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Dachziegel auf Auto: Muss der WEG-Verwalter bei Mängeln haften?

Ein Dachziegel stürzt bei windigem Wetter auf ein geparktes Auto und hinterlässt fast 3.400 Euro Schaden. Die verantwortliche Hausverwaltung hatte das Dach seit dessen Neueindeckung vor über zehn Jahren nicht fachgerecht warten lassen. Trotzdem weigert sie sich, für den Schaden aufzukommen, da sie sich ihren Kontrollpflichten ausreichend nachgekommen sieht.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2-01 S 68/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Dachziegel löste sich bei Wind von einem Gebäude und beschädigte ein Auto. Die Autoversicherung forderte danach Geld von der Hausverwaltung des Gebäudes zurück.
  • Die Frage: War die Hausverwaltung verantwortlich dafür, dass der Dachziegel herunterfiel und das Auto beschädigte?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht sah die Hausverwaltung als verantwortlich an. Sie hatte das Dach nicht regelmäßig und fachgerecht überprüfen lassen.
  • Das bedeutet das für Sie: Hausverwaltungen müssen Dächer regelmäßig von Fachleuten prüfen lassen. Sonst können sie für Schäden durch herabfallende Teile zur Verantwortung gezogen werden.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
  • Datum: 28.05.2025
  • Aktenzeichen: 2-01 S 68/24
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Bürgerliches Recht, Wohnungseigentumsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Versicherungsgesellschaft. Sie forderte Geld von der Hausverwaltung zurück, nachdem sie einen Schaden an einem Auto bezahlt hatte.
  • Beklagte: Eine Hausverwalterin. Sie wehrte sich dagegen, für den Schaden zu haften.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Ein Dachziegel fiel bei Wind auf ein geparktes Auto und verursachte einen Schaden. Eine Versicherung hatte den Schaden bezahlt und wollte das Geld von der Hausverwaltung zurück.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Muss eine Hausverwaltung für einen Autoschaden haften, wenn ein Dachziegel bei stärkerem Wind herabfällt und das Dach nur unzureichend gewartet wurde?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Die Berufung wurde zurückgewiesen.
  • Zentrale Begründung: Die Hausverwaltung haftet, weil sie ihre Pflicht zur fachgerechten Dachwartung verletzt hat und nicht beweisen konnte, dass der Schaden auch bei richtiger Wartung entstanden wäre.
  • Konsequenzen für die Parteien: Die Hausverwaltung muss den Schaden bezahlen und die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen.

Der Fall vor Gericht


Ein Dachziegel fällt – wer ist schuld?

Es war ein Frühlingstag im März 2021 in einer Stadt in der Rhein-Main-Region. Der Wind pfiff mit Stärken von 7 bis 8 Beaufort, ein kräftiger, aber keineswegs ungewöhnlicher Wind für diese Jahreszeit. Plötzlich löste sich ein Dachziegel von einem Wohngebäude und stürzte herab. Unten, auf dem Dach eines geparkten Autos, fand er sein Ziel. Das Fahrzeug, bei einer großen Versicherungsgesellschaft vollkaskoversichert, war schwer beschädigt.

Ein auf der Motorhaube liegender Dachziegel hat die Windschutzscheibe eines silbernen Autos zersplittert. Der sichtbare Schaden wirft Fragen nach der Haftung der Hausverwaltung auf.
Dachziegel-Fall: Hausverwaltung haftet trotz regelmäßiger Sichtprüfungen für Schäden. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Versicherung regulierte den Schaden in Höhe von fast 3.400 Euro und stand nun vor der Frage: Wer trägt die Verantwortung für diesen Schaden? Die Antwort auf diese Frage führte die Parteien bis vor das Landgericht Frankfurt am Main, das sich intensiv mit den Pflichten einer Hausverwaltung auseinandersetzte.

Was forderte die Versicherungsgesellschaft und wie sah ihre erste Begründung aus?

Nachdem die Versicherungsgesellschaft den Schaden am Auto ihres Kunden bezahlt hatte, wandte sie sich an die Hausverwaltung der Wohnungseigentumsanlage. Diese Hausverwaltung war seit 2015 für das Gebäude zuständig, dessen Dach in den Jahren 2009/2010 vollständig neu eingedeckt worden war. Die Versicherungsgesellschaft forderte das Geld von der Hausverwaltung zurück. Sie argumentierte, dass die Hausverwaltung als Verwalterin des Gebäudes für dessen ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich sei.

Wenn ein Dachziegel bei einer normalen Windstärke herabfalle, so die Auffassung, spreche das stark dafür, dass das Gebäude entweder schlecht gebaut oder mangelhaft instand gehalten worden sei. Juristen nennen dies einen „Anscheinsbeweis“ – eine Art starker Hinweis aus der Lebenserfahrung, der eine bestimmte Sache als wahrscheinlich erscheinen lässt, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Die Versicherungsgesellschaft war überzeugt, dass die Hausverwaltung ihre Pflichten, Gefahren vom Gebäude abzuwenden – die sogenannte Verkehrssicherungspflicht – nicht erfüllt hatte, da keine ausreichende und fachkundige Wartung des Daches stattgefunden hatte.

Wie verteidigte sich die Hausverwaltung beim Amtsgericