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Modernisierungsmaßnahmen sind vom Mieter zu dulden auch bei zeitweiligem Auszug

Unbewohnbare Wohnung? Mieter vs. Modernisierung: Das Gerichtsurteil

Im Mietrecht sind Modernisierungsmaßnahmen ein wiederkehrendes Thema, das sowohl Mieter als auch Vermieter betrifft. Dabei steht häufig die Frage im Raum, inwieweit der Mieter solche Maßnahmen zu dulden hat, insbesondere wenn diese einen zeitweiligen Auszug aus der Wohnung erfordern. Während der Vermieter im Rahmen des Wohnraummietrechts das Recht hat, seine Immobilie zu modernisieren und somit den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit zu erhöhen, hat der Mieter ein berechtigtes Interesse daran, in seiner Wohnung ungestört zu leben. Die Duldungspflicht des Mieters und die damit verbundene Modernisierungsumlage sind daher Gegenstand zahlreicher Rechtsprechungen. Ebenso spielen Erhaltungsmaßnahmen eine Rolle, da diese oft Hand in Hand mit Modernisierungen gehen. Das Gleichgewicht zwischen den Rechten des Mieters und den Interessen des Vermieters zu finden, ist eine zentrale Herausforderung im Mietrecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 65 S 55/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Mieter müssen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen dulden, auch wenn diese zu einer zeitweisen Unbewohnbarkeit ihrer Wohnung führen, solange der Vermieter die gesetzlichen Anforderungen erfüllt und angemessene Vorkehrungen für den Mieter trifft.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Modernisierungsmaßnahmen und Instandsetzungsarbeiten vom 5. Dezember 2019 wurden ordnungsgemäß angekündigt.
  2. Der Duldungsanspruch der Klägerin basiert auf §§ 555a Abs. 1, 555d Abs. 1 BGB.
  3. Die Ankündigungsanforderungen für Modernisierungsmaßnahmen wurden von der Klägerin eingehalten.
  4. Das Gesetz sieht keine generelle Einschränkung vor, dass eine Duldungspflicht entfällt, wenn die Maßnahmen zu einer zeitweisen Unbewohnbarkeit der Wohnung führen.
  5. Der Schutz des Artikels 13 desGrundgesetzes garantiert das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
  6. Die Klägerin bietet den Mietern Ersatzwohnungen an und übernimmt die Kosten für den Umzug.
  7. Maßnahmen, die zur Unbewohnbarkeit führen, sind Instandsetzungsmaßnahmen und keine Modernisierungsmaßnahmen.
  8. Die Ertüchtigung der Elektroinstallation ist sowohl eine Instandsetzungsmaßnahme als auch eine Modernisierungsmaßnahme.

Kernthema: Duldung von Modernisierungsmaßnahmen

Im Kern des vorliegenden Falles geht es um die Frage, ob ein Mieter Modernisierungsmaßnahmen dulden muss, auch wenn diese dazu führen, dass er zeitweise aus seiner Wohnung ausziehen muss. Das Landgericht Berlin hatte sich mit der Berufung der Beklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Pankow zu befassen. Die Klägerin, vermutlich die Vermieterin, hatte von den Beklagten, den Mietern, die Duldung bestimmter Maßnahmen verlangt. Diese Maßnahmen waren im Tenor des Urteils des Amtsgerichts aufgeführt und basierten auf den §§ 555a Abs. 1 und 555d Abs. 1 BGB.

Rechtliche Herausforderungen und Einwände

Unbewohnbare Wohnung? Mieter vs. Modernisierung: Das Gerichtsurteil
(Symbolfoto: BearFotos /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Abwägung zwischen den Rechten des Vermieters, Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, und den Rechten des Mieters, in seiner Wohnung ungestört zu leben. Die Beklagten hatten gegen die Feststellungen des Amtsgerichts zur formellen Wirksamkeit der Ankündigung von Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten vom 5. Dezember 2019 Einwände erhoben. Sie argumentierten, dass die Maßnahmen ihre Wohnung unbewohnbar machen würden.

