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Eigenbedarfskündigung ohne konkreten Nutzungswillen – Schadensersatzpflicht

Eigenbedarfskündigung: Vermieter zu Schadensersatz verurteilt

In einem kürzlich ergangenen Urteil des Amtsgerichts Köln (Az.: 203 C 200/20) wurden die Beklagten als Vermieter zur Zahlung von Schadensersatz an die gekündigte Mieterin verurteilt. Die Klägerin hatte erfolgreich argumentiert, dass der behauptete Eigenbedarf der Vermieter nicht bestand.

Direkt zum Urteil: Az.: 203 C 200/20 springen.

Umstrittener Eigenbedarf

Die Vermieter hatten das Mietverhältnis wegen angeblichen Eigenbedarfs für ihren Enkel gekündigt. Die Mieterin zog aus und entdeckte später, dass die Wohnung online zur Miete angeboten wurde. Sie warf den Vermietern vor, den Eigenbedarf nur vorgeschoben zu haben.

Schadensersatzforderungen

Die Klägerin forderte Schadensersatz für Umzugs- und Renovierungskosten, doppelt gezahlte Miete und die erhöhte Miete ihrer neuen Wohnung. Das Gericht gab der Klägerin Recht und verurteilte die Vermieter zur Zahlung von 5.200,02 EUR nebst Zinsen.

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Das vorliegende Urteil

AG Köln – Az.: 203 C 200/20 – Urteil vom 08.02.2022

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.200,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien waren durch ein Wohnraummietverhältnis über eine Wohnung in Köln miteinander verbunden. Die Klägerin war Mieterin, die Beklagten gemeinsam Vermieter. Die Wohnung verfügte über eine Wohnfläche von 57 m2. Zuletzt schuldete die Klägerin eine Grundmiete von 9,21 EUR pro Quadratmeter.

Die Beklagten kündigten das Mietverhältnis durch anwaltliches Schreiben vom 27.07.2018 (Anl. K1, Bl. 7 ff. GA) aufgrund von Eigenbedarfs zum 30.04.2019. In der Kündigungserklärung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, führten sie aus, dass sie die Wohnung Herrn J.A. L., ihrem Enkel, zur Verfügung stellen wollten, da dieser seine Ausbildung abgeschlossen habe und deshalb die elterliche Wohnung verlassen wolle, um auf „eigenen Beinen zu stehen“. In dem Schreiben führten sie weiter aus, dass die Auswahl unter den im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnungen auf die von der Klägerin bewohnte gefallen sei, weil diese sich in der Nähe der von den Beklagten selbst bewohnten Wohnung befinde. Der Enkel könne sie daher in Zukunft bei Bedarf rasch und unkompliziert unterstützen. Überdies eigne sich die Wohnung auch deshalb besser als die Alternativwohnung, weil der Enkel „gegebenenfalls“ gemeinsam mit seiner Freundin die Wohnung nutzen könne.

Die Klägerin suchte infolge der Kündigung erfolgreich eine neue Wohnung und schloss am 27.11.2018 einen entsprechenden Mietvertrag zum 01.02.2019 (Anl. K2 Bl. 9 ff. GA). Da die Kündigungsfrist der durch die Beklagten erklärten Kündigung noch nicht abgelaufen war, kündigte die Klägerin ihrerseits das Mietverhältnis der Parteien fristgerecht zum 28.02.2019.

Für den Umzug in die neue Wohnung, die ausweislich des Mietvertrages (§ 10, Anl. K 2, Bl. 20 GA) unrenoviert war, wandte die Klägerin 716,02 EUR auf (Anl. K6, Bl. 36 GA). Weitere 410,00 EUR zahlte sie für einen neuen Anstrich (Anl. K7, Bl. 37 GA). Für den Monat Februar 2019 musste die Klägerin die neue Kaltmiete neben der bisherigen zahlen. Für die ursprüngliche Wohnung zahlte die Klägerin insoweit 600,00 EUR. Die neue Wohnung der Klägerin weist eine Wohnfläche von ca. 50 m2 auf und ist vom Baualter vergleichbar mit der wegen Eigenbedarfs gekündigten Wohnung der Klägerin. Hierfür fällt nunmehr eine Grundmiete von 750,00 EUR, mithin 15,00 EUR pro Quadratmeter an. Hiernach zahlt die Klägerin gegenüber der ursprünglichen Wohnung eine um 5,79 EUR pro Quadratmeter erhöhte Kaltmiete.

