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Mietvertragskündigung wegen Äußerungen und Unhöflichkeiten gegenüber Vermieter

AG Neukölln, Az.: 13 C 405/15, Urteil vom 27.01.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zu 1/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte mietete gemäß Mietvertrag vom 10.03.2004 (Blatt 9-12) eine Wohnung im Hause … Berlin. Die Kläger wurden danach die eingetragenen Eigentümer des Hausgrundstücks.

Die Beklagte übersandte ein an sie gerichtetes Schreiben der Hausverwaltung der Kläger vom 13.01.2012 (Blatt 15) mit diversen handschriftlichen Zusätzen zurück.

Die Kläger ließen mit Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 28.09.2015 (Blatt 16-20) die Durchführung diverser von ihnen danach beabsichtigter Modernisierungsmaßnahmen auf dem Hausgrundstück ankündigen. Die Beklagte erwiderte mit einem undatierten und handschriftlich verfassten Schreiben (Blatt 21, 22).

Die Kläger ließen hierauf mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 (Blatt 23-26) an die Beklagte die fristlose sowie hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen diverser im Schreiben der Beklagten enthaltener Äußerungen der Beklagten erklären. Die Beklagte erwiderte hierauf mit einem weiteren undatierten und handschriftlich verfassten Schreiben (Blatt 27).

Die Kläger tragen vor, die Beklagte habe sich anlässlich einer Wohnungsbesichtigung Anfang 2012 sowie in diversen von ihr verfassten Schreiben vom 31.01.2013 bis zum 20.01.2015 (Blatt 39-43) klar orientiert und schuldfähig gezeigt.

Die Kläger meinen, danach sei nach den bereits auf dem Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 13.01.2012 enthaltenen handschriftlichen Anmerkungen der Beklagten mit beleidigenden Inhalt diverse in den beiden undatierten handschriftlich verfassten Schreiben der Beklagten enthaltene Äußerungen wegen der darin zum Ausdruck gebrachten Beleidigungen und Bedrohungen als schwerwiegende Pflichtverletzung aufzufassen, welche eine Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigten.

Das Vertrauensverhältnis sei auch deshalb zerrüttet, weil die Beklagte ihre Schreiben direkt an sie, die Kläger, und nicht an die von ihnen beauftragte Hausverwaltung gerichtet habe.

Die Kläger haben deshalb nochmals in der Klageschrift die fristlose sowie hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.

Die Kläger verlangen ferner die Erstattung der ihnen durch die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Kündigung des Mietverhältnisses entstandenen und nach ihrem Vortrag bereits ausgeglichenen Rechtsverfolgungskosten, die sie mit insgesamt 708,88 € beziffern.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, die von ihr im Hause der Kläger, … Berlin, Vorderhaus … OG, innegehaltenen Wohnräumlichkeiten, bestehend aus 2 Zimmern nebst Küche, Bad, Diele sowie einem Kellerraum zu räumen und geräumt an die Kläger, zu Händen der … Berlin herauszugeben sowie

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger, zu Händen der … Berlin 708,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Kläger beantragen ferner den Erlass eines Versäumnisurteils, nachdem für die Beklagte im Termin am 06.01.2015 niemand erschienen ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Kläger wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist mangels Schlüssigkeit durch sogenanntes unechtes Versäumnisurteil als unbegründet abzuweisen, § 331 Abs. 2,2.HS ZPO.

II. Den Klägern steht der von ihnen geltend gemachte und auf § 546 Abs. 1 BGG gestützte Anspruch auf Räumung der von der Beklagten innegehaltenen Wohnung nicht zu.

Danach ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

1. Die mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 (Blatt 23 bis 26) ausgesprochene fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung führte zu keiner Beendigung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien.

a. Gemäß § 543 Absatz 1 Satz 1 BGB kann jede Vertragspartei des Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein solcher Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Der Vermieter kann ferner gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB das Mietverhältnis ordentlich kündigen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt.

b. Allerdings rechtfertigen die im Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 beanstandeten Äußerungen keine fristlose oder auch nur ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Zwar können Beleidigungen, also der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung und Drohungen als Straftat zugleich eine Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber dem Vertragspartner darstellen, auch soweit sie etwa gegenüber einem Mitarbeiter des Vermieters ausgesprochen sind (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, Rn 187 zu § 543).

