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Mieterhöhung – Fahrradabstellplätze wohnwerterhöhend?

AG Schöneberg – Az.: 5 C 53/18 – Urteil vom 24.09.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) schlossen mit der G. GmbH einen schriftlichen Mietvertrag vom 7. März 2012 über die in den C. in … B. gelegene Wohnung bestehend aus 4 Zimmern nebst Bad mit WC, Küche, Speisekammer, Flur, Keller mit einer Fläche von 112 qm. Wegen des Inhaltes und der Einzelheiten des schriftlichen Mietvertrages wird auf Blatt 4-8 der Akten Bezug genommen. Die Klägerin ist aufgrund der Ausgliederung von Teilen des Vermögens der ursprünglichen Vermieterin nach dem Umwandlungsgesetz jetzige Vermieterin geworden. Die Größe der Wohnung beträgt 111,16 m2. Die Wohnung ist mit einer Sammelheizung, einem Bad und einem Innen-WC ausgestattet. Das Mehrfamilienhaus ist in der Zeit zwischen 1919 und 1949 errichtet worden und befindet sich ausweislich des Berliner Mietspiegels in guter Wohnlage. Ausweislich des Übergabeprotokolles vom 21. Juni 2012 ist die Küche mit einem Spülbecken übergeben worden. In der Wohnung ist ein wandhängendes WC mit in der Wand eingelassenem Spülkasten ebenso wie ein Strukturheizkörper als Handtuchwärmer vorhanden. Die Wohnung liegt besonders ruhig.

Mit Schreiben vom 25. September 2017 begehrte die Klägerin die Erhöhung der Nettokaltmiete von derzeit 889,28 € um 35,57 € auf 924,85 € monatlich ab dem 1. Dezember 2017. Wegen des Inhaltes und der Einzelheiten des Mieterhöhungsverlangens wird auf Blatt 10-14 der Akten Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, das Mieterhöhungsverlangen sei von der zuständigen Hauswartin, der Zeugin L. am 29. September 2017 in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen worden. Die Fahrradabstellmöglichkeiten befänden sich nicht nur in dem vorhandenen Fahrradabstellraum, sondern auch auf dem ganzen Grundstück. Für die 242 Wohneinheiten stünden 115 Fahrradabstellmöglichkeiten zur Verfügung. Es handele sich bei der Wohnsiedlung um ein Gartendenkmal mit einem aufwendig gestalteten Wohnumfeld und die Gebäude selbst stünden unter Denkmalschutz, so dass es unmöglich sei, einen Balkon anzubringen. Das Treppenhaus sei in einem ordentlich gepflegten Zustand.

Mieterhöhung - Fahrradabstellplätze wohnwerterhöhend?
(Symbolfoto: Von Number 6/Shutterstock.com)