Im Februar 2019 befand sich auf dem Internetportal „Immobilienscout24.de“ eine Anzeige über die von dieser Zeit von der Klägerin noch bewohnte Wohnung. Jedenfalls im Kopf der Anzeige wurde eine 1,5 Zimmer-Wohnung mit 57 m2 Wohnfläche zu einem Preis von 794,00 EUR Kaltmiete, insgesamt 1.100,00 EUR angeboten. In der Überschrift heißt es: „Stilvolle, geräumige und sanierte 1,5-Zimmer-Wohnung mit Balkon in Klettenberg, Köln“. Die Anzeige wurde am 26.02.2019 deaktiviert. Es wird ergänzend auf die entsprechenden Screenshots (Anl. K4, Bl. 31 f. GA) Bezug genommen. Eine ähnliche Anzeige wurde erneut im Mai 2019 aufgegeben. Insoweit wurde eine Kaltmiete von 855,00 EUR verlangt, eine Gesamtmiete war nicht angegeben. Diesmal war die Zimmeranzahl mit zwei angegeben (ebenfalls Anl. K4, Bl. 33 GA). Im Verlauf des Jahres 2019 stellte die Klägerin zudem fest, dass an ihrer vormaligen Wohnung das Namensschild „K.“ angebracht war.

Die Klägerin wandte sich unter Bezugnahme auf Vorstehendes über den Mieterverein an die Beklagten (Anl. K3, Bl. 30 GA). Mit Schreiben des Haus- und Grundbesitzervereins von 1888 vom 12.12.2019 (Anl. K5, Bl. 34 f. GA) antworteten die Beklagten, dass die Anzeige aus dem Monat Februar durch ihren Enkel eigenmächtig aufgegeben worden sei. Dies habe er getan, weil er Zweifel bekommen habe, ob er die Wohnung in voller Höhe alleine finanzieren könne. Deshalb habe er sich einen Untermieter suchen wollen. Die Beklagten hätten hiervon nichts gewusst. Ihr Enkel habe die Anzeige allerdings entfernt, nachdem sie ihm mitgeteilt hatten, dass eine WG-Gründung für sie nicht in Betracht komme. Auch zu diesem Zeitpunkt hätten die Beklagten von der Anzeige nichts gewusst. Erst die Anzeige aus dem Mai habe ihre Tochter im Einvernehmen mit den Beklagten geschaltet.

Die Klägerin behauptet, der von den Beklagten geltend gemachte Eigenbedarf habe von Anfang an nicht bestanden, sondern sei vielmehr nur vorgeschoben gewesen. Jedenfalls sei aber der Eigenbedarf – so er denn anfangs bestanden habe – nachträglich weggefallen. Dies hätten die Beklagten jedenfalls auch während der laufenden Kündigungsfrist erfahren. Die Beklagten sind der Ansicht, dies hätten die Beklagten ihr mitteilen müssen. Auch aufgrund dessen seien sie zum Schadensersatz verpflichtet.

Den Vortrag der Beklagten zu den Einzelheiten des von ihnen behaupteten nachträglichen Wegfalls des Eigenbedarfs bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Sie behauptet in diesem Zusammenhang zudem, dass die Wohnung zur Gründung einer Wohngemeinschaft ungeeignet sei.

Die Klägerin macht die ihr entstandenen Umzugs- und Renovierungskosten, die doppelt gezahlte Miete für Februar sowie einen Jahresbetrag der erhöhten Kaltmiete geltend, wobei sie zur Berechnung auf die Wohnfläche ihrer jetzigen Wohnung von 50 m2 zurückgreift und diese mit der zuvor dargestellten Differenz der Kaltmiete pro Quadratmeter multipliziert..

Die Klägerin hat die Klage zur Korrektur eines Übertragungsfehlers mit Schriftsatz vom 01.02.2021 (147 GA) in Höhe von 273,00 EUR zurückgenommen.

