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Eigenbedarfskündigung wegen beabsichtigter Nutzung der Wohnung als Zweitwohnung

LG München I – Az.: 14 S 9552/17 – Urteil vom 24.01.2018

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.06.2017 (Az. 416 C 11225/16) abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß Mietvertrag vom 27.07.2009 über die Wohnung in der I 36/V, 80796 München weder durch Kündigung der Beklagten vom 14.04.2016 noch durch die Kündigung vom 18.05.2016 wirksam beendet wurde.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Amtsgerichts München vom 21.06.2017 Bezug genommen. Zusammenfassend bzw. ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

Die Parteien streiten in zweiter Instanz um die Wirksamkeit einer von der Beklagten vermieterseitig ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung.

Zwischen dem Kläger als Mieter und der Beklagten als Vermieterin besteht ein hochbelastetes und in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und gegenseitigen Strafanzeigen weiter eskaliertes Mietverhältnis, das mit schriftlichen Vertrag vom 01.09.2009 über eine 3-Zimmer-Wohnung in München, I 36/V begründet wurde. Die Kaltmiete beträgt derzeit 730,– €, hinzu kommt eine monatliche Miete von 40,– € für einen Kfz-Stellplatz. Seit Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen und Erweiterung des Rückgebäudes des streitgegenständlichen Anwesens steht dieser Stellplatz dem Kläger aus zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Gründen allerdings nicht mehr zur Verfügung. Es existiert ein vom Kläger im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erwirktes rechtskräftiges Endurteil, wonach die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Besitz an diesem Stellplatz wieder einzuräumen. Dieser titulierten Verpflichtung ist die Beklagte bisher nicht nachgekommen, inzwischen sind seitens des Amtsgerichts wegen eines Verstoßes gegen die im einstweiligen Rechtsschutz titulierte Verpflichtung Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt 85.000,– € festgesetzt.

Am 31.05.2013 machte die Beklagte nach dem Abschluss von Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten an dem streitgegenständlichen Anwesen gegenüber dem Kläger eine Modernisierungsmieterhöhung geltend und erhöhte die Miete gem. §§ 559, 559b BGB auf 1.163,37 €. Diesen Erhöhungsbetrag bezahlte der Kläger zunächst nicht, nahm später zur Vermeidung einer Kündigung die Zahlungen doch auf, stellte sie aber spätestens im März 2015 endgültig ein. Die Klage der Beklagten auf Zahlung der erhöhten Miete aus dieser Modernisierungsmieterhöhung ist mittlerweile rechtskräftig abgewiesen, nachdem die Beklagte entgegen §§ 559a, 559b BGB in ihrer Erhöhungserklärung von ihr in Anspruch genommene Drittmittel nicht angegeben hatte. Wegen des aus Sicht der Beklagten durch die Nichtzahlung der Erhöhungsbeträge eingetretenen Zahlungsverzugs sprach die Beklagte mehrere Kündigungen aus, die entweder nicht weiter verfolgt wurden oder rechtskräftig abgewiesen sind. Spätestens in Folge der Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren in erster Instanz stellten die Parteien auch wechselseitige Strafanzeigen, die sich teilweise auch gegen die Tochter der Beklagten richten, wegen uneidlicher Falschaussage, falscher Verdächtigung und versuchter Nötigung. Jedenfalls eines der diesbezüglichen Ermittlungsverfahren wird bei der Staatsanwaltschaft München I unter dem Aktenzeichen 248 Js 148927/17 geführt.

Die 78-jährige Beklagte und ihr 81-jähriger Mann, der Zeuge F R , wohnen mit Hauptwohnsitz in M , Oberösterreich, 141 km und ca. 2 Auto-Fahrtstunden von dem streitgegenständlichen Anwesen entfernt. Seit dem Tod der Mutter der Beklagten im Jahr 2001 nutzt die Beklagte gemeinsam mit ihrem Mann eine helle 3- Zimmer-Wohnung im ersten Stock des streitgegenständlichen Anwesens als Zweitwohnung für ihre München-Besuche. Da ihnen diese Wohnung zu groß war, zogen sie im Jahr 2006 in eine frei gewordene Erdgeschosswohnung mit einer Wohnfläche von ca. 45 m² um, die sie seitdem für ihre München-Besuche vorhalten. Die Beklagte und ihr Ehemann nutzen bzw. nutzten diese Wohnung überwiegend für Wochenendaufenthalte an Heimspieltagen des FC Bayern, da der Zeuge F R bis Anfang 2016 eine Dauerkarte für die Heimspiele des Rekordmeisters innehatte. Die Beklagte selbst begleitete ihren Mann bei diesen Spielen nicht, nahm aber währenddessen an kulturellen Aktivitäten in der Stadt teil. Die München-Besuche nutzten die Beklagte und ihr Ehemann in der Vergangenheit auch für Besuche der in Vaterstetten bei München lebenden Familie der gemeinsamen Tochter. Im Jahr 2012 gab die Beklagte die bisher von ihr selbst geführte Hausverwaltung für das streitgegenständliche Anwesen ab und lässt diese seitdem von Frau R verwalten. Die Dauerkarte für die Heimspiele des FC Bayern München gab der Zeuge F R Anfang 2016 – auch als Altersgründen – zurück.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.04.2016 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Kündigung begründete die Beklagte auszugsweise wie folgt:

„Meine Mandantin bewohnt, wie Ihnen bekannt ist, zusammen mit ihrem Mann im Haus I 36 im Erdgeschoss eine Wohnung, die sie jedes Mal dann nutzt, wenn sie in München ist.

Die geringe Größe der 2-Zimmer-Wohnung mit einer Fläche von etwa 45 m² hat jedoch seit einiger Zeit bei der Nutzung zu Problemen geführt, so dass meine Mandantin sich in der Wohnung nicht mehr wohl gefühlt hat und sich die Zahl der Aufenthalte meiner Mandantin in München reduziert hat. Dies soll jedoch, insbesondere auch aus familiären Gründen wie z. B. der Intensivierung des Kontakts zu ihrer Tochter, aber auch, um am Münchner Kulturleben wieder stärker teilzunehmen, wieder geändert werden.

In der derzeitigen Wohnung ist weder Besuche noch längere Aufenthalte anderer Familienmitglieder, wie aktuell durch den Aufenthalt der Enkelin O realisiert, bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheleute R möglich.

Die Wohnung ist außerdem relativ dunkel, ein Zustand, der sich durch den Neubau des Rückgebäudes noch verstärkt hat.

Meine Mandantin hat sich deshalb entschlossen, zusammen mit ihrem Mann bei den Aufenthalten in München in Zukunft die jetzt von Ihnen bewohnte Wohnung zu nutzen. Das Mietverhältnis mit Ihnen wird deshalb gekündigt“.

Mit Schreiben vom 18.05.2016 sprach die Beklagte eine weitere fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs mit den Erhöhungsbeträgen aus der Modernisierungsmieterhöhung vom 31.05.2013 aus.

Mit Klageschrift vom 29.05.2016 beantragte der Kläger (Mieter) die Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die seitens der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 18.05.2016 nicht beendet sei. Diese Klage erweiterte er nach Ablauf der Kündigungsfrist auf die Eigenbedarfskündigung vom 14.04.2016.

Die Beklagte erhob ihrerseits unter dem 24.08.2016 beim Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 413 C 17754/16 im Hinblick auf die beiden von ihr ausgesprochenen oben genannten Kündigungen Räumungsklage gegen den Kläger und seine mit ihm in den Räumlichkeiten lebende Lebensgefährtin. Dieses Verfahren ist im Hinblick auf das hier vorliegende Verfahren seit 04.04.2017 ausgesetzt, ein Termin zur mündlichen Verhandlung hat nicht stattgefunden.

