OLG Hamburg – Az.: 4 U 59/22 – Urteil vom 09.03.2023
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.10.2021, Az. 334 O 175/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung aus diesem Urteil und aus dem angefochtenen Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 100.000,00 Euro abwenden.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.504,52 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die geräumte Herausgabe von Räumlichkeiten, die von der Beklagten zum Betrieb einer Kindertagesstätte genutzt werden.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend hierzu wird festgestellt:
Die Klägerin wurde mit Satzung vom 30.08.2012 errichtet und am 18.12.2012 im Genossenschaftsregister eingetragen. Die Genossenschaft wird durch den Vorstand vertreten. Die Mitglieder des Vorstands sind gemeinschaftlich zur Vertretung der Genossenschaft befugt. Der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen u.a. außerplanmäßige Geschäfte, deren Wert 30.000,00 Euro übersteigt, bei wiederkehrenden Leistungen berechnet bis zur möglichen Vertragsbeendigung. Seit Gründung der Genossenschaft ist A### Vorstand. Am 29.01.2014 wurde zusätzlich ### als Vorstand im Register eingetragen, am 19.12.2018 wurde dessen Ausscheiden als Vorstand und die Neubestellung von ### eingetragen, am 17.12.2019 wiederum das Ausscheiden von ### und die erneute Bestellung von ###, am 11.03.2020 das Ausscheiden von ### und die Neubestellung von ###, am 15.06.2020 das Ausscheiden von ### und die Neubestellung der Zeugin ### sowie am 25.01.2021 das Ausscheiden der Zeugin und die Neubestellung von ###. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage Kk1 verwiesen.
Die Beklagte wurde am ### 05.2018 gegründet und am ### 05.2018 ins Handelsregister eingetragen.
Am 28.05.2020 kam es zu einem Gesprächstermin der Parteien, in welchem Einzelheiten des angestrebten Mietvertrages erörtert wurden.
Die Klägerin hat in erster Instanz geltend gemacht, ein Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages ergebe sich auch nicht auf gesetzlicher Grundlage. Die Klägerin habe sich durch das Beenden der Verhandlung über den Abschluss eines Mietvertrages nicht treuwidrig gegenüber der Beklagten verhalten. Sie habe insbesondere die Verhandlungen nicht unvermittelt abgebrochen. Vielmehr habe sie sich über eine Zeit von deutlich mehr als einem Jahr redlich bemüht, einen Mietvertrag mit der Beklagten abzuschließen. Die Beklagte hingegen habe am 12.03.2020 signalisiert, dass nur noch ganz geringe Änderungen am verhandelten Text des Mietvertrages erforderlich seien. Die Klägerin wiederum habe der Beklagten mitgeteilt, dass aufgrund eines Rechenfehlers der monatliche Mietzins sich noch um 141,69 Euro nach oben bewegen müsse. Nach der Übersendung eines abgeänderten Entwurfs durch die Klägerin am 17.04.2020 habe die Beklagte zunächst nicht reagiert, sondern am 27.05.2020 angekündigt, alle relevanten Parameter (u.a. Mietzins, Baukostenbeteiligung, Kaution, Laufzeit, Flächen, Nebenkosten) neu verhandeln zu wollen. Es seien nach dieser E-Mail also nahezu alle Vertragskonditionen ungeklärt gewesen. Insbesondere die Übernahme eines Baukostenanteils von 150.000,00 Euro und die Zahlung weiterer 50.000,00 Euro durch die Beklagte seien zu jedem Zeitpunkt von herausragender Bedeutung für die Klägerin und Geschäftsgrundlage der Verhandlung gewesen.
Die Klägerin hat in erster Instanz hierzu ferner behauptet, der Gesprächstermin vom 28.05.2020 habe die aufgrund der E-Mail vom 27.05.2020 entstandene Bestürzung beim Vorstand der Klägerin über das Verhandlungsverhalten der Beklagten noch verstärkt. Die Vertragsverhandlungen seien nach dem Gesprächstermin endgültig gescheitert gewesen; die Klägerin habe jedes Vertrauen in die Beklagte verloren. Dies gelte umso mehr, als dass auch die Beklagte ihrerseits die Verweigerung der Zahlung des Baukostenzuschusses direkt an die Klägerin am 28.05.2020 unter Hinweis auf mangelndes Vertrauen in die Klägerin begründet habe. Dementsprechend sei der Zeugin Dr. ### am 28.05.2020 auch mitgeteilt worden, dass die letzte Chance auf eine Einigung nicht genutzt worden sei und nunmehr der Aufsichtsrat der Klägerin zu informieren sei.
Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, der Umstand, dass der vorläufige Mietvertrag vom 21.03.2018 (Anlage K 6) auf Seiten der Klägerin lediglich von A### interzeichnet gewesen sei, habe die Zeugin Prof. Dr. ### nicht zu Rückfragen veranlasst, weil Herr ### bereits im Zuge der Planung und der Verhandlungen mit der früheren Mietinteressentin für die Kitafläche als treibende Kraft aufgetreten sei und daher kein Anlass für die Annahme bestanden habe, dass der Vorstand der Klägerin Herrn ### bei seinen Entscheidungen nicht folgen würde. Die spätere Korrespondenz zwischen den Parteien (Anlage B 12) lasse im Übrigen erkennen, dass die Klägerin die Erklärung des Vorstandes ### vom 15.03.2018 im Nachhinein als verbindlich akzeptiert habe. Auch der Umstand, dass die Beklagte am 21.03.2018 rechtlich noch nicht existent gewesen sei, habe für die Parteien kein Hindernis dargestellt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorläufigen Mietvertrages sei bereits mit Herrn ### abgestimmt gewesen, dass eine neu zu gründende Gesellschaft mit gleicher Gesellschafterstruktur wie die M### GmbH & Co. KG die Kitaflächen anmieten und die Kita betreiben sollte. Dass die Nutzungsvereinbarung für die Interimsflächen (Anlage K 8) 2019 zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen worden seien, bestätige die Überleitung aller 2018 vorläufig und unter Zeitdruck getroffenen Vereinbarungen auf die juristische Person, die es tatsächlich angegangen sei, d.h. auf die Beklagte. Schließlich seien bereits im Vorvertrag der Parteien alle wesentlichen Punkte geregelt gewesen, insbesondere die Höhe des Mietzinses, die Mietfläche und die Mietdauer.
Die Beklagte hat ferner geltend gemacht, dass die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, sich einseitig von dem verbindlichen Mietvorvertrag zu lösen. Die Beklagte hat im Einzelnen zum Stand der Verhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrages zum Zeitpunkt der klägerischen Erklärung vom 08.06.2020 (Anlage K 15) geltend gemacht:
Die Zeugin ### habe bereits im Oktober 2019 ### von der Klägerin den Vorschlag unterbreitet, den von der Beklagten zu erbringenden Baukostenzuschuss direkt an die S### GmbH zu leisten, was ### dankbar angenommen habe. Im Gespräch am 28.05.2020 habe die Beklagte mit der Klägerin verabredet, dass die Beklagte eine Klärung mit der S### GmbH herbeiführen solle, ob letztere mit dieser Vorgehensweise einverstanden sei. Tatsächlich habe die S### GmbH keine Einwände gegen dieses Vorgehen gehabt.
Der am 17.04.2020 von der Klägerin an die Beklagte ohne entsprechende Hinweise übersandte Mietvertragsentwurf habe einseitig von der Klägerin vorgenommene Änderungen enthalten, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Grundmiete, die statt 2.817,02 Euro nunmehr 2.958,71 Euro betragen sollte. Vor diesem Hintergrund habe sich die Zeugin Dr. ### entschieden, den angetragenen Mietvertrag nicht sogleich abzuschließen, sondern sich wegen des Abschlusses des Mietvertrages noch einmal anwaltlich beraten zu lassen.
Während des Gesprächs vom 28.05.2020 hätten fast alle Punkte aus der E-Mail der Beklagten vom 27.05.2020 (Anlage K 14) abschließend gemeinsam geklärt werden können. Am Ende des Gesprächs sei es nur noch um vier offene Punkte gegangen, für welche abschließend habe geklärt werden sollen, wie diese abgearbeitet werden sollten, namentlich die Absicherung des Baukostenzuschusses, die Behandlung einer möglichen Asbestproblematik, Korrekturen zur Einzeichnung der Mietfläche und die Herleitung der Höhe des Mietzinses. Die von der Beklagten nach anwaltlicher Beratung aufgebrachten Regelungsvorschläge seien auch für die Klägerin akzeptabel gewesen, was sich aus der E-Mail der Zeugin B### von der Beklagten vom 27.05.2020 (Anlage B 7) ergebe. Es habe keinen Dissens gegeben, der einen Abbruch der Vertragsverhandlungen gerechtfertigt hätte. Dementsprechend sei der Zeugin Prof. Dr. ### im Termin vom 28.05.2020 auch nicht mitgeteilt worden, dass die Verhandlungen gescheitert seien; es seien im Gegenteil zwei weitere Termine, und zwar zur finalen Abstimmung am 03.06.2020 und zur Vertragsunterschrift am 05.06.2020 vereinbart worden. Die Parteien hätten während dieser Wochen außerdem in telefonischem Kontakt gestanden, sie hätten ihr wechselseitiges Verständnis und ihr Vertrauen auf das zukünftige Zustandekommen des endgültigen Mietvertrages zum Ausdruck gebracht.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass ihr jedenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo zustehe, weil die Klägerin die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen habe.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur geräumten Herausgabe der im Tenor im einzelnen bezeichneten Fläche von ca. 278 m² nebst anteiligen Nebenflächen von ca. 125 m² im Gebäude ### in ### Ha### verurteilt, wobei die Flächen in einem mit dem Urteil verbundenen Grundriss zeichnerisch dargestellt worden sind.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu, da die Beklagte den Besitz an den streitgegenständlichen Gewerbeflächen ohne rechtlichen Grund erlangt habe bzw. der rechtliche Grund später weggefallen sei.
