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Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting – Unwirksamkeit der Umstellung

Unerwartete Komplikationen im Mietrecht: Unwirksamkeit der Umstellung auf Wärme-Contracting

Ein bemerkenswerter Fall im Mietrecht hat Aufmerksamkeit erregt, da er die komplexen Interaktionen zwischen Mietern, Vermietern und dem immer sich ändernden technologischen und rechtlichen Umfeld beleuchtet. Der Mittelpunkt dieses Falles liegt in der Heizkostenabrechnung und der Umstellung auf sogenanntes Wärme-Contracting, bei dem ein Fremdversorger die Wärmeversorgung eines Gebäudes übernimmt.

Direkt zum Urteil Az.: 1 S 55/20 springen.

Die Kernproblematik: Wärme-Contracting und seine Auswirkungen auf die Heizkostenabrechnung

Die Vermieterin argumentierte, dass die Berechnung des Jahresnutzungsgrads nach anerkannten technischen Regeln durchgeführt wurde und zog die gesetzlich geforderten Verbrauchswerte zur Ermittlung der Kostenneutralität heran. In ihrer Ansicht handelte sie nicht treuwidrig. Allerdings hatte das Amtsgericht Bremen die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Umstellung von der Eigenversorgung auf Wärme-Contracting im Einklang mit den Vorgaben des § 556 c BGB steht.

Die Rolle der vertraglichen Regelung zur Abrechnung der Nebenkosten

Eine zentrale Rolle in der Argumentation spielt eine Lücke in der Regelung des § 9 WärmeLV. Diese Regelung betrifft nur Sachverhalte, bei denen der Vermieter die Heizungsanlage vor dem Übergabepunkt während der letzten drei Abrechnungszeiträume modernisiert hat und nicht, wie in diesem Fall, während des laufenden Verbrauchszeitraums. Die Anwendung dieser Regelung ist somit problematisch, was das Gericht letztendlich anerkannte.

Die Interessenabwägung und das Prinzip der Kostenneutralität

Die Argumentation des Gerichts beruhte stark auf der Notwendigkeit einer Interessenabwägung und dem Prinzip der Kostenneutralität, gemäß dem Vermieter nicht einseitig den Mietern durch Modernisierung und Umstellung zusätzliche Kosten aufbürden dürfen. Die Interessen der Mieter müssen hinreichend gewahrt werden, indem Vergleichswerte herangezogen werden, die eine repräsentative Abbildung der aktuellen Verbrauchssituation enthalten. Dieses Regelungsziel untermauert die Entscheidung des Gerichts in diesem Fall.

Die Schlussfolgerung: Schutz der Mieterinteressen und Privatautonomie

Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit einer ausgewogenen Rechtsprechung, die sowohl die Interessen der Vermieter berücksichtigt, indem sie ihnen erlaubt, ihre Immobilien in einer sich verändernden technologischen Landschaft zu modernisieren, als auch die Interessen der Mieter, indem sie sicherstellt, dass diese nicht unverhältnismäßig durch die mit diesen Veränderungen verbundenen Kosten belastet werden.

Insgesamt unterstreicht der Fall die Notwendigkeit, dass die Praxis und die Gesetzgebung im Bereich des Mietrechts Schritt halten müssen mit der Entwicklung neuer Technologien und Dienstleistungen, um die Rechte aller beteiligten Parteien angemessen zu schützen.


Das vorliegende Urteil

LG Bremen – Az.: 1 S 55/20 – Urteil vom 21.04.2021

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 18.02.2020, Az. 18 C 200/19, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass hinsichtlich des Mietobjektes M-Straße ../.., 28… Bremen, viertes Obergeschoss links, die Umstellung der Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting mit Schreiben der Beklagten vom 16.03.2016 unwirksam ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 27 % und die Beklagte 73 %.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting - Unwirksamkeit der Umstellung
(Symbolfoto: rallef/Shutterstock.com)

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die durch die Beklagte vorgenommene Umstellung der Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting unwirksam ist und dass die Beklagte verpflichtet wird, für die Jahre 2016, 2017 und 2018 neue Heizkostenabrechnungen zu erstellen und dies auch für die Zukunft so zu handhaben.

