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Entziehungsklage nach § 17 WEG – Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Wegen unerträglichen Gestanks und jahrelanger Pflichtverletzungen verlor eine Eigentümerin in Lörrach ihre Wohnung. Das Amtsgericht entzog der Frau das Eigentum, nachdem Nachbarn über massive Geruchsbelästigungen, undichte Leitungen und unzumutbare Zustände klagten. Der Fall zeigt die drastischen Konsequenzen, die ein Fehlverhalten im Wohnungseigentumsrecht haben kann.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Lörrach
  • Datum: 16.12.2024
  • Aktenzeichen: 3 C 855/23 WEG
  • Verfahrensart: Klage auf Entziehung von Wohnungseigentum
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilrecht

Beteiligte Parteien:

  • Klägerin: Die Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der die Beklagte gehört. Sie strebt die Entziehung des Wohnungseigentums der Beklagten an, da diese gegen die Gemeinschaftspflichten, insbesondere durch Geruchsbelästigung und Verweigerung des Zutritts für Messung und Reparaturen, verstoßen hat.
  • Beklagte: Die Sondereigentümerin der Wohnung Nr. 4 in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie behauptet, prozessunfähig zu sein, und argumentiert, dass der Entzug ihres Eigentums unzumutbar ist, da sie es aus eigener Arbeitsleistung erworben hat.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Beklagte hat über einen längeren Zeitraum ihre Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verletzt, indem sie antibetreuungswidrig handelte, insbesondere durch starke Geruchsbelästigung von Müll und verweigerte Zutritte für technische Ablesungen. Dies führte zur Kündigung eines Mietverhältnisses in einer darüber liegenden Wohnung. Die Gemeinschaft beschloss daraufhin ein gerichtliches Verfahren zur Entziehung des Wohnungseigentums der Beklagten.
  • Kern des Rechtsstreits: Kann der Kläger aufgrund anhaltender Pflichtverletzungen durch die Beklagte die Entziehung ihres Wohnungseigentums verlangen, ohne dass ein wirksamer Beschluss der Eigentümerversammlung vorliegt?

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Entziehungsklage begründet ist und die Beklagte ihr Wohnungseigentum veräußern muss. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil ist zwar zulässig, ihre Klage auf Aufhebung des Versäumnisurteils wurde jedoch abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht befand, dass keine konkrete Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit der Beklagten vorliegt und ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft keine zwingende Prozessvoraussetzung für die Entziehungsklage darstellt. Schwerwiegende Pflichtverletzungen durch die Beklagte rechtfertigen die Entziehung des Eigentums, insbesondere durch die massive Geruchsbelästigung, welche auch nach einer gerichtlichen Entscheidung nicht behoben wurde.
  • Folgen: Die Beklagte muss das Wohnungseigentum veräußern und trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil stellt klar, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft auch ohne wirksamen Beschluss eine Entziehungsklage aufgrund von Pflichtverletzungen durchsetzen kann.

Entziehungsklage im Wohnungseigentum: Rechte und Pflichten im Fokus

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt die komplexen Beziehungen zwischen Wohnungseigentümern und deren Gemeinschaft. Dabei spielen Beschlüsse und deren Durchsetzung eine zentrale Rolle für ein harmonisches Zusammenleben in Eigentümergemeinschaften. Die Rechte und Pflichten der einzelnen Eigentümer sind dabei präzise definiert und bieten Orientierung bei möglichen Konflikten.

Besonders wichtig sind die Regelungen zur Entziehungsklage nach § 17 WEG, die als rechtliches Instrument dient, wenn Wohnungseigentümer wiederholt gegen Gemeinschaftsordnungen oder Beschlüsse verstoßen. Diese Vorschrift ermöglicht es der Wohnungseigentümergemeinschaft, in schwerwiegenden Fällen die Eigentumsrechte eines Mitglieds gerichtlich überprüfen zu lassen und gegebenenfalls zu entziehen.

Nachfolgend wird ein konkreter Gerichtsfall näher betrachtet, der die komplexen rechtlichen Aspekte einer Entziehungsklage im Detail beleuchtet.