Nunmehr beantragt sie, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.200,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass ein Eigenbedarf bestanden habe. Ihr Enkel habe tatsächlich in die Wohnung einziehen wollen; sie hätten ihm diese auch überlassen wollen. Es habe zunächst allerdings keine Verabredungen zu den Konditionen im Einzelnen gegeben. Die Beklagten seien aber bereit gewesen, ihren Enkel insoweit entgegenzukommen.

Die Beklagten haben schriftsätzlich behauptet, ihr Enkel habe nachträglich erhebliche Zweifel gehegt, ob er in der Lage sei, die Wohnung alleine zu finanzieren. Deshalb habe er sich mit dem Gedanken getragen, sich einen Mitbewohner zu suchen. Entsprechend habe er die als Anlage K4 vorgelegte Anzeige erstellt. Diese habe sich jedoch – wie auch weitere, nicht vorgelegte Anzeigen – nur auf einen Teil der Wohnung bezogen. Nachdem er die Beklagten von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt habe, hätten die Beklagten jedoch die Zustimmung verweigert. Ihr Enkel habe daraufhin die Anzeige wieder entfernt, ohne dass sie zu dieser Zeit von ihr Kenntnis gehabt hätten. Diese hätten sie erst durch das Schreiben des Mietervereins vom 25.11.2019 erlangt. Nachdem sich die WG-Gründung zerschlagen habe, habe ihr Enkel überlegt, mit seiner Lebensgefährtin einzuziehen. Während eines Urlaubs in Spanien sei es jedoch dann zu einem Zerwürfnis gekommen sodass auch dies nicht mehr infrage kommen sei. Erst im Mai 2019 hätten sie erfahren, dass ihr Enkel nicht einziehen werde. Erst dann hätten sie ihre Tochter beauftragt, erneut zu inserieren.

In der mündlichen Verhandlung haben sie ihren vorstehenden Vortrag insofern korrigiert bzw. ergänzt, als sie nunmehr behaupten, sie hätten von den Plänen ihres Enkels zur WG-Gründung im Zusammenhang mit der im Februar geschalteten Anzeige erfahren und ihr Enkel habe diese dann nach Rücksprache entfernt. Hintergrund für die Verweigerung ihrer Zustimmung sei gewesen, dass die Beklagten den Eindruck hätten vermeiden wollen, dass es durch die Gründung einer Wohngemeinschaft durch die Hintertür zu einer Vermietung an einen Dritten komme und Eigenbedarf tatsächlich nicht bestanden hätte.

Weiter behaupten sie nunmehr, ihr Enkel habe eine WG-Gründung erst in Erwägung gezogen, nachdem der Plan, mit seiner damaligen Freundin zusammen zu ziehen, gescheitert sei und nicht umgekehrt.

Zu einem finanziellen Entgegenkommen sei es nicht gekommen, weil ihr Enkel sie aus Scham nicht unmittelbar darauf angesprochen habe. Außerdem habe er seinen Einzug von Beginn an davon abhängig gemacht, mit seiner damaligen Freundin einzuziehen, dies ihnen gegenüber aber nicht offengelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, begründet.

A.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu.

Nach diesen Vorschriften ist, wer eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt, zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet, wobei eine Pflichtverletzung auch darin liegen kann, keine Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen. Diese Voraussetzungen liegen vor.

I.

Die Beklagten haben durch die erklärte Eigenbedarfskündigung eine Pflicht aus dem Mietvertrag mit der Klägerin verletzt.

1.

Es ist in der Rechtsprechung zum Wohnungsmietrecht seit langem anerkannt, dass ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die mangels tatsächlich vorliegenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, auf dieser Grundlage zum Schadensersatz verpflichtet ist (noch zur positiven Vertragsverletzung des alten Schuldrechts: BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03 -, Rn. 10, juris m. w. N.). Unerheblich ist dabei, ob der Vermieter insoweit vorsätzlich oder – gegebenenfalls aufgrund eines vermeidbaren Rechtsirrtums – lediglich fahrlässig handelt (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – VIII ZR 255/82 -, BGHZ 89, 296-308, Rn. 21 – ebenfalls zum alten Schuldrecht). Das gilt selbst dann, wenn der Vermieter gar die Tatsachen, aufgrund derer er meint, zur Kündigung berechtigt zu sein, zutreffend angibt (vgl. BGH, Urteil vom 08. Juli 1998 – XII ZR 64/96 -, Rn. 12, juris zu einer unwirksamen Kündigungsregelung in AGB im Gewerbemietrecht). Es ist deshalb nicht entscheidend, ob tatsächlich ein „vorgeschobener Eigenbedarf“ vorliegt, um eine aus anderen Gründen angestrebte Beendigung des Vertrages zu erreichen, oder ob die Erwägungen des Vermieters die Kündigung wegen Eigenbedarfs lediglich nicht tragen und er dies zu vertreten hat.