Die Beklagte vermietet an den Kläger die Wohnung 4. OG links, M-Straße ../.. in 28… Bremen. Der zugrundeliegende Mietvertrag (Anlage K1, Bl. 5 ff. d.A.) enthält unter Nr. 6 des Anhangs eine Regelung, nach der die Kosten der zentralen Einrichtungen zur Beheizung und Warmwasserversorgung jeweils für den Zeitraum vom 01.07. bis 30.06 abgerechnet werden.

Im September 2015 modernisierte die Beklagte die Heizanlage, wobei vom Öl- auf Gasbetrieb umgestellt wurde. Mit Schreiben vom 16.03.2016 kündigte die Beklagte zudem die Übertragung der Wärmeversorgung auf ihre Tochtergesellschaft, die X GmbH, zum 01.07.2016 an. Die Beklagte fügte der Umstellungsmitteilung u.a. einen Kostenneutralitätsvergleich bei, der anhand der Verbrauchswerte der folgenden Zeiträume erstellt wurde:

01.07.2011-30.06.2012, 01.07.2012-30.06.2013, 01.07.2013-30.06.2014.

In dem Kostenneutralitätsvergleich wurden der Jahresnutzungsgrad der bisherigen Anlage mit 87,77 % und die bisherigen sowie zukünftigen monatlichen Wärmekosten pro m² mit je 0,98 EUR brutto angegeben.

Mit Schreiben vom 18.06.2019 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, neue Heizkostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 2016, 2017 und 2018 vorzulegen. Die Beklagte lehnte unter dem 25.06.2019 eine Korrektur der Abrechnungen ab.

Der Kläger hat vorgetragen, die neue Anlage verfüge nicht über den zwingend geforderten Wirkungsgrad von mindestens 80 % und die Beklagte habe für den Kostenneutralitätsvergleich die falschen Verbrauchswerte herangezogen. Die Umstellung auf das Wärme-Contracting sei aus diesen Gründen unwirksam.

Der Kläger hat beantragt:

1.  Es wird festgestellt, dass hinsichtlich des Mietobjektes M-Straße ../.., 28… Bremen, viertes Obergeschoss links, die Umstellung der Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting mit Schreiben der Beklagten vom 16.03.2016 unwirksam ist.

2.  Die Beklagte wird verpflichtet, über die Abrechnungsperioden der Jahre 2016, 2017 und 2018 neue Heizkostenabrechnungen nach Verbrauch zu erstellen und dies auch für die Zukunft zu tun.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass es sich bei dem zugrunde gelegten Jahresnutzungsgrad um einen anerkannten Pauschalwert handele. Die Berechnung sei nach den anerkannten Regeln der Technik erfolgt. Sie habe zudem die vom Gesetz geforderten Verbrauchswerte zur Ermittlung der Kostenneutralität herangezogen und daher nicht treuwidrig gehandelt.Das Amtsgericht Bremen hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Umstellung von der Eigenversorgung auf Fremdversorgung (sog. Wärme-Contracting) sei im Einklang mit den Vorgaben der § 556 c BGB i.V.m. §§ 8, 9 WärmeLV erfolgt. Die Beklagte habe bei der Kostenneutralitätsberechnung die von der Verordnung geforderten Abrechnungszeiträume zugrunde gelegt. Einschlägig sei insoweit die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 WärmeLV, wohingegen ein Fall des § 9 Abs. 2 WärmeLV nicht vorläge, weil die Heizungsanlage nicht während der letzten drei Abrechnungszeiträume modernisiert worden sei. Dieser Ausnahmetatbestand greife nur dann, wenn mindestens ein ganzer Abrechnungszeitraum durchlaufen worden ist, was vorliegend aber nicht der Fall gewesen sei.

Des Weiteren sei auch die zweite Voraussetzung des § 556 c Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen der Ergänzungsregelung in Satz 2 dieser Vorschrift erfüllt. Die modernisierte Anlage, deren Werte zugrunde zu legen seien, erfülle mit ihrem Wirkungsgrad von 94,1 % die tatbestandliche Voraussetzung der verbesserten Betriebsführung.

Gegen dieses Urteil, das seinen Prozessbevollmächtigten am 20.02.2020 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit am 17.03.2020 eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit am 19.05.2020 eingegangen Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Amtsgericht über die substantiiert und unter Beweisantritt bestrittene Behauptung der Beklagten, die neue Anlage verfüge über einen Wirkungsgrad von mindestens 80 % Beweis hätte erheben müssen. Die Nichterhebung dieses Beweises sei verfahrensfehlerhaft unterblieben.