Der rechtliche Grund für den Besitz folge nicht aus der zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvereinbarung vom 30.08.2019 (Anlage K 8), da diese zum 31.12.2019 geendet habe und sich zudem auf die nicht mehr von der Beklagten genutzte Interimsfläche bezogen habe. Ein wirksamer schriftlicher Mietvertrag über die genutzte Mietfläche sei nicht geschlossen worden. Auch könne sich die Beklagte nicht auf einen konkludent geschlossenen Mietvertrag über die aktuell genutzten Flächen berufen. Die bloße tatsächliche Nutzung könne nicht als Begründung eines Mietverhältnisses verstanden werden, zumal die Parteien während der Zeit der Nutzung ausdrücklich erst über den Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages verhandelt hätten. Jedenfalls wäre ein etwaiger formloser Mietvertrag zwischenzeitlich durch ordentliche Kündigung im Schreiben vom 08.06.2020 wirksam zum 31.12.2020 beendet worden.
Der rechtliche Grund für den Besitz folge auch nicht aus dem „vorläufigen Mietvertrag“ vom 21.03.2018 (Anlage K 6). Zwar müsse dieser Vereinbarung als Mietvorvertrag betrachtet werden, die Vereinbarung sei aber nicht von der Beklagten, sondern von der M### GmbH & Co. KG abgeschlossen worden, so dass sich die Beklagte nicht darauf berufen könne. Der rechtlichen Wirksamkeit der Vorvereinbarung stehe außerdem entgegen, dass die Vereinbarung auf Seiten der Klägerin lediglich von dem Vorstand unterzeichnet worden sei, dem es an der erforderlichen Vertretungsmacht gefehlt habe. Jedenfalls wäre ein etwa zunächst wirksamer Mietvorvertrag durch Rücktritt der Klägerin im Juni 2020 wirksam beendet worden. Das Rücktrittsrecht der Klägerin folge aus § 242 BGB, da aufgrund des Verhaltens der Beklagten die Vertrauensgrundlage des Vorvertrages erschüttert worden sei, und zwar dadurch, dass die Zeugin Prof. ### Ende Mai 2020 gänzlich unerwartet entscheidende Punkte, mit denen sie zuvor einverstanden gewesen sei, grundsätzlich in Frage gestellt habe, so dass der Klägerin danach ein weiteres Hinwirken auf den Abschluss eines Mietvertrages nicht mehr zumutbar gewesen sei. Ein Rücktrittsrecht der Klägerin ergebe sich zudem aus dem Zahlungsverzug der Beklagten, die seit Januar 2020 für die neuen Mietflächen entsprechend dem vorläufigen Mietvertrag vom 21.03.2018 (Anlage K 6) einen monatlichen Mietzins i.H.v. 2.644,00 Euro hätte entrichten müssen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.11.2021 zugestellte Urteil mit am 16.11.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 15.11.2021 Berufung eingelegt und diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.02.2022 (vgl. Bl. 170 d.A.) mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 01.02.2022 begründet.
Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung geltend:
Der „vorläufige Mietvertrag“ vom 21.03.2018 (Anlage K 6) sei mit dem ernsthaften Willen zur vertraglichen Bindung abgeschlossen worden. Er habe die erforderliche Einigung auf die wesentlichen Vertragbestandteile eines Mietvertrages (Vertragsparteien, Mietsache, Laufzeit und Mietzins) enthalten. Die Beklagte sei seinerzeit davon ausgegangen, dass A### für die Klägerin alleinvertretungsberechtigt wäre, da dieser – wie jedermann bei der Klägerin gewusst habe, alle Verträge mit der Beklagten allein unterzeichnet hatte und wohl auch weitere Verträge mit Dritten bezüglich des Projektes zumindest allein verhandelt habe. Die Satzung der Klägerin sei der Zeugin Dr. ### nicht bekannt gewesen. Erstmals in einem Telefonat im März 2019 habe Herr ### mitgeteilt, dass er formal nicht alleinvertretungsberechtigt sei. Auch in der Folgezeit hätten die Vertreter immer wieder darauf hingewiesen, dass der endgültige Mietvertrag mit der Beklagten zustandekommen solle, womit sie die Verpflichtung aus dem Vorvertrag anerkannt hätten. Spätestens darin habe eine Genehmigung des Abschlusses des „vorläufigen Mietvertrages“ gelegen. So habe ###, Vorstand der Klägerin, in einer E-Mail vom 22.03.2019 betont, dass die Beklagte einen endgültigen Mietvertrag erhalten solle. Es sei zwischen der Klägerin und der Beklagten angesprochen gewesen, dass die neu gegründete Beklagte in die Rechte aus dem Vorvertrag mit der M### GmbH & Co. KG einrücken solle. Dementsprechend hätten auch die Entwürfe die Beklagte als Vertragspartei vorgesehen. Auch sei die als Anlage K 8 vorliegende Nutzungsvereinbarung für die interimsweise für den Kitabetrieb genutzten Flächen mit der Beklagten abgeschlossen worden, was ebenfalls belege, dass die Rechte aus dem Mietvorvertrag auf die Beklagte übergegangen seien. Die weiteren Vorstandmitglieder der Klägerin, Frau B### und Herr F### hätten im Jahr 2019 ebenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass über den Abschluss des endgültigen Mietvertrages mit der Beklagten und nicht mit der M### GmbH & Co. KG verhandelt werde.
Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte einen Grund für einen Abbruch der Vertragsverhandlungen bzw. einen Rücktritt von dem Mietvorvertrag gegeben habe. Die Beklagte stellt auf folgende Gesichtspunkte ab:
Aufgrund der im Vertragsentwurf vom 17.04.2020 vorgenommenen Änderung der Miethöhe und den weiteren Abweichungen von den Konditionen des Vorvertrages sei das Vertrauen der Beklagten, dass von der Klägerin und ihrem Anwalt ein ausgewogener Vertrag vorgelegt werde, erheblich ins Wanken geraten, so dass sie ihrerseits Grund gehabt habe, einen Anwalt zu beauftragen, den Vertrag noch einmal fachkundig zu prüfen. Auch habe die Beklagte allen Grund zur Vorsicht gehabt, nachdem die Klägerin ausweislich ihrer E-Mail vom 27.02.2020 (Anlage BB4) eine Finanzierungslücke in der Größenordnung von einer halben Million Euro offengelegt habe.
Die Beklagte wiederholt im Übrigen ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach das Gespräch vom 28.05.2020 durchaus konstruktiv verlaufen sei und am Ende des Gesprächs nur noch vier Punkte offen gewesen seien, die entsprechend einer im Gespräch getroffenen Abrede hätten abgearbeitet werden sollen. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf Seite 10 f. der Berufungsbegründung (Bl. 187 f. d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte macht außerdem geltend, es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie den Vorschlag des seinerzeitigen Vorstandsmitglieds der Beklagten S### aus einer Mail vom 02.11.2019 (Anlage BB 3) aufgegriffen habe, wonach der Baukostenzuschuss unmittelbar an die Eigentümerin und Hauptvermieterin gezahlt werden solle. Auch die Frage der Mietsicherheit sei am 28.05.2020 einvemehmlich geklärt gewesen, im Übrigen sei es einerlei, ob die Mietsicherheit durch eine Bankbürgschaft oder durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen getätigt werde.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin hätte die Beklagte abmahnen und eine Kündigung bzw. einen Rücktritt vom Vertrag androhen müssen, bevor sie sich von dem verbindlichen Mietvorvertrag habe lösen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
1. unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise der Beklagten Vollstreckungsschutz zu gewähren, namentlich der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagte hat ferner erstmals in der Berufungsinstanz nach Durchführung der ersten mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 26.12.2022 im Wege der Hilfswiderklage – für den Fall der Klagabweisung – beantragt, die Klägerin zur Abgabe der Willenserklärung zum Abschluss des bereits als Anlage K 13 vorgelegten Mietvertrages mit der Beklagten mit folgenden Modifikationen zu verurteilen:
1. Die als, in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 7 erwähnten Pläne sind dem Vertrag beizufügen.
2. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der S### GmbH, der in § 1 Abs. 15 des Mietvertrages erwähnt wird, ist in Kopie dem Mietvertrag als Anlage beizufügen.
3. § 2 Abs. 4 des Mietvertrages erhält folgende Fassung: „Das Mietverhältnis wird rückwirkend mit Mietbeginn 01.06.2020 abgeschlossen. Überzahlungen der Parteien sind innerhalb von 6 Wochen nach Zustandekommen des Mietvertrages auszugleichen.
4. § 2 Abs. 6, 8 werden gestrichen.
5. § 9 Abs. 1 1. Unterabsatz wird am Ende um folgenden Satz ergänzt: „Zu den am Stichtag 01.01.2023 vom Mieter durchgeführten Maßnahmen gilt die Zustimmung des Vermieters als erteilt.“
6. § 14 Abs. 5 wird am Ende um folgenden Satz ergänzt: „Das vorhandene Asbestgutachten ist als Anlage beigefügt.“
7. Die in § 16 in Bezug genommene Hausordnung ist beizufügen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen.
2. die Hilfswiderklage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie behauptet, der Zeugin Dr. ### seien als Mitglied der Klägerin die Satzung und die Vertretungsregelungen der Klägerin bekannt gewesen, Herr ### habe die Zeugin Dr. ### im März 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht alleinvertretungsberechtigt sei. Der Vorvertrag vom 21.03.2018 sei nicht in allen Einzelheiten abgestimmt gewesen; er sei ohne Rechtsbindungswillen der Klägerin abgeschlossen worden. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der für die Klägerin essentielle Baukostenzuschuss der Beklagten nicht in den vermeintlichen Mietvorvertrag aufgenommen worden sei, mithin eine erforderliche wesentliche Vertragskondition nicht im Vorvertrag erwähnt werde (vgl. Seite 6 ff. der Berufungserwiderung, Bl. 217 ff. d.A.). Es sei auch nicht mit der Klägerin abgestimmt worden, dass es auf Mieterseite einen Wechsel der Vertragspartei hin zur Beklagten geben sollte.