Entscheidungen und Begründungen des Gerichts

Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Maßnahmen, die zur Unbewohnbarkeit führen würden, Instandsetzungsmaßnahmen und keine Modernisierungsmaßnahmen waren. Diese Maßnahmen waren notwendig und wurden ordnungsgemäß angekündigt. Das Gericht betonte, dass weder Erhaltungs- noch Modernisierungsmaßnahmen automatisch unzulässig sind, nur weil sie zu einer zeitweisen Unbewohnbarkeit der Wohnung führen. Das Gesetz sieht keine solche generelle Einschränkung vor.

Das Gericht verwies auch auf den Schutz des Artikels 13 des Grundgesetzes, der das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert. Es wurde festgestellt, dass der Vermieter Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen so durchführen muss, dass die Rechte des Mieters nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Mieter die Maßnahmen nicht dulden muss, insbesondere wenn der Vermieter dem Mieter für den betroffenen Zeitraum eine Ersatzwohnung anbietet.

Fazit und mögliche Auswirkungen

Die Klägerin hatte den Mietern Ersatzwohnungen angeboten und sich bereit erklärt, die Kosten für den Umzug zu übernehmen. Das Gericht stellte fest, dass die angekündigten Maßnahmen sowohl Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB als auch Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB waren.

Abschließend entschied das Gericht, dass die Revision gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen sei, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern würden.

Das Fazit des Urteils ist, dass Mieter Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen dulden müssen, auch wenn diese zu einer zeitweisen Unbewohnbarkeit ihrer Wohnung führen, solange der Vermieter die gesetzlichen Anforderungen erfüllt und angemessene Vorkehrungen für den Mieter trifft. Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle im Mietrecht haben, insbesondere in Bezug auf die Rechte von Mietern und Vermietern bei Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was besagt § 555a Abs. 1 BGB und wie beeinflusst er die Duldungspflicht des Mieters?

Gemäß § 555a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist der Mieter verpflichtet, Maßnahmen zu dulden, die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforderlich sind. Diese Maßnahmen werden als Erhaltungsmaßnahmen bezeichnet.  Erhaltungsmaßnahmen dienen dazu, die Mietsache in dem Zustand zu erhalten, der im Mietvertrag zugesichert wurde. Sie umfassen das Beheben von Schäden oder Mängeln in der Mietwohnung oder dem Gebäude sowie vorbeugende Maßnahmen. Der Mieter ist nicht verpflichtet, bei der Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen mitzuwirken, beispielsweise muss er keine Möbel umsetzen oder Einrichtungsgegenstände entfernen.

Die Duldungspflicht des Mieters erstreckt sich auch auf Modernisierungsmaßnahmen, sofern diese zur nachhaltigen Verbesserung der Mietsache beitragen oder dazu dienen, Energie einzusparen. Hierzu zählen beispielsweise der Einbau einer Heizung, das Dämmen von Wänden oder die Montage neuer Fenster. Es gibt jedoch Ausnahmen von der Duldungspflicht. Wenn der Vermieter es versäumt hat, den Mieter korrekt über den Umfang und die Dauer der Umbaumaßnahmen aufzuklären, greift die Duldungspflicht nicht. Ebenso besteht keine Duldungspflicht, wenn die Maßnahmen weder der Instandsetzung noch der Modernisierung dienen oder wenn sie eine unzumutbare Härte darstellen.

Die Duldungspflicht bedeutet nicht, dass der Mieter aktive Unterstützung leisten muss. Er muss beispielsweise kein Mobiliar beiseite räumen, um dem Vermieter oder den Handwerkern den Zugang zu ermöglichen. Wenn der Mieter die Durchführung von Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen ausdrücklich ablehnt oder den Handwerkern trotz Duldungspflicht den Zutritt verweigert, darf der Vermieter die Arbeiten in der Wohnung nur ausführen, wenn dies durch ein Gericht so bestimmt wurde.

Es ist zu beachten, dass die Duldungspflicht für den Mieter bei der Instandhaltung oder Modernisierung nicht bedeutet, dass er die Kosten für diese Maßnahmen tragen muss. Gemäß § 555a Abs. 3 BGB hat der Vermieter die Aufwendungen, die der Mieter infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss, in angemessenem Umfang zu ersetzen.