Der Fall vor Gericht


Wohnungseigentum entzogen: Dauerhafte Geruchsbelästigung führt zum Verlust der Eigentumswohnung

Nachbarschaftsstreit zwischen einem Mann und einer Frau vor einem deutschen Einfamilienhaus. Ein Hund bellt im Hintergrund.
Entziehungsklage wegen Geruchsbelästigung im WEG | Symbolfoto: Flux gen.

Das Amtsgericht Lörrach hat einer Eigentümerin wegen anhaltender schwerer Geruchsbelästigungen und weiterer Pflichtverletzungen ihr Wohnungseigentum entzogen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Entziehungsklage eingereicht, nachdem jahrelange Probleme mit der Eigentümerin einer Wohnung im ersten Obergeschoss bestanden.

Massive Beeinträchtigungen der Nachbarn durch Gestank und Verwahrlosung

Die Beweise für die erheblichen Geruchsbelästigungen waren erdrückend. Bei einer gerichtlichen Ortsbegehung wurden trotz verschlossener Fenster und Türen der Wohnung deutliche Geruchsemissionen festgestellt. In der darüberliegenden Wohnung war ein Zimmer wegen des unerträglichen Gestanks nicht mehr zu lüften. Die vorherigen Mieter dieser Wohnung hatten bereits ihr Mietverhältnis gekündigt, da sie ihre Fenster nicht mehr öffnen konnten und ihre Tochter sich mehrfach übergeben musste. Auch der Balkon war nicht mehr nutzbar.

Weitere gravierende Pflichtverletzungen

Die Beklagte hatte seit Jahren keine Ablesung der Messgeräte in ihrer Wohnung zugelassen. Ein beauftragter Handwerker weigerte sich, die Wohnung zur Leckortung zu betreten, da er um seine Gesundheit fürchtete. Er berichtete von hochgetürmtem Müll im Flur und einer stinkenden Flüssigkeit, die aus dem durchnässten Laminat drang.

Gericht: Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar

Das Gericht sah in der Gesamtschau eine gravierende Pflichtverletzung der Eigentümerin. Trotz eines rechtskräftigen Unterlassungsurteils hatte sich die Situation nicht verbessert. Bei der Interessenabwägung berücksichtigte das Gericht zwar, dass die Beklagte die Wohnung durch eigene Arbeit finanziert hatte und möglicherweise erkrankt war. Diese persönlichen Belange mussten aber hinter den Rechten der Gemeinschaft zurückstehen. Die anderen Eigentümer mussten die massiven Beeinträchtigungen und möglichen finanziellen Schäden nicht länger hinnehmen.

Rechtliche Grundlage für die Entziehung

Die Entscheidung stützt sich auf § 17 WEG, wonach einem Eigentümer das Wohnungseigentum entzogen werden kann, wenn er seine Pflichten gegenüber der Gemeinschaft gröblich verletzt. Das Gericht stellte klar, dass für eine solche Entziehungsklage kein vorheriger Beschluss der Eigentümerversammlung erforderlich ist. Der Verwalter kann die Klage aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht erheben.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt das Recht einer Wohnungseigentümergemeinschaft, bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Hausordnung und Gefährdung der Gesundheit anderer Bewohner die Zwangsveräußerung einer Eigentumswohnung zu erwirken. Besonders bedeutsam ist die Feststellung, dass anhaltende Geruchsbelästigungen, Verweigerung von notwendigen Wartungsarbeiten und gesundheitsgefährdende Wohnungszustände als ausreichende Gründe für eine Eigentumsentziehung angesehen werden. Das Urteil stärkt die Position von Eigentümergemeinschaften im Umgang mit stark störenden Miteigentümern.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Wohnungseigentümer haben Sie das Recht, sich gegen massive Störungen durch Miteigentümer zu wehren, die das Zusammenleben erheblich beeinträchtigen. Wenn ein Eigentümer wiederholt gegen grundlegende Pflichten verstößt, etwa durch extreme Vermüllung oder Verweigerung notwendiger Wartungsarbeiten, kann die Eigentümergemeinschaft rechtliche Schritte bis hin zur Zwangsveräußerung einleiten. Für die Durchsetzung ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung erforderlich, wobei der betroffene Eigentümer nicht stimmberechtigt ist. Wichtig ist die vorherige Dokumentation aller Verstöße und erfolgloser Lösungsversuche.