2.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Beklagten haben der Klägerin aufgrund von Eigenbedarfs gekündigt, ohne dass die Voraussetzungen hierzu vorlagen. Darauf, ob die Beklagten – wie von der Klägerin behauptet – von Anfang an beabsichtigten, die Wohnung einem Dritten zur Verfügung zu stellen, kommt es nicht an.

a)

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter ordentlich kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Ein Vermieter „benötigt“ die Wohnung nur dann, wenn sich der Nutzungswunsch für sich oder für die weiteren Berechtigten bereits soweit „verdichtet“ hat, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung bzw. Überlassung besteht (BGH, Urteil vom 23. September 2015 – VIII ZR 297/14 -, Rn. 22, juris). Eine anderenfalls vorliegende Vorratskündigung genügt den Anforderungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/15 -, Rn. 19, juris).

b)

Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Es fehlte jedenfalls an einem hinreichend konkreten Nutzungswillen der Beklagten bzw. ihres Enkels. Hiervon ist im Hinblick auf das durch die Beklagten nicht hinreichend bestrittene Vorbringen der Klägerin (siehe dazu sogleich) auszugehen.

aa)

Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist (BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03 -, Rn. 23, juris). Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel („stimmig“; ebd.) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll; insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand (ebd.). Anderenfalls ist das Fehlen des vorstehend beschriebenen konkreten Nutzungswillens als unbestritten, d. h. als nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden, zu behandeln (BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 44/16 -, Rn. 22, juris). Eine Beweisaufnahme ist in einem derartigen Fall nicht geboten.

bb)

Das Bestreiten der Beklagten ist hiernach unbeachtlich, der Vortrag der Klägerin als unstreitig zu behandeln. Die Beklagten haben die strengen Anforderungen an einem in diesem Sinne plausiblen, das heißt stimmigen, Vortrag zum Wegfall des Eigenbedarfs nicht erfüllt. Ihrem Vorbringen fehlt es vielmehr an Plausibilität. Es ist vielfach widersprüchlich und lebensfremd und erlaubt allenfalls den Schluss, dass bei Kündigung ein abstrakter Nutzungswunsch im Sinne von allgemeinen Überlegungen dahingehend, dass der Enkel die Wohnung nutzen könne, vorgelegen habe. Ein derartiges Interesse rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung aber gerade nicht. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den folgenden Erwägungen:

(1)

Die Beklagten haben die Kündigung darauf gestützt, dass ihr Enkel die von der Klägerin bewohnte Mietwohnung nutzen wolle, weil er auf eigenen Beinen stehen wolle und gerade seine Ausbildung beendet habe. Ausweislich der Kündigung war die Frage, ob der Enkel mit seiner Freundin zusammenziehe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch offen. Dies wurde zwar in Erwägung gezogen, war aber ausdrücklich nicht Grund oder Bedingung des Nutzungswunsches, auf den die Kündigung gestützt wurde.

(2)

Dass und warum dieser geltend gemachte Eigenbedarf nachträglich weggefallen sein soll, haben sie nicht zu plausibilisieren vermocht.

