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WEG – Verstoß gegen das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit – Beschlussanfechtung

AG Nordhorn – Az.: 3 C 1506/10 – Urteil vom 15.06.2011

1.) Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.10.2010 (12. Versammlung der Wohnungseigentümer) zu TOP 4 (Beschlussfassung über die Verwaltungsabrechnung 2009), TOP 5 (Entlastung der Verwalterin für das Geschäftsjahr 2009), TOP 6 (Entlastung des Beirates für das Geschäftsjahr 2009) und TOP 7 (Beschlussfassung für den Wirtschaftsplan 2010) werden für unwirksam erklärt.

2.) Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten zu je 1/28.

3.) Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege einer Anfechtungsklage die Anfechtung von Beschlüssen einer Wohnungseigentümerversammlung.

Der Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft … . Am 30.10.2010 hielt die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Versammlung ab, in der unter anderem die im Tenor genannten Beschlüsse gefasst worden sind. Der Kläger hält die Beschlüsse aus formellen und materiellen Gründen für unwirksam.

Die Einladung zur Wohnungseigentümerversammlung erfolgte unter dem 27.09.2010. In der Einladung wurde darauf hingewiesen, dass die Versammlung „aus Organisations- und Kostengründen“ gemeinsam mit der Wohnungseigentümergemeinschaft … durchgeführt wird. Entsprechend dieser Einladung wurden die beiden Wohnungseigentümerversammlungen auch gemeinsam durchgeführt.

Der Kläger rügt, dass nicht alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeladen worden seien. Bereits die Einladung sei mit einem Fehler behaftet, weil sie mit den Worten „Die Verwalterin: …“ unterschrieben worden sei.

Der Kläger rügt auch einen Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit. Es sei nicht zulässig, zwei Wohnungseigentümerversammlungen gemeinsam abzuhalten. Hierzu behauptet der Kläger, der Wohnungseigentümer … habe dem Vorgehen in der Versammlung auch widersprochen. Ein Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit sei auch darin zu erblicken, dass neben dem Geschäftsführer drei weitere Mitarbeiter der Wohnungsverwalterin an der Versammlung teilgenommen hätten.

Der Kläger meint, das Protokoll sei überdies unrichtig. Der Wohnungseigentümer … habe den einzelnen Beschlüssen ausdrücklich widersprochen, was nicht in das Protokoll aufgenommen worden sei. Überdies fehlten unter dem Protokoll die erforderlichen Unterschriften.

Weiterhin macht der Kläger geltend, die Anwesenheitsliste zur Eigentümerversammlung sei nicht richtig. Einige der Wohnungseigentümer seien auf der Liste nicht aufgeführt.

Der Kläger beruft sich auch auf ein Stimmverbot. Unstreitig trat die Wohnungsverwalterin bei den Abstimmungen als Eigentümerin von 7 bzw. 8 Wohnungen und als Vertreterin von 16 weiteren Wohnungseigentümern auf. Der Kläger meint, bei den Beschlussfassungen zu TOP 4 und TOP 5 hätte die Verwalterin nicht mit abstimmen dürfen. Rechnet man die Stimmen der Wohnungsverwalterin aus dem Abstimmungsergebnis heraus, so lasse sich feststellen, dass die Versammlung gar nicht beschlussfähig gewesen sei.

Hinsichtlich der Beschlussfassung über die Verwaltungsabrechnung 2009 beanstandet der Kläger, dass Reparaturkosten in Höhe von 10.928,72 € aus einer Rücklage entnommen worden seien. Ein Teil der Reparaturkosten beträfen allein das Sondereigentum. Bei den Kosten der Erneuerung der Außenbeleuchtung in Höhe von 7.041,58 € handele es sich nicht um Instandsetzungskosten, sondern um bauliche Veränderungen, für die die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich sei. Da die Verwaltungsabrechnung fehlerhaft sei, könne die Verwalterin auch nicht entlastet werden.

Der Kläger beantragt, die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.10.2010 zu TOP 4 bis 7 für unwirksam zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage zurückzuweisen.