Das Amtsgericht erließ zunächst am 14.10.2016 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte, nachdem diese in der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2017 keine Anträge stellte. Auf Einspruch der Beklagten vernahm das Amtsgericht im Einspruchstermin zwei von der Beklagtenseite benannte Zeugen (die Tochter sowie den Schwiegersohn der Beklagten) und hörte die Beklagte zum geltend gemachten Eigenbedarf persönlich an. Mit Endurteil vom 21.06.2017 wurde seitens des Amtsgerichts das Versäumnisurteil vom 14.10.2016 insoweit aufrecht erhalten, als dort die Unwirksamkeit der Zahlungsverzugskündigung vom 18.05.2015 festgestellt worden war. Bezüglich dieses Urteilsausspruchs ist das Endurteil des Amtsgerichts München rechtskräftig geworden. Im Übrigen hob das Amtsgericht das Versäumnisurteil vom 14.10.2016 hinsichtlich der Eigenbedarfskündigung vom 14.04.2016 auf und wies die Klage ab. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt sich im Wesentlichen, dass das Amtsgericht nach Einvernahme der beiden Zeugen sowie Anhörung der Beklagten als Partei vom Vorliegen des Eigenbedarfs überzeugt sei, obwohl die Parteien etliche Prozesse geführt hatten und das Mietverhältnis belastet sei. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Anhörung als Partei widerspruchsfrei und glaubhaft ausgesagt, die Aussage der Zeugin Sachs-Rieger sowie des Zeugen Sachs decken sich im Wesentlichen mit den Angaben der Beklagten. Der ernsthafte Nutzungswunsch der Beklagten an der streitgegenständlichen Wohnung sei daher aus Sicht des Gerichts nachgewiesen.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz vom 28.06.2017 Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 22.09.2017 begründete. Die Berufung rügt im Wesentlichen, dass die Eigenbedarfskündigung vom 14.04.2017 bereits formell unwirksam sei. Darüber hinaus sei der Eigenbedarf lediglich vorgeschoben und nicht ernstlich gemeint. Angesichts von dreier zwischen den Parteien geführter Räumungsprozesse sowie zwei Mieterhöhungsprozessen und der einstweiligen Verfügung wegen des Stellplatzes und mehrerer gegenseitiger Strafanzeigen sei offensichtlich, dass der Eigenbedarf lediglich vorgeschoben sei und der einzige Grund für die Kündigung durch die Beklagte darin liege, dass man ihn, den Kläger, loswerden wolle. Überdies bestehe auch kein berechtigtes Interesse an der Kündigung der Wohnung, weil die Beklagte bereits eine Zweitwohnung in dem Anwesen habe. Wegen des schweren Herzinfarktes, den der Ehemann der Beklagten nach Ausspruch der Kündigung erlitten habe, sei es darüber hinaus rechtsmissbräuchlich, an der ausgesprochenen Kündigung festzuhalten.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren

1) Das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.06.2017, Az. 416 C 11225/16, wird insoweit aufgehoben, als das Versäumnisurteil vom 14.10.2016 in vollem Umfang aufrechterhalten wird (Ziffer 2 des Urteils).

2) Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß Mietvertrag vom 27.07.2009 über die Wohnung in der I 36, 5. Obergeschoss, 80796 München, durch die Kündigung vom 14.04.2016 nicht wirksam beendet wurde.

Die Beklagte beantragt: Zurückweisung der Berufung.

Sie rügt bereits die Zulässigkeit der Berufung, weil die Berufungsbegründungsschrift vom Kläger persönlich und nicht von dessen Rechtsanwalt verfasst worden sei. Im Übrigen verteidigt sie das Urteil und führt aus, angesichts der schweren Herzerkrankung des Ehemannes der Beklagten sei nunmehr beabsichtigt, nach dem Umzug und Freiwerden der streitgegenständlichen Wohnung ein Pflegebett für den Ehemann dort aufzustellen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweise sich die jetzige Zweitwohnung als zu klein. Ferner werde die Wohnung zukünftig auch deshalb benötigt, weil die Enkeltochter der Beklagten ab Sommer 2018 ein halbjähriges Praktikum in München ableisten wolle.

Die Kammer erteilte beiden Parteien am 15.01.2018 gem. § 139 ZPO den rechtlichen Hinweis, dass es vorliegend aus Rechtsgründen auch an einem berechtigten Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlen könnte. Die Beklagte nahm in ihrer Berufungserwiderung vom 22.01.2018 zu dem erteilten Hinweis der Kammer Stellung. Im Übrigen wird hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2018 Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Auch die von der Beklagten mit Schreiben vom 14.04.2016 ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist unwirksam und hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Auf den Antrag des Klägers war die Unwirksamkeit dieser Kündigung entsprechend festzustellen. Soweit der Kläger in seiner schriftlichen Berufungsbegründung zunächst darüber hinausgehend auch noch beantragte, die Kammer habe festzustellen, dass das Mietverhältnis ungekündigt fortbestehe, hat er auf entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung diesen Antrag nicht mehr gestellt und die Berufung insoweit zurückgenommen.