(a)

Schon im Ansatz ist es nicht plausibel, wenn die Beklagten die fehlende Umsetzung des Eigenbedarfs damit begründen, dass ihrem Enkel nachträglich Zweifel gekommen seien, sich die Wohnung leisten zu können. Bei einem konkreten Nutzungswunsch – wie in der Kündigung geltend gemacht primär für ihren Enkel – hätte es vielmehr nahegelegen, dass sich der Enkel mit ihnen im Einzelnen über die Konditionen der Anmietung und seine finanziellen Verhältnisse ausgetauscht hätte und man bereits vor dem Ausspruch der Kündigung feste Konditionen vereinbart hätte. Derartiges tragen die Beklagten jedoch nicht vor. Sie haben vielmehr in der mündlichen Verhandlung vortragen lassen, dass es zu diesem Zeitpunkt konkrete Absprachen nicht gegeben habe, man habe sich aber gefreut, dass der Enkel den Wunsch geäußert habe, einzuziehen. Auch bei einer Überlassung einer Wohnung an Verwandte gehört der Mietpreis zu den wesentlichen Punkten, die darüber bestimmen, ob für den potenziellen Mieter eine Anmietung in Betracht kommt oder nicht. Fehlen derartige Vereinbarungen, wird ein konkreter bzw. „verdichteter“ Nutzungswunsch in der Regel nicht vorhanden sein, sondern allenfalls ein allgemeines Interesse.

Es ist auch für den Fall, dass ein konkreter Überlassungswille bestanden haben sollte, wenig einleuchtend, dass der Enkel der Beklagten – wie erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht – seinen Einzug im Sinne eines geheimen Vorbehalts davon abhängig gemacht hat, dass er mit seiner Freundin einziehe. Dies insbesondere, weil diese Möglichkeit in der Kündigung bereits angesprochen worden war. Wenn es für den Enkel essenziell gewesen wäre, mit seiner Freundin einzuziehen, hätte es in besonderem Maße nahegelegen, dies gegenüber den Beklagten zu kommunizieren. Warum er in diesem Fall diesen festen Wunsch gegenüber den Beklagten nur als lose Überlegung hätte darstellen sollen, erschließt sich nicht.

(b)

Ohne dass es hierauf für die Entscheidung ankäme, fehlt es aber auch an ergänzenden Angaben dazu, aus welchem Grund und inwieweit sich die finanziellen Verhältnisse des Enkels der Beklagten nachträglich verschlechtert hätten. Dies wäre nach dem Dafürhalten des Gerichts aber für die Substantiierung ihres Vorbringens erforderlich. Sollten die finanziellen Verhältnisse des Enkels der Beklagten hingegen unverändert geblieben sein oder sich gar verbessert haben, dürfte erst recht nicht von einem plausiblen Vortrag zum nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs ausgegangen werden können.

(c)

Selbst wenn eine Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Enkels unterstellt wird, ist es bei lebensnaher Betrachtung fernliegend, dass die Beklagten sich bei konkretem Nutzungs- bzw. Überlassungswunsch mit ihrem Enkel nicht über eine Anpassung der Miete – deren vorherige konkrete Vereinbarung die Beklagten freilich nicht vortragen – an seine finanziellen Verhältnisse hätten verständigen können. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung selbst erklären lassen, zu einem Entgegenkommen bei der Miethöhe bereitgewesen zu sein. Dem steht auch nicht entgegen, dass ihr Enkel aus „Schamgefühl“ nicht auf die Beklagten habe zugehen wollen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem ihnen ihr Enkel offenbart haben soll, aus finanziellen Gründen von der Anmietung Abstand nehmen zu wollen, hätte es sich bei einem konkreten Überlassungswillen für die Beklagten aufgedrängt, ihrem Enkel von sich aus tatsächlich entgegenzukommen. Das gilt umso mehr, als die Beklagten sich ausweislich der Kündigung durch die räumliche Nähe zu ihrem Enkel auch gelegentliche Unterstützung im Alltag versprachen.

(d)