Sie verteidigen die Beschlussfassung. Sie behaupten pauschal, alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft seien zur Versammlung eingeladen worden. Die formellen Fehler in der Einladung seien unerheblich. Hinsichtlich der gemeinsamen Veranstaltung mit einer weiteren Wohnungseigentümergemeinschaft berufen sich die Beklagten auf einen Hinweis in der Einladung. Unstreitig ist dort ausgeführt, dass die beiden Versammlungen – das Einverständnis der Mitglieder voraussetzend – gemeinsam durchgeführt werden. Die Beklagten machen auch geltend, weder vor noch in der Versammlung sei Widerspruch erhoben worden. Weiterhin verteidigen die Beklagten den Inhalt der Verwaltungsabrechnung 2009.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die vier angefochtenen Beschlüsse sind rechtswidrig und damit unwirksam.

Die Beschlussanfechtungsklage ist zulässig. Der Kläger war und ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft … . Bei der Erhebung der Anfechtungsklage ist die Monatsfrist von § 46 WEG eingehalten worden.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die vier angefochtenen Beschlüsse verstoßen gegen das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit.

Wohnungseigentümerversammlungen sind nicht-öffentliche Veranstaltungen. Für den Kreis der Wohnungseigentümer besteht ein schutzwürdiges Interesse dahin, fremden Einfluss von der Wohnungseigentümerversammlung fernzuhalten, einen ungestörten Ablauf der Versammlung zu sichern und einer unnötigen Verbreitung ihrer Angelegenheiten in der Öffentlichkeit vorzubeugen. Insbesondere bei der Abhaltung von Versammlungen in nicht abgetrennten, öffentlich zugänglichen Gaststättenräumen wird ein Verstoß gegen das Prinzip angenommen, weil damit die Vertraulichkeit der Beratungen und der freie Austausch der Gedanken nicht gewährleistet werden kann (Kammergericht NJW-RR 1997, 456, 457; OLG Frankfurt NJW 1995, 3395; Bärmann/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 11. Auflage 2010, § 24 Randnummer 68). Hiernach sind Beschlüsse einer Versammlung für ungültig zu erklären, wenn sich der Mangel auf das Ergebnis der Beschlussfassungen ausgewirkt haben kann.

Im vorliegenden Fall ist das Prinzip der Nichtöffentlichkeit auch in der Teilungserklärung unter § 12 4. Absatz festgelegt. Denn dort ist bestimmt, dass bei den Versammlungen teilnahmebefugt nur der Verwalter, die Wohnungseigentümer und ihre Ehegatten sind; Besucher haben keinen Zutritt zur Versammlung.

Im vorliegenden Fall wurde gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit verstoßen, weil die Versammlung gemeinsam mit der Versammlung einer anderen Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt worden ist. Die gemeinsame Abhaltung der beiden Wohnungseigentümerversammlungen wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

Eine wirksame Einwilligung der Wohnungseigentümer liegt nicht vor. In der Einladung findet sich folgender Satz: „Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werden wir aus Organisations- und Kostengründen die Versammlung gemeinsam mit der Wohnungseigentümergemeinschaft … durchführen.“ Dieser Zusatz in der Einladung reicht nicht aus, um annehmen zu können, dass die Wohnungseigentümer dem Vorgehen der Verwalterin zugestimmt haben. Die Beklagten haben schon nicht im Einzelnen dargelegt, dass sämtliche Wohnungseigentümer zur Versammlung geladen worden sind. Im Übrigen ist dem unterbliebenen Widerspruch keine Einwilligung der Wohnungseigentümer zu entnehmen.

Die Beklagten machen nicht geltend, dass sämtliche Wohnungseigentümer der gemeinsamen Veranstaltung zugestimmt haben. Dementsprechend können die Beklagten ein Einverständnis allenfalls aus dem Schweigen der Wohnungseigentümer herleiten. Dieses Schweigen hat allerdings nicht einen Erklärungsinhalt in dem Sinne, dass hieraus eine Zustimmung konstruiert werden könnte. Im deutschen Zivilrecht hat das Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungsgehalt. Anders ist dies insbesondere im kaufmännischen Verkehr, in dem die gesetzlichen Vorgaben und Gepflogenheiten einen Kaufmann zwingen können, auf eine Erklärung zu reagieren, wenn er diese nicht gelten lassen will. Für den Bereich des Wohnungseigentumsrechts gibt es derartige rechtliche Vorgaben nicht. Das Schweigen der Wohnungseigentümer auf die Einladung war daher nicht relevant.