Das Amtsgericht habe den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 WärmeLV verkannt. Der Kostenneutralitätsvergleich bei der Umstellungsankündigung vom 16.03.2016 sei vorliegend gescheitert. Der Jahresnutzungsgrad und die Verbrauchswerte müssten bei der Ermittlung der Wärmelieferkosten naturgemäß ausschließlich für die Neuanlage bestimmt werden. Damit werde eine Doppelbelastung der Mieter vermieden, sofern der Vermieter die Modernisierungskosten gemäß § 559 BGB geltend mache und anschließend die Wärmelieferung gewerblich in Form des Betriebsführungscontractings durchführen lasse.

Die Vorgehensweise der Beklagten, die ausgewählten Zeiträume für die Betriebskostenabrechnung zugrunde zu legen, sei rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Bremen vom 18.02.2020 zum Az. 18 C 200/19 die Beklagte gemäß seinen Anträgen aus der Klageschrift vom 20.08.2019 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, das Urteil des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden. Richtig sei die Annahme, wonach die Zulässigkeit der Umstellung auf das Wärme-Contracting im vorliegenden Fall an § 9 Abs. 1 WärmeLV und nicht § 9 Abs. 2 WärmeLV zu messen sei. Dies entspreche auch dem Willen des Verordnungsgebers, da er bewusst darauf abgestellt habe, dass Verbräuche und Kosten der Neuanlage regelmäßig nur vorlägen, wenn ein Abrechnungszeitraum in Gänze durchlaufen wurde. Für eine Analogie sei mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum. Durch die Formulierung in der Verordnungsbegründung „(…) Diese werden nur dann vorliegen, wenn zumindest ein Abrechnungszeitraum in Gänze durchlaufen wurde.“ habe der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass er sich der prinzipiellen Möglichkeit der hier eingetretenen Situation bewusst gewesen sei. Der Verzicht auf eine entsprechende Regelung sei daher bewusst zugunsten der Praktikabilität im Zusammenhang mit der (theoretischen) Ermittlung der Verbrauchswerte der Neuanlage getroffen worden.

Eine doppelte Benachteiligung des Klägers scheide auch aus, da – was unstreitig ist – die neue Heizungsanlage auch Warmwasser bereite und er dadurch finanziell entlastet werde. Sein Vortrag, wonach die Heizkosten sich erhöht hätten, sei deshalb falsch.

Mit Beschluss vom 23.09.2020 hat die Kammer den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils auf Seite 4, letzter Absatz, Satz 2 dahingehend korrigiert, dass der Jahresnutzungsgrad mit 87,77 % angegeben wird.

II.

Die Berufung hat im tenorierten Umfang Erfolg.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511 ff. ZPO.

a) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der mit dem Klagantrag zu 1) begehrten Feststellung, dass die Umstellung auf Wärme-Contracting unwirksam ist. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 2015, 873 Rn. 29; BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 256 Rn. 20). Vorliegend besteht Unsicherheit, ob die Beklagte im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben die Wärmeversorgung auf Wärme-Contracting umgestellt hat und der Kläger dadurch zur Kostentragung verpflichtet ist. Dies wiederum hat zur Folge, dass Unklarheit über die Art und Höhe der vom Kläger zu zahlenden Heizkosten besteht. Durch die begehrte Feststellung können die zwischen den Parteien in Streit stehenden Unwägbarkeiten beseitigt werden, indem geklärt wird, ob die Umstellung auf das Wärme-Contracting wirksam ist und der Kläger die Kosten der Wärmelieferung als Betriebskosten zu tragen hat.

b) Der Klagantrag zu 2) ist nur soweit zulässig, wie die Beklagte verurteilt werden soll, über die Abrechnungszeiträume 2016, 2017 und 2018 neue Abrechnungen zu erstellen. Hinsichtlich der begehrten Verurteilung für künftige Abrechnungen fehlt dem Kläger das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

2.