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die in den C. in … B. gelegenen Wohnung von bisher 889,28 € um 35,57 € auf 924,85 € pro Monat mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2017 zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Wohnlage sei nicht gut sondern einfach. Das Erhöhungsverlangen sei nicht im September 2017 zugegangen. Ein abschließbarer Fahrradabstellraum innerhalb oder außerhalb des Gebäudes sei nicht gegeben, da der Fahrradabstellraum unzureichend dimensioniert sei. Der Fahrradabstellraum diene den Bewohnern eines ganzen Wohnblocks, und zwar den Hausnummern 40-53, T. Straße 2-3 und R. Straße 14-38. Ein aufwändig gestaltetes Wohnumfeld sei ebenfalls nicht gegeben, die Grünanlage zwischen den Häusern bestehe aus einer einfachen Rasenfläche, die vereinzelt mit Bäumen bestanden sei. Blumenbeete fehlten ebenso wie Sitzgelegenheiten. Im übrigen dürfe die Rasenfläche nicht betreten werden. Die gepflasterten Wege seien uneben und ungepflegt. Die Grünanlage mache einen lediglich sehr einfachen Eindruck. Ein Kinderspielplatz sei ebenfalls nicht vorhanden. Die energetische Ausstattung und Beschaffenheit der Wohnung sei im übrigen unzureichend. Die Wohnung liege im Hochparterre und sei fußkalt. Die Gastherme stamme aus dem Jahr 1994 und der Gasverbrauch sei erhöht. Die Heizungsrohre lägen über Putz, die Heizkörper seien alt, die Wasserleitungen lägen ebenfalls über Putz. In Küche und Bad seien Kunststofffenster verbaut, die deutliche Alterungsspuren aufwiesen und nur eine schlechte Wärmedämmung böten. Auch die Kastendoppelfenster würden unzureichend schließen und Zugluft durchlassen. Die Wohnung verfüge auch nicht über einen Balkon. Nach einem Wasserschaden seien teilweise anders farbige und sehr weiche Kiefernbohlen im Flur verlegt worden. Die Zimmertüren schlössen ungenügend und wiesen erhebliche Spalten auf, Schlüssel seien nicht vorhanden. In der Küche blättere die Farbe über dem Fenster ab. Auch der Farbanstrich an den Türen Teil mangelhaft, die Türbeschläge seien teilweise überstrichen. In der Küche seien auch unterschiedliche Wandfliesen angebracht. Bei Einzug sei eine Spüle nicht vorhanden gewesen. Die vorhandenen Fahrradabstellplätze auf dem Grundstück seien völlig unzureichend. Das Treppenhaus befinde sich in einem überwiegend schlechten Zustand. Renovierungsmaßnahmen seien seit vielen Jahren nicht durchgeführt worden. Auch die Hauseingangstür schließe nicht richtig ab und bestehe aus einer Pressspanplatte. Neben der Wohnungseingangstür sei ein Stück Putz aus der Wand gebrochen.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24.9.2018, auf den wegen der Einzelheiten und des Inhaltes auf Blatt 68 der Akten Bezug genommen wird, durch die unendliche Vernehmung der Zeugen L. Wegen des Inhaltes und der Einzelheiten der Vernehmungsniederschrift wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 24.9.2018 Bezug genommen Blatt 68-70 der Akten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Die Klagefrist des § 558 b BGB ist gewahrt.

Die Klage ist indes unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zustimmungsanspruch zur Mieterhöhung gemäß § 558 BGB gegen die Beklagten von bisher 889,28 € um 35,57 € auf 924,85 € netto kalt nicht zu.

Gemäß § 558 Abs. 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird nach § 558 Abs. 2 BGB gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren. Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage, in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind. Das Gericht hat die ortsübliche Vergleichsmiete festzustellen und die Wohnung dann innerhalb der Spanne einzuordnen (vgl. BGH NJW 2005, 2074). Der Mietspiegel der Stadt Berlin ist zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen. Grundsätzlich wird gemäß § 558 d Abs. 3 BGB vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Unabhängig von der Frage, ob der Mietspiegel 2017 qualifiziert ist oder nicht, da zu dem Mietspiegel 2013 Entscheidungen ergangen sind, die die Qualifizierung in Frage stellen, kann der Mietspiegel 2017 in jedem Fall als einfacher Mietspiegel und damit als Schätzungsgrundlage herangezogen werden.

Das Mieterhöhungsverlangen datiert vom 25.09.2017 und ging den Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass das Mieterhöhungsverlangen noch im September zugegangen ist. Die Zeugin L. hat glaubhaft bekundet, dass sie die entsprechenden Erhöhungsverlangen in die Hausbriefkästen eingelegt hat. Sie weiß genau wer, wo in dem Haus wohnt, da sie schon sehr lange mit der Betreuung dieses Hauses als Hauswartsfrau beschäftigt ist. Das Erhöhungsverlangen begegnet formell keinen Bedenken.

Nach dem Berliner Mietspiegel 2017 ist die Wohnung in das Mietspiegelfeld L 2 einzuordnen, welches einen Unterwert von 5,35 €/qm netto kalt, einen Mittelwert von 6,65 €/qm und einen Oberwert von 9,50 €/qm netto kalt ausweist.

Die Einordnung der Wohnung in den einzelnen Merkmalsgruppen führt zu folgendem Ergebnis:

Die Merkmalsgruppe 1 (Bad/WC) ist unstreitig positiv einzuordnen.

Die Merkmalsgruppe 2 (Küche) ist neutral zu werten. Die Wohnung war bei Anmietung mit einer vermieterseitigen Einbauspüle ausgestattet, wie sich aus dem Übergabeprotokoll ergibt.

Die Merkmalsgruppe 3 (Wohnung) ist neutral.