Entsprechende Vertragsverletzungen berechtigen allerdings nur dann zur Kündigung, wenn sie so schwer wiegen, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies ist unter Würdigung der Gesamtumstände festzustellen. Generell gilt, dass Äußerungen, die im Zustand der Erregung fallen, weniger schwer wiegen als kalkulierte Ehrverletzungen. Die soziale Herkunft des Beleidigers sowie sein Sprach- und Ausdrucksvermögen, sind ebenfalls zu berücksichtigen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, Rn 188 zu § 543).

Schließlich ist jedenfalls für die fristlose Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich, § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB, sofern diese nicht gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Es gilt der Grundsatz, dass durch eine schwere Beleidigung das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört wird; in diesem Fall ist eine Abmahnung entbehrlich, weil zerstörtes Vertrauen durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann. Etwas anderes gilt, wenn die einmalige Beleidigung für sich betrachtet kein besonderes Gewicht hat und sich die Unzumutbarkeit erst aus der Wiederholung ergibt(Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage 2015, Rn 189zu § 543).

Dabei sind Belästigungen durch etwa altersbedingt geistig verwirrte Bewohner des Hauses als sozialadäquat hinnehmen, wenn sich die Belästigungen bei zutreffender – an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes orientierter – Betrachtung lediglich als harmlose Störungen darstellen (OLG Karlsruhe MDR 2000, 578). Entsprechendes muss folglich auch für Äußerungen gelten, die unabhängig von der geistigen und seelischen Verfassung des Störers im Lichte der hierbei verwandten Formulierungen und Argumente in einer Art und Weise überzogen und zugleich unklar erscheinen, dass sie in der Gesamtbetrachtung nicht geeignet sind, den Adressaten bzw. davon Betroffenen ernsthaft zu beleidigen oder zu bedrohen.

c. Danach stellen zunächst die von den Kläger beanstandeten Formulierungen „Ist ihr Frühstückstisch gedeckt?“ sowie – bezogen auf die mit der Modernisierungsankündigung zugleich in Aussicht gestellte Mieterhöhung – „durchschnittliche Luxus-Lust, das Haus schicker zu machen“, allenfalls eine Unhöflichkeit, dagegen noch keine gegen die Person der Kläger gerichtete und überdies ins Gewicht fallende Ehrenkränkung dar.

d. Die ferner beanstandete Äußerung „Vermieter-Clan!“, mit welcher das erste handschriftliche Schreiben nebst angefügten Ausrufezeichen beginnt, mag zwar als Einschätzung der Kläger aufzufassen sein, allerdings ist der Zusatz „-Clan!“ zumindest mehrdeutig, im allgemeinen Sprachgebrauch auch nicht ausschließlich negativ besetzt und damit jedenfalls nicht als hinreichend schwerwiegende Ehrenkränkung aufzufassen, die überdies eine Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigte.

e. Entsprechendes gilt für die in Frageform gefasste Äußerung „das Besitzen steigt Ihnen wohl zu Kopf? Benebelt es alles menschliche Rechtsgedanken?“ ebenso wie für die weiter beanstandete Äußerungen „Mir wird schlecht von Ihrem fahrlässigem Handeln! Wirtschaftlichkeit geht schon so lange über Leichen! Ich möchte, dass Sie riechen, wie ihre verursachten Leichen stinken!“ sowie schließlich „was für ein Kaliber sind Sie? schön herzkrank und krebsbestückt von seelenlosen Handeln“ Diese Äußerungen wirken zumal im Kontext mit den übrigen im Schreiben enthaltenen Formulierungen und Argumenten, die einen hinreichend nachvollziehbaren Gedankengang nicht erkennen lassen, diffus und unklar und in der Gesamtbetrachtung eher rätselhaft, denn beleidigend.

d. Die weitere auf eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung der Klägerin bezogene Äußerung „was für eine Bitch!?“ ist bereits nicht dieser Mitarbeiterin direkt gegenüber erklärt und enthält im Übrigen einen Anglizismus, der jedenfalls im deutschen Sprachgebrauch entgegen der Auffassung der Kläger nicht ausschließlich mit dem Begriff „Nutte“ belegt ist, sondern Verschiedenes bedeuten kann, mithin jedenfalls mehrdeutig und deshalb ebenfalls nicht als hinreichend schwerwiegende Beleidigung aufzufassen ist, welche überdies auch nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigte.

