrigen habe sich sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert. Die Zeugin T solle ihn daher rund um die Belange des Hauses und beim Führen seines Ladenlokals im Haus unterstützen. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Zeugin T angesichts der behaupteten engen Bindung als „Stieftochter“ zu dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützten Personenkreis gehöre.
Mit der am 26.05.2018 zugestellten Klage hat der Kläger ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die im Dachgeschoss des Mehrfamilienhauses T-Str., xxxxx P, gelegene Wohnung (bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Balkon, 84 qm) zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Mit Schriftsatz vom 29.05.2018 hat der Kläger seine Klage dahingehend geändert,
die Beklagte zur verurteilen, die im Dachgeschoss des Mehrfamilienhauses T-Str., xxxxx P, gelegene Wohnung (bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Balkon, 84 qm) zum 30.06.2018 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.
Die Beklagte behauptet, der Eigenbedarf sei vorgetäuscht. Im Hinblick auf bereits einige Monate zurückliegende Streitigkeiten wolle der Kläger sie als Mieterin offenbar loswerden. Sie ist der Ansicht, die Zeugin T gehöre nicht zum geschützten Personenkreis des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB; im Übrigen sei die Kündigung nur auf einen vermuteten Eigenbedarf gestützt. Denn im Zeitpunkt der Kündigung habe – was unstreitig ist – noch gar nicht fest gestanden, ob die Zeugin ihr Studium tatsächlich im Juli 2018 abschließe.
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 01.08.2018 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.09.2018 (Bl. 44 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Denn dem Kläger steht aus §§ 546, 985 BGB kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagte zu.
Die Kündigung vom 08.09.2017 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Die Kündigung ist unwirksam, weil ein Kündigungsgrund nicht vorliegt. Gem. § 573 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
1. Der Kläger hat die Kündigung mit dem Wohnbedarf der Zeugin T begründet. Da die Zeugin – was unstreitig ist – weder im Zeitpunkt der Kündigung noch aktuell in der vom Kläger selbst bewohnten Wohnung wohnt, ist sie keine „Angehörige seines Haushalts“ i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
2. Die Zeugin T ist auch nicht „Familienangehörige“ i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der Begriff des Familienangehörigen ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Dabei besteht Einigkeit, dass der allgemeine Familienbegriff des BGB, wonach zur Familie alle Personen zählen, die mit dem Vermieter verwandt oder verschwägert sind, keine praktikable Grundlage für die Bestimmung des privilegierten Personenkreises darstellt. Vielmehr bedarf es vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – dem Kündigungsschutz des Mieters – einer Einschränkung des weiten Familienbegriffs (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 Rn. 54; BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09 –, BGHZ 184, 138-148, Rn. 19). Wird demnach eine Kündigung nicht zugunsten eines engen, sondern eines entfernten Verwandten ausgesprochen, so hängt deren Privilegierung im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB davon ab, ob im konkreten Fall eine persönliche oder soziale Bindung zwischen dem Vermieter und diesem Angehörigen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09 –, BGHZ 184, 138-148, Rn. 19 m.w.N.). Je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft ist, umso enger muss die über die bloße Tatsache der Verwandtschaft oder Schwägerschaft hinausgehende persönliche oder soziale Bindung zwischen dem Vermieter und dem Angehörigen im konkreten Einzelfall sein, um eine Kündigung wegen des Wohnbedarfs eines Angehörigen zu rechtfertigen (BGH a.a.O. m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist die Zeugin T mit dem Kläger weder verwandt noch verschwägert: Weder ist sie das leibliche Kind des Klägers (§ 1589 Abs. 1 Satz 1) noch ist sie mit diesem im Sinne von § 1590 BGB verschwägert. Denn unstreitig sind der Kläger und die Mutter der Zeugin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht verheiratet gewesen. Aus diesem Grund scheidet die Zeugin T aus dem nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Kreis der „Familienangehörigen“ aus. Soweit in der Rechtsprechung etwa des LG Hamburg, (Urteil vom 12. Dezember 1996 – 307 S 206/96 –, Rn. 3, juris) der Eigenbedarf von Stiefkindern anerkannt worden ist, beruhte dies auf der Einordnung dieser Kinder als „Angehörige“ aufgrund von Verschwägerung. Denn der leibliche Elternteil des Stiefkindes war in diesem Fall mit dem Kündigenden verheiratet. Damit bestand eine Schwägerschaft gem. § 1590 BGB, was hier nicht der Fall ist. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich der Begriff und das Verständnis von „Familie“ über die letzten Jahre und Jahrzehnte durchgreifend geändert hat. Heutzutage leben vielfach Eltern und Kinder gemeinsam in Familien, ohne dass die Eltern miteinander verheiratet wären und ohne dass notwendigerweise zwischen allen Mitgliedern der „Familie“ verwandtschaftliche Verhältnisse bestehen. Die sog. Patchworkfamilie ist gesellschaftlich weit verbreitete Realität. Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund dass auch das Grundgesetz selbstverständlich den Schutz der Familie nicht an den Status der Ehe knüpft, mag es nicht unmittelbar einleuchten, nur den durch Heirat Verschwägerten sowie den tatsächlich „Verwandten“ zum Kreis der „Familie“ i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu zählen. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass das Begriffsmerkmal „Familienangehöriger“ hier dem Schutzzweck entsprechend eng auszulegen ist und im Sinne der Rechtssicherheit auch für den Mieter erkennbar sein muss, welcher Personenkreis diesem privilegierten Status unterfällt. Mit diesem Gesetzeszweck unvereinbar wäre es, wenn sich die Auslegung des Begriffs „Familienangehöriger“ gänzlich von dem Merkmal der Verwandtschaft und Schwägerschaft lösen und nur noch auf die enge soziale oder persönliche Bindung zwischen Vermieter und dem Dritten abstellen würde. Wäre dies die Intention des Gesetzgebers gewesen, hätte er jedenfalls auf das Merkmal des „Angehörigen“ verzichten und nur Familienzugehörige privilegieren können (vgl. auch LG Weiden, Urt. vom 05.11.2002 – 2 S 101/02 – Rn. 14, juris). Dass er sich der Existenz dieses weiteren Personenkreises bewusst war, zeigt, dass er mit dem Begriff der „Haushaltsangehörigen“ auch weitere, nicht zur Familie gehörende Personen unter bestimmten Voraussetzungen in den Schutzbereich des Eigenbedarfs einbezogen hat. Obwohl daher für das Gericht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, namentlich der glaubhaften Aussage der Zeugin T, keine Zweifel an der engen persönlichen Bindung zwischen dieser und dem Kläger bestehen, genügt dies alleine nicht, um die Zeugin als „Familienangehörige“ i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu qualifizieren (vgl. auch LG Weiden, Urt. vom 05.11.2002 – 2 S 101/02 – Rn. 14, juris).
Das stimmt auch mit der Wertung der §§ 383 ZPO, 52 StPO überein. Denn diese Vorschriften, die der engen persönlichen Bindung zwischen engen Verwandten aber auch zwischen Verlobten und Geschiedenen Rechnung tragen und diesen Personengruppen untereinander daher ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumen, berücksichtigen die Kinder des (noch) nicht verheirateten Verlobten nicht. Diese Personengruppe ist im Rahmen des § 573 Abs. 2 BGB auch nicht vollkommen schutzlos gestellt. Gehören sie dem Haushalt des Vermieters an, rechtfertigt ihr Wohnbedarf eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ohne Rücksicht auf etwaige verwandtschaftliche Bindungen.
Die Kündigung ist auch nicht wegen Vorliegens eines anderen „berechtigten Interesses“ i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Wohnbedarf von nicht unter § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fallenden Dritten kann im Einzelfall ein sonstiges berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 BGB begründen, etwa wenn der Vermieter beabsichtigt, Pflegepersonal, das nicht zu seinem Hausstand gehört, in einer ihm gehörenden Wohnung unterzubringen (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 573 Rn. 53 m.w.N.). Ein derartiges Interesse liegt aber im vorliegenden Fall nicht vor. Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Zeugin T solle auch deshalb in die Wohnung der Beklagten einziehen, um ihm „rund um den Haushalt und das Ladenlokal“ zur Hand zu gehen, dies auch vor dem Hintergrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes, so ist dieser (weitere) Grund in der Kündigung vom 08.09.2017 überhaupt nicht aufgeführt. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht dies auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Vortrag zum verschlechterten Gesundheitszustand ist bereits für sich genommen zu vage und unsubstantiiert. Ein konkreter zukünftiger Pflegebedarf geht aus dem Vortrag nicht hervor. Die Zeugin selbst hat zwar bekundet, sie und ihr Ehemann sollten dem Kläger auch in der von ihm geführten Gastronomie zur Hand gehen und ihr Ehemann sich dort einarbeiten. Dass es hierzu aber der Unterbringung in der Wohnung der Beklagten bedarf, ist weder dargetan noch geht dies aus der Aussage der Zeugin T hervor. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Gastronomiebetrieb des Klägers nicht in dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus in P, sondern in Köln befindet. Ein besonderer Grund für die Unterbringung im eigenen Haus des Klägers ist daher nicht ersichtlich. Soweit der Kläger gesundheitliche Bedürfnisse geltend gemacht hat, sind diese von der Zeugin nicht als Grund für den geplanten Umzug nach P angeführt worden.
II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 6.600,00 EUR festgesetzt.