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Wohnungsmieter – Duldungspflicht bei Modernisierungsmaßnahmen – Vergrößerung Badezimmer

LG Berlin – Az.: 63 S 56/15 – Urteil vom 24.03.2020

Orientierungssatz

1. Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vom 28.01.2015 – …x – unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, die Durchführung folgender Maßnahmen in der von ihnen genutzten Wohnung in … Berlin, …x 4 zu dulden:

Anschluss der Wohnung an die Gaszentralheizung nebst zentraler Warmwassererzeugung und Solartherme durch:

Errichtung einer Heizzentrale (Gasbrennwertkesselanlage einschließlich indirekt beheizter Warmwasserspeicher) im Keller des Aufgangs … 4, VH rechts straßenseitig sowie Montage von Solarthermiepaneelen auf dem Dach des Gartenhauses,

Verlegung der Leitung im Hause einschließlich der erforderlichen Bohrungen und Durchbrüche sowie des Verschließens nach Leitungsverlegung, Dämmung der Verteilungsleitungen für Heizung und Warmwasser inklusive Warmwasserzirkulation gemäß EnEV,

Verlegung von Steigesträngen gemäß dem als Anlage K1 beigefügten Grundrissplan, Wärmedämmung der Steigstränge, Verkleidung mit Gipskartonschächten, Tapezierung der Gipskartonschächte mit Raufasertapete, Aufbringung eines weißen Anstrichs,

Ausstattung der Heizkörper mit Thermostatventilen zur raumgenauen Temperaturregelung,

Montage von funkablesbaren Heizkostenverteilern (Mess- und Ablesevorrichtung) an den Heizkörpern,

Demontage der Gasetagenheizung,

Herstellung der notwendigen Bohrungen und Durchbrüche für die Verlegung der Leitungen einschließlich Verschließen der Leitungsverlegung,

Installation horizontaler Warmwasserleitungen vom Steigschacht hinter Gipskartonverkofferungen zu den Armaturen der jeweiligen Objekte (Badewanne, Waschtisch, WC, Küchenspüle),

Anbindung von weißen Plattenheizkörpern in der aus dem als Anlage K1 beigefügten Grundriss ersichtlichen Größe an die Steigestränge mittels Heizleitungen auf Putz,

Demontage der vorhandenen Heizkörper und Leitungen,

Erneuerung der Abwassersammel- und Trinkwassersteigeleitungen, der kalten Wasserleitungen einschließlich der Absperrventile, Dämmung der Kaltwasserleitungen,

Einbau von funkablesbaren Kalt- und Warmwaserzählern,

Installation einer Herdanschlussdose, Installation eines Elektroherdes mit Cerankochfeld mit Backröhre in der Küche einschließlich Demontage des vorhandenen Gasherdes sowie sämtlicher Gasleitungen und Gaszähler,

Wärmedämmung der hofseitigen sowie der straßenseitigen Fassade mit einem Wärmeverbundsystem mit einer Stärke von 14 cm und einer Wärmeleitgruppe 0,35,

Austausch der alten Holzkastendoppelverbundfenster in den Wohnräumen und des Einfachfensters in der Abstellkammer gegen Kunststoffisolierglasfenster (UW=1,3 W/m²K), Einbau neuer Innen und Außenfensterbänke, Dämmung der inneren Fensterleibungsflächen mit Innendämmung.

2. Die Beklagten werden verurteilt, den von der Klägerin beauftragten Handwerkern nach vorheriger Ankündigung werktags (montags bis freitags) in der Zeit von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr Zutritt zu der von ihr gemieteten Wohnung in der … 4, …Berlin zur Durchführung der unter 1. genannten Arbeiten zu gewähren.

3. Den Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1.) und 2.) genannten Duldungspflichten ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin 20% und die Beklagten 80% zu tragen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kammer hat gemäß Beschluss vom 06.11.2015 (Bl. 263, I) Beweis über die Energieeinsparung durch die neue Heizung durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. … …x vom 14.11.2016 und seine ergänzende Stellungnahme vom 19.02.2017 (Bl. 56ff., II) sowie seine Anhörung im Termin am 31.03.2017 (Bl. 78ff./II) verwiesen.

Die Kammer hat gemäß Beschluss vom 21.04.2017 (Bl. 80f, II) Beweis über die Energieeinsparung durch die Wärmedämmung der Fassade durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. … vom 15.05.2019 und die Erläuterung des Sachverständigen im Termin am 25.02.2020 (Bl. 186 ff./II) verwiesen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen haben in der Sache jeweils teilweise im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

Hinsichtlich der formellen Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung und des Ausschlusses des Duldungsanspruchs aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Modernisierungsvereinbarung kann auf die vollumfänglich zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden.

Die Beklagten haben den Einbau der Heizungsanlage gemäß § 555 b BGB nebst der notwendigen Begleitarbeiten zu dulden. Für die Annahme einer nach § 555 b Nr. 1 BGB zu duldenden Modernisierung reicht jede Energieeinsparung aus, ohne dass es darauf ankäme, ob diese sich auch in einer entsprechenden Verringerung der aufzuwendenden Kosten auswirkt.

Der Sachverständige Prof. Dr. Schmidt kommt in seinem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen und der Anhörung dazu, dass eine Einsparung von Primärenergie von 10% durch die neue Heizungsanlage erreicht werde. Der Sachverständige führt nachvollziehbar aus, dass er die von ihm ermittelte Energieeinsparung lediglich aus der Betrachtung des Vergleichs der bisherigen zu der neuen Heizung ermittelt habe und nicht noch zusätzlich die Fassadendämmung berücksichtigt habe. Auch die weiteren Einwände der Beklagten zu den durch sie angeführten Studien und abweichenden Erhebungen hat der Sachverständige nachvollziehbar und zur Überzeugung der Kammer in seiner ergänzenden Stellungnahme und den Ausführungen im Termin am 31.03.2017, welche als Urkunde trotz Besetzungswechsels der Kammer verwertbar ist, ausgeräumt.

