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Instandsetzung des Innenputzes bei Dach-und-Fach-Klausel: Wer trägt die Kosten?

Ein Gewerbemieter forderte die 10,8 Millionen Euro teure Instandsetzung des Innenputzes bei Dach-und-Fach-Klausel vom Vermieter. Der Mieter argumentierte mit dem Prinzip „Dach und Fach“, doch das Gericht folgte einer überraschend engen bautechnischen Definition.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 U 103/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
  • Datum: 16.10.2025
  • Aktenzeichen: 14 U 103/20
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Mietrecht, Vertragsauslegung

  • Das Problem: Mieter und Vermieter stritten, wer die Kosten für die Sanierung von großflächigen Putzablösungen an tragenden Wänden tragen muss. Der Mieter forderte vom Vermieter einen Kostenvorschuss von 10,8 Millionen Euro.
  • Die Rechtsfrage: Gehört der Innenputz laut Mietvertrag zur Gebäudestruktur, für die der Vermieter zahlen muss? Oder ist die Reparatur des Putzes Sache des Mieters?
  • Die Antwort: Nein, der Vermieter muss nicht zahlen. Der Innenputz fällt nicht unter den vertraglichen Begriff „Fach“. Laut Vertrag ist der Mieter für Instandsetzungen des Innenbereichs verantwortlich.
  • Die Bedeutung: Eine detaillierte vertragliche Definition von „Dach und Fach“ ist ausschlaggebend. Oberflächen wie Innenputz müssen Mieter oft selbst instand halten. Sie gelten nicht als Teil der tragenden Gebäudekonstruktion.

Wer zahlt für Putzschäden bei Dach-und-Fach-Klausel?

Massive Betonwand einer Industriehalle mit großen, abgebrochenen Putzplatten am Boden, die den rohen Untergrund freilegen.
OLG Frankfurt klärt: Gehört Innenputz zur Instandhaltungspflicht „Dach und Fach“? | Symbolbild: KI

Wenn in einem 30-Jahre-Mietvertrag über landeseigene Immobilien der Putz von den Wänden fällt, stellt sich eine einfache, aber teure Frage: Wer muss die Sanierung bezahlen? Im Fall eines groß angelegten „Sale-and-lease-back„-Geschäfts belief sich die Rechnung auf 10,8 Millionen Euro. Der Mieter sah den Vermieter in der Pflicht, dieser wiederum verwies auf den Vertrag. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main musste in seinem Urteil vom 16. Oktober 2025 (Az.: 14 U 103/20) einen entscheidenden Passus des Mietvertrags auslegen und klären, ob bröckelnder Innenputz zur Gebäudestruktur („Fach“) gehört oder nicht.

Warum wurde eine Sanierung für 10,8 Millionen Euro nötig?

Der Fall wurzelt in einer umfangreichen Immobilientransaktion. Der Kläger, ein landeseigener Betrieb, verkaufte mehrere Objekte an die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten und mietete sie im Rahmen eines „Sale-and-lease-back“-Modells für 30 Jahre zurück. Grundlage war ein Mietvertrag vom 19. Oktober 2005. Jahre später, ab 2009, zeigten sich massive Probleme: An tragenden Innenwänden und Geschossdecken lösten sich großflächig Beton und Putz. Die betroffene Fläche umfasste gewaltige 42.500 Quadratmeter.

Der Mieter sah darin einen Mangel, der bereits bei Vertragsbeginn angelegt war und dessen Beseitigung dem Vermieter obliege. Er forderte einen Kostenvorschuss für die Sanierung, um die Schäden durch den Einbau von Zwischendecken und Vorsatzschalen zu beheben. Ein Landesbetrieb bezifferte den Aufwand auf 10,29 Millionen Euro, eingeklagt wurde schließlich ein Vorschuss in Höhe von 10.800.000,00 Euro.

Der Vermieter weigerte sich zu zahlen. Er argumentierte, die vertragliche Regelung sei eindeutig: Seine Verantwortung beschränke sich auf „Dach und Fach“, während der Mieter für den Innenbereich zuständig sei. Der abfallende Putz gehöre zum Innenbereich und falle damit in die Zuständigkeit des Mieters. Nachdem bereits das Landgericht Fulda die Klage am 12. Februar 2020 abgewiesen hatte, landete der Streit in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.