Welche Anforderungen stellt § 555c Abs. 1 BGB an die Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen durch den Vermieter?

Gemäß § 555c Abs. 1 BGB muss der Vermieter dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform ankündigen. Diese Ankündigung muss bestimmte Informationen enthalten:

1. Die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen.
2. Den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahme.
3. Den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung, sofern eine Erhöhung nach § 559 oder § 559c verlangt werden soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten.

Die Ankündigung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung und der Vermieter kann einen Dritten zur Abgabe der Erklärung bevollmächtigen. Die Frist von drei Monaten ist eine Mindestfrist und beginnt mit dem Tag, der auf den Zugang der Mitteilung folgt.

Die Regelung dient dazu, dem Mieter genügend Zeit zu geben, sich auf die bevorstehenden Änderungen einzustellen und eventuell notwendige Vorkehrungen zu treffen. Sie stellt sicher, dass der Mieter nicht überraschend mit Baumaßnahmen konfrontiert wird und ermöglicht es ihm, eventuelle Einwände oder Bedenken rechtzeitig zu äußern.

Wenn die Ankündigung fehlt oder mangelhaft ist, ist der Mieter erst ab dem Zeitpunkt der Nachholung der vollständigen fehlerfreien Ankündigung zur Duldung der Maßnahme verpflichtet. Der Vermieter kann eine mangelhafte Ankündigung im Prozess nicht, auch nicht teilweise, nachbessern.

Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Modernisierungsmaßnahmen, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden sind und nur zu einer unerheblichen Mieterhöhung führen. In solchen Fällen ist eine Modernisierungsankündigung nicht erforderlich.

Die Regelung in § 555c BGB ist ein wichtiger Bestandteil des Mietrechts und dient dem Schutz der Rechte des Mieters. Sie stellt sicher, dass der Mieter ausreichend informiert ist und genügend Zeit hat, sich auf bevorstehende Modernisierungsmaßnahmen vorzubereiten.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 65 S 55/22 – Urteil vom 20.09.2022

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow vom 14. Februar 2022 – 4 C 65/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Duldung der im Tenor zu 1) genannten Maßnahmen bejaht. Der Duldungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 555a Abs. 1, 555d Abs. 1 BGB.

Die Kammer folgt den Feststellungen des Amtsgerichts nach eigener rechtlicher Prüfung mit nachfolgenden Ergänzungen:

a) Ohne Erfolg wenden die Beklagten sich gegen die zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts zur formellen Wirksamkeit der hier allein zu beurteilenden, an die Beklagten gerichteten Ankündigung von Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten vom 5. Dezember 2019. Die Ankündigung genügt ersichtlich den Anforderungen der §§ 555a Abs. 2, 555c BGB.

Erhaltungsmaßnahmen hat der Mieter zu dulden, § 555a Abs. 1 BGB; sie sind ihm nach § 555a Abs. 2 BGB (lediglich) rechtzeitig anzukündigen. Das gilt nach § 555d Abs. 1 BGB auch für Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB; auch diese hat der Mieter zu dulden, wobei der Vermieter dem Mieter die Maßnahmen nach § 555c BGB anzukündigen hat.

Einen Verstoß gegen § 555a Abs. 2 BGB haben die Beklagten nicht geltend gemacht; sie differenzieren auch nicht zwischen Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen.

aa) Auch die in § 555c Abs. 1 BGB für Modernisierungsmaßnahmen näher geregelten Ankündigungsanforderungen hat die Klägerin eingehalten.

Danach hat der Vermieter dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform anzukündigen. Die Ankündigung muss gemäß § 555c Abs. 1 Satz 2 BGB Angaben über die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen (Nr. 1), den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahme (Nr. 2), den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung, sofern – wie hier – eine Erhöhung nach § 559 BGB verlangt werden soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten (Nr. 3) enthalten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Ankündigung nicht etwa deshalb nicht den formellen Anforderungen des § 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB, weil die Arbeiten bis heute nicht begonnen wurden oder Mieter in anderen Teilen des Gebäudekomplexes die Ankündigung erst sehr viel später erhalten haben.

