AG München – Az.: 414 C 22911/18 – Urteil vom 11.06.2019
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 53.661,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger machen als ehemalige Mieter der Beklagten einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 555 a Abs. 3 B BGB sowie Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB als Kündigungsfolgeschaden nach einem von einem Dritten verursachten Brandereignis geltend.
Die Kläger mieteten ab 1. Februar 2013 bei den Beklagten gemäß Mietvertrag vom 20. Dezember 2012 (Anlage K 1) eine 6-Zimmerwohnung mit rund 165 Quadratmetern Wohnfläche im 3. Obergeschoss im …, zum Preis von monatlich 2.300,- € kalt. Die Wohnung liegt in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglieder die Beklagten sind. Gemäß Mietvertrag Anlage K 2 mit dem sie darüber hinaus einen Stellplatz im Außenbereich zum Preis von 60,- € monatlich an. Am 25. Dezember 2015 kam es aus einer über dem Mietgegenstand liegenden Wohnung zu einem Feuer, durch deren Bekämpfung auch die Wohnung der Kläger so stark beeinträchtigt wurde, dass sie insbesondere wegen der Löschwasserschäden unbewohnbar war. Die Hausverwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft organisierte zeitnah nach dem Brandereignis die Instandsetzungsarbeiten an Gebäude und der Mietwohnung über die Wohngebäudeversicherung. Die Beklagten verwiesen die Kläger bezüglich ihrer Ansprüche auf die Wohngebäudeversicherung. Die Parteien vereinbarten eine Aussetzung der Mietzahlungen bis zum Wiedereinzug der Mietwohnung sowie eine vorzeitige Rückzahlung der von den Klägern gestellten Mietkaution. Die Kläger zogen am 25.12.2015 zunächst in ein Hotel und machten in der späteren Folgezeit erhebliche Aufwendungen für Ersatzunterkunft gegenüber den Beklagten geltend, was diese mit Schreiben vom 2. Juni 2017 ablehnten. Ab 15. März 2016 mieteten die Kläger aufgrund des Vertrags vom 16. Januar 2016 eine Ersatzwohnung zum Preis von zunächst 2.900,- € monatlich kalt an (Anlage K 20). Anfang, April 2017 wurde den Beklagten von einem Handwerksunternehmen mitgeteilt, dass der Schlüssel zur Wohnung der Kläger abhandengekommen sei. Daraufhin ließen die Beklagten das Schloss zur Wohnungstür auswechseln und händigten 2 Schlüssel den Handwerkern aus. Die Kläger bekamen keinen dieser Schlüssel und wurden auch über den Schlossaustausch zunächst nicht informiert. Mit Schreiben vom 26. April 2017 ließen die Beklagten mitteilen, dass ab 1. August 2017 einen Wiederbezug der Mietwohnung möglich sei. Mit anwaltlichem Schreiben machten die Kläger ab Mai 2017 geltend, dass sie die von ihnen angemietete Wohnung betreten wollten, insbesondere zum Ausmessen für die neue Küche. Ihnen wurde von den Beklagten trotz Mahnung durch die Kläger kein Zutritt zur Wohnung gewährt. Die Kläger kündigten daraufhin mit Schreiben vom 6. Juni 2017 gegenüber den Beklagten außerordentlich das vorgenannte Mietverhältnis (Anlagen K 34 und 35) wegen verbotener Eigenmacht der Beklagten. Die Beklagten akzeptierten mit Schreiben vom 22.06.2017 die vorgenannte außerordentliche Kündigung der Kläger (Anlage K 36).