Ihr Recht auf ein ungestörtes Wohnen

Dieses Urteil verdeutlicht, dass niemand massive Beeinträchtigungen durch einen Miteigentümer hinnehmen muss. Anhaltender Lärm, Geruchsbelästigungen oder die Verweigerung notwendiger Instandhaltungsarbeiten können gravierende Folgen haben. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Wohnungseigentümer durchzusetzen und gemeinsam mit Ihnen nach tragfähigen Lösungen zu suchen. In einem ersten Schritt analysieren wir Ihre individuelle Situation und zeigen Ihnen die rechtlichen Möglichkeiten auf.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Voraussetzungen müssen für eine Entziehungsklage nach § 17 WEG erfüllt sein?

Eine Entziehungsklage nach § 17 WEG erfordert eine schwerwiegende Pflichtverletzung des betroffenen Wohnungseigentümers gegenüber anderen Eigentümern oder der Gemeinschaft, die das weitere Zusammenleben unzumutbar macht.

Grundvoraussetzungen der Entziehungsklage

Die Entziehung des Wohnungseigentums ist nur möglich, wenn der Eigentümer sich einer so schweren Verletzung seiner Pflichten schuldig gemacht hat, dass den anderen Eigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.

Typische Entziehungsgründe

Stellen Sie sich vor, ein Eigentümer verhält sich in einer der folgenden Weisen:

  • Dauerhafte schwere Beleidigungen und Tätlichkeiten gegenüber anderen Eigentümern
  • Betrieb eines Bordells in der Wohnanlage
  • Gravierende und andauernde Störungen des Hausfriedens

Verfahrensablauf und formelle Voraussetzungen

Der Weg zur Entziehungsklage führt über mehrere Schritte:

Erste Stufe – Abmahnung: Eine Abmahnung ist in der Regel erforderlich, außer bei besonders schwerwiegenden Verstößen. Die Abmahnung muss das beanstandete Verhalten konkret bezeichnen.

Zweite Stufe – Entziehungsbeschluss: Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss einen Entziehungsbeschluss fassen. Der betroffene Eigentümer ist dabei vom Stimmrecht ausgeschlossen.

Dritte Stufe – Klageerhebung: Wenn der Eigentümer sein Wohnungseigentum nicht freiwillig veräußert, muss die Gemeinschaft Klage erheben. Das zuständige Amtsgericht prüft dann die materiellen Voraussetzungen der Entziehung.

Ein wichtiger Aspekt: Die Entziehung ist nur als letztes Mittel zulässig. Mildere Maßnahmen wie eine Unterlassungsklage müssen zuvor ausgeschöpft werden, es sei denn, der Verstoß ist so schwerwiegend, dass dies entbehrlich ist.

Die Entziehungsklage kann nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.


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Wer darf eine Entziehungsklage einreichen und welche formalen Schritte sind erforderlich?

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ist grundsätzlich berechtigt, eine Entziehungsklage einzureichen. Eine Ausnahme besteht nur bei Zweier-Gemeinschaften, bei denen jeder Wohnungseigentümer im eigenen Namen klagen kann.

Formelle Voraussetzungen vor der Klageerhebung

Der Weg zur Entziehungsklage erfordert zwingend folgende Schritte:

  1. Eine wirksame Abmahnung muss ausgesprochen werden. In einer verwalteten WEG kann der Verwalter als Organ der Gemeinschaft die Abmahnung aussprechen. In einer verwalterlosen Gemeinschaft muss die Abmahnung entweder durch Beschluss oder von allen Eigentümern gemeinsam (außer dem Störer) erfolgen.
  2. Ein Entziehungsbeschluss der Eigentümerversammlung ist als Prozessvoraussetzung erforderlich. Die Einladung zur Eigentümerversammlung muss bereits deutlich erkennen lassen, dass über ein Entziehungsverlangen beschlossen werden soll. Der betroffene Eigentümer ist bei der Beschlussfassung nicht stimmberechtigt, darf aber an der Versammlung teilnehmen.