1) Die Berufung ist zulässig. Zwar unterliegt der bestimmende Schriftsatz der Berufungsbegründung nach §§ 520 Abs. 1, 130 Nr. 6, 78 Abs. 1 ZPO dem Anwaltszwang, weshalb die notwendigen Prozesshandlungen unter eigener Verantwortung des als Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwaltes selbst vorzunehmen sind (Zöller/Althammer, 32 Aufl. § 78 ZPO Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind aber vorliegend erfüllt. Wie der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 24.01.2018 persönlich anwesende Kläger angegeben hat, sei zwar die Berufungsbegründung von ihm selbst verfasst worden, sein anwaltlicher Vertreter habe diese jedoch überarbeitet, korrigiert und sodann selbstverantwortlich unterschrieben. Das Gericht hat keine Veranlassung, an den diesbezüglichen Angaben des Klägers zu zweifeln, zumal dieser – wie auch an seinen sonstigen Schreiben und Schriftsätzen erkennbar – bis ins allerletzte Detail überkorrekt und präzise vorträgt. Die Berufungsbegründung muss im Anwaltsprozess vom Rechtsanwalt nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben, jedoch nicht von ihm verfasst worden sein (BGH NJW 1989, 3022; BGH MDR 2005, 1427). Diesen Anforderungen der Rechtsprechung wird die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Berufungsbegründung vom 22.09.2017 damit offensichtlich gerecht.

2) Die Klage ist zulässig, auch ist das Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vorliegend nicht durch die Erhebung der Räumungsklage vor dem Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 453 C 17754/16 entfallen. Zwar kann das ursprünglich vorliegende Feststellungsinteresse einer negativen Feststellungsklage dann entfallen, wenn der Gegner wegen der identischen Ansprüche Leistungs-(wider)klage erhebt, jedoch gilt das ursprünglich vorliegende Feststellungsinteresse so lange fort, bis über die neue Klage streitig verhandelt wurde, diese also gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGH NJW 1994, 3107, 3108; BGH NJW-RR 2013, 1105). Im oben genannten Parallelverfahren wurde seitens des Amtsgerichts zwar ursprünglich ein Verhandlungstermin auf den 07.02.2017 bestimmt, dieser Termin jedoch später wieder aufgehoben und das Verfahren ausgesetzt. Damit liegt nach wie vor ein Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO vor, auch nachdem die Beklagte sich ausdrücklich auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung beruft.

3) Die Eigenbedarfskündigung der Beklagten vom 14.04.2016 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles kann die Kammer ein berechtigtes Interesse gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht erkennen.

a) Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seinen Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Während noch unter dem bis 1960 geltenden § 4 MSchG eine Aufhebung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfes nur dann in Betracht kam, wenn der Vermieter ein dringendes eigenes Interesse an der Raumerlangung hatte, reichte nach dem mit Gesetz vom 18.12.1974 in das BGB eingefügten – dem heutigen § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB inhaltsgleichen – § 564b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 BGB aF das schlichte „benötigen“ der Räumlichkeiten als Wohnraum zur Begründung der Eigenbedarfskündigung aus. Der Bundesgerichtshof hat bereits 1988 in einem Rechtsentscheid zu § 564b BGB entschieden, dass allein der Wille des Vermieters, in den Räumen wohnen zu wollen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, nicht genügt. Der Vermieter müsse vielmehr darüber hinaus „vernünftige, nachvollziehbare Gründe“ für die Annahme von Eigenbedarf haben, während ein Mangel an Wohnraum gerade nicht Voraussetzung für das Entstehen des Kündigungsrechtes sei. Durch die Beschränkung des Kündigungsrechtes auf „berechtigte Interessen des Mieters“ soll der Mieter vor willkürlichen Kündigungen geschützt werden. Die Wohnung stellt für ihn einen Lebensmittelpunkt dar. Jeder Wohnungswechsel bringt für ihn erhebliche Unzuträglichkeiten in persönlicher, familiärer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht mit sich. Der Vermieter soll daher nicht berechtigt sein, den Mietvertrag ohne beachtliche Gründe zu kündigen (RegE BT/Drs 7/2011, S. 7). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 14.02.1989 (BVerfG NJW 1989, 970) diese Rechtsprechung gebilligt und ausgeführt: „Der Wunsch des Vermieters, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, lässt sich nicht ausschließen oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Es hängt vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen.“ Die Fachgerichte haben aber, so das BVerfG, sämtlichen vom Mieter vorgetragenen Gesichtspunkten nachzugehen, welche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen, weil vorgeschobene Kündigungen keinen Schutz verdienen würden. Eine weitere Grenze des Erlangungswunsches bilde danach der Missbrauch (BVerfG NJW 1989, 970, 971).

