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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Verzugs mit der Betriebskostennachzahlung

AG Hamburg-Bergedorf – Az.: 409 C 174/12 – Urteil vom 04.12.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen von EURO 36,68 und weitere EURO 2,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten für dem Basiszinssatz ab 09.09.2012 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EURO 250 abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des gleichen Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach einer ausgesprochenen fristlosen Kündigung um deren Wirksamkeit und über einen Räumungsanspruch der Klägerin und die Parteien stritten ursprünglich über eine Betriebskostennachforderung, die die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

Die Parteien sind gebunden durch einen Mietvertrag ab dem 01.09.2009 über die von der Beklagten bewohnte Wohnung … . Dort haben die Parteien vereinbart, dass die Beklagte als Mieterin Betriebskosten im Sinne von § 2 der Betriebskostenverordnung trägt.

Unter dem 20.12.2011 rechnete die Klägerin über die Betriebskosten für das Jahr 2010 ab und kam zu einem Saldo von EURO 1.725,06 zu Lasten der Beklagten. Das Abrechnungsschreiben wurde der Beklagten am 29.12.2011 in ihren Hausbriefkasten eingeworfen. Auf eine Mahnung vom 10.06.2012 reagierte die Beklagte nicht. Unter dem 04.07.2012 erklärte die Klägerin wegen der Nichtzahlung dieses Betrages die außerordentliche fristlose Kündigung. Dies erfolgte durch rechtsanwaltliches Schreiben. Nach Zustellung der Klage am 08.09.2012 zahlte die Beklagte am 10.09.2012 die Betriebskostennachforderung in Höhe von EURO 1.725,06. Insoweit hat die Klägerin für erledigt erklärt.

Nach dieser Erledigungserklärung beantragt die Klägerin jetzt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im …, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Essplatz, Flur, Bad/WC und einem Bodenraum, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 36,68 EURO, vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 2,50 EURO und Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 546,69 EURO zu zahlen, die vorgerichtlichen Mahnkosten und Rechtsverfolgungskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der dort genannten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur hinsichtlich des restlichen Zinsantrages begründet, im Übrigen unbegründet.

1.

Gegenüber der Betriebskostenabrechnung hat die Beklagte Einwendungen nicht erhoben. Unmittelbar nach Zustellung der Klagschrift hat die Beklagte diesen Betrag auch ohne Zinsen bezahlt. Der Klägerin stehen insoweit die geltend gemachten Zinsen und die Mahnkosten noch zu. Denn die Betriebskostenabrechnung wurde mit Zugang bei der Beklagten fällig. Insoweit schreibt Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl. 2009 Rdnr. H1, mit Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung beim Mieter entstehe der Nachzahlungsanspruch des Vermieters, damit werde dieser Nachzahlungsanspruch auch fällig. Dem schließt sich dieses Gericht an. In diese Richtung kann (wohl) auch die Entscheidung des BGH in ZMR 2005, 439 (443) und ZMR 06, 358 (361) verstanden werden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich nach Auffassung des Vorsitzenden aus § 271 BGB. Denn danach ist eine Leistung sofort fällig („kann verlangen“), wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt, noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Der Mietvertrag sieht hier Regelungen für die Fälligkeit einer Betriebskostennachforderung nicht vor. Auch aus den Umständen ist nicht zu entnehmen, dass die durch eine Abrechnung dokumentierte Nachzahlungsforderung nicht sofort fällig werden sollte. Im Hinblick darauf, dass Einwendungen gegenüber der Betriebskostenabrechnung nicht geltend gemacht wurden, auch nicht im vorliegenden Prozess, muss die Abrechnung dementsprechend auch als materiell ordnungsgemäß angesehen werden. Formelle Mängel bestehen nicht. Insoweit kann auch in einem Umkehrschluss auf die Entscheidungen des Landgerichts Berlin (63 S 100/07 und 63 S 467/10) zurückgegriffen werden. Dort ist zutreffend entschieden, dass bei einer fehlerhaften Heizkostenabrechnung der Nachforderungsbetrag für den Vermieter nicht fällig ist. Im Umkehrschluss gilt: Ist die Abrechnung formell und materiell richtig – insoweit sind hier Einwendungen nicht vorgebracht, der Saldo ist auch gezahlt worden -, so tritt Fälligkeit sofort ein, das heißt mit Zugang der Abrechnung bei dem Mieter.

2.

Über den zuerkannten Zahlungsbetrag hinaus hat die Klägerin keine Ansprüche gegenüber der Beklagten.

Die Klägerin hat insbesondere keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Räumung der Wohnung aus § 546 BGB heraus. Das Mietverhältnis ist durch die fristlose Kündigung der Klägerin in vorliegendem Fall nicht beendet worden.

Allerdings weist die Klägerin darauf hin, Blank vertrete in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 543 Rdnr. 185 die Auffassung, die Nichtzahlung einer Betriebskostennachforderung könne zu einer fristlosen Kündigung führen, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 543 BGB vorliegen würden. Dem schließt sich dieses Gericht ausdrücklich nicht an.