Die Klägerin behauptet ferner, die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Klägerin ### und die Zeugin B### hätten immer wieder gegenüber der Beklagten auf einen Abschluss des Mietvertrages gedrängt, wohingegen die Beklagte passiv geblieben sei und den Abschluss des Mietvertrages verschleppt habe. Wegen des diesbezüglichen Klägervorbringens wird auf Seite 15 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 227 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin macht geltend, das Landgericht sei zu Recht zu der Annahme gelangt, dass die Klägerin von einem etwaigen Mietvorvertrag gehabt habe, weil die Beklagte sich treuwidrig verhalten habe. Die Beklagte habe am 27.05.2020 alle zuvor erzielten Verhandlungsergebnisse, z.B. zu Mietfläche, Betriebskosten, Kaution, Haftung, Investitionsbeteiligung, erneut in Frage gestellt, so dass ein Anspruch der Beklagten auf Abschluss des endgültigen Mietvertrages nicht mehr bestanden habe. Es sei im Übrigen zwar richtig, dass die Zeugin Dr. ### am 19.10.2019 mit dem früheren Vorstandsmitglied der Klägerin ### über eine alternative Lösung für den Baukostenzuschuss gesprochen habe; dieser Ansatz sei aber von der Beklagten dann nicht weiter verfolgt worden. In der Besprechung vom 11.03.2020 seien alle offenen Fragen und Punkte verhandelt worden, so dass als nächster Schritt die Unterzeichnung des Vertrages angestanden habe. Die geringfügige Abweichung in der Mietzinshöhe sei im Zusammenhang mit der Übermittlung des gelösten und unterzeichneten Mietvertrages gegenüber der Beklagten erläutert worden. Diese geringfügige Abweichung von 141,69 Euro sei dementsprechend in der E-Mail vom 27.05.2020 und im Gespräch vom 28.05.2020 gar nicht mehr thematisiert worden.
Die Klägerin behauptet weiter, das Gespräch am 28.05.2020 sei nicht konstruktiv verlaufen; es habe keine Annäherung und keine Einigung gegeben. Vielmehr habe Herr ### der Zeugin Dr. ### gesagt, dass sich mit dem Gesprächsverlauf die letzte Chance auf einen Mietvertrag erledigt habe, die Verhandlungen seien am 28.05.2020 gescheitert. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin wird auf Seite 12 der Berufungserwiderung (Bl. 223 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Abschluss eines Mietvertrages die Einrede der Verjährung erhoben. Die Verjährungsfrist habe am 01.01.2019 begonnen und somit am 31.12.2021 geendet.
Das Berufungsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 19.12.2022 (Bl. 271 d.A.) Beweis erhoben über den Ablauf und das Ergebnis des Gesprächstermins vom 28.05.2020 durch Vernehmung der Zeugen B### und Dr. ###. Der Vorstand der Klägerin ### und der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten ### sind nach § 141 ZPO zum Beweisthema persönlich angehört worden. Wegen des Beweisergebnisses wird verwiesen auf die Terminprotokolle vom 17.01.2023 (Bl. 305 ff. d.A.) und 07.02.2023 (Bl. 358 ff. d.A.). Im Übrigen wird zur Ergänzung des Parteivorbringens auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Herausgabe des Besitzes an den im Tenor des angefochtenen Urteils bezeichneten Flächen verurteilt und insoweit angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht, weil es für den durch Leistung der Klägerin der Beklagten beschafften Besitz keinen rechtlichen Grund mehr gibt. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe der Beklagten sind nicht berechtigt.
1. Allerdings hat zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ein wirksamer Mietvorvertrag bestanden. Von einem solchen Mietvorvertrag ist auszugehen, wenn sich die Parteien noch nicht über alle Punkte des Mietverhältnisses geeinigt haben, sie davon ausgehen, dass die noch offenen Punkte in einem später abzuschließenden Vertrag geregelt werden sollen und sich die Parteien bereits vor Abschluss des endgültigen Vertrages binden wollen (Blank, in: Schmidt-Futterer, MietR, 14. Aufl., 2019, vor § 535 BGB, Rn. 115). Auch nach dem Vorbringen der Klägerin ist zwischen ihr und der Beklagten jedenfalls im Lauf des Jahres 2019 ein derartiger verbindlicher Vormietvertrag zustande gekommen.
Dabei ist allerdings nicht auf den sog. „vorläufigen Mietvertrag“ vom 21.03.2018 als solchen abzustellen. Dieser enthält keinen Hinweis auf den noch erforderlichen Verhandlungsprozess, den beide Parteien hier aber tatsächlich ausweislich ihres Verhaltens in den Jahren 2018 bis 2020 und ausweislich ihrer prozessualen Erklärungen für erforderlich gehalten haben. Es wird auch nicht differenziert, welche einzelnen Regelungen des Vertrages endgültig sein sollen und welche nicht. Auch die Bezeichnung des Mietvertrages als „vorläufig“ passt nicht zu einem Mietvorvertrag im eigentlichen Sinne. Es reicht aber für ein wirksames Zustandekommen eines Mietvorvertrages aus, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass dem Mietinteressenten das Mietobjekt überlassen werden soll und außerdem Klarheit über die wesentlichen Mietbedingungen besteht, d.h. über Mietobjekt, Mietdauer und Entgeltlichkeit (vgl. Blank, a.a.O., Rn. 115). Der Mietvorvertrag kann auch mündlich geschlossen werden, solange ein Rechtsbindungswille eindeutig festgestellt werden kann (Blank, a.a.O., Rn. 116). Von einer entsprechenden Verbindlichkeit der Absprachen zwischen der Zeugin Dr. ### und dem Vorstand ### von der Klägerin ist hier auszugehen. Der Rechtsbindungswille manifestiert sich zum einen in der Unterzeichnung des „vorläufigen Mietvertrages“, zum anderen aber auch in der Überlassung der Interimsflächen im Objekt W### an die Beklagte und in der Mitwirkung beider Parteien an der Erlangung öffentlicher Mittel für den Kitabetrieb durch die Beklagte. Letzteres macht nur dann Sinn, wenn eine rechtsgeschäftlich relevante Bindung hinsichtlich der zukünftigen Überlassung der Räume dem Grunde nach besteht.