Durchführung der Klage

Die Entziehungsklage wird vom Verwalter als Vertreter der GdWE beim zuständigen Amtsgericht eingereicht. Das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist unabhängig vom Streitwert zuständig. Der Streitwert bemisst sich nach dem Verkehrswert des zu veräußernden Wohnungs- und Teileigentums.

Besondere Konstellationen

In Ausnahmefällen kann bei unzumutbar schweren Pflichtverletzungen direkt ein Entziehungsbeschluss ohne vorherige Abmahnung gefasst werden. Dies gilt etwa bei:

  • Dauerhaft schweren Beleidigungen und Tätlichkeiten
  • Betrieb eines Bordells in der Wohnanlage
  • Gravierenden und andauernden Störungen des Hausfriedens

Ein erfolgreicher Entziehungsprozess führt zu einem Veräußerungsurteil. Kommt der Eigentümer der Veräußerungspflicht nicht nach, kann die GdWE die Zwangsversteigerung der Wohnung betreiben.


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Welche Rechtsfolgen hat eine erfolgreiche Entziehungsklage für den betroffenen Eigentümer?

Eine erfolgreiche Entziehungsklage führt zu einem Veräußerungsurteil, das den Eigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verpflichtet.

Primäre Rechtsfolgen

Der betroffene Eigentümer muss nach dem Urteil sein Wohnungseigentum verkaufen. Dabei hat er zunächst die Möglichkeit, die Veräußerung selbstständig und freiwillig vorzunehmen. Das Urteil selbst bewirkt noch keinen automatischen Eigentumsverlust.

Zwangsvollstreckung

Kommt der Eigentümer der Veräußerungspflicht nicht freiwillig nach, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums betreiben. Dies geschieht auf Basis des Veräußerungsurteils.

Besondere Regelungen

Bei Bruchteilseigentum (z.B. bei Ehepartnern) gelten folgende Besonderheiten:

  • Das Wohnungseigentum kann insgesamt entzogen werden, auch wenn nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht hat.
  • Der nichtstörende Miteigentümer hat jedoch die Möglichkeit, die Wirkungen des Entziehungsurteils abzuwenden, indem er:
    • den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt
    • den Störer dauerhaft aus der Wohnanlage entfernt
    • der Wohnungseigentümergemeinschaft alle entstandenen Verfahrenskosten erstattet

Nutzungsverbot

Nach erfolgreicher Entziehungsklage darf der ehemalige Eigentümer nicht als Mieter oder Nutzungsberechtigter in der Wohnung verbleiben. Der neue Eigentümer ist verpflichtet, dem früheren Wohnungseigentümer den Besitz nicht wieder einzuräumen, wenn dieser seine Pflichten gröblich verletzt hat.


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Welche Alternativen gibt es zur Entziehungsklage bei schweren Störungen durch einen Eigentümer?

Mediationsverfahren als erste Eskalationsstufe

Bei Konflikten zwischen Wohnungseigentümern sollte zunächst ein strukturiertes Mediationsverfahren in Betracht gezogen werden. Ein neutraler Mediator kann dabei helfen, Streitigkeiten zu schlichten und gemeinsame Lösungen zu finden. Diese Vorgehensweise ist kostengünstiger und weniger belastend als rechtliche Schritte.

Abmahnung und Unterlassungsklage

Wenn ein Wohnungseigentümer gegen die Hausordnung oder seine Pflichten verstößt, kann zunächst eine förmliche Abmahnung durch den Verwalter oder die Eigentümergemeinschaft erfolgen. Bei fortgesetzten Störungen kann eine Unterlassungsklage eingereicht werden. Diese zielt darauf ab, störendes Verhalten zu unterbinden, ohne gleich das Eigentum zu entziehen.

Individuelle Rechtsansprüche der Miteigentümer

Bei Störungen, die sich direkt auf das Sondereigentum auswirken, können betroffene Eigentümer eigene Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB geltend machen. Dies gilt insbesondere bei:

  • Lärmbelästigungen
  • Geruchsemissionen
  • Erheblichen Beeinträchtigungen der Aussicht
  • Starker Verschattung

Versorgungssperre als Alternative

Bei Zahlungsrückständen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Versorgungssperre für Strom oder Wasser eingerichtet werden. Diese Maßnahme ist weniger einschneidend als eine Entziehungsklage, kann aber effektiv sein, um Zahlungspflichten durchzusetzen.