Es ist bei ursprünglichem Vorhandenseins eines konkreten Überlassungswillens nicht nachvollziehbar, dass die Beklagten ihrem Enkel eine Nutzung der Wohnung zur Gründung einer Wohngemeinschaft untersagt haben wollen. Wenn man eine Verschlechterung seiner finanziellen Lage unterstellt und – unabhängig vom zeitlichen Ablauf – ein Scheitern der Beziehung zu seiner damaligen Partnerin annimmt, hätte es in besonderem Maße nahegelegen, ihm die Wohnung zur Gründung einer Wohngemeinschaft mit einer weiteren Person zu überlassen. Anderenfalls musste die Umsetzung des Eigenbedarfs scheitern. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußert haben, dass sie bei Gründung einer Wohngemeinschaft befürchteten, dass der Eindruck entstehen könnte, Eigenbedarf habe überhaupt nicht bestanden, überzeugt das nicht. Dieser Eindruck entstand vielmehr dadurch, dass eine Wohngemeinschaft bestehend aus ihrem Enkel und einer weiteren Person nicht begründet wurde und die Wohnung später an eine andere Person weitervermietet wurde. Letzteres war logische Folge der von den Beklagten behaupteten Ablehnung der Gründung einer Wohngemeinschaft. Das gilt erst recht, wenn man nicht den ursprünglichen, sondern den letzten Vortrag der Beklagten zugrunde legt, nach dem sich der Bezug der Wohnung mit der damaligen Freundin bereits zuvor zerschlagen hatte (siehe hierzu sogleich).

(e)

Überdies ist das Vorbringen der Beklagten zum Geschehensablauf auch widersprüchlich. Sie haben vorgerichtlich (Anl. K5, Bl. 34 GA) zunächst erklärt, ihr Enkel habe sich einen Untermieter als Mitbewohner suchen wollen, weil er Zweifel gehabt habe, ob er sich die Wohnung leisten könne. Nachdem dies nicht gelungen sei, habe er mit seiner Freundin einziehen wollen. Entsprechend haben die Beklagten auch prozessual vorgetragen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 08.02.2021, Bl. 52 GA). Dies sei dann nach der Trennung nicht mehr möglich gewesen. Abgesehen davon, dass es auch insoweit am Vortrag zum Zeitpunkt der Trennung fehlt, steht dieses vorprozessuale Vorbringen im Widerspruch dazu, dass die Beklagten in der mündlichen Verhandlung nach Rücksprache mit ihrem Enkel behauptet haben, dass dieser ursprünglich mit seiner Freundin habe einziehen wollen, wie es auch in der Kündigung zumindest angedeutet war. Dass es bei dieser simplen Frage Missverständnisse gegeben haben könnte, erscheint dem Gericht fernliegend.

Wenn im Übrigen der letzte Vortrag der Beklagten insoweit als zutreffend unterstellt würde, stünde jedenfalls fest, dass die Beklagten nach der Ablehnung der WG-Gründung bereits vor Ende des Mietverhältnisses im Februar 2019 – die Gründung eines gemeinsamen Hausstands mit der Freundin hätte sich dann bereits zuvor zerschlagen – und nicht erst wie von ihnen behauptet im Mai 2019 gewusst hätten, dass ihr Enkel nicht einziehen wollte.

(f)

Der Vortrag der Beklagten ist weiter unplausibel, soweit die von der Klägerin vorgelegte Annonce (Anl. K4, Bl. 31 f. GA) aus dem Februar 2019 betroffen ist und die Beklagten behaupten, hiermit habe ihr Enkel einen Mitbewohner suchen wollen. In der Anzeige wird evident die ganze Wohnung angeboten und eine entsprechende Miete verlangt. Eine Einschränkung dahingehend, dass nur ein WG-Zimmer angeboten werden sollte, ist ihr keineswegs zu entnehmen. Wäre tatsächlich ein WG-Zimmer Gegenstand der Anzeige gewesen, wäre dies auch im Kopf der Anzeige angegeben gewesen und nicht wie von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet, im weiteren Verlauf der Anzeige, den sie im Übrigen auch nicht vorlegen. Dieses Vorgehen wäre zum einen widersinnig, würde es doch gerade Interessenten dadurch abschrecken, dass zunächst eine für ein WG-Zimmer sehr hohe Miete angegeben würde und im Übrigen eine Angabe dahingehend, dass es sich um ein WG-Zimmer handelt, aus der Überschrift gar nicht ersichtlich ist. Mit anderen Worten wäre die Anzeige so gestaltet gewesen, dass sie nur für Interessenten an ganzen Mietwohnungen, nicht aber an WG-Zimmern ansprechend gewesen wäre. Im Übrigen werden, was offenkundig ist, auf großen Immobilienplattformen WG-Zimmer in gesonderten Kategorien und nicht dergestalt wie von den Beklagten vorgetragen, angeboten. Der Vortrag der Beklagten wird in diesem Punkt auch nicht dadurch plausibel, dass in der späteren Anzeige nicht mehr von 1,5-Zimmern, sondern von 2-Zimmern die Rede ist. Auch ihr Vortrag dazu, wie die Zahl von 1,5 Zimmern in der Anzeige zustande gekommen sein soll, ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel, sondern als bloße Schutzbehauptung zu werten.