Die verbindliche Absprache wurde auch zwischen den hiesigen Parteien und nicht nur zwischen der Klägerin und der Schwestergesellschaft der Beklagten, d.h. der M### GmbH & Co. KG getroffen. Zu Recht verweist die Beklagte insoweit auf die Nutzungsvereinbarungen hinsichtlich der Interimsflächen und die verschiedenen Mietvertragsentwürfe, in denen die ursprünglich im „vorläufigen Mietvertrag“ (Anlage K 6) vom 21.03.2018 noch nicht erwähnte Beklagte als Mieterin bezeichnet ist.
Auch steht dem Bestehen eines verbindlichen Mietvorvertrages nicht entgegen, dass zumindest im März 2018 lediglich der gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 GenG nicht allein vertretungsberechtigte Vorstand ### die Absprachen mit der Zeugin Dr. ### getroffen hat. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz auf Seite 15 ff. der Berufungserwiderung selbst dargestellt, dass sämtliche zwischen 2018 und 2020 neben A### bei der Klägerin amtierenden Vorstandsmitglieder, d.h. ### und ### auf den Abschluss eines endgültigen Mietvertrages gedrängt haben. Dieses Verhalten kann nur als Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) der auf einen Mietvorvertrag gerichteten Erklärungen des Vorstandes #### gewertet werden. Eine solche Genehmigung der rechtsgeschäftlichen Erklärungen einzelner Vorstandsmitglieder ist auch im Bereich des Genossenschaftsrechts ohne Weiteres möglich (vgl. Geibel, in: Henssler/Strohn, Genossenschaftsrecht, 5. Aufl., 2021, § 25 GenG, Rn. 2). Unschädlich ist auch die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrates. Das Fehlen dieser Zustimmung ist im Rechtsverkehr nach außen gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 GenG unbeachtlich. Eine Ausnahme ist nur für Fälle der Kollusion oder des evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht zu machen (vgl. Geibel, a.a.O., § 27 GenG, Rn. 6). Zu einer derartigen Ausnahmekonstellation fehlt es indessen vorliegend an jeglichen Anhaltspunkten.
2. Die Klägerin ist indessen nicht mehr aus dem Mietvorvertrag verpflichtet, auf den Abschluss des Hauptvertrages hinzuwirken und in diesem Rahmen die näheren Vertragsbedingungen auszugestalten und festzulegen. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass die entsprechenden Pflichten der Klägerin aus dem Vormietvertrag durch Erklärung der Klägerin vom 08.06.2020 (Anlage K 15) erloschen sind.
a) Die Erklärung vom 08.06.2020 (Anlage K 15) ist in eine Rücktrittserklärung umzudeuten, auch wenn der Ausdruck „Rücktritt“ in diesem Schreiben nicht verwendet wird. Die Berufung erinnert auch nichts gegen diese Auslegung des Schreibens vom 08.06.2020 durch das Landgericht.
b) Der Klägerin stand ferner zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vom 08.06.2020 ein Recht zum Rücktritt vom Vormietvertrag zu. Ein solches Rücktrittsrecht besteht, wenn infolge des Verhaltens der Gegenpartei die Vertrauensgrundlage für die weiteren auf Abschluss des Hauptvertrages gerichteten Verhandlungen erschüttert wird (Blank, a.a.O., Rn. 117, mit Verweis auf BGH, NJW 1958, 1531). Von einer solchen Erschütterung der Vertrauensgrundlage kann nur unter strengen Voraussetzungen ausgegangen werden (vgl. Blank, a.a.O., Rn. 118, mit Verweis auf BGH, ZMR 1993, 55, für den Fall der endgültigen Erfüllungsverweigerung). Gleichwohl hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Beklagte hier durch ihr Verhalten, konkret durch die E-Mail vom 27.05.2020 (Anlage K 14), die Vertrauensgrundlage der vertraglichen Beziehung der Parteien nachhaltig erschüttert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verhandlungsprozess sich im Mai 2020 insgesamt schon über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckte und die damalige Geschäftsführerin der Komplementärin der Beklagten, d.h. die Zeugin ### am 12.03.2020 ausdrücklich signalisiert hatte, dass der Prozess der Verhandlungen bereits weitgehend erfolgreich absolviert war. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten in Rechnung stellt, dass der im April 2020 vom hiesigen Klägervertreter übersandte Vertragsentwurf gegenüber dem letzten Verhandlungsergebnis einen erhöhten Mietzins beinhaltete, ist das nachfolgende Verhandlungsgebahren der Beklagten dadurch nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat nämlich durch die Übersendung der umfassenden Liste klärungsbedürftiger Punkte am 27.05.2020 den Pfad zu einer zielgerichteten Abstimmung im Rahmen des Mietvorvertrages verlassen und sehr viele bereits geklärte Punkte wieder zur Disposition gestellt. Demgegenüber wäre die geringfügige Erhöhung des Mietbetrages ggf. durch eine gezielte Monierung seitens der Beklagten zu lösen gewesen; umfangreiche Nachverhandlungen wurden durch diese Änderung nicht erforderlich. Das Verhalten der Beklagten ist hingegen insbesondere deshalb so kritisch zu werten, weil die Übersendung der Liste einen Tag vor dem abgestimmten Termin erfolgt ist und auch von der Beklagten ein umfassender Klärungsbedarf zuvor nicht gegenüber der Klägerin kommuniziert worden war. Da für die Klägerin außerdem die Übernahme des Gesamtobjektes von der Hauptvermieterin bevorstand und die Klägerin daher ihrerseits ganz entscheidend auf eine zeitnahe endgültige Klärung des Untermietverhältnisses, und zwar vor allem hinsichtlich des von der Beklagten zu erbringenden Baukostenzuschuss, angewiesen war, wurde durch das Zurückwerfen des Verhandlungsprozesses auf deutlich frühere Stadien der Verhandlung für die Klägerin das weitere Verhandeln mit der Beklagten unzumutbar.