Die Beklagten verkennen den Zweck der Modernisierungsankündigung.

Der Gesetzgeber der Mietrechtsreform 2001 hat sich ausdrücklich gegen zu strenge Anforderungen an den Inhalt von Modernisierungsankündigungen des Vermieters ausgesprochen und die zuvor in der Rechtsprechung, auch der des BGH vertretenen Maßstäbe abgesenkt (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 36 f., 49 f.). An dieser Rechtslage hat der Gesetzgeber im Zuge der Neuordnung des Modernisierungsrechts im sozialen Wohnraummietrecht des BGB durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 nichts ändern wollen und auch nicht geändert (vgl. BT-Drucks. 17/10485, S. 20).

Danach ist der Mindestinhalt der Modernisierungsankündigung am Informationsbedürfnis des Mieters auszurichten. Diesem soll durch die Vermittlung zureichender Kenntnis eine sachgerechte Beurteilung der beabsichtigten Modernisierungsmaßnahme ermöglicht werden, insbesondere hinsichtlich seiner Duldungspflicht, der für ihn zu treffenden Maßnahmen und der gegebenenfalls zu ziehenden vertragsrechtlichen Konsequenzen. Sie ist kein Selbstzweck; bloßer Formalismus ist unangebracht (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 36 f.).

Die Mitteilungspflichten zielen auch nicht etwa darauf ab, die Befugnis des Vermieters zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen einzuschränken, sondern sollen dem Mieter lediglich einen ergänzenden Schutz gewähren. Die Verwirklichung dieses ergänzenden Schutzes darf dabei nicht so weit gehen, dass einem Vermieter die Durchführung gesetzlich zulässiger Modernisierungsmaßnahmen durch eine Handhabung der Mitteilungsanforderungen erschwert wird, die über das zum Schutz des Mieters gebotene Maß hinausgeht und hierdurch den Modernisierungsanspruch des Vermieters unvertretbar verkürzt (vgl. BGH v. 20. Mai 2020 – VIII ZR 55/19; v. 28. September 2011 – VIII ZR 242/10 [zu § 554 Abs. 3 BGB aF]).

Die Ankündigung genügt offenkundig dem Informationsbedürfnis der Beklagten als Mieter. Sie enthält alle für die sachgerechte Beurteilung der beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen relevanten Informationen.

Der Umstand, dass die Klägerin zunächst – rechtskonform – die Duldungspflicht von Mietern gerichtlich klären lässt, weil diese – wie hier die Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2020 – eine Duldung der Maßnahmen ablehnen, ist ersichtlich ungeeignet, die formelle Wirksamkeit einer Modernisierungsankündigung in Frage zu stellen.

Es sollte sich jedem Mieter erschließen, dass der Vermieter mit Blick auf die gesetzlichen, den Mieter schützenden Regelungen den avisierten Baubeginn dann nicht einhalten kann, wenn der Mieter seine Duldungspflicht bestreitet, die Duldung ablehnt und diese – soweit sie besteht – vor Gericht durchgesetzt werden muss. Dass der Vermieter gegen den erklärten Willen des Mieters mit den Modernisierungsmaßnahmen beginnt, um – so der Ansatz der Beklagten – die formelle Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung zu „retten“, dürfte weder im Interesse des Mieters liegen noch mit dem geltenden, den Mieter schützenden Recht vereinbar sein.

Ob in anderen Gebäuden des Gebäudekomplexes erst zu einem späteren Zeitpunkt Modernisierungsmaßnahmen angekündigt wurden, kann offenbleiben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die hier angekündigten Maßnahmen nur zeitgleich in allen Gebäudeteilen gemeinsam durchgeführt werden könnten, wie die Klägerin zu Recht geltend macht.

bb) Bereits im Ausgangspunkt unzutreffend ist die Annahme der Beklagten, die Duldungspflicht entfalle deshalb, weil die „Modernisierungsmaßnahmen“ dazu führen, dass die Wohnung unbewohnbar ist.