Was bedeutet eine Dach-und-Fach-Klausel im Mietvertrag?

Eine „Dach-und-Fach“-Klausel regelt, wer für die Instandhaltung und Instandsetzung eines Mietobjekts verantwortlich ist. Nach der gesetzlichen Grundregel in § 535 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Insbesondere im Gewerbemietrecht wird diese Pflicht jedoch häufig durch vertragliche Vereinbarungen modifiziert.

Die „Dach-und-Fach“-Klausel ist ein klassisches Instrument dafür. Sie weist dem Vermieter die Verantwortung für die grundlegende Substanz des Gebäudes zu – also Dach und die tragende Konstruktion („Fach“). Alle anderen Instandhaltungsmaßnahmen, insbesondere im Innenbereich, werden auf den Mieter abgewälzt. Der entscheidende Punkt ist dabei, was genau unter „Fach“ zu verstehen ist. Ohne eine präzise Definition im Vertrag kann dies zu erheblichen Streitigkeiten führen, wie der vorliegende Fall zeigt. Hier enthielt § 6 des Mietvertrags eine detaillierte Aufzählung, was genau die Parteien unter „Fach“ verstehen wollten.

Warum muss der Mieter den Innenputz selbst sanieren?

Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Mieters zurück. Zwar sei unstrittig, dass die Putzablösungen einen Mangel darstellten, doch ein Kostenvorschussanspruch des Mieters nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB setze voraus, dass der Vermieter mit der Mängelbeseitigung in Verzug ist. Ein Verzug liegt aber nur vor, wenn der Vermieter überhaupt zur Beseitigung verpflichtet war. Genau diese Pflicht verneinte das Gericht nach einer sorgfältigen Auslegung des Mietvertrags.

Gehört Innenputz zur tragenden Wand?

Die zentrale Rechtsfrage, die das Gericht beantworten musste, lautete: Fällt der Innenputz an tragenden Wänden und Geschossdecken unter den vertraglich definierten Begriff „Fach“, für den der Vermieter zuständig ist? Die Antwort des Gerichts war ein klares Nein. Die Auslegung eines Vertrages orientiert sich nach §§ 133, 157 BGB nicht nur am reinen Wortlaut, sondern auch an Systematik, Zweck und der Interessenlage der Parteien, um zu einem widerspruchsfreien Ergebnis zu gelangen.

Warum der Wortlaut des Vertrags entscheidend war

Das Gericht nahm die in § 6 des Vertrags enthaltene Definition von „Fach“ genau unter die Lupe. Diese enthielt eine zehnteilige, detaillierte Aufzählung. Sie unterschied klar zwischen konstruktiven Teilen wie Fundamenten, Außenmauern, tragenden Innenwänden und Geschossdecken einerseits und Bauteilen der Funktionsfähigkeit wie Fenstern, speziellen Türen oder Leitungen bis zum ersten Hauptverteiler andererseits.

Ein entscheidendes Detail gab den Ausschlag: Der Begriff „Putz“ tauchte in der gesamten Aufzählung nur ein einziges Mal auf, und zwar explizit in Verbindung mit der Außenhaut: „Fassade nebst Fassadenbekleidung, Putz“. Das Gericht schloss daraus im Umkehrschluss: Wenn die Parteien den Außenputz ausdrücklich nannten, den Innenputz aber nicht, dann war der Innenputz von der Vermieterpflicht bewusst nicht erfasst. Die Systematik des Vertrags sprach eine klare Sprache gegen die Auslegung des Mieters.

Der entscheidende Unterschied zwischen Konstruktion und Belag

Der „Aha-Effekt“ der Entscheidung liegt in der Verbindung der juristischen Auslegung mit bautechnischen Standards. Das Gericht argumentierte, dass die Parteien eine interessengerechte Trennung vornehmen wollten: Der Vermieter sollte für die Erhaltung der Gebäudesubstanz, also der reinen Konstruktion, verantwortlich sein. Der Mieter hingegen sollte für die Oberflächen sorgen, die dem täglichen Gebrauch und der Abnutzung unterliegen.