Die Kläger tragen im Wesentlichen vor:
Für den Zeitraum, 25. Dezember 2015 – 7. Juni 2017 hätten die Kläger für sich und ihre minderjährigen Kinder 61.084,25 € Aufwendungen gehabt, von denen 42.063,43 € ersparte Aufwendungen für Miete abzuziehen seien. Insoweit stehe den Klägern einen Aufwendungsersatz nach § 555 a Abs. 3 S. 1 BGB in Höhe von 19.021,22 € (Anlagen K 7 – K 20) zu. Ihre Aufwendungen seien angemessen und ihren Lebensumständen entsprechend gewesen. In dem Austausch des Schlosses zu Mietgegenstand liege eine verbotene Eigenmacht, die die Kläger zur Kündigung am 06.06.2017 nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt hätte. Insoweit müssten die Beklagten den Kündigungsfolgeschaden der Kläger tragen, der in Höhe von 9.440,- € aus der Differenz der Mieten für den Zeitraum 8. Juni 2017 – September 2018 bei einem Vergleich des zwischen den Parteien bestandenen Mietvertrages (Anlagen K 1 im K 2) sowie dem neuen Mietvertrag (Anlage K 20) bestünde.
Die Kläger beantragten zuletzt wie im Termin vom 29. Mai 2019 gemäß Schriftsatz vom 07. September 2018.
Der Beklagten beantragten Klageabweisung.
Sie haben im Wesentlichen vorgetragen:
Vor April 2017 hätten auch die Beklagten nicht gewusst, wann mit einem Wiederbezug der Mietwohnung zu rechnen sei. Wegen Unbewohnbarkeit der Wohnung habe das Mietverhältnis geruht. § 555 a Abs. 3 BGB sei von vornherein nicht anwendbar, da es schon an der Kausalität der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen fehle: Diese seien nicht durch die Instandsetzungsarbeiten entstanden, sondern durch den vorherigen Brand bzw. dessen Löschung. Die geltend gemachten Hotelkosten seien auch zu hoch. Die Beklagten würden insoweit auch nur verschuldensabhängig auf Schadenersatz haften, nicht jedoch verschuldensunabhängig auf Aufwendungsersatz. Zur Instandsetzung der Wohnung habe eine Verpflichtung der Kläger zur Räumung bestanden, und zwar bis zur Fertigstellung der Instandsetzungsarbeiten. Ein Betretungsverbot der Mietwohnung der Kläger sei von der Versicherung und den Handwerkern mitgeteilt worden, insbesondere auch weil dort Werkzeuge der Handwerker gelagert gewesen seien. Mit der späten Mitteilung der Kläger im Februar 2017 über ihre Aufwendungen hätten sie im Übrigen gegen § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, weil sonst den Beklagten die Möglichkeit der Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sowie der Mieterhöhung nach § 558 BGB zugestanden hätte.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf das schriftliche Parteivorbringen und das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 17. April und 29. Mai 2019 Bezug genommen. Das Gericht hat verschiedene Hinweise gegeben. Die vom Gericht vorgeschlagene gütliche Einigung ist nicht zustande gekommen.
Entscheidungsgründe
1) Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 29 a Abs. 1 ZPO und § 23 Nr. 1 GVG. Für den geltend gemachten Feststellungsanspruch besteht ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, weil nicht ersichtlich ist, dass die Kläger eine voll bezifferbare Leistungsklage erheben könnten.