Zahlungsklage statt Entziehung

Bei Zahlungsverzug kann die Wohnungseigentümergemeinschaft statt einer Entziehungsklage auch eine reguläre Zahlungsklage einreichen. Diese ermöglicht die Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Eigentümers und kann zur Zwangsversteigerung des Objekts führen, ohne den komplexen Weg der Entziehungsklage gehen zu müssen.


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Wie lange dauert ein Entziehungsverfahren und welche Kosten entstehen?

Ein Entziehungsverfahren nach § 17 WEG dauert von der ersten Beschlussfassung bis zur Grundbuchumschreibung auf einen neuen Eigentümer in der Regel mindestens zwei Jahre.

Verfahrensablauf und Zeitrahmen

Der Prozess gliedert sich in mehrere Phasen:

  • Die Vorbereitung des Entziehungsbeschlusses mit Dokumentation aller Pflichtverletzungen
  • Die Beschlussfassung durch die Eigentümerversammlung
  • Das gerichtliche Entziehungsverfahren
  • Die Zwangsvollstreckung bei erfolgreichem Verfahren

Kostenrisiken

Die Kosten eines Entziehungsverfahrens sind erheblich höher als bei normalen Zahlungsklagen, da der Streitwert sich nach dem Verkehrswert der gesamten Eigentumswohnung richtet.

Bei einem Verfahren entstehen:

  • Gerichts- und Anwaltskosten für beide Parteien
  • Kosten für die Beweisführung und Dokumentation
  • Bei Unterliegen: Die Kostentragungspflicht für beide Seiten

Kostentragung und Verteilung

Wenn die Entziehungsklage erfolgreich ist, muss der betroffene Eigentümer sämtliche Verfahrenskosten tragen. Bei Misserfolg der Klage trägt die Wohnungseigentümergemeinschaft die gesamten Verfahrenskosten – auch die des beklagten Eigentümers.

Eine Alternative zum vollständigen Verfahren kann ein gerichtlicher Vergleich sein. Dabei kann beispielsweise eine Frist vereinbart werden, innerhalb derer der Eigentümer seine Wohnung selbst am Markt verkaufen kann.

Die für eine vorherige Abmahnung aufgewandten Rechtsanwaltskosten kann die Gemeinschaft als Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn eine erhebliche Pflichtverletzung des Eigentümers vorliegt.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Entziehungsklage

Eine Entziehungsklage ist ein rechtliches Mittel der Wohnungseigentümergemeinschaft, mit dem einem Eigentümer zwangsweise sein Wohnungseigentum entzogen werden kann. Sie kommt nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen in Betracht, die das Zusammenleben in der Gemeinschaft unzumutbar machen. Grundlage ist § 17 WEG. Ein typischer Fall ist etwa, wenn ein Eigentümer durch sein Verhalten andere massiv beeinträchtigt oder gefährdet. Nach erfolgreicher Klage muss der Eigentümer seine Wohnung verkaufen.


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Wohnungseigentümergemeinschaft

Der rechtliche Zusammenschluss aller Eigentümer in einem Mehrparteienhaus. Sie verwaltet das gemeinschaftliche Eigentum und trifft wichtige Entscheidungen für die Immobilie. Geregelt im Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Die Gemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschlüsse verbindliche Regelungen treffen und diese auch gerichtlich durchsetzen. Jeder Eigentümer ist automatisch Mitglied und hat bestimmte Rechte und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft.


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Gemeinschaftsordnung

Die rechtliche Grundordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die das Zusammenleben der Eigentümer regelt. Sie enthält wichtige Bestimmungen zur Nutzung, Verwaltung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums. Verstöße können rechtliche Konsequenzen haben. Die Ordnung wird meist beim Aufteilen des Hauses in Eigentumswohnungen festgelegt (§ 10 WEG) und kann später nur mit Zustimmung aller Eigentümer geändert werden.


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Unterlassungsurteil

Eine gerichtliche Entscheidung, die einer Person ein bestimmtes Verhalten untersagt. Bei Verstoß drohen Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. Im Wohnungseigentumsrecht häufig bei störendem Verhalten eines Eigentümers. Beispiel: Ein Eigentümer wird per Urteil verpflichtet, bestimmte Geruchsbelästigungen zu unterlassen. Rechtsgrundlage ist § 241 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Spezialvorschriften.