(g)

Auf die Vermögens und Einkommensverhältnisse der Beklagten, zu denen sie in der Spruchfrist noch ergänzend vorgetragen haben, kommt es nicht an.

(h)

Den Beklagten musste auf ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatznachlass nicht gewährt werden. Durch den mit Beschluss vom 12.01.2022 (Bl. 76 GA) erteilten Hinweis des Gerichts zu seiner veränderten Rechtsauffassung handelt es sich für die Beklagten nicht um eine Überraschungsentscheidung. Das Gericht hat weiter seine Bedenken hinsichtlich des Vortrags der Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert. Die Beklagten haben insoweit ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und haben weiter auch diesbezüglich noch einmal mit ihrem Enkel während einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung Rücksprache halten können. Vor diesem Hintergrund bestand hinreichende Möglichkeit, das tatsächliche Vorbringen zu ergänzen bzw. zu korrigieren.

II.

Die Klägerin durfte sich im Hinblick auf die ihr gegenüber erklärte Kündigung auch dazu veranlasst fühlen, Vermögensdispositionen zu treffen, aufgrund derer sie nunmehr Schadensersatz verlangt. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin ihrerseits während der laufenden Kündigungsfrist ordentlich gekündigt hat, denn diese Kündigung war durch die Kündigung der Beklagten veranlasst. Sie muss sich auch grundsätzlich kein Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen. Sie hatte keine Veranlassung, an der Wirksamkeit der Kündigung zu zweifeln.

III.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten unter Berücksichtigung von § 249 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens in voller Höhe von 5.200,02 EUR. Nach der genannten Vorschrift hat der Schädiger – hier die Beklagten – den Zustand wiederherzustellen der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hieraus ergibt sich im Einzelnen Folgendes:

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Umzugskosten in voller Höhe von 716,02 EUR.

2.

Weiter steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 600,00 EUR für die ihr durch die doppelte Mietzahlung im Februar 2019 entstandenen Mehrkosten zu.

3.

Die Klägerin kann weiterhin Ersatz von Malerkosten für die Renovierung ihrer neuen Wohnung in Höhe von 410,00 EUR verlangen. Dass diesem Anspruch die Grundsätze der Vorteilsausgleichung entgegenstünden, haben die Beklagten nicht dargelegt.

4.

Schließlich kann die Klägerin auch Ersatz der Jahresmietdifferenz in Höhe von 3.474,00 EUR verlangen.

Das Gericht hat insoweit keine Bedenken in Bezug auf die von der Klägerin vorgenommene Berechnung der Schadenshöhe. Die neu von ihr angemietete Wohnung entspricht vom Baualter und Qualitätsstandard der ursprünglichen Wohnung. Gleiches gilt in etwa für die Größe der beiden Wohnungen. Das insoweit niedrigere Betriebskosten anfielen, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Nach dem Dafürhalten des Gerichts muss sich die Klägerin auch nicht entgegenhalten lassen, dass die absolute Differenz der Jahresnettomiete im Hinblick auf die nunmehr 7 m² kleinere Wohnung nicht den gesamten von ihr geltend gemachten Betrag erreicht. Dies ist deshalb unerheblich, weil sie im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung insoweit auch keinen Gegenwert erhält. Der Ersparnis steht insoweit bei wirtschaftlicher Betrachtung ein gleichwertiger Verlust an Vermögenswerten gegenüber. Bei einer anderen Beurteilung würde ein Mieter unbillig benachteiligt, der infolge der Kündigung gezwungen ist, eine deutlich kleinere Wohnung anzumieten, deren Miete aufgrund eines höheren Quadratmeterpreises in absoluter Höhe jener der ursprünglichen Wohnung entspricht, die aber aufgrund der kleineren Fläche einen erheblich geringeren Wohnwert aufweist.

B.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zinsanspruch aus §§ 291 288 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB analog zu.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

D.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.473,02 EUR festgesetzt.

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