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WEG – Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu Lasten des Gemeinschaftseigentums

AG Erfurt, Az.: 5 C (WEG) 1/15, Urteil vom 08.07.2015

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 09.12.2014 zu

  • TOP 4 (Einräumung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Eigentümers des Grundstücks Flur Nr. 49/12 gegen Einmalzahlung von 5.000,00 €)
  • TOP 5 (Beauftragung und Bevollmächtigung der Verwalterin zur Bestellung der Grunddienstbarkeit und Abgabe der notwendigen Erklärungen gegenüber dem Notar)
  • TOP 6 (Kostenverteilung für Straßenbeleuchtung, Reinigung und Strom Absperrschranke) sowie
  • TOP 7 (Beauftragung und Bevollmächtigung der Verwalterin, die geänderte Kostenverteilung sowie die zur Eintragung kommende Grunddienstbarkeit beim Notar zu erweitern bzw. verändern und Abgabe der dafür notwendigen Erklärungen)

werden für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Mitglieder der im Rubrum aufgeführten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die am Verfahren beteiligte Verwalterin lud unter Mitteilung der klägerseits angefochtenen Tagesordnungspunkte zu einer auf den 09.12.2014 anberaumten Eigentümerversammlung. Die Eigentümergemeinschaft beschloss mehrheitlich, zugunsten des herrschenden Nachbar-Grundstücks ein dingliches Fahrt- und Wegerecht über das im Gemeinschaftseigentum der Parteien stehende Grundstück zu bestellen und die Verwaltung zu bevollmächtigen, sämtliche dafür erforderlichen Erklärungen gegenüber Notar und Grundbuchamt abzugeben.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Eigentümergemeinschaft sei hierfür keine Beschlusskompetenz eingeräumt, was auch der Teilungserklärung nicht entnommen werden könne. Infolgedessen stelle sich die in den angefochtenen Beschlüssen enthaltene Regelung nichtig, jedenfalls anfechtbar dar. Zudem sei die Belastung mit einer derartigen Grunddienstbarkeit (zur Durchführung von längerfristig andauernden Bauarbeiten auf dem herrschenden Grundstück) nicht als geringfügig einzuordnen und auch von daher unter den angefochtenen Gegebenheiten nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend.

Die Klägerin beantragt: Wie erkannt.

Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen.

Sie sind der Ansicht, es hätte eine Nichtigkeitsklage erhoben werden müssen. In § 21 Abs. 1 und 3 WEG komme zum Ausdruck, dass der Mehrheitsbeschluss als Grundprinzip im WEG vorherrsche; anders nur, wenn das WEG ausdrücklich die Vereinbarung vorschreibe. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. Im Übrigen stehe das dienende Grundstück im Alleineigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft, weswegen sich die Wirksamkeit der Beschlussfassung nach § 10 Abs. 2 S. 1 WEG i.V.m. §§ 741, 745 BGB richte. Nach letztgenannter Norm könne die Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass nicht nur die Verpachtung und Vermietung, sondern auch eine Verfügung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss geregelt werden könne.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere in der gemäß § 46 Abs. 1 WEG vorgesehenen Monatsfrist erhoben und begründet worden.

Der Zulässigkeit steht weiterhin nicht entgegen, dass die Klägerin sich in ihrer Begründung gleichfalls auf Nichtigkeit berufen hat; zutreffend weist die Klägerin insofern darauf hin, dass es sich um eine inhaltlich identische Beschlussmängelklage handelt. Soweit die angegriffenen Beschlüsse sich als nichtig darstellen, sind sie jedenfalls auch anfechtbar und waren damit auf den Antrag der Klägerin für ungültig zu erklären (vgl. weiterhin Bärmann, 12. Aufl., Rdnr. 80 zu § 46 WEG).

In der Sache hat die Klage Erfolg, denn die angefochtenen Regelungen sind bereits mangels Beschlussfassungskompetenz der Eigentümer unwirksam, so dass es keines näheren Eingehens auf die Frage bedurfte, inwieweit die mit der Bestellung bzw. Einräumung der Grunddienstbarkeit verbundene Belastung des dienenden Grundstücks (gegen Einmalzahlung von 5.000,00 €) noch eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung darstellt.