b) Diese Rechtsprechung hat der BGH in jüngerer Zeit fortgeführt und wiederholt klargestellt, die Gerichte hätten grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie seien daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters oder seiner Angehörigen zu setzen (zuletzt BGH NJW 2015, 1790). Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf sei danach nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen (BGH NJW 2015, 1590 Leitsatz 2). Auch der von der Beklagten geltend gemachte Zweitwohnungsbedarf ist höchstrichterlich grundsätzlich als berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anerkannt (BVerfG NJW 2014, 2417; BGH NZM 2017, 846). Ob der Zweitwohnungswunsch ernstlich verfolgt wird und auf nachvollziehbaren Gründen beruht, ist jedoch ebenfalls anhand aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BGH NZM 2017, 846 unter Rn. 3)

Gemessen an diesen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung sieht die Kammer vorliegend schon kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB an der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung. Selbst wenn man den Zweitwohnungsbedarf der Beklagten im Hinblick auf die Entscheidung des BGH in NJW 2015, 1590 lediglich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit überprüfen können dürfte, wäre ein Rechtsmissbrauch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles im Ergebnis zu bejahen. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass sie im vorliegenden Fall nicht auf eine reine Missbrauchskontrolle im Sinne des § 242 BGB beschränkt ist, sondern ein berechtigtes Interesse auch bereits auf der Tatbestandsebene des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB verneinen kann. Denn wie der BGH ausgeführt hat, ist allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen für eine Kündigung nicht ausreichend. Er muss vielmehr vernünftige Gründe angeben und haben, die seinen Wunsch an der Wohnung oder Überlassung der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH NJW 1988, 904).

c) Der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich von den bisher zu Zweitwohnungs-Kündigungen veröffentlichten Urteilen dadurch, dass die Beklagte bereits eine Zweitwohnung in dem streitgegenständlichen Anwesen innehat und gemäß den Gründen der ausgesprochenen Kündigung lediglich eine Vergrößerung und Aufhellung (Verbesserung) ihres Zweitwohnungsbedarfes geltend macht. Dieser Wunsch allerdings ist angesichts des Alters der Beklagten und ihres Ehemannes, der Entfernung zum Hauptwohnsitz und des von ihr selbst eingeräumten zeitlichen Umfangs der Nutzung als unvernünftig, sachfremd und willkürlich anzusehen:

1) Das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe bedeutet, dass man die Entscheidung über den Ausspruch der Eigenbedarfskündigung auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gem. Art. 14 GG nicht der völligen Beliebigkeit des Vermieters unterstellt. Die Beklagte hat in ihrer Eigenbedarfskündigung vom 14.04.2016 u. a. ausgeführt, die bisher von ihr als Zweitwohnung bewohnte 2-Zimmer-Wohnung sei zu klein, sie habe sich dort nicht mehr wohlgefühlt. Sie wünsche, auch aus familiären Gründen, eine Intensivierung des Kontakts zu ihrer Tochter und möchte wieder mehr am Kulturleben in München teilnehmen. Außerdem sei die Wohnung relativ dunkel, was sich durch den Neubau des Rückgebäudes noch verstärkt habe. Dies allein sind die Gründe für die Beklagte, um eine Eigenbedarfskündigung für die 3-Zimmer-Wohnung des Klägers im 5. Stock auszusprechen. Soweit die Kündigung mit der geringen Größe der jetzt bewohnten Zweitwohnung begründet wird, muss sich die Beklagte – auch wenn der Vorgang 10 Jahre zurückliegt – vorhalten lassen, dass sie 2006 eine gleich helle 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock des Anwesens I 36, die sie von 2001 bis 2006 als Zweitwohnung bewohnt hatte, freiwillig aufgegeben hat und in die Erdgeschosswohnung gezogen ist. Die Beklagte hat den damaligen Entschluss für die Verkleinerung der Zweitwohnung damit begründet, dass ihr die damalige Wohnung im ersten Stock „zu groß“ war (Berufungserwiderung vom 22.01.2018, S. 6). Dass sie nunmehr 10 Jahre später den Entschluss fasst, wieder in eine größere Wohnung umzuziehen, weil ihr die derzeitige Wohnung als zu klein erscheint, obwohl sie sich nach eigenen Angaben lediglich ein- bis zweimal monatlich jeweils für ein bis zwei Tage in der Erdgeschosswohnung aufhält, ist bereits objektiv nicht nachvollziehbar und der Erlangungswunsch damit nicht vernünftig.

