Wasserversorgungsunterbrechung für Mietobjekt: Analyse eines Rechtsstreits
Der vorliegende Fall dreht sich um eine interessante Rechtssituation im Mietrecht, in der es um die Abschaltung der Wasserversorgung für ein Mietobjekt geht. Die Hauptakteure in dieser Kontroverse sind die Mieterin und die Antragsgegnerin. Die Klägerin ist Untermieterin eines Objekts, das ursprünglich von der Firma01 gemietet und zur Pferdehaltung genutzt wurde. Der Fall betont die tiefgreifenden Fragen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Besitz und Nutzung sowie die rechtlichen Auswirkungen von Unterbrechungen in den Versorgungsleistungen.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 31/23 >>>
Übersicht
Auswirkungen von Versorgungsunterbrechungen auf die Sachherrschaft
Gemäß dem Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg beeinträchtigt die Einstellung oder Unterbrechung von Versorgungsleistungen nicht die tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers. Auch wenn der Fluss von Versorgungsleistungen für den vertragsgemäßen Gebrauch essentiell sein kann, ist er nicht integraler Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft an sich. Es wird argumentiert, dass eine Unterbrechung in der Versorgung weder den Zugriff des Besitzers auf die Mietsache beeinträchtigt, noch die Nutzungsmöglichkeit, die sich aus dem bloßen Besitz ergibt, einschränkt.
Die Rolle des Vertragsverhältnisses in Versorgungsleistungen
Laut Urteil ist die Gewährleistung der Versorgungsleistungen hauptsächlich eine Frage des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses. Die Versorgungsleistungen erweitern lediglich die Nutzungsmöglichkeiten des Besitzers. Folglich bietet der Besitzschutz nach §§ 858 ff. BGB lediglich Abwehrrechte und keine Leistungsansprüche. Diese Ansicht steht im Einklang mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs und widerspricht der Auffassung der Klägerin, die auf einer anderen Entscheidung des Kammergerichts basiert.
Unterscheidung zwischen physischer Zerstörung und Einstellung der Versorgungsleistung
Das Kammergericht hat in der Vergangenheit Besitzschutzrechte bestätigt, wenn ein Dritter Versorgungsleitungen zu Räumen physisch zerstört oder unterbrochen hat. Im aktuellen Fall geht es jedoch nicht um eine solche physische Unterbrechung, sondern um die Einstellung einer zuvor erbrachten Versorgungsleistung. Daher ist die oben genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs maßgeblich.
Interesse an der Vermeidung von Schäden durch Unterbrechung der Wasserversorgung
Das Interesse der Klägerin liegt darin, einen drohenden Schaden durch die Einstellung der Wasserversorgung abzuwenden, welches sie mit 10.000 Euro beziffert. Dieses Interesse ist für die Bestimmung des Streitwerts und somit für den Gang des Verfahrens von Bedeutung. Es bleibt jedoch unklar, wie das Gericht die Frage der Verantwortung für die Wasserversorgungsunterbrechung und die damit verbundenen Schäden endgültig entscheiden wird.
Das vorliegende Urteil
OLG Brandenburg – Az.: 3 W 31/23 – Beschluss vom 16.05.2023
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 07.03.2023 -. 4 O 56/23 – wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die beantragte einstweilige Verfügung ist nicht zu erlassen, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Wiederaufnahme der Wasserversorgung. Ihr darauf gerichteter Antrag ist unschlüssig.
1. Ein vertraglicher Anspruch auf Wasserversorgung scheitert hier daran, dass zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Die Antragstellerin trägt eine solche auch nicht vor. Sie hat ihrem Antrag als Anlage K 7 lediglich einen von ihr selbst handschriflich als „ungültig“ gekennzeichneten „Pferdeeinstellungsvertrag“ vorgelegt, der als ihre Vertragspartnerin die („Firma01“) ausweist. Der beigezogenen Akte des Landgerichts Potsdam – 4 O 145/22 – lässt sich entnehmen, dass die Antragstellerin am 27.03.2017 mit der („Firma01“) einen Pachtvertrag zum Zweck der Pferdehaltung geschlossen hat (dort Anlage K 7). Da die („Firma01“) seinerzeit Mieterin aufgrund eines mit den Voreigentümern (und somit den Rechtsvorgängern der Antragsgegnerin) am 10.12.2009 geschlossenen Vertrages war, ist die Antragstellerin lediglich Untermieterin (gewesen).
Zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter bestehen keine vertraglichen Beziehungen (BGH, NZM 2001, 286; BGH, NJW-RR 2005, 1542; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2011 – 24 U 6/10; Schmidt-Futterer/Flatow, BGB, 15. Aufl., § 540 Rn. 9). Dies gilt selbst dann, wenn der Untermieter die Miete direkt an den Hauptvermieter zahlt (MüKo/Bieber, BGB, 9. Aufl., § 540 Rn. 24). Demnach ist es unerheblich, ob die Antragstellerin die Kosten der Wasserversorgung nach Beendigung des Hauptmietvertrags direkt an die Antragsgegnerin entrichtet hat.
2. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Wasserversorgung aus Besitzschutz gemäß § 862 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn schon die Einstellung oder Unterbrechung der Versorgung des Mieters mit Wasser ist keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht i.S. von § 858 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, NJW 2009, 1947 Rn. 20), so dass eine Besitzstörung im Verhältnis Hauptvermieter und Untermieter erst recht nicht in Betracht kommt.
Die zur Nutzung des Mietobjekts erforderlichen Energielieferungen sind nicht Bestandteil des Besitzes und können daher auch nicht Gegenstand des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB sein (BGH, a. a. O., Rn. 24). Die Einstellung oder Unterbrechung von Versorgungsleistungen ist kein Eingriff in die tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers. Der Zufluss von Versorgungsleistungen kann zwar Voraussetzung für den vertragsgemäßen Gebrauch sein, der nach Beendigung des Vertrags nicht mehr geschuldet wird. Er ist hingegen nicht Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft als solcher. Die Einstellung der Versorgungsleistungen beeinträchtigt weder den Zugriff des Besitzers auf die Mietsache noch schränkt sie die sich aus dem bloßen Besitz ergebende Nutzungsmöglichkeit ein. Versorgungsleistungen führen vielmehr dazu, dass die im Besitz liegende Gebrauchsmöglichkeit erweitert wird. Die Gewährleistung der Versorgungsleistungen kann sich demnach allein aus dem ihnen zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis ergeben. Der Besitzschutz nach §§ 858 ff. BGB gewährt dagegen nur Abwehrrechte und keine Leistungsansprüche (BGH, a. a. O., Rn. 27). Demnach kann auch nicht argumentiert werden, die Einstellung von Versorgungsleistungen führe zu einer „kalten Räumung“ oder einer unzulässigen Selbstvollstreckung. Die Einstellung der Leistungen greift anders als die unzulässige Selbstvollstreckung (etwa durch das Auswechseln von Türschlössern) nicht in den Besitz des Mieters ein. Ob die Versorgungssperre gerechtfertigt ist oder ein Anspruch auf Weiterbelieferung besteht, bestimmt sich allein nach vertraglichen Kriterien (BGH, a. a. O., Rn. 33). Vertragsbeziehungen bestehen hier aber zwischen den Parteien nicht.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin lässt sich aus der von ihr bemühten Entscheidung des Kammergerichts (KG, Beschluss vom 01.10.2009 – 8 U 105/09) nichts Gegenteiliges ableiten. Denn das Kammergericht hat lediglich Besitzschutzrechte für den Fall bejaht, dass ein Dritter Versorgungsleitungen zu Räumen physisch zerstört oder unterbricht. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Vielmehr geht es um die Einstellung einer zuvor erbrachten Versorgungsleistung, für die die oben genannte Entscheidung des BGH maßgeblich ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Maßgeblich ist das von der Antragstellerin mit 10.000 Euro bezifferte Interesse an der Abwendung eines drohenden Schadens durch die Einstellung der Wasserversorgung (siehe OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008 – 12 W 56/07; Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Aufl., Rn. 2.1248 m. w. N.), wobei im einstweiligen Verfügungsverfahren angesichts des Leistungscharakters kein Abschlag vom Hauptsachewert vorzunehmen ist (Schneider/Kurpat, a. a. O., Rn. 2.1242).
Der Antragsgegnerin ist der Beschluss von Amts wegen bekannt zu geben (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 08.08.2019 – 29 W 940/19; Zöller/G.Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 922 Rn. 19).
Die Rechtsbeschwerde gegen den vorliegenden Beschluss ist nicht statthaft (vgl. Zöller/G. Vollkommer, a. a. O., Rn. 20).