2) Zum geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen nach § 555 a Abs. 3 BGB gemäß Anlagen K 7 – 20 in Höhe von € 19.021,22:
a) Den Klägern steht kein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für Unterkunft zu. Denn die Beklagten haben, wie das Gericht in den Terminen v. 17.04.2019 und 29.05.2019 den Klägern erläutert hat, zutreffend vorgetragen, dass die von den Klägern getätigten Aufwendungen adäquat kausal auf den Wohnungsbrand zurückzuführen sind, und nicht auf zeitlich danach vorgenommene Erhaltungsmaßnahmen i. S. von § 555 a Abs. 1 BGB. Zwar ist es richtig, dass zunächst unerheblich ist, auf welche Ursachen der zu behebende Schaden und die damit notwendige Erhaltungsmaßnahme zurückgeht (Schmidt-Futter, Mietrecht, 13. Auflage 2017, Rn 3 a. E zu § 555a BGB). Richtig ist auch, dass nach § 536 BGB bei Vorliegen eines Mietmangels wegen Störung des Äquivalenzverhältnisses auch ohne Verschulden des Mieters die Miete automatisch von Gesetzes wegen gemindert ist. Ein Vergleich zu einer wohnungseigentumsrechtlichen Vorschrift zeigt aber, dass doch eine wertende Betrachtung erforderlich ist. Nach § 14 Nr. 4 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, das Betreten und die Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; der hierdurch entstehende Schaden ist zu ersetzen. In seiner Entscheidung v. 16.11.2018 – V ZR 171/17 hat der BGH (Rn 11) deutlich gemacht, dass auch beim verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch nach § 14 Nr. 4 WEG nicht allein primär auf den Umstand geschaut werden darf, dass die WEG hier einen Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum behebt und deshalb ein Schaden beim Sondereigentümer entsteht. Vielmehr ist die davor liegende Situation und Ursache zu betrachten. Dort war es die durchgehende Unbewohnbarkeit der Wohnung aufgrund von Feuchtigkeit. Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist es die brandbedingte Unbewohnbarkeit. Ohne den Wohnungsbrand wären keine Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen worden. Es fehlt daher letztlich am Tatbestandsmerkmal „die der Mieter infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss…“. Der von den Klägern zitierten Entscheidung des AG Hamburg ist daher nicht zu folgen.
b) Hinzu komm, dass nach dem im Termin 17.04.2019 unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten nicht diese, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft Erhaltungsmaßnahmen durchführte(n), also ein Dritter. Haben die Kläger also schon keine Erhaltungsmaßnahmen der Beklagten geduldet, sondern solche der Wohnungseigentümergemeinschaft, scheidet § 555 a Abs. 3 BGB ebenfalls von vornherein aus. Genauso wie bei der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB eine solche nur in Betracht kommt, wenn der Vermieter Bauherr ist, nicht aber, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft handelt, weil der vermietende Eigentümer nur Kostenträger ist (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, a.a.O, Rn 30 zu § 559 BGB), ist der Umstand, wer die Erhaltungsmaßnahme vornimmt, auch bei § 555a BGB relevant. Da im vorliegenden Fall die Beklagten nur Kostenträger der von der Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführten Erhaltungsmaßnahme ist, scheidet der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch auch insoweit aus.
c) Weitere Anspruchsgrundlagen gegen die Beklagten sind nicht ersichtlich. Zutreffend haben die Beklagten vorgetragen, dass sie bei einem nach Vertragsschluss auftretenden Mangel gem. § 536 a Abs. 1 BGB nur haften, wenn entweder der Mangel wegen eines Umstandes, den die Beklagten zu vertreten haben, entstanden ist, oder wenn sie mit der Beseitigung des Mangels in Verzug sind. Ein diesbezügliches Handeln der Beklagten ist von den Klägern nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
3) Zum Antrag auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens in Höhe von € 9.440,- für den Zeitraum 8. Juni 2017 bis September 2018:
a) Zwar kann der Mieter, der zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund herausgefordert wird, weil ihm der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufgrund eines anfänglichen Mangels nicht gewährt oder wieder entzogen hat, auch für den kündigungsbedingten Schaden des Mieters im Weg der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung (§ 536 a Absatz 1 Alt. 1 BGB) Ersatz des Kündigungsfolgeschadens verlangen (BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15, Leitsatz 3).