Bei den Maßnahmen, die zur Unbewohnbarkeit führen – die Erneuerung der vertikalen Steigeleitungen für Ab-, Kalt- und Warmwasser sowie Zirkulation – handelt es sich um Instandsetzungsmaßnahmen, § 555a Abs. 1 Alt.2 BGB, die auch als solche angekündigt wurden. Erhaltungsmaßnahmen (Instandsetzung oder Instandhaltung) hat der Mieter nach – wie hier geschehen – entsprechender Ankündigung zu dulden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt weder für Erhaltungs- noch Modernisierungsmaßnahmen, dass eine Duldungspflicht stets entfällt, wenn die Maßnahmen zu einer zeitweisen Unbewohnbarkeit der Wohnung führen.

Das Gesetz sieht eine entsprechende generelle Einschränkung nicht vor.

Aus dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG, den der vertragstreue Mieter nach der Rechtsprechung des BVerfG genießt (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1985 – 1 BvR 792/83, WuM 1985, 75; Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035), folgt zwar, dass der Vermieter Modernisierungs-, aber auch Erhaltungsmaßnahmen so schonend auszuführen hat, dass das Besitzrecht des Mieters nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt wird (vgl. Kammer, Urt. v. 17.02.2016 – 65 S 301/15, NJW 2016, 2582). Das führt jedoch nicht dazu, dass eine Duldungspflicht des Mieters generell und ausnahmslos entfällt, wenn die Erhaltungs- und/oder Modernisierungsmaßnahmen für einen zeitlich – hier äußerst -begrenzten, klar definierten Zeitraum aus beachtlichen Gründen den Verbleib in der Wohnung ausschließen bzw. ein Verbleib in der Wohnung mit erheblichen, dem Mieter nicht zumutbaren Beeinträchtigungen der Wohnnutzung verbunden sind und der Vermieter dem Mieter für den Zeitraum eine Ersatzwohnung anbietet.

Ein anderes Ergebnis wäre bereits mit der dem sozialen Wohnraummietrecht immanenten Abwägung der konkurrierenden Eigentumspositionen von Mieter und Vermieter nicht vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, in NJW 1993, 2035), wäre im Übrigen insbesondere unvereinbar mit dem Zweck der Regelungen zur energetischen Modernisierung im Wohnraummietrecht des BGB unvereinbar. Auch der Klimaschutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen – auch für künftige Generationen – genießen Verfassungsrang, Art. 20a GG und lösen Verpflichtungen des Gesetzgebers aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18), denen er – unter anderem – über die Regelungen in § 555a Nr. 1 bis 3 BGB und im GEG nachkommt.

Hier ist die Nutzung der Wohnung für einen Zeitraum von etwa 4 Wochen deshalb nicht möglich, weil in dieser Zeit eine Strangsanierung vorgenommen wird, bei der es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine Modernisierungs-, sondern Erhaltungsmaßnahme handelt, die zudem – objektiv betrachtet – auch im Interesse der Mieter liegt. Die Sanierung der Steigeleitungen in den übereinander liegenden Wohnungen des Leitungsstrangs geht damit einher, dass die gesamte Wasserversorgung entfällt. Die Klägerin stellt den Mietern – nach ihrer Wahl – möblierte oder nicht möblierte Ersatzwohnungen zur Verfügung. Sie teilt bereits in der Ankündigung der Instandsetzungsmaßnahmen mit, dass sie – entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung – die Kosten für die Wohnung sowie den Zwischenumzug trägt.

Zuzugeben ist den Beklagten, dass der infolge der Strangsanierung erforderliche Zwischenumzug eine Unannehmlichkeit und Beeinträchtigung des Alltags darstellt. Gründe, die hier ausnahmsweise die Hinnahme der unvermeidlichen Beeinträchtigung ausschließen oder unzumutbar machen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sie gehen nicht über das hinaus, was die in ihrer Mobilität nicht mehr als altersbedingt üblich beeinträchtigten Beklagten sich auch bei einer Urlaubsabwesenheit selbst zumuten könnten.

b) Die angekündigten Maßnahmen sind als Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB und Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB nach §§ 555a Abs. 1, 555d Abs. 1 BGB von den Beklagten zu dulden.

aa) Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht entschieden, dass die Beklagten die Umstellung der Beheizung der Wohnung als Modernisierungsmaßnahme zu dulden haben.