Das Berufungsgericht ist sodann nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme i.S.v. § 286 ZPO überzeugt, dass die Erschütterung der Vertrauensgrundlage auch nach der Besprechung vom 28.05.2020 fortbestand, ja sich sogar noch vertieft hat. Eine Wiederherstellung der Möglichkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ist in dieser Besprechung nicht gelungen.
Dieses Beweisergebnis folgt insbesondere aus den glaubhaften Angaben der Zeugin B###. Die Zeugin B### hat plastisch und nachvollziehbar, ohne erkennbare Belastungstendenz gegenüber der beklagten und der Zeugin Dr. ### auf die negative Wirkung hingewiesen, die die Besprechung vom 28.05.2020 auf die Vertreter der Klägerin hatte (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 17.01.2023, vorletzter Absatz, Bl. 306 d.A.). Insbesondere hat die Zeugin B###, plausibel erläutert, dass die Zerstörung der Vertrauensgrundlage sich durch die Besprechung vom 28.05.2020 noch verstärkt hat, weil die Zeugin Dr. ### deutlich gemacht hat, dass sie ihrerseits der Klägerin als Vertragspartnerin misstraute und deshalb insbesondere entgegen vorheriger Absprachen keine Genossenschaftsanteile der Klägerin mehr zeichnen wollte (vgl. Seite 5 des Protokolls, 1. Absatz, Bl. 307 d.A., und Seite 7 unten/Seite 8 oben, Bl. 308 f. d.A., sowie Seite 9, vorletzter Absatz, Bl. 309 d.A.).
Dieser in der Besprechung vom 28.05.2020 fortdauernde Vertrauensverlust auf Seiten der Zeugin Dr. ### wird auch durch den Vorstand der Klägerin bestätigt (Protokoll vom 17.01.2023, Seite 13, 3. Abs., Bl. 311 d.A.). Er hat – im Hinblick auf seine berufliche Qualifikation als Bankfachmann nachvollziehbar – die fortschreitende Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses vor allem daran festgemacht, dass die Zeugin Dr. ### den finanziell für die Klägerin sehr relevanten Aspekt des Baukostenzuschusses weiterhin problematisiert hat und nach mehr als einem halben Jahr erneut einen bereits Ende 2019 diskutierten und dann nicht weiterverfolgten Vorschlag (Direktzahlung des Baukostenzuschusses von 150.000,00 Euro an die S### GmbH) präsentierte und auch am Ende der Besprechung vom 28.05.2020 an dieser Forderung festhielt (vgl. Protokoll vom 17.01.2023, Seite 15, Bl. 312 d.A.).
Die Aussage des Geschäftsführers der Beklagten, ### stützt die Angaben der Zeugin B### und des Vorstands der Klägerin insoweit, als dass Herr #### die angespannte Gesprächsatmosphäre am 28.05.2020 beschrieben (vgl. Protokoll vom 07.02.2023, Seite 4, 2. Absatz, Bl. 359 R d.A.) und auch bestätigt hat, dass die Vertreter der Klägerin angekündigt haben, dass sie Rücksprache mit dem Aufsichtsrat würden halten müssen (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 4, letzter Absatz, Bl. 359 R d.A.). Herr ### hat ferner bestätigt, dass die zentrale Frage der Zahlung des Baukostenzuschusses in der Besprechung offengeblieben ist (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 5, vorletzter Absatz, Bl. 360 d.A.) und der Baukostenzuschuss von Seiten der Beklagten gerade im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz der Klägerin problematisiert wurde (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 7, 2. Absatz, Bl. 361 d.A.). Soweit Herr ### angegeben hat, dass er nach der Besprechung vom 28.05.2020 weiter vom Abschluss eines endgültigen Mietvertrages ausging, so zeigt sich daran aus Sicht des Gerichts eine – auch bei der Zeugin Dr. ### zu beobachtende – selektive Wahrnehmung der Geschehnisse. Herr ### hat menschlich nachvollziehbar auf seine „Rolle als Familienvater“ hingewiesen (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 7, 2. Absatz, Bl. 361 d.A.), dabei aber den bei den Verhandlungspartnern durch die verspätete Geltendmachung dieser Bedenken entstehenden negativen Eindruck vollständig ausgeblendet.