Zu beachten ist Folgendes: Es handelt sich bei der beabsichtigten Bestellung der Grunddienstbarkeit zu Lasten des im Gemeinschaftseigentum der streitenden Parteien stehenden Grundstücks um eine Maßnahme, die das sogenannte sachenrechtliche Grundverhältnis betrifft; durch die Belastung des Gemeinschaftseigentums soll diesbezüglich eine Rechtsänderung herbeigeführt werden. Das ist einer Regelung durch Mehrheitsbeschusses nicht zugänglich; die dem zuwider laufende Beschlussfassung war unwirksam und für ungültig zu erklären.

Es ist anerkannt, dass Verfügungen über das Gemeinschaftseigentum nicht der Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft unterliegen, nicht einmal einer Vereinbarung zugänglich sein können. Sie stellen nämlich keine Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG dar, sondern sind auf grundlegende Änderung der Eigentumsrechte gerichtet.

Darüber hinaus ist das Wohnungseigentum der Klägerin, verbunden mit dem Anteil am Gemeinschaftseigentum, als echtes und vollwertiges Eigentum schutzwürdig (vgl. BGH NJW 1992, S. 978).

Dementsprechend sind Verfügungen hierüber im Beschlusswege bereits im Innenverhältnis der Eigentümer unzulässig (BGH NJW 2012, S. 1036); erst recht muss dies gelten, wenn diese – wie hier – im Außenverhältnis Dritten gegenüber Wirkung entfalten sollen (vgl. dazu: BGH NJW 2013, S. 1962 m.w.N.).

Insoweit wäre einzig die gegenüber dem Grundbuchamt abzugebende allstimmige Erklärung der Miteigentümer zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit geeignet, eine entsprechende Rechtsänderung herbeizuführen (§ 873 BGB). Inwieweit darauf ggf. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch bestünde, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Auch wenn im vorliegenden Fall nicht die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks (NJW 2013, S. 1962) in Streit steht, ist zu beachten, dass sowohl dort wie auch im hier zu beurteilenden Fall eine das sachenrechtliche Grundverhältnis betreffende Verfügung zugrunde liegt – nämlich ein Rechtsgeschäft, durch welches der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, indem dieses entweder auf einen Dritten übertragen oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufgehoben oder sonst in seinem Inhalt verändert wird (beispielsweise: BGH NJW 1987, S. 3177).

Zu bedenken ist weiterhin, dass sich die dingliche Belastung des Gemeinschaftseigentums mit einer Grunddienstbarkeit in den tatsächlichen oder rechtlichen Folgen im Einzelfall gravierender auswirken kann als es bei der Veräußerung eines Grundstücksteils der Fall wäre.

Soweit die Beklagten sich zur Stützung ihrer Rechtsansicht, in Anwendung von § 745 Abs. 2 BGB könnten die angefochtenen Regelungen auch durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden, schließlich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2010, S. 1312 und NJW 1987, S. 3177) beziehen, vermag ihnen dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dem steht zunächst entgegen, dass die erstgenannte Entscheidung die Verpachtung und Vermietung, damit gerade keine Verfügung im o. g. Sinne betraf.

Im Weiteren enthält die letztgenannte Entscheidung (Grundstücksverfügung durch Widmung einer Straße) lediglich eine Aussage zur Regelung durch eine Bruchteils-Eigentümergemeinschaft; die Beschlussfassungskompetenz durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist demgegenüber gesondert zu beurteilen. Nach allgemeiner Auffassung sind die Regelungen über die Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) gerade nicht geeignet, eine Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft zu begründen; sie werden vielmehr durch die Vorschriften des WEG als leges speciales verdrängt (BGH NJW 2013, S. 1962 m.w.N. aus Rechtsprechung und Lit.).

Nach allem waren sämtliche im Tenor aufgeführten Tagesordnungspunkte für ungültig zu erklären, da sie unmittelbar auf Abänderung des sachenrechtlichen Grundverhältnisses gerichtet waren bzw. untrennbar damit zusammenhingen.

Die Klage war mit den sich aus §§ 91 Abs. 1 ZPO (Kosten) und 709 S. 1 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) ergebenden prozessualen Nebenfolgen abzuweisen.

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