Diese Logik wird durch Fachnormen wie die DIN 276 („Kosten im Hochbau“) gestützt. Diese Norm unterscheidet trennscharf zwischen der Kostengruppe „tragende Innenwände“ (Konstruktion) und „Innenwandbekleidungen“ (Belag), zu denen auch der Putz zählt. Der Innenputz ist demnach kein konstruktiver Bestandteil der Wand, sondern eine aufgetragene Schicht. Diese technische Unterscheidung untermauerte die juristische Auslegung des Gerichts und führte zu dem Ergebnis, dass der Innenputz nicht unter den Begriff „Fach“ fällt.

Warum scheiterte der Verweis auf die ‚Market Practice‘?

Der Mieter hatte argumentiert, in den Kreisen der an „Sale-and-lease-back“-Transaktionen beteiligten Marktteilnehmer sei es üblich („Verkehrssitte“ oder „Market Practice“), den Innenputz als Teil der tragenden Wand zu verstehen. Er bot hierzu ein Sachverständigengutachten an. Das Gericht wies dieses Argument und den Beweisantrag jedoch entschieden zurück.

Es verwies auf die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Az.: V ZR 113/89). Demnach reicht die bloße Behauptung, es gebe eine bestimmte Verkehrsauffassung, nicht aus. Eine Partei, die sich darauf beruft, muss konkret vortragen, wie sich eine solche Sitte gebildet hat, dass sie von den beteiligten Kreisen anerkannt wird und über einen längeren Zeitraum besteht. Der Mieter hatte nur pauschal auf eine angebliche „Market Practice“ verwiesen, ohne diesen Vortrag mit Fakten zu untermauern. Ein Gutachten einzuholen, ohne eine taugliche Tatsachengrundlage zu haben, wäre laut Gericht eine unzulässige Beweisausforschung gewesen.

Kein Vorschussanspruch ohne Pflicht des Vermieters

Die logische Konsequenz aus der Vertragsauslegung war die Abweisung der Klage. Da die Instandsetzung des Innenputzes gemäß § 6.2 des Vertrages dem Mieter oblag, war der Vermieter nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet. Ohne eine solche Pflicht konnte er auch nicht in Verzug geraten. Und ohne Verzug des Vermieters gibt es keinen Anspruch des Mieters auf einen Kostenvorschuss nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klage über 10,8 Millionen Euro war somit unbegründet.

Welche Folgen hat die genaue Vertragsauslegung für Mieter?

Mit diesem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main steht fest, dass detaillierte und spezifische Aufzählungen in „Dach-und-Fach“-Klauseln von Gerichten wörtlich genommen werden. Ein allgemeiner Grundsatz, dass Klauseln, die von der gesetzlichen Regelung abweichen, eng auszulegen sind, tritt in den Hintergrund, wenn der Vertragstext selbst eine klare und differenzierte Regelung trifft.

Für die beteiligten Parteien bedeutet die Entscheidung, dass der Mieter die Kosten für die Sanierung des Innenputzes in Höhe von 10,8 Millionen Euro selbst tragen muss. Der Vermieter ist von seiner Verpflichtung befreit. Das Urteil unterstreicht die immense Bedeutung präziser Formulierungen in langfristigen Gewerbemietverträgen. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, da das Gericht die Auslegung dieses speziellen Vertrags als Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung ansah.

Die Urteilslogik

Die genaue Lektüre eines Gewerbemietvertrages entscheidet über multimillionenschwere Sanierungskosten, da Gerichte die vertraglich vereinbarte Trennung zwischen Gebäudekonstruktion und Oberflächenbelag streng durchsetzen.

  • Die Gebäudekonstruktion endet beim Putz: Gerichte trennen bei der Zuweisung der Instandhaltungspflicht strikt zwischen der tragenden Gebäudesubstanz (Konstruktion) und dem Innenputz, da dieser technisch als eine Oberflächenbekleidung gilt, die der Mieter instand halten muss.
  • Spezifische Ausschlüsse definieren die Pflicht: Listen die Vertragsparteien bestimmte Bauteile (wie Außenputz) im Rahmen einer „Dach-und-Fach“-Klausel explizit auf, schließen sie stillschweigend alle nicht genannten, ähnlichen Elemente (wie Innenputz) aus der Vermieterpflicht aus.
  • Kostenvorschuss erfordert Verzug: Mieter erlangen einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung nur, wenn der Vermieter nachweislich zur Reparatur verpflichtet war und mit der Erfüllung dieser Pflicht in Verzug geraten ist.