2) Auch reicht der bloße Wunsch der Beklagten, künftig mehr Zeit in München zu verbringen, kulturelle Aktivitäten zu intensivieren und den Kontakt mit der Familie zu suchen, alleine für den Ausspruch der Kündigung nicht aus (vgl. hierzu schon oben unter Hinweis auf BGH NJW 1988, 904, 905). Vorliegend wurde die Erdgeschosswohnung in den letzten 10 Jahren überwiegend – wenn auch nicht ausschließlich – für Wochenendbesuche der Beklagten und ihres Ehemannes dann genutzt, wenn dieser Heimspiele des FC Bayern besuchte. Diese Dauerkarte gab der Zeuge R indes nach dem insoweit unstreitigen Vortrag des Klägers bereits Anfang 2016 und damit vor Ausspruch der Kündigung zurück. Nach den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2017 wird die Zweitwohnung von der Beklagten und ihrem Ehemann ca. ein- bis zweimal monatlich und dann jeweils für ein bis zwei Nächte benutzt (Protokoll vom 09.04.2017, S. 3). Auch die Tochter der Beklagten, die Zeugin I S -R hat insoweit angegeben, dass sich ihre Mutter lediglich 2 bis 3 Nächte pro Monat in der streitgegenständlichen Wohnung aufhalte, auch wenn sie sich „wünschen“ würde, mehr Zeit dort zu verbringen (Protokoll vom 19.04.2017, S. 4). Die Besuche der Beklagten und ihres Ehemannes bei der Tochter fanden und finden – so die Aussage der Tochter – nahezu ausschließlich in Vaterstetten statt. Angesichts dieser objektiv gegebenen und durch die Aussagen der Zeugen sowie die Angaben der Beklagten selbst dargelegten Umstände des Einzelfalles (Rückgabe der Dauerkarte für den FC Bayern durch den Ehemann der Beklagten Anfang 2016, Abgabe der Hausverwaltung im Jahr 2012 sowie dem Lebensalter der Beklagten und ihres Ehemannes) ist der Wunsch der Beklagten nach einer Intensivierung der Aufenthalte in München auch angesichts des fortschreitenden Alters und der bereits in den letzten Jahren sich immer mehr reduzierenden Aufenthalte in München nicht objektivierbar und auch nach der Lebenserfahrung nicht vernünftig. Auch unabhängig von der nach Zugang der Kündigung aufgetretenen schweren Erkrankung des Ehemannes der Beklagten ist der bloße Wunsch der Beklagten angesichts der objektiven Gegebenheiten, insbesondere des Alters der Beklagten und ihres Ehemannes sowie der beschwerlichen Anfahrt vom Hauptwohnsitz in Oberösterreich nach er Lebenserfahrung nicht zu realisieren. Der Wunsch der Beklagten nach einer größeren Wohnung zur Intensivierung der Kontakte in München ist damit nicht vernünftig und auch nicht nachvollziehbar.