e. Die in diesem Schreiben schließlich enthaltene Darstellung eines Totenkopfs ist ebenfalls zumindest mehrdeutig, also nicht hinreichend klar als gegen die Kläger oder die Hausverwaltung gerichtete Drohung aufzufassen, sondern wirkt im bereits beschriebenen Kontext mit dem übrigen Text des Schreibens wiederum eher rätselhaft und allenfalls von diffusen und nicht näher erläuterten „Hass“- Gefühlen inspiriert.

f. Die ferner als in Aussicht gestelltes Ungemach beanstandete Äußerung „ziehe ich mit einem Zelt und Lagerfeuer in Ihren Garten!! Ja, das tue ich!! Wie die Hotten-Totten werde ich hausen und verachtend in Ihr Frühstück rülpsen!“ fügt sich als drastisch formulierte Fantasievorstellung in den übrigen Text des Schreibens und ist damit nicht als ernst zu nehmende Drohung aufzufassen, ebenso wenig als Beleidigung, sondern allenfalls als – wenngleich grobe – Unhöflichkeit.

g. Der Umstand schließlich, dass die Beklagte ihre beiden Schreiben direkt an die Kläger und nicht an deren Hausverwaltung richtete, stellt jedenfalls keine – zumal erhebliche – Verletzung vertraglicher Pflichten dar und ist schon deshalb nicht geeignet, das Vertrauensverhältnis mit den Klägern zu beeinträchtigen.

h. Es kann schon deshalb dahin stehen, dass dem Schreiben vom 16.10.2015, soweit darin die fristlose Kündigung erklärt ist, keine entsprechende Abmahnung vorausging.

2. Die ferner in der Klageschrift ausgesprochene fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung führte ebenfalls zu keiner Beendigung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien.

Soweit diese Kündigung ergänzend auf die im weiteren handschriftlichen Schreiben der Beklagten enthaltenen Äußerungen gestützt ist, ist sie im Ergebnis ebenfalls unwirksam.

a. Die danach ferner beanstandete Äußerung „ZORN ist eine Kraft, die mit Leidenschaft sich BEFREIT! Sich befreit von Ihrem fahrlässigen Handeln. Sie finden meine Worte „ekelerregend? Ja! Sie sind in dem Maße Ekel erregend, wie ihre blinde WIRTSCHAFTLICHKEIT!“, wirkt wiederum allenfalls rätselhaft, aber nicht in Ernst zunehmender Weise beleidigend, zumal die darin enthaltene Formulierung ekelerregend auf eine entsprechende Formulierung im Kündigungsschreiben der Kläger vom 16.10.2015 Bezug nimmt und diese folglich wiederholt.

Schließlich ist der Vorwurf einer ekelerregenden Wirtschaftlichkeit zu allgemein und ebenfalls nicht geeignet, die Kläger in einer Art und Weise zu beleidigen, dass hiermit auch nur die ordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre.

b. Die schlussendlich auf der Rückseite dieses Schreibens beanstandeten Formulierungen „Ich habe nichts mehr zu verlieren! Sie ja.“ sowie „P.S. wenn ich erst einmal obdachlos bin, kommt mir Garten näher. Und: ich habe UNGEWÖHNLICHEN MUT!“, wirkt insbesondere in Anbetracht der grafischen Gestaltung dieser Seite (Blattwerk, tränendes Auge) nebst weiterer darauf befindlicher Äußerungen (etwa: „Mein Beruf: freischaffende Kunst“ oder „Meine Absicht: Bewusstseinserweiterung“) nicht ernsthaft bedrohlich, sondern eher unernst.

4. In der Gesamtbeurteilung der beanstandeten Äußerungen als Grundlage für eine hierauf gestützte Kündigung ist ferner zu bedenken, dass die Beklagte nach dem Vortrag der Kläger keinerlei weitere Auffälligkeiten in Wort und Tat zeigte, welche dazu geeignet wären, das Mietverhältnis zu belasten. Jedenfalls solange diese beanstandeten Äußerungen einmalige Vorkommnisse bleiben, die nach dem vorgetragenen bisherigen Gesamtverlauf des Mietverhältnisses überdies unerklärlich und ziellos erscheinen, sind sie für die Vermieter – noch – hinnehmbar.

3. Die Kläger haben mangels Wirksamkeit der Kündigung gemäß Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 auch keinen auf § 280 Abs. 2 BGB gestützten Anspruch auf Erstattung der ihnen dadurch entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 288 Abs. 1, 291 BGB hierauf.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

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