Jede Abweichung vom gesetzlichen Standard der Instandhaltungspflicht muss der Vertrag lückenlos und unmissverständlich definieren, um die Kostenhaftung im langfristigen Mietverhältnis klar zuzuweisen.


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Experten Kommentar

Viele große Deals im Immobilienbereich hängen an einer einfachen Annahme: Was nicht explizit auf der Liste steht, ist nicht gewollt. Dieses Urteil macht mit brutaler Klarheit deutlich, dass bei der Auslegung der Dach-und-Fach-Klausel im Gewerbemietvertrag nicht nur die allgemeine Idee zählt, sondern das, was in der detaillierten Aufzählung der Pflichten wirklich verankert ist. Das OLG Frankfurt hat konsequent zwischen der tragenden Konstruktion („Fach“) und dem bloßen Belag (Innenputz) unterschieden, wodurch die 10,8-Millionen-Rechnung für die Sanierung beim Mieter hängen blieb. Für die Kostenhaftung gilt daher: Wer das Risiko teurer Putzschäden vermeiden will, muss sicherstellen, dass diese Bauteile in der Vermieterpflicht zur Instandsetzung explizit genannt werden.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer trägt die Kosten für Putzschäden, wenn im Gewerbemietvertrag eine Dach-und-Fach-Klausel gilt?

Trotz einer „Dach-und-Fach“-Klausel müssen Gewerbemieter oft die Kosten für Innenputzschäden selbst tragen. Gerichte legen diese Klauseln streng aus und betrachten den Putz nicht als Teil der tragenden Gebäudesubstanz (‚Fach‘), sondern lediglich als Oberflächenbelag. Ihre finanzielle Verantwortung hängt stark von der genauen vertraglichen Definition der Instandhaltungspflichten ab.

Die Instandhaltungspflicht des Vermieters beschränkt sich in der Regel auf die reine Gebäudekonstruktion, welche die Statik des Objekts sichert. Nach bautechnischer Auffassung, die sich auf Normen wie die DIN 276 stützt, zählt Putz zu den „Innenwandbekleidungen“. Er dient primär der Ästhetik und dem Schutz, nicht aber der Tragfähigkeit der Wand. Fehlt der Innenputz in einer detaillierten Liste der Vermieterpflichten, interpretieren Gerichte dies als bewusste Ausklammerung.

Im bekannten Frankfurter Fall musste der Mieter die Sanierungskosten in Höhe von 10,8 Millionen Euro selbst tragen. Das Gericht sah in der detaillierten Vertragsgestaltung einen klaren Hinweis: Da nur der Außenputz explizit der Vermieterpflicht zugewiesen war, wurde der Innenputz bewusst vom „Fach“ ausgeschlossen. Das Gericht lehnte es ab, die Klausel im Sinne des Mieters zu erweitern, und nahm den Wortlaut exakt wörtlich.

Öffnen Sie umgehend Ihren Gewerbemietvertrag und prüfen Sie die Formulierung Ihrer ‚Dach-und-Fach‘-Klausel, ob der Innenputz dort ausdrücklich als Verantwortung des Vermieters aufgeführt ist.


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Gehört der Innenputz bei einer Dach-und-Fach-Klausel rechtlich zur Gebäudekonstruktion oder zum Belag?

Obwohl der Putz physisch an der Wand haftet, klassifizieren Gerichte ihn in der Regel nicht als Teil der tragenden Gebäudekonstruktion. Stattdessen wird der Innenputz als reiner Oberflächenbelag oder als Innenwandbekleidung betrachtet. Diese technische Unterscheidung ist entscheidend dafür, wer bei einer Dach-und-Fach-Klausel die Instandhaltung bezahlen muss.