Die Berufung ist zum Teil begründet. Das Urteil des Amtsgerichts vom 18.02.2020 war aufzuheben und wie tenoriert zu entscheiden, da das Urteil auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung und damit auf einer Rechtsverletzung beruht, §§ 513, 546 ZPO.

a) Es war wie beantragt festzustellen, dass die Umstellung der Heizkostenabrechnung auf Wärme-Contracting unwirksam ist.

Die Umstellung auf das Wärme-Contracting mit Ankündigung vom 16.03.2016 ist nicht wirksam, weil der in der Umstellungsankündigung angestellte Kostenneutralitätsvergleich auf unrichtigen Verbrauchswerten fußt. Dadurch ist nicht dargelegt, dass die Kosten der Wärmelieferung die Betriebskosten für die bisherige Eigenversorgung mit Wärme nicht übersteigen, § 556 c Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Die Ermittlung der bisherigen Betriebskosten erfolgt im vorliegenden Fall nicht anhand von § 9 Abs. 1 WärmeLV, maßgeblich ist vielmehr § 9 Abs. 2 WärmeLV. Dem Amtsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, als eine direkte Anwendbarkeit von Absatz 2 nicht in Betracht kommt, weil der Wortlaut der Vorschrift eine unmittelbare Anwendung im vorliegenden Fall nicht zulässt. Die Heizungsanlage ist nämlich nicht während der letzten drei Abrechnungszeiträume modernisiert worden.

Die Ermittlung der Betriebskosten hat hier jedoch analog § 9 Abs. 2 WärmeLV auf Grundlage der Verbrauchswerte der modernisierten Anlage zu erfolgen. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung sind gegeben. Eine Analogie ist die Übertragung der für einzelne bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand, von dem angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung nach den Grundsätzen, von denen er sich bei Erlass der herangezogenen Normen hat leiten lassen, zum gleichen Ergebnis gekommen wäre. Sie überschreitet die Grenze des möglichen Wortsinns und setzt eine gesetzliche planwidrige Regelungslücke voraus (Palandt/Grüneberg BGB, 80. Auflage 2021, Einleitung Rn. 48).

Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor.

aa) Regelungslücke

Die Regelung in § 9 WärmeLV ist lückenhaft. Absatz 2 der Norm bezieht sich seinem direkten Wortlaut nach nur auf Sachverhalte, in denen der Vermieter die Heizungsanlage vor dem Übergabepunkt während der letzten drei Abrechnungszeiträume modernisiert hat, und nicht – wie hier – im laufenden Verbrauchszeitraum. Im Ankündigungszeitpunkt (16.03.2016) waren im Einklang mit der vertraglichen Regelung zur Abrechnung der Nebenkosten die Zeiträume 2011-2012, 2012-2013, 2013-2014 abgerechnet. Die Modernisierung der Anlage hat erst im September 2015 stattgefunden. Dementsprechend war der Abrechnungszeitraum für 2015-2016 nicht durchlaufen und demzufolge auch nicht abgerechnet. Für Konstellationen, in denen die Modernisierung der Anlage während eines laufenden bzw. noch nicht abgerechneten Zeitraums, aber vor Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung stattgefunden hat, existiert keine gesetzliche Regelung. Die Formulierung in der Norm „(…) während der letzten drei Abrechnungszeiträume (…)“ schließt eine laufende oder noch nicht abgerechnete Abrechnungsperiode nicht ein. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 1 WärmeLV, der den gesetzlichen Regelfall darstellt, spricht explizit von den letzten drei Abrechnungszeiträumen, die gegenüber dem Mieter abgerechnet worden sind. Die Regelung in Absatz 2 schließt gedanklich an diese Vorgaben an und erweitert diese lediglich um einen Ausnahmetatbestand.

bb) Planwidrigkeit

Die Lücke ist planwidrig. Der Verordnungsgeber hat nach Auffassung der Kammer die hier eingetretene Situation nicht bewusst ungeregelt gelassen, wodurch im vorliegenden Fall nur der Anwendungsbereich von § 9 Abs. 1 WärmeLV übrigbliebe.

Aus der Begründung zur Verordnung ist nicht eindeutig ersichtlich, ob der Verordnungsgeber die hier streitgegenständliche Situation erkannt hat. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Abgeordnetenanfrage zur Drucksache 19/15366 vom 09.01.2020 liefert keine nachträglichen Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, ob die Lücke bei Erlass erkannt wurde. Die Bundesregierung teilt zu etwaig beabsichtigten Anpassungen der WärmeLV lediglich mit, sie werde die Evaluierungsergebnisse der WärmeLV abwarten und danach prüfen, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht (BT-Drs. 19/16437, Seite 6).