3) Auch der Wunsch nach einer helleren, im 5. Stock gelegenen Wohnung beruht vorliegend angesichts eines durchschnittlichen Aufenthalts vor Ausspruch der Kündigung von ein bis zwei Tagen, ein- bis zweimal monatlich nicht auf vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte 2006 freiwillig in die dunklere Erdgeschosswohnung gezogen ist, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt eine geräumige und hellere 3-Zimmer-Wohnung im gleichen Anwesen als Zweitwohnung vorhielt. Darüber hinaus ist unstreitig, dass das Schlafzimmer und das Wohnzimmer der jetzt von der Beklagten bewohnten Erdgeschosswohnung von der Verdunklung durch den Anbau im Innenhof nicht betroffen sind, sondern lediglich die zum Innenhof gelegene Küche der Wohnung durch den Anbau verdunkelt wurde. Diese Nachteile wurden aber umgekehrt dadurch wieder etwas kompensiert, dass in die von der Beklagte genutzten Wohnung ein größeres Fenster sowie eine Terrasse bzw. ein Balkon angebaut wurde. Die Verdunkelung der Wohnung ist damit andererseits durch einen Qualitätsgewinn der Wohnung auch teilweise kompensiert. Auch hier ist zu konstatieren, dass angesichts der geringen Nutzung der Zweitwohnung (im Schnitt maximal 4 Nächte pro Monat) der Wunsch nach einer helleren Wohnung unter Verdrängung der Besitzrechte des Mieters nicht nachvollziehbar ist.

d) Soweit die Berufungserwiderung der Beklagten vom 22.01.2018 neuen Sachvortrag enthält, kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass dieser unstreitig werden wird. Soweit ausgeführt wird, der Ehemann der Beklagten sei gebrechlicher geworden und aus diesem Grund sei jetzt in der Hauptwohnung ein Pflegebett aufgestellt worden und diese Anschaffung ist auch für die Münchner Wohnung geplant, aber aus Platzgründen in der kleineren Wohnung nicht machbar, ändern diese nachträglich entstandenen Gründe nach § 573 Abs. 3 S. 2 BGB nichts an den vorstehenden Ausführungen, wonach der bloße Wunsch mehr Zeit in München zu verbringen, kein vernünftiges und nachvollziehbares Interesse begründen kann. Soweit ausgeführt wird, ab Sommer 2018 werde die Enkelin T der Beklagten, die sonst in Rotterdam studiere, ein halbjähriges Praktikum in München absolvieren, so sind diese Angabe einerseits in zeitlicher Hinsicht zu unsubstantiiert und andererseits auch aus Rechtsgründen nicht geeignet, hierauf eine Eigenbedarfskündigung zu stützen (BGH NJW 2015, 1590 unter Rn. 33: bei beabsichtigter vorübergehender Nutzung regelmäßig mindestens die Dauer von 1 Jahr).

Weitere Kündigungen wurden nicht ausgesprochen.

Nach alledem vermag die Kammer auch unter Berücksichtigung der sehr großzügigen Rechtsprechung die bloße „Verbesserung des Zweitwohnbedarfes“ jedenfalls im vorliegenden Fall unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht als berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen. Es handelt sich letztlich um einen in keinster Weise nachvollziehbare und im Bereich der völligen Beliebigkeit liegende Kündigung, die angesichts der bisherigen zeitlichen Nutzung der im gleichen Anwesen gelegenen Zweitwohnung nicht im Ansatz von vernünftigen Interessen getragen ist. Ob darüber hinaus auch die Beweisaufnahme zu wiederholen gewesen wäre, weil der Eigenbedarf – wie vom Kläger behauptet – lediglich vorgeschoben war, bedarf damit keiner Entscheidung mehr. Die Kündigung vom 14.04.2016 ist damit schon aus Rechtsgründen unwirksam, weil ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorliegt.

Auf die Berufung des Klägers war daher das Endurteil des Amtsgerichts München insoweit abzuändern und die Unwirksamkeit auch dieser Kündigung festzustellen. Zur Klarstellung hat die Kammer den Tenor insgesamt neu gefasst.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10. Soweit der Kläger seine Berufung hinsichtlich des Annex-Antrages zurückgenommen hat, kam diesem keine eigenständige rechtliche oder wirtschaftliche Bedeutung zu.

IV. Eine Zulassung der Revision war nicht geboten. Der Begriff des Benötigens im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist höchstrichterlich geklärt, es handelt sich vorliegend um eine absolute Einzelfallentscheidung, der die Verbesserung eines Zweitwohnungsbedarfes zugrunde liegt (vgl. zur Revisionszulassung BGH NZM 2017, 846).

 

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