LG Hamburg: Mietminderung und Kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand
Das Landgericht Hamburg wies die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück, da kein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand des Beklagten vorlag. Grund dafür war eine gerechtfertigte Mietminderung aufgrund verschiedener Mängel in der Wohnung, einschließlich Lärmbelästigungen und dem Fehlen eines Badezimmerfensters sowie eines Wäschetrockenraums.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Berufung zurückgewiesen: Das LG Hamburg bestätigt das Urteil des Amtsgerichts.
- Kein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand: Der Beklagte hatte keinen rückständigen Betrag, der eine Kündigung rechtfertigen würde.
- Begründete Mietminderung: Mängel in der Wohnung rechtfertigten eine Mietminderung um 9%.
- Lärmbelästigungen: Regelmäßige Polizei-/Rettungsdiensteinsätze führten zu einer Beeinträchtigung des Mietgebrauchs.
- Mängel in der Wohnung: Das Fehlen eines Badezimmerfensters und eines Wäschetrockenraums waren relevante Mängel.
- Kein Verzicht auf Mietminderung: Der Beklagte verzichtete nicht auf sein Recht zur Mietminderung.
- Einzelfallentscheidung: Das Gericht betont, dass es sich um eine Entscheidung für diesen spezifischen Fall handelt.
- Kostenentscheidung: Die Klagepartei trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Übersicht
Mietrechtliche Auseinandersetzungen und ihre Konsequenzen
Im Bereich des Mietrechts sind Auseinandersetzungen zwischen Vermietern und Mietern an der Tagesordnung. Ein besonders häufiges Thema ist dabei die Mietminderung und deren Folgen, insbesondere wenn es um kündigungsrelevante Zahlungsrückstände geht. Solche Fälle landen oft vor Gericht, wo über die Rechtmäßigkeit von Mietminderungen und die daraus resultierenden Zahlungspflichten entschieden wird.
In dem uns vorliegenden Fall, behandelt das LG Hamburg einen solchen Konflikt, bei dem es um die Tragweite einer Mietminderung und die Frage geht, ob diese zu einem berechtigten kündigungsrelevanten Zahlungsrückstand geführt hat. Dieses Urteil könnte weitreichende Implikationen für Mieter und Vermieter haben, insbesondere in Bezug auf die Rechtsprechung bei Mietminderungen aufgrund von Wohnmängeln und die damit verbundenen Kosten für beide Parteien. Der Ausgang dieses Falles könnte somit präzedenzschaffend für zukünftige mietrechtliche Streitigkeiten sein. Lesen Sie weiter, um detaillierte Einblicke in die Urteilsfindung und deren Begründungen zu erhalten, die für Mieter und Vermieter gleichermaßen von Bedeutung sein könnten.
LG Hamburg entscheidet: Mieter darf wegen Mängel Mietminderung vornehmen
Die Kernaussage des Urteils des Landgerichts Hamburg (Aktenzeichen: 316 S 53/21) bezieht sich auf einen Mietstreit zwischen Vermieter und Mieter, der zu einer Klage führte. Ursächlich für die Auseinandersetzung waren diverse Mängel in der gemieteten Wohnung, die der Mieter als Begründung für eine Mietminderung anführte. Letztendlich kam das Gericht zu dem Schluß, dass diese Mietminderung legitim war und es demnach nicht zu einem kündigungsrelevanten Zahlungsrückstand kam.
Minderung der Miete aufgrund diverser Wohnungsdefizite
Im Falle der Wohnung gab es mehrere Mängel, die das Gericht als berechtigt für eine Mietminderung erkannte. Dazu gehörte das fehlende Fenster im Bad, der Verlust des Wäschetrockenraums und regelmäßige nächtliche Einsätze von Polizei und Rettungsdienst im nahegelegenen Gebäude. Laut § 536 Abs. 1 BGB war die Miete aufgrund dieser Umstände mindestens um neun Prozent gemindert. Hierbei stellte das Gericht fest, dass unabhängig von der vom Mieter geäußerten Zustimmung zum Fehlen des Badezimmerfensters, dieser nicht automatisch auf sein Recht auf Mietminderung verzichtet hat.
Mietminderung – wenn Lärm keinen Platz mehr findet
Lärm ist ein universelles Phänomen der Großstadt. Jedoch wird es dann zu einem Problem, wenn die Grenzen des Zumutbaren überschritten werden. In diesem Fall kamen Einsätze von Polizei und Rettungsdienst neben den angeführten Wohnungsmängeln hinzu, die im Durchschnitt mindestens zweimal monatlich auch in Nachtzeiten stattfanden. Das Gericht kam zu dem Schluß, dass derartige Lärmbelästigungen keineswegs als sogenannte „soziale Adäquanz“ betrachtet werden können, die in einer Großstadtlage einfach hingenommen werden müssen. Die Mietminderung aufgrund dieser Lärmbelästigungen wurde vom Gericht anerkannt.
LG Hamburg: Keine Revision zulässig!
Die Entscheidung des Gerichts in dieser Rechtssache ist einstimmig und endgültig. Das Gericht wies die Berufung der Klagepartei gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück und erklärte, dass eine Revision nicht zugelassen wird. Die Klagepartei wurde zudem dazu verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Schließlich wurde das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand im Mietverhältnis?
Ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand im Mietverhältnis bezieht sich auf eine Situation, in der ein Mieter seine Mietzahlungen nicht rechtzeitig oder in voller Höhe leistet. Dieser Verstoß gegen die Pflichten aus dem Mietvertrag kann den Vermieter berechtigen, das Mietverhältnis zu kündigen.