Ein Vermieter kann eine Zahlungsverzugskündigung nicht mit Erfolg auf Nichtzahlung von Betriebskostensalden stützen. Nachzahlungsbeträge aus Betriebskostenabrechnungen gehören nicht zur Miete im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (so anders noch Blank in Schmidt-Futterer, 8. Aufl., § 543 BGB Rdnr. 83, Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. XII 123 und z. B. Landgericht Hamburg, 307 S 43/07; z. B. auch Elzer/Riecke, Mietrechtskommentar 2009, Rdnr. 17 zu § 569 BGB und Rdnr. 18 zu § 543 BGB, siehe auch Langenberg, Betriebskostenrecht, 5. Aufl. Rdnr. G 94).

§ 543 BGB sieht für den Vermieter eine fristlose Kündigungsmöglichkeit vor, wenn der Mieter gemäß Absatz 2 Nr. 3 mit der Miete in Verzug ist. Die Nummer 3 dieser Vorschrift nennt aber inhaltlich entweder „zwei aufeinander folgende Termine“, oder aber einen „Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt“. Diese Formulierung ist ein Hinweis für den Vorsitzenden darauf, dass der Gesetzgeber dem Vermieter nur dann eine Möglichkeit zur fristlosen Kündigung geben wollte, wenn die „laufende“ Miete mit bestimmten Mindestbeträgen nicht gezahlt wird. Denn der Gesetzgeber hat auf zwei aufeinander folgende Termine abgestellt, oder aber auf einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt mit weiteren Voraussetzungen. Der Wortlaut zwei Termine weist aber darauf hin, dass hier die laufende Miete gemeint ist. Das kann zwar auch die Nichtzahlung von rückständigen Betriebskostenvorauszahlungen sein(Vgl. Sternel a.a.O.), aber auch dann geht es um laufende Miete. in dem jetzt zu entscheidenden Fall dieser Parteien geht es aber um die (zeitweilige) Nichtzahlung eines Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung, d.h. also nicht einer laufenden Miete.

Die Richtigkeit der hier vertretenden Auffassung zeigt sich auch an Folgendem:

Wollte man die Nichtzahlung einer Betriebskostenabrechnung als Grundlage für eine fristlose Kündigung sehen, so könnte ein Vermieter z.B. drei Wochen nach Zugang einer solchen Abrechnung – wenn der Nachzahlungsbetrag entsprechend hoch ist – bei fehlender Zahlung des Mieters sofort eine fristlose Kündigung aussprechen. Denn da die Betriebskostenabrechnung sofort fällig wird – vergleiche oben – würde nach der Gegenauffassung diese Forderung offen bleiben und nach der Gegenauffassung dem Vermieter die Möglichkeit sofort offen stehen, fristlos zu kündigen. Das aber lässt sich mit dem fein austarierten Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter und den Möglichkeiten des Vermieters, zu kündigen, wie es in § 543 BGB geregelt ist, nicht vereinbaren. Es würde sich zudem nicht damit vereinbaren lassen, dass das Gesetz in § 556 Abs. 3 BGB weitere Fristen nennt, die für Betriebskostenabrechnungen maßgeblich sind. Denn nach Satz 5 jener Vorschrift können Einwendungen des Mieters gegen die Abrechnung des Vermieters spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitgeteilt werden. Zwar ist auch dieses Gericht der Auffassung – vergleiche oben -, dass eine Betriebskostenabrechnung bzw. der Saldo derselben sofort fällig wird (§ 271 BGB). Die Fälligkeit wird insoweit nicht davon berührt, ob gegebenenfalls dem Mieter eine Überprüfungsfrist zusteht, solange der Vermieter dem Mieter z. B. die Einsicht in die Belege verweigert. Dann steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu. Aber selbst bei einer formell und materiell richtigen Betriebskostenabrechnung dürfte auch die Durchsetzbarkeit vor Gericht nach Auffassung des Vorsitzenden mindestens über § 242 BGB jedenfalls eine Zeit lang gesperrt sein; der Vermieter kann also z. B. nicht bei einer Abrechnung am 29.12. eines Jahres sofort am 05.01. des Folgejahres auf Zahlung klagen. Alle diese Schwierigkeiten, die mit der Fälligkeit eines Betriebskostensaldos zusammenhängen, zeigen für diesen Vorsitzenden ganz deutlich, dass ein solcher offener Saldo jedenfalls nicht in das fein austarierte System der §§ 543 und 569 BGB passt. Weder mit dem Wortlaut (aufeinander folgende Termine), noch mit dem Sinn und Zweck von §§ 543 und 569 BGB ist es vereinbar, den Saldo aus einer Betriebskostenabrechnung als offene Miete im Sinne von § 543 BGB anzusehen.

3.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren wegen des deutlich höheren Streitwertes bezüglich des geltend gemachten Räumungsanspruches in aller erster Linie nicht der Beklagten aufzuerlegen, sondern mussten zu Lasten der Klägerin gehen. Insoweit ist es angemessen, dass beide Parteien ihren außergerichtlichen Kosten selbst tragen, auch nach dem Rechtsgedanken von § 92 ZPO.

4.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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