Gegen die Planwidrigkeit spricht der in der Verordnungsbegründung enthaltene Hinweis zu § 9 Abs. 2 WärmeLV im Zusammenhang mit repräsentativen Verbrauchswerten der neuen Anlage: „Diese werden nur dann vorliegen, wenn zumindest ein Abrechnungszeitraum in Gänze durchlaufen wurde.“ Damit sind die Verbräuche und Kosten der Neuanlage gemeint, die nach Ansicht des Verordnungsgebers nur nach durchlaufenem Abrechnungszeitraum vorlägen (BAnz AT, Bekanntmachung vom 20.06.2013 zu § 9 WärmeLV). Soweit dadurch auf das Vorhandensein von brauchbaren Werten erst nach Ablauf einer Abrechnungsperiode abgestellt wird, ist es möglich, dass der Verordnungsgeber auch an die Situation „mitgedacht“ hat, in der ein solcher Zeitraum noch nicht verstrichen ist.

Diese Erwägungen greifen aber letztlich nicht durch. Mit Ausnahme des zitierten Satzes finden sich in der Verordnungsbegründung keine zusätzlichen Hinweise, die auf ein bewusstes Nichtregeln dieser Konstellation schließen lassen.

Aus Sicht des erkennenden Gerichts sprechen dagegen gewichtigere Indizien dafür, dass der Verordnungsgeber die Regelungslücke nicht erkannt hat. Das kommt in der Zwecksetzung, wie sie in der Verordnungsbegründung formuliert wird, deutlich zum Ausdruck.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass durch die Umstellung der Wärmebelieferung auf Wärme-Contracting die ursprünglich vertraglich vereinbarte Wärmelieferung einseitig durch den Vermieter auf gewerbliche Versorgung abgeändert wird (vgl. Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 556c Rn. 6). Hierdurch wird der Mieter – unabhängig von wirtschaftlichen Vor- oder Nachteilen – zu einer Änderung des Mietvertrages gezwungen. Diese dem BGB grundsätzlich fremde Art der einseitigen Vertragsänderung beeinträchtigt den Grundsatz der Privatautonomie und greift dadurch in das Grundrecht der Mieter aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Für eine derartige Durchbrechung der Privatautonomie bedarf es daher einer besonderen Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung liegt hier in den miet- und umweltpolitischen Zwecken des § 556 c BGB. Hintergrund der gesetzlichen Regelungen zur Umstellung auf das Wärme-Contracting (§§ 556 c BGB, WärmeLV) ist der gesetzgeberische Wille, die Energieeffizienz von Heizungsanlagen im Wohnungsbestand zu verbessern (Schmidt-Futterer/Lammel BGB § 556c Rn. 1). Gleichzeitig sollte die energetische Sanierung der Wärmeversorgungsanlagen jedoch in angemessener Weise die jeweiligen Interessen der Beteiligten berücksichtigen (BT-Drs. 17/10485, Seite 23). Diese Zielsetzung schlägt sich auch im gesetzlich normierten Auftrag an den Verordnungsgeber in § 556 c Abs. 3 Satz 2 BGB nieder, wonach die Belange von Vermietern, Mietern und Wärmelieferanten angemessen zu berücksichtigen sind. Die Sanierungsziele sollten demnach nicht um jeden Preis gefördert, sondern in einen angemessenen Ausgleich zu den Mieterinteressen gebracht werden.

Diese Intention findet u.a. ihren Niederschlag in § 9 Abs. 2 WärmeLV. Der Regelung liegt die Zielsetzung zugrunde, Doppelbelastungen für den Mieter zu vermeiden. Eine Doppelbelastung entsteht nach Ansicht des Verordnungsgebers bei einer vorangegangenen Anlagenmodernisierung und der Umlegung der Modernisierungskosten auf den Mieter (§ 559 BGB) und der anschließenden Umstellung auf das Wärme-Contracting (BAnz AT, Bekanntmachung vom 20.06.2013 zu § 9 WärmeLV). In einem solchen Fall sollen nur die Werte der neuen Anlage herangezogen werden (BAnz AT, Bekanntmachung vom 20.06.2013 zu § 9 WärmeLV).