Die klare Trennung basiert oft auf bautechnischen Standards, insbesondere der DIN 276 (Kosten im Hochbau). Diese Norm hilft bei der genauen Abgrenzung zwischen reinen Substanzteilen und Oberflächenschichten. Die Konstruktion umfasst die statisch notwendigen Elemente wie Fundamente, tragende Wände und Geschossdecken. Putz gehört hingegen zur Kostengruppe „Innenwandbekleidungen“, weil er primär dem Feuchtigkeitsschutz, der Ästhetik und der Oberflächenglättung dient, nicht aber der Tragfähigkeit.

Diese technische Klassifizierung untermauert die juristische Auslegung des Mietvertrages. Wenn der Vermieter laut Vertrag nur für das „Fach“ (die reine Konstruktion) zuständig ist, bleibt die Pflicht für Oberflächen und deren Abnutzung beim Mieter. Selbst wenn ein Mangel an einer tragenden Wand den Putz ablöst, ändert dies nichts an seiner Funktion als Belag. Diese strenge Sichtweise stellt sicher, dass die mietvertraglichen Pflichten präzise eingehalten werden.

Prüfen Sie sofort die relevanten Kostengruppen der DIN 276 und gleichen Sie diese mit den Definitionen in Ihrem Gewerbemietvertrag ab, um die Zuordnung des Innenputzes festzustellen.


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Wann kann ich als Mieter einen Kostenvorschuss vom Vermieter für notwendige Mängelbeseitigung verlangen?

Einen Kostenvorschuss für notwendige Mängelbeseitigung erhalten Sie nur, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug geraten ist (§ 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das ist die höchste Hürde auf dem Weg zur schnellen Liquidität. Der Verzug setzt zwingend voraus, dass die Beseitigung des Mangels, wie etwa massive Putzschäden, überhaupt in die vertragliche Zuständigkeit des Vermieters fällt. Ohne diese Pflicht zur Sanierung kann der Vermieter rechtlich nicht in Verzug geraten.

Viele Mieter konzentrieren sich zu sehr auf die Dringlichkeit des Schadens und vernachlässigen die vertragliche Grundlage. Gerichte prüfen genau, ob die Instandhaltungspflicht gemäß dem Mietvertrag beim Vermieter liegt, insbesondere wenn eine sogenannte „Dach-und-Fach“-Klausel vereinbart wurde. Nur wenn Ihr Vertrag die Pflicht des Vermieters eindeutig belegt, fordern Sie die Mängelbeseitigung schriftlich und mit klarer Fristsetzung an. Lässt der Vermieter diese Frist ungenutzt verstreichen, tritt der Zustand des nachweisbaren Verzugs ein.

Im Fall von massiven Putzschäden wies das Oberlandesgericht Frankfurt eine Klage auf 10,8 Millionen Euro ab, weil der Mieter den Kostenvorschuss verlangte. Die Richter stellten fest, dass die Instandsetzung des Innenputzes vertraglich dem Mieter oblag. Weil der Vermieter keine vertragliche Pflicht zur Beseitigung des Mangels hatte, konnte er auch nicht in Verzug geraten. Ein Vorschussanspruch scheitert daher, wenn die primäre Frage der Mängelbeseitigungspflicht nicht gerichtlich gesichert ist.

Prüfen Sie zuerst Ihren Mietvertrag auf die exakte Zuständigkeit für den Mangel und setzen Sie den Vermieter anschließend durch eine nachweisbare, formelle Mahnung mit Fristsetzung in Verzug.


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Was bedeutet es für mich, wenn der Innenputz in der vertraglichen Aufzählung von ‚Fach‘ fehlt?

Wenn der Innenputz in einer detaillierten Liste der Vermieterpflichten fehlt, obwohl beispielsweise der Außenputz explizit erwähnt wird, droht der juristische Umkehrschluss. Gerichte interpretieren diese Lücke als eine bewusst gewollte Ausnahme. Das bedeutet, die Instandhaltungspflicht für den Innenputz wird Ihnen als Mieter zugewiesen, selbst wenn es sich um einen umfangreichen und teuren Schaden handelt.