Es liegen in jedem Fall – für den Duldungsrechtsstreit ausreichend – die Voraussetzungen des § 555b Nr. 2 BGB vor mit der Folge, dass die Maßnahme nach § 555d Abs. 1 BGB zu dulden ist. Das Bestreiten der Angaben der Klägerin zur Endenergieeinsparung durch die Beklagten geht daher ins Leere.

Nach § 555b Nr. 2 BGB sind Modernisierungsmaßnahmen bauliche Veränderungen, durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart wird.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Wohnung ist unstreitig mit einer Gasetagenheizung für die Beheizung und Warmwasserversorgung ausgestattet; in einem Zimmer ist ein Ofen vorhanden.

Die Umstellung der vorhandenen Warmwasserversorgung und Beheizung der Wohnung durch eine Gasetagen- bzw. Ofenheizung auf die Fernwärmeversorgung der V. Europe Wärme AG Berlin führt in jedem Fall zu einer nachhaltigen Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie, dies selbst nach den Angaben der Beklagten.

Die Beklagten tragen selbst nicht vor, dass beim Betrieb ihrer mit Genehmigung der Rechtsvorgängerin durch die Beklagten eingebauten Gasetagenheizung bzw. des Ofens außer fossilen Brennstoffen erneuerbare Energie wenigstens in geringem Umfang überhaupt Verwendung findet bzw. finden kann; ein Anhaltspunkt, der dies auch nur möglich erscheinen ließe, ergibt sich ebenfalls nicht.

Im Rahmen der Argumentation zur von ihnen gewünschten Erhaltung des status quo unberücksichtigt bleiben (erneut) die Belange des Klimaschutzes, das offenkundige Problem der begrenzten Verfügbarkeit nicht erneuerbarer Brennstoffe und die darauf basierenden Wertungen des Gesetzgebers, insbesondere konkret auch die Deckung des Wärmebedarfs durch Fernwärme betreffend (vgl. §§ 10 Abs. 2 Nr. 3, 44 GEG).

bb) Bezüglich der Pflicht zur Duldung des Ersatzes des vorhandenen Gasherdes in der Küche durch einen Elektro-Ceranherd geltenden die Ausführungen unter aa) entsprechend.

cc) Die von der Klägerin ausweislich der Ankündigung vom 5. Dezember 2019 als Instandsetzung (ohne Modernisierungsumlage) behandelte Neuverfliesung der Wände und des Bodens des Bades ist zu dulden; bei der Strangsanierung und Installation neuer Leitungen ist ein Erhalt der vorhandenen Fliesen nicht möglich. Die angekündigten Einhebelmischbatterien mit Durchflussmengenbegrenzung sowie das wandhängende WC mit Wasserstoppfunktion stellen ohne Weiteres Maßnahmen im Sinne des § 555b Nr. 3 BGB dar. Der ebenfalls als Instandsetzung behandelte Austausch von Sanitärobjekten ist nach § 555a Abs. 1 BGB schlicht zu dulden. Ihr Einbau geht mit keiner zusätzlichen Beeinträchtigung der Beklagten einher.

dd) Die Ertüchtigung der Elektroinstallation ist ebenfalls bereits nach § 555a Abs. 1 BGB zu dulden (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juli 2004 – VIII ZR 281/03), im Hinblick auf die zusätzliche Installation von mit FI-Schutz ausgestatteten Steckdosen im Bad bzw. im Zusammenhang mit der Installation des Elektro-Ceranherdes und der bereits dadurch erforderlichen Verstärkung der Elektroinstallation auch als Modernisierung nach § 555d Abs. 1 BGB.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung beruht auf dem Gesetz, seinen Materialien und höchstrichterlich bereits geklärter Grundsätze.

 

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