Der Gesetzgeber hat damit den in der Umstellung auf Wärme-Contracting bestehenden Konflikt zwischen den jeweiligen Parteiinteressen gesehen und daher auch die Wirksamkeit der Umstellung an strenge Voraussetzungen geknüpft. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang die die Mieterinteressen schützende Wahrung der Kostenneutralität gem. § 556 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB. Dementsprechend war der Verordnungsgeber gehalten, bei Erlass der Regelungen zur Berechnung der Kostenneutralität primär die Interessen des Mieters zu berücksichtigen und zu schützen. Seinen Auftrag hat der Verordnungsgeber erkannt, da er auf die Vermeidung von Doppelbelastungen ausdrücklich hingewiesen hat. Auch die Sonderfallstellung des Absatz 2 war dem Verordnungsgeber bewusst, weil er in der Begründung ausführt, dass die Heranziehung der Verbrauchswerte der alten Anlage für den Kostenneutralitätsvergleich untauglich ist. Es kann daher auch nicht im Interesse und in der Vorstellung des Normgebers gewesen sein, eine Situation zu billigen, die einen Kostenneutralitätsvergleich auf der Basis von Werten ermöglicht, die nicht mehr repräsentativ sind. Die Verordnungsbegründung formuliert deutlich, dass die Verbräuche und Kosten der Neuanlage herangezogen werden müssen, wenn erst kurz vor Umstellung auf Wärmelieferung eine Anlagenerneuerung stattgefunden hat (BAnz AT, Bekanntmachung vom 20.06.2013 zu § 9 WärmeLV). Eine hinreichende Wahrung der Mieterinteressen kann bei der Ermittlung der Kostenneutralität daher nur dann erreicht werden, wenn Vergleichswerte herangezogen werden, die eine repräsentative Abbildung der aktuellen Verbrauchssituation enthalten. In Anbetracht dieses Regelungsziels ist nicht vorstellbar, dass der Verordnungsgeber sich bei Realisierung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gegen eine dies berücksichtigende Regelung entschieden hätte. Die hiesige Konstellation kann vom Verordnungsgeber auch nicht etwa als hinnehmbares Zufallsrisiko gewertet worden sein, weil die Situation stets einseitig durch den Vermieter herbeigeführt werden kann, indem dieser die Modernisierung und Umstellung kurzfristig nacheinander vornimmt.

Für die Planwidrigkeit spricht weiterhin der in der Praxis sehr seltene Eintritt dieser Situation. Denn der Regelfall bei der Umstellung ist die Erneuerung der Anlage im Zuge der Umstellung durch den Wärmelieferanten (MüKoBGB/Zehelein BGB § 556c Rn. 14, BT-Drs. 17/10485, Seite 23). Insoweit ist es naheliegend, dass der Verordnungsgeber diesen Ausnahmefall deshalb nicht geregelt hat, weil er aufgrund seiner Seltenheit unerkannt geblieben ist.

cc) Vergleichbare Interessenlage

Es besteht eine vergleichbare Interessenlage. Hätte der Verordnungsgeber die Lücke in der Anwendbarkeit der Verordnung erkannt, so wäre er ihr durch entsprechende Ergänzungsregelungen entgegengetreten.

Aus der Verordnungsbegründung zu § 9 Abs. 2 WärmeLV ergibt sich bereits die Wertung, wonach im Falle der zeitlich eng zusammenhängenden Modernisierung und Umstellung eine Doppelbelastung der Mieter vermieden werden soll. Dieser Zweck kann jedoch in Konstellationen wie der vorliegenden nur dann erreicht werden, wenn die Wirksamkeit der Umstellung an einen Kostenneutralitätsvergleich geknüpft wird, der relevante Verbrauchswerte zum Gegenstand hat. Dass der Mieter in diesem Fall einen tatsächlich spürbaren wirtschaftlichen Nachteil erleidet, ist nicht erforderlich. Die vom Verordnungsgeber benannte Doppelbelastung resultiert bereits aus der Umstellung selbst, weil dadurch sein Recht auf Privatautonomie beschnitten wird (s.o.).