Die Auslegung eines Vertrages erfolgt nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB, die den tatsächlichen Willen der Parteien erforschen. Wird in einem Gewerbemietvertrag eine Verpflichtung, wie etwa die Instandhaltung des Fachs, sehr detailliert aufgeführt, signalisieren die Parteien eine abschließende Regelung. Fehlt der Innenputz an dieser Stelle, während andere Putzarten genannt werden, gehen Richter davon aus, dass die Parteien diesen bewusst aus der Vermieterpflicht ausgeschlossen haben.

Diese strikte Systematik überstimmt oft die allgemeine Annahme, Putz gehöre automatisch zur Gebäudesubstanz. Konkret gab in einem Fall des OLG Frankfurt ein Detail den Ausschlag: Die vertragliche Definition von Putz beschränkte sich explizit auf die Fassade und die Außenhaut des Gebäudes. Durch diesen engen Fokus konnten Gerichte die Pflicht für den Innenputz nicht auf den Vermieter erweitern. Ein Mieter kann sich zudem nicht pauschal auf eine allgemeine „Market Practice“ berufen, um seine Entlastung zu beweisen.

Suchen Sie in den Vertragsunterlagen oder der Korrespondenz zum Vertragsabschluss nach Hinweisen darauf, ob die Ausklammerung des Innenputzes bewusst verhandelt oder versehentlich vergessen wurde.


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Wie muss eine Dach-und-Fach-Klausel formuliert sein, um zukünftige Streitigkeiten über den Innenputz zu vermeiden?

Um teure Auslegungsstreitigkeiten über Millionenbeträge zu verhindern, benötigen Sie eine glasklare Definition des Begriffs „Fach“ im Gewerbemietvertrag. Die Klausel muss den Innenputz explizit namentlich erwähnen und seine Zuordnung klar festlegen. Legen Sie unmissverständlich fest, ob der Putz als Teil der tragenden Struktur oder als reine Oberflächenbekleidung gilt. Nur diese Eindeutigkeit schützt davor, dass Gerichte einen ungewollten Umkehrschluss ziehen.

Die juristische Schärfe erreichen Sie durch die Nutzung präziser, bautechnischer Terminologie, orientiert an Normen wie der DIN 276. Wenn Sie als Mieter die Kostenpflicht vermeiden möchten, definieren Sie „Fach“ als alle statisch relevanten Bauteile, welche die Innenputzschichten ausdrücklich einschließen. Vermeiden Sie unbedingt detaillierte, aber unvollständige Aufzählungen von Vermieterpflichten. Gerichte interpretieren Lücken in solchen Listen regelmäßig als bewusste Ausklammerung zu Lasten des Mieters.

Wird die Instandhaltung des Innenputzes dem Mieter zugewiesen, muss dies ebenso explizit formuliert sein. Fügen Sie eine klare Ausschließlichkeitsklausel hinzu, die festschreibt, dass sämtliche Innenflächen, Beläge und Beschichtungen dem Mieter obliegen. Vertrauen Sie niemals auf allgemeine Branchenfloskeln oder Generalklauseln. Das Urteil des OLG Frankfurt unterstreicht die immense Bedeutung präziser Formulierungen, da jede Abweichung von der gesetzlichen Grundregel glasklar geregelt sein muss.

Erstellen Sie präventiv ein Negativ-Glossar in Ihrem Vertrag, das genau festlegt, welche Oberflächenschichten nicht unter die Vermieterpflicht „Fach“ fallen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Auslegung des Mietvertrags

Die Auslegung eines Mietvertrags ist der juristische Vorgang, bei dem Gerichte ermitteln, was die Vertragsparteien mit einer bestimmten Formulierung, wie der „Dach-und-Fach“-Klausel, tatsächlich vereinbaren wollten (§§ 133, 157 BGB). Richter berücksichtigen dabei nicht nur den reinen Wortlaut, sondern auch die Systematik des gesamten Vertrages, den Zweck der Regelung und die Interessenlage der Beteiligten, um ein widerspruchsfreies Ergebnis zu finden.

Beispiel: Da die vertragliche Aufzählung im vorliegenden Fall den Innenputz nicht nannte, nutzte das Oberlandesgericht Frankfurt die Auslegung des Mietvertrags, um festzustellen, dass dieser vom Mieter selbst zu sanieren war.