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Vertretungsmacht

Die rechtliche Befugnis, im Namen eines anderen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben oder Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Der WEG-Verwalter hat kraft Gesetzes (§ 9b WEG) Vertretungsmacht für die Eigentümergemeinschaft. Er kann daher ohne gesonderten Beschluss bestimmte Klagen erheben oder Verträge abschließen. Die Vertretungsmacht kann durch Vereinbarung der Eigentümer eingeschränkt werden.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 17 WEG): Dieser Paragraph regelt die Mitwirkungspflichten der Wohnungseigentümer innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Jeder Eigentümer ist verpflichtet, das gemeinschaftliche Eigentum pfleglich zu behandeln und Störungen des gemeinschaftlichen Lebens zu unterlassen. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Maßnahmen der Gemeinschaft führen, um das Zusammenleben zu sichern.

    In dem vorliegenden Fall hat die Beklagte durch die Vernachlässigung ihrer Wohnungspflichten, wie mangelnde Reinigung und unzureichende Lüftung, die Gemeinschaft erheblich gestört. Die anhaltenden Geruchsbelästigungen beeinträchtigen das gemeinsame Wohnen der anderen Eigentümer, was eine Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 17 WEG darstellt.

  • § 24 WEG): Dieser Paragraph ermöglicht der Wohnungseigentümergemeinschaft, bei Verstößen gegen die Gemeinschaftsordnung Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören insbesondere Abmahnungen, die Anordnung von Maßnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands und, im Extremfall, der gerichtliche Entzug des Wohnungseigentums.

    Im vorliegenden Fall hat die Gemeinschaft bereits Maßnahmen ergriffen, ein Umlaufbeschluss zur Entziehung des Wohnungseigentums der Beklagten gefasst wurde. Dies ist eine direkte Anwendung von § 24 WEG, um die anhaltenden Störungen durch die Beklagte rechtlich zu unterbinden.

  • § 109 WEG): Dieser Paragraph regelt die Pflichten des Verwalters, einschließlich der Sicherstellung des Zugangs zu den Wohnungen für notwendige Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten. Eigentümer sind verpflichtet, dem Verwalter den Zugang zu ihren Wohnungen zu gewähren, um die ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu gewährleisten.

    In dem vorliegenden Fall hat die Beklagte mehrfach den Zugang der Firma XXX zur Ablesung der Zählerstände verweigert. Dies behindert die notwendige Verwaltung und Abrechnung innerhalb der Gemeinschaft, was einen Verstoß gegen § 109 WEG darstellt.

  • § 1004 BGB): Dieser Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches ermöglicht es einem Eigentümer, die Beseitigung von Störungen seines Eigentums zu verlangen, wenn eine andere Person dadurch beeinträchtigt wird. Dazu gehören auch Immissionen wie Gerüche, die den Gebrauch der eigenen Immobilie erheblich beeinträchtigen.

    Die andauernden Geruchsbelästigungen aus der Wohnung der Beklagten beeinträchtigen das Eigentum der anderen Miteigentümer erheblich. Durch die Anwendung von § 1004 BGB kann die Gemeinschaft rechtliche Schritte einleiten, um die Beklagte zur Beseitigung der Störungen zu verpflichten.

  • § 17 Abs. 2 WEG): Diese Bestimmung erlaubt es der Wohnungseigentümergemeinschaft, Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Gemeinschaftsordnung sicherzustellen. Dazu zählen Abmahnungen und, bei wiederholten Verstößen, die gerichtliche Verlängerung des Wohnungseigentums.

    In der aktuellen Situation hat die Gemeinschaft gemäß § 17 Abs. 2 WEG den Entzug des Wohnungseigentums der Beklagten beantragt, da ihre wiederholten Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung trotz vorheriger Maßnahmen weiterhin bestehen. Dies zeigt die Anwendung dieser Vorschrift zur Durchsetzung der Rechte der Gemeinschaft.


Das vorliegende Urteil


AG Lörrach – Az.: 3 C 855/23 WEG – Urteil vom 16.12.2024


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