Die analoge Anwendung von § 9 Abs. 2 WärmeLV ist auch nicht unbillig, weil der Vermieter es einzig und allein in der Hand hat, wie und wann er die Modernisierung und Umstellung vornimmt. Er kann somit eigenständig entscheiden, ob er den Anwendungsbereich von Absatz 1 oder 2 der WärmeLV eröffnen möchte. Insoweit liegt es dann in seinem alleinigen Verantwortungsbereich nach Modernisierung brauchbare Werte der neuen Anlage zu ermitteln und in den Kostenneutralitätsvergleich einzustellen. Etwaige Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Werte, sei es, weil aussagekräftige Zahlen wegen des kurzen Betriebs noch nicht vorliegen, oder weil die Anlage erst einreguliert werden muss, gehen dann zu seinen Lasten. Denn wie bereits gezeigt, obliegt es seiner Entscheidung, ob und wann die Umstellung erfolgt und dadurch ob diese Schwierigkeiten überhaupt auftreten. Soweit die Beklagte anführt, durch die analoge Anwendung von § 9 Abs. 2 WärmeLV würden Unschärfen durch andere Unschärfen ersetzt, so ist dem nicht zu folgen. Die Unwägbarkeiten bei der Ermittlung (theoretischer) Verbrauchswerte für die modernisierte Anlage lassen sich durch die Wahl des Umstellungs- bzw. Modernisierungszeitpunktes vermeiden.

Jedenfalls können sie nicht zulasten des Mieters gehen, weil dieser weder die Modernisierung der Anlage noch die Umstellung auf das Wärme-Contracting zu verantworten hat. Die Nichtanwendung von Absatz 2 würde in diesem Fall untragbare, mit dem Verordnungszweck nicht zu vereinbarende, Ergebnisse herbeiführen. Denn der Vermieter wäre in der Lage durch geschickte Wahl der Umstellungs- und Modernisierungszeitpunkte die gesetzliche Wertung von § 9 Abs. 2 WärmeLV zu umgehen und unter Vereitelung des Normzwecks die Wirksamkeit der Umstellung auf der Basis eines hinkenden Kostenneutralitätsvergleichs herbeizuführen.

b) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstellung neuer Heizkostenabrechnungen aus § 556 Abs. 3 BGB, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. In Fällen, in denen Abrechnungen über Nebenkosten bereits erstellt worden sind, kann eine Neuanfertigung nur in bestimmten Ausnahmefällen verlangt werden. Ist die Abrechnung formell richtig, kann der Mieter im Regelfall keine neue Abrechnung verlangen. Enthält die Abrechnung inhaltliche Fehler, die der Mieter nicht selbst korrigieren kann, weil ihm die zur Berechnung der richtigen Abrechnungswerte erforderlichen Bezugsdaten fehlen, kann ein Anspruch auf Neuerstellung bestehen (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, 14. Aufl. 2019, BGB § 556 Rn. 279). Dieser Ausnahmefall ist vorliegend indes nicht einschlägig.

Rechtsfolge der gescheiterten Umstellung auf Wärme-Contracting ist, dass der Vermieter nur die Kosten für den tatsächlichen Verbrauch vom Mieter verlangen kann (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 556c Rn. 20, m.w.N.). Wie hoch der reine Energieverbrauch für die betroffenen Abrechnungsperioden war, ist aus den Nebenkostenabrechnungen ersichtlich (vgl. Seite 3 der Abrechnung vom 29.05.2018, Bl. 126 ff. d.A.). Der Kläger kann daher ohne weiteres ausrechnen, wie hoch sein Anteil für die Heizkosten in der jeweils betroffenen Abrechnungsperiode ist. Dass ihm dies nicht möglich wäre, hat er im Übrigen auch nicht vorgetragen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts, weil der Einzelfall Veranlassung gibt, Gesetzeslücken auszufüllen und richtungsweisende Orientierungshilfen zur rechtlichen Beurteilung fehlen. Es existieren keine veröffentlichten oberlandesgerichtlichen Entscheidungen oder des Bundesgerichtshofes zur Auslegung und Anwendung von § 9 WärmeLV.

5.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 1.621,59 EUR (1.182,51 EUR für den Klagantrag zu 1) und 439,08 EUR für den Klangantrag zu 2).

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