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Dach-und-Fach-Klausel

Eine Dach-und-Fach-Klausel ist eine gängige Regelung, insbesondere im Gewerbemietrecht, die die gesetzliche Pflicht zur Instandhaltung von der Vermieterseite aufteilt, sodass der Vermieter nur für die grundlegende Substanz (Dach und tragende Konstruktion, das „Fach“) zuständig bleibt. Mit dieser Klausel wälzt der Vermieter die Verantwortung für alle anderen Instandhaltungsmaßnahmen, die typischerweise im Innenbereich anfallen, auf den Mieter ab, um seine eigenen Kosten und Risiken zu minimieren.

Beispiel: Weil die Dach-und-Fach-Klausel detailliert festlegte, was unter „Fach“ verstanden wird, musste das Gericht entscheiden, ob die 10,8 Millionen Euro teuren Putzschäden zur tragenden Konstruktion gehörten oder nicht.

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Kostenvorschussanspruch

Juristen nennen den Kostenvorschussanspruch die Möglichkeit des Mieters, vom Vermieter die notwendigen Mittel im Voraus zu verlangen, um einen Mangel am Mietobjekt selbst zu beseitigen, anstatt die Reparatur zunächst aus eigener Tasche zahlen zu müssen (§ 536a Abs. 2 BGB). Dieses Recht dient dazu, sicherzustellen, dass dringende Reparaturen schnell durchgeführt werden können, ohne dass der Mieter erst in einem langwierigen Prozess seine Kosten vom Vermieter zurückfordern muss.

Beispiel: Der landeseigene Betrieb klagte gegen den Vermieter auf einen Kostenvorschuss in Höhe von 10,8 Millionen Euro für die Sanierung des abfallenden Putzes.

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Sale-and-lease-back

Das Sale-and-lease-back-Modell ist eine finanzielle Transaktion, bei der ein Unternehmen eine Immobilie an einen Investor verkauft und diese anschließend sofort zurückmietet, um Liquidität freizusetzen, aber das Objekt weiterhin nutzen zu können. Dieses Vorgehen wird oft bei großen Immobilientransaktionen gewählt, um Kapital zu generieren, während gleichzeitig eine langfristige Nutzung der verkauften Betriebsstätten vertraglich gesichert wird.

Beispiel: Der vorliegende Streitfall um die Putzschäden wurzelte in einem umfangreichen Sale-and-lease-back-Geschäft, das zwischen dem Land und den Investoren für die Dauer von 30 Jahren vereinbart wurde.

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Umkehrschluss

Der Umkehrschluss (argumentum e contrario) ist eine logische Schlussfolgerung bei der Vertragsauslegung, bei der Gerichte annehmen, dass eine nicht erwähnte Sache bewusst nicht unter die Regelung fällt, wenn nur bestimmte Dinge ausdrücklich genannt sind. Dieses juristische Argument stellt sicher, dass detaillierte Vertragslisten nicht nachträglich erweitert werden und der Wille der Parteien, die nur eine bestimmte Auswahl treffen wollten, respektiert wird.

Beispiel: Da der Mietvertrag explizit den Außenputz, aber nicht den Innenputz nannte, zog das Gericht den juristischen Umkehrschluss und wies die Pflicht zur Sanierung dem Mieter zu.

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Verzug

Ein Vermieter gerät in Verzug, wenn er eine ihm obliegende, fällige Leistung trotz Mahnung und abgelaufener Frist schuldhaft nicht erbringt (§ 286 BGB). Der Verzug ist eine zwingende rechtliche Voraussetzung, die dem Vermieter signalisiert, dass er nun die Konsequenzen seiner Nichterfüllung tragen muss, da Mieter ohne ihn keinen Schadensersatz oder Kostenvorschuss verlangen können.

Beispiel: Da das Gericht feststellte, dass der Vermieter vertraglich nicht zur Sanierung des Innenputzes verpflichtet war, konnte er auch nicht in Verzug geraten, weshalb der Mieter seinen Kostenvorschussanspruch verlor.

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Das vorliegende Urteil


OLG Frankfurt – Az.: 14 U 103/20 – Urteil vom 16.10.2025


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