Da die Beklagten gemäß vorstehenden Ausführungen den Anschluss an die zentrale Heizanlage zu dulden haben, haben sie auch den Austausch des vorhandenen Gasherdes gegen den Elektroherd nebst notwendiger Begleitarbeiten zu dulden. Zwar stellt dieser entgegen der Auffassung der Klägerin keine Gebrauchswerterhöhung i.S.d. § 555 b Nr. 4 dar, jedoch ergibt sich die Duldungspflicht der Beklagten jedenfalls aus § 555 a BGB im Zuge einer Instandsetzung. Die Aufrechterhaltung der Gasversorgung in allen Wohnungen allein für den Gasherd der Beklagten lässt sich nicht rechtfertigen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ferner ein Anspruch aus § 555 b Nr. 1 BGB auf Duldung der Fassadendämmung zu. Der Sachverständige Krätschell hat in seinem Gutachten und in seinen Ausführungen im Termin am 25.02.2020 nachvollziehbar ausgeführt, dass eine nachhaltige Energieeinsparung durch die beabsichtigte Fassadendämmung erzielt werde. Auch er konnte die gegenteiligen Studien, die zu einem anderen Ergebnis gelangen, nachvollziehbar und zur Überzeugung der Kammer widerlegen.

Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch gegen die Beklagten auf Austausch der Kastendoppelverbundfenster und des Einfachfensters gegen neue Isolierglasfenster aus § 555 b Nr. 1 BGB. Die Klägerin hat die Energieeinsparung durch Angabe der unterschiedlichen Wärmedurchgangskoeffizienten hinreichend dargetan (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 07. Januar 2014 – 63 S 282/13 –, juris).

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf eine Vergrößerung des Bades aus § 555 b Nr. 4 BGB gegen die Beklagten. Die Annahme des Amtsgerichts, dass eine Vergrößerung des Bades ohne weiteres eine Gebrauchswerterhöhung darstellt, teilt die Kammer im vorliegenden Fall nicht. Im hier zugrundeliegenden Sachverhalt ist die Vergrößerung des Bades mit dem Verlust der Abstellkammer verbunden. Zwar mag in vergleichbaren Fällen eine Gebrauchswerterhöhung unter Verlust einer Abstellkammer zugunsten eines größeren Bades dann vorliegen, wenn dafür eine von der Wanne getrennte zusätzliche Dusche eingebaut wird oder Platz für die erstmalige Installation eines Handwaschbeckens geschaffen wird, jedoch unterscheiden sich diese Fälle nach Auffassung der Kammer von dem hiesigen insofern, als im vorliegenden Fall über die bloße Vergrößerung der Grundfläche hinaus keine Verbesserung des Nutzwertes zu verzeichnen ist. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Beklagten unbestritten vorgetragen haben, dass alle Einrichtungen für die Annahme eines modernen Bades vorhanden sind. Eine bloße Vergrößerung des Bades unter gleichzeitigem Verlust der Abstellkammer, welche auch im Berliner Mietspiegel als wohnwerterhöhendes Merkmal enthalten ist, vermag dagegen keine objektive Gebrauchswerterhöhung zu begründen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ferner kein Anspruch auf Duldung der Verstärkung der elektrischen Steigeleitungen aus § 555 b Nr. 4 BGB gegen die Beklagten zu. Aus der Modernisierungsankündigung ergibt sich keine Gebrauchswertverbesserung. Es sind lediglich die Stärken der einzubauenden Leistungen angegeben, diese zudem noch in unterschiedlichen Varianten ohne weitere Differenzierung oder Konkretisierung. Selbst wenn man unterstellte, dass eine stärkere Leitung eine größere Kapazität habe und dies eine Gebrauchswertverbesserung darstellt, kann dies durch den Mieter nur beurteilt werden, wenn man die derzeit vorhandene Stärke in Vergleich setzte. Hierzu fehlen in der Modernisierungsankündigung jedoch sämtliche Angaben, die sich der Mieter auch nicht aus eigener Kenntnis erschließen kann. Mangels Duldungsverpflichtung der Erneuerung der elektrischen Steigeleitungen steht der Klägerin gegen die Beklagten auch kein Anspruch auf Duldung der Verlegung der Zähler in den Keller als Begleitmaßnahme zu. Als eigenständige Maßnahme ist kein nachhaltiger Vorteil für den Mieter erkennbar, der eine Duldungspflicht auslöste.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch kein Anspruch auf Erneuerung der Steigeleitungen für die Be- und Entwässerung aus § 555 b Nr. 4 BGB zu. Eine Duldungspflicht der Beklagten zur Erneuerung ergibt sich lediglich aus § 555 a BGB, wobei die zu erneuernden Rohre und Installationen grundsätzlich an derselben Stelle wie die vorhandenen zu erfolgen haben. Die beabsichtigte Verlegung der Rohre mit der Folge der notwendigen Errichtung eines Installationsschachtes ist durch die Beklagten dagegen nicht zu dulden, da dieser mit den derzeit vorhandenen Sanitärobjekten kollidierte. Weitere Gründe, die eine Verlegung der Steigeleitungen notwendig machten, hat die Klägerin nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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