Gleiches gilt für die Vernehmung der Zeugin Dr. ###. Die Zeugin bestätigt in ihrer Vernehmung u.a. ihre erheblichen Bedenken an der finanziellen Situation der Klägerin und ihre Forderung nach der eigenen Absicherung im Hinblick auf den Baukostenzuschuss (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 11, 1. und 2. Absatz, Bl. 363 d.A.). Die Zeugin Dr. ### hat überdies bestätigt, dass Herr ### in diesem Kontext darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin wegen dieses Punkts gezwungen sein könnte, sich andere Partner zu suchen, und dass es insoweit „stürmischer“ wurde und es zu einem „Ausbruch“ bei Herrn ### kam (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 11, 2. Absatz, Bl. 363 d.A.). Die Zeugin Dr. ### hat ferner angegeben, dass auch die im Vertragsentwurf als Mietsicherheit vorgesehene Zeichnung weiterer Genossenschaftsanteile von ihr im Hinblick auf die aktuelle finanzielle Lage der Klägerin in Frage gestellt wurde (Protokoll vom 07.02.2023, Seite 12, letzter Absatz, Bl. 363 R d.A.). Die Zeugin Dr. ### bestätigt also insgesamt, dass es am 28.05.2023 gerade nicht zu einer Wiederherstellung der vertrauensvollen Zusammenarbeit gekommen ist, sondern der Dissens in einem zentralen Punkt bestehen blieb (Baukostenzuschuss) und in einem weiteren zentralen Punkt (Zeichnung von Anteilen an der Klägerin) gegenüber der Mall vom 27.05.2020 sogar noch vertieft wurde. Die Zeugin Dr. ### war sich ferner bewusst, dass ihre Nachforderungen für die Klägerin insgesamt nicht akzeptabel sein konnten, hat dies aber bewusst in Kauf genommen („### dann wäre das eben so gewesen ###“, vgl. Protokoll vom 07.02.2023, Seite 12, 4. Absatz, Bl. 363 R d.A.). Mit dieser Haltung hat sie bewusst zur Wahrung berechtigter eigener Interessen bis dahin ausgehandelte Verhandlungsergebnisse (§ 17 Abs. 1 bzw. § 21 Abs. 1 des Mietvertragsentwurfs vom 17.04.2020, Anlage K 13) einkassiert. Die Klägerin war bei dieser Sachlage ihrerseits nicht länger verpflichtet, die Verhandlungen zum Abschluss eines Mietvertrages fortzusetzen, sie wurde vielmehr frei, sich nach anderen Mietern für die streitgegenständlichen Flächen umzusehen.
c) Angesichts der Schwere der Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses bedurfte es auch keiner vorherigen Abmahnung oder Nachfristsetzung.
d) Ein Besitzrecht kann die Beklagte bei dieser Sachlage auch nicht aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, namentlich nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo herleiten. Aus diesem Rechtsinstitut ergibt sich gegenüber dem Mietvorvertrag keine weitreichendere Rechtsposition der Beklagten.
3. Über die unechte Hilfswiderklage der Beklagten war nicht zu entscheiden, da die von der Beklagten formulierte Bedingung für den Hilfswiderklagantrag, d.h. der Erfolg der Beklagten in Gestalt einer Abweisung der Herausgabeklage der Klägerin, nicht eingetreten ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Abwendungsbefugnis ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin war aufgrund des innerhalb der Frist des § 714 Abs. 1 ZPO im Schriftsatz vom 17.01.2023 (Bl. 350 ff. d.A.) gestellten Schutzantrages der Beklagten nach § 712 Abs. 1 1. Hs. ZPO anzuordnen. Es ist glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung für die Beklagte einen nicht zu ersetzenden Nachteil bedeuten würde, weil die Herausgabe der streitgegenständlichen Flächen absehbar zu einer endgültigen Beendigung des Kitabetriebes am Standort ### führen würde. Bei einer Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz ließen sich die vielfältigen Betriebsvoraussetzungen einer Kindertagesstätte, namentlich die Beschäftigungsverhältnisse mit den Mitarbeitern, nicht in gleicher oder annähernd ähnlicher Form wiederbeleben. Auch sind die gravierenden finanziellen Konsequenzen der Schließung des Kitabetriebes für die wirtschaftliche Existenz der Beklagten zu berücksichtigen. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin i.S.v. § 712 Abs. 2 S. 1 ZPO an einer sofortigen Rückerlangung der Flächen ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorbringens aus dem klägerischen Schriftsatz vom 06.03.2023 (Seite 14 f.) nicht gegeben. Die Beklagte erbringt für die Nutzung der Flächen laufende Zahlungen in angemessener Höhe, so dass ein wirtschaftlicher Schaden für die Klägerin nicht entsteht. Selbst wenn ein Anschlussmieter aufgrund der weiteren Verzögerung der Räumung der Flächen „abspringen“ würde, kann man diesem wirtschaftlichen Interesse durch die Höhe der angeordneten Sicherheit Rechnung tragen. Durch die Festsetzung eines Betrages der sich im Bereich der Gesamtmieten für zwei Jahre bewegt, ist ggf. auch ein längerer Leerstand der Flächen abgedeckt.
Es bestand kein Anlass für die Zulassung der Revision. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Weder hat die Sache grundlegende Bedeutung, noch weicht der Senat von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab, so dass eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten war. Anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 06.03.2023 geltend macht, weicht das Gericht auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, ZMR 1993, 55) ab, sondern wendet diese Rechtsprechung lediglich auf den vorliegenden Fall an.