Der einzelne Wohnungseigentümer konnte eine gemeinsame Veranstaltung der Wohnungseigentümerversammlungen daher nur dadurch verhindern, dass er explizit Widerspruch gegen die beabsichtigte Vorgehensweise erklärt. Dies wird jedoch für unzumutbar angesehen. Denn der einzelne Wohnungseigentümer hätte somit selbst tätig werden müssen, um den Verstoß gegen das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit zu verhindern. In dieser Situation wird sich ein Wohnungseigentümer überlegen, ob er tatsächlich – sein Recht einfordernd – aktiv tätig wird. Manch ein Wohnungseigentümer wird ein aktives Tun scheuen, um nicht als Querulant dazustehen. Die übrigen Wohnungseigentümer würden durch einen Widerspruch auch insofern betroffen werden, als dass bei einer getrennten Abhaltung der Versammlungen natürlich höhere Kosten entstehen würden. Um hierfür nicht verantwortlich gemacht zu werden, wird ein Wohnungseigentümer vielleicht davon absehen, einen Widerspruch zu erheben.

Ein Verstoß gegen das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit ist auch nicht dadurch ausgeräumt, dass in der Versammlung selbst kein Widerspruch erhoben worden ist. Insoweit ist den Beklagten zunächst beizupflichten, dass das OLG Hamburg in einem Fall, in dem in der Versammlung keine Rüge erhoben worden ist, einen stillschweigenden Verzicht der Wohnungseigentümer auf die Einhaltung der Nicht-Öffentlichkeit angenommen hat (OLG Hamburg, ZMR 2007, 550, 553). Die Entscheidung des OLG Hamburg betraf indes eine andere Fallgestaltung. In jener Fallgestaltung ging es nicht um einen „planmäßigen“ Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit. Vielmehr ging es um die Anwesenheit einer einzelnen Person in der Versammlung, nämlich die des Hausmeisters. Im vorliegenden Fall indes war der Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit von vornherein angelegt. Es war – offenbar wie auch in den Vorjahren – geplant, zwei Versammlungen gemeinsam abzuhalten. Bei der Entscheidung des OLG Hamburg ging es demgegenüber um einen „zufälligen“ Verstoß gegen das Prinzip. Daher kann die Entscheidung des OLG Hamburg auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragen werden.

Die Beklagten verkennen auch, dass das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit dem Schutz aller Wohnungseigentümer dient. Soll das Prinzip abgedungen werden, bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer. Denn jeder einzelne Wohnungseigentümer – nimmt er nun an der Versammlung teil oder nicht – hat einen Anspruch auf Einhaltung. Gegen das Prinzip wird daher evident verstoßen, wenn die Versammlung planmäßig nicht-öffentlich sein soll. In dieser Situation kommt es auch nicht darauf an, ob sich eine Ursächlichkeit des Verstoßes für das Abstimmungsergebnis feststellen lässt. Denn das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit ist insoweit vorrangig und kann nicht durch den unterbliebenen Widerspruch einer Mehrzahl von Wohnungseigentümern ausgeräumt werden (AG Halle (Saale), Urteil vom 15.03.2011, Az. 120 C 4333/10, zitiert nach Juris; AG Mettmann, Urteil vom 03.08.2009, Az. 26 C 104/08, ZMR 2009, 959, 960, zitiert nach Juris).

Im vorliegenden Fall liegt ein derart eklatanter Verstoß gegen das Prinzip der Nicht-Öffentlichkeit vor. Planmäßig sollten zwei Wohnungseigentümerversammlungen nebeneinander abgehalten werden. Dieses Vorgehen ist nach dem Gesetz und der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zulässig. Hätten die Wohnungseigentümer gewollt, dass ihre Versammlung gemeinsam mit einer weiteren Versammlung abgehalten werden kann, so hätten sie dies durch einen Beschluss sämtlicher Mitglieder absegnen müssen. Ein derartiger Beschluss ist indes nicht ersichtlich.

Der Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit schlägt bei allen vier angefochtenen Beschlüssen durch. Die Beschlüsse sind daher rechtswidrig und unwirksam. Es kommt nicht darauf an, ob auch die weiteren Rügen des Klägers berechtigt sind.

Die Klage erwies sich danach als begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 49 WEG und §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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