In Deutschland ist die Kündigung wegen Zahlungsverzugs im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Dies ist der Fall, wenn der Mieter mit der Miete für zwei aufeinanderfolgende Termine in Verzug ist und der Rückstand die Miete für einen Monat übersteigt, oder wenn der Mieter über einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Miete in Verzug ist und der Rückstand die Miete für zwei Monate erreicht.
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und den wichtigen Grund für die Kündigung angeben. Im Falle des Mietzahlungsverzugs muss die Höhe des Zahlungsrückstandes begründet werden. Es ist auch wichtig, dass der Vermieter den Mietzahlungsverzug als Kündigungsgrund benennt und den Gesamtbetrag des Mietrückstandes beziffert.
Es ist auch zu erwähnen, dass die fristlose Kündigung unwirksam wird, wenn der Mieter den ausstehenden Mietzins unverzüglich nach Erhalt der Kündigung begleicht. Das gleiche gilt, wenn er innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage die fehlenden Beträge zahlt.
Es ist auch möglich, dass der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich kündigt, wenn der Mieter mit der Miete in Verzug ist. In diesem Fall muss der Vermieter eine Kündigungsfrist einhalten. Die ordentliche Kündigung bleibt wirksam, auch wenn der Mieter den ausstehenden Mietzins nach Erhalt der Kündigung begleicht.
Es ist zu erwähnen, dass die Kündigung wegen Zahlungsverzugs immer die Beendigung des gesamten Mietverhältnisses betrifft. Teilkündigungen hinsichtlich bestimmter/einzelner Flächen des angemieteten Vertragsobjektes sind unzulässig.
Das vorliegende Urteil
LG Hamburg – Az.: 316 S 53/21 – Beschluss vom 30.12.2022
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 14.09.2021, Aktenzeichen 43b C 144/20, wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird auf € 5.382,00 festgesetzt.
Gründe
Die Zurückweisung der Berufung erfolgt gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss.
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Rechtsmittel der Klagepartei hat nach einstimmiger Auffassung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich der Anträge auf Räumung und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu Recht abgewiesen.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 15.03.2022 verwiesen. Der Schriftsatz der Klagepartei vom 16.06.2022 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.
Die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 14.01.2020 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Diese war nicht wirksam, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. Ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand des Beklagten lag nicht vor, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Miete war im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls aufgrund des entfernten Fensters im Bad der streitgegenständlichen Wohnung, des nicht mehr zur Verfügung stehenden Wäschetrockenraums und der Lärmstörungen in Gestalt von durchschnittlich mindestens zweimal monatlich, auch nächtlich erfolgten Polizei-/Rettungsdiensteinsätzen ausgehend vom Haus S. Weg… mindestens um 9 % gemindert, § 536 Abs. 1 BGB.
Eine Erklärung des Einverständnisses des Beklagten mit dem Fortfall des Badezimmerfensters ist nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht auch als Verzicht auf Mietminderung auszulegen, wie in dem Beschluss der Kammer vom 15.03.2022 ausgeführt, wobei § 536 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen ist. Insoweit gehen die Ausführungen der Klägerin fehl, der Beklagte habe sich nicht an eine Absprache gehalten.
Hinsichtlich der Mietminderung wegen des nicht mehr zur Verfügung stehenden Wäschetrockenraums wird ebenfalls auf den Beschluss der Kammer vom 15.03.2022 Bezug genommen. Umfasst der Mietgebrauch wie vorliegend die Nutzung eines Trockenraums, rechtfertigt der Besitzentzug eine Mietminderung, § 536 Abs. 1 BGB (vgl. auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 536 Rn. 274).
Auch die überdurchschnittliche Anzahl an Polizei-/Rettungsdiensteinsätzen rechtfertigt vorliegend eine Mietminderung. Eine veränderte Nachbarschaft oder ein bestimmtes Wohnverhalten einer veränderten Nachbarschaft an sich begründet keinen Mangel. Jedoch kann ein Mangel angenommen werden, wenn bei verändertem Umfeld der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache etwa durch Lärm beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1974 – VIII ZR 63/73, NJW 1974, 2233; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 536 Rn. 160).
Ob Lärmbeeinträchtigungen als sozialadäquat hinzunehmen sind, bestimmt sich jeweils im Einzelfall nach den jeweiligen Umständen unter Berücksichtigung namentlich von Art, Qualität, Dauer, Zeit, Ursache und Vermeidbarkeit der hervorgerufenen Geräuschimmission (BGH, Beschluss vom 22.08.2017 – VIII ZR 226/16, NJW-RR 2017, 1290; BGH, Urteil vom 24.11.2021 – VIII ZR 258/19, NJW-RR 2022, 381). Vorliegend war die überdurchschnittliche Anzahl an – auch nächtlichen, mithin den Schlaf beeinträchtigenden – Polizei-/Rettungsdiensteinsätzen, womit die Üblichkeitsschwelle von Lärm auch in Großstadtlagen überschritten wird, hiernach nicht mehr als sozialadäquat hinzunehmen. Das Nachbargebäude war gerade das Ziel dieser Einsätze.
Eines Lärmprotokolls bedurfte es entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend nicht. Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten; der Vorlage eines „Protokolls“ bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 29.02.2012 − VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647). Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 15.03.2022 Bezug genommen. Wie dort dargelegt, war auch dem Beweisangebot der Klägerin dafür, dass es im Jahr 2017 nur zu insgesamt neun und im Jahr 2018 zu fünf Polizeieinsätzen, sowie im Jahr 2019 lediglich zu einem Polizeieinsatz gekommen sei, nicht nachzugehen. Auch wenn dies zuträfe, stünde dies den von dem Beklagten vorgetragenen und bewiesenen Störungen durch Einsatzfahrzeuge – in Gestalt von Krankenwageneinsätzen im Übrigen – nicht entgegen.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.