b) Jedoch lagen, wie den Klägern ebenfalls am 17.04.2019 und 29.05.019 erläutert, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB am 06.06.2017 (Anlage K 34 und K 35) nicht vor. Nicht durch den Wohnungstürschlossaustausch der Beklagten ca. April 2017 wurde den Klägern der vertragsgemäße Gebrauch i. S. von § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB wieder entzogen, sondern durch das Handeln des Brandstifters. Und im Zeitpunkt des Schlossaustausches und dem danach erfolgten Verlangen der Kläger auf Zutritt zu ihrer Wohnung hätten die Kläger die Wohnung noch nicht wieder beziehen können, da ihre Wohnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht fertig saniert und damit noch nicht wieder bezugsfertig war. Im Zeitpunkt des Schlossaustausches April 2017 wurde daher der vertragsgemäße Gebrauch nicht „nicht rechtzeitig gewährt“. Auch im Kündigungszeitpunkt Anfang Juni 2017 war die Situation die Gleiche wie zuvor. Bezugsfertigkeit lag erst zum 01.08.2017 vor. Zwar hätten die Beklagten, wie diesen in vorgenannten Terminen vom Gericht erläutert, den Klägern Zutritt zur Wohnung gewähren müssen, als das Ende der Sanierung abzusehen war, damit die Kläger z. B. den Platz für die neue Küche ausmessen können. Dies ist jedoch ein Pflichtverletzung, die nur zum Schadenersatz nach § 280 BGB führen konnte, nicht jedoch zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ein anderer Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Aus der Entscheidung des BGH v. 13.06.2007 – VIII ZR 281/06 ergibt sich nichts anderes. Das Gleiche gilt für die von den Klägern genannte Entscheidung des OLG München v. 22.11.2019 – 32 U 1376/18. Aus Sicht der Kläger musste und durfte die Verweigerung des Zugangs zur Wohnung nicht auf eine treuwidrige Hinderung der Erreichung der Vertragszwecke der Kläger (insbesondere das Wohnen in der Mietwohnung) gewertet werden. Denn die Beklagten haben im April 2017 den Zutritt (nur) verweigert, weil die Wohnung noch nicht fertig renoviert war und weil ihnen nachvollziehbar von Seiten der Handwerker bzw. der Versicherung mitgeteilt worden war, dass noch Maschinen und Werkzeuge in der Wohnung lagerten und deshalb aus Haftungsgründen derzeit kein Zutritt gewährt werden sollte. Die Fotos Anlage B 14 zeigen einen solchen Zustand. Mag die Rechtsauffassung der Kläger auch falsch gewesen sein, dass das Mietverhältnis nach dem Brand aufgrund der Unbewohnbarkeit ruhte, so waren die Kläger doch verpflichtet, bis zur vollständigen Renovierung die Wohnung zu räumen und die Renovierung zu dulden. In diesem Rahmen kommt sogar in Betracht, dass ein Schlossaustausch während der Renovierungsarbeiten zulässig gewesen ist. Die Kläger hatte daher – entgegen ihrem Schreiben Anlage K 30 – damit bis zur vollständigen Sanierung der Wohnung keinen Anspruch auf Herausgabe des neuen Schlüssels, sondern nur das vorgenannte Betretungs- und Besichtigungsrecht. Jedenfalls zeigen doch die Schreiben der Beklagten v. 24.05.2019 und 02.06.2019 Anlagen B 16/17 (also noch vor der Kündigungserklärung der Kläger v. 06.06.2019) sowie das Erwähnen der Möglichkeit einer Mieterhöhung nach § 558 BGB, dass die Beklagten das Mietverhältnis fortsetzen wollten und nicht auf eine treuwidrige Beendigung durch Auszug der Kläger hinarbeiteten.
Es besteht kein Anspruch der Kläger auf Ersatz eines Kündigungsfolgeschadens aufgrund ihrer eigenen Kündigung v. 06.06.2017, die sich nur auf die von den Klägern behaupteten verbotene Eigenmacht stütze. Wegen § 569 Abs. 4 BGB sind andere Kündigungsgründe nicht von Bedeutung.
4) Zum Feststellungsantrag betreffend u.a. die Mietdifferenz als Kündigungsfolgeschaden: Besteht nach den vorgenannten Ausführungen zu 3) keine Anspruch auf Ersatz eines Kündigungsfolgeschadens dem Grunde nach, scheidet auch das Zusprechen des weitergehenden Feststellungsantrags aus.
Die Klage war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
6) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.
7) Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ff ZPO.