Soweit sich die Beklagten darauf berufen, die Heizungsrohre lägen über Putz ebenso wie die Wasserleitungen, begründet dies ein wohnwertminderndes Merkmal nicht. Der Mietspiegel sieht in der Merkmalsgruppe 3 als Merkmal wohnwertmindernd die „Be- und Entwässerungsinstallation überwiegend auf Putz“ vor. Einen konkreten Sachvortrag dahingehend, wo die Be- und Entwässerungsinstallationen auf Putz liegen sollen, bleiben die Beklagten schuldig. Damit sind im übrigen auch nicht die Heizungsrohre gemeint, sondern die Abflussrohre und die Frischwasserrohre. Dass die Wohnung nicht über einen Balkon verfügt, stellt sich vorliegend nicht als wohnwertmindernd dar, da die Gebäude unter Denkmalschutz stehen, welches einen nachträglichen Balkonanbau verbietet. Weitere Negativmerkmale tragen die Beklagten nicht vor. Soweit die Beklagten die andersfarbigen Dielen im Flur nach einem Wasserschaden beklagen oder die unzureichende Abdichtung der Fenster, so handelt es sich hierbei um behebbare Mängel, die im Mieterhöhungsprozess keinerlei Rolle spielen.

Die Merkmalsgruppe 4 (Gebäude) ist neutral einzuordnen. Zwar berufen sich die Beklagten auf eine Gastherme mit erhöhten Verbrauch, dies erfüllt jedoch nicht ein wohnwertminderndes Merkmal. Eine Heizungsanlage mit ungünstigen Wirkungsgrad wird damit nicht dargetan. Soweit die Beklagten behaupten, es fehle an einer Wärmedämmung, bleibt die Klägerin hier jeden substantiierten Vortrag schuldig, inwieweit das Gebäude eine Wärmedämmung besitzt beziehungsweise baukonstruktiv die Wände ausreichend wärmegedämmt sind. Soweit die Beklagten behaupten, dass Treppenhaus beziehungsweise der Eingangsbereich sei in einem überwiegend schlechten Zustand, bleiben die Beklagten hier den substantiierten Vortrag schuldig. Die vorgelegten Lichtbilder lassen zwar kleinere Putzabplatzungen erkennen und auch an den Treppenstufen fehlenden Anstrich, dies allein rechtfertigt indes nicht einen überwiegend schlechten Zustand des Treppenhauses zu begründen. Dem wohnwertmindernden Merkmal der fehlenden Wärmedämmung steht das positive Merkmale der Fahrradabstellplätze mit Anschließmöglichkeit außerhalb des Gebäudes auf dem Grundstück gegenüber. Soweit die Parteien über den Fahrradabstellraum streiten, kann dahingestellt bleiben, ob es sich um einen leicht zugänglichen Fahrradabstellraum von ausreichender Größe handelt. Jedenfalls befinden sich auf dem Grundstück 115 Fahrradabstellplätze. Im Verhältnis zu den vorhandenen 242 Wohneinheiten liegt zwar keine eins zu eins Versorgung vor, dies wird vom Mietspiegel jedoch auch nicht verlangt. Angesichts der vorhandenen Abstellplätze ist das wohnwerterhöhende Merkmal gegeben. Demzufolge bleibt die Merkmalsgruppe vier neutral, da sich zwei Merkmale gegenüberstehen.

Die Merkmalsgruppe 5 (Wohnumfeld) ist indessen positiv zu werten. Dabei kann unentschieden bleiben, ob das das Wohnumfeld aufwändig gestaltet ist. Unstreitig liegt die streitbefangene Wohnung in eine besonders ruhige Lage. Damit ist die Merkmalsgruppe fünf positiv.

Unter Verrechnung der Merkmalsgruppen untereinander ergibt sich ein Zuschlag von 40 % des oberen Spannenwertes. Dies ergibt einen Zuschlag von 1,14 € zum Mittelwert von 6,65 €‚ mithin eine ortsübliche Nettokaltmiete von 7,79 €/qm netto kalt.

Dies ergibt bei einer Wohnungsgröße von 111‚16 qm eine Nettokaltmiete von 865,93 €. Die Beklagten entrichten indes bereits 889,28 €‚ so dass das Erhöhungsverlangen nicht begründet ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11‚ 711 ZPO.

Der Streitwert ist auf den 12fachen begehrten Erhöhungsbetrag festzusetzen, mithin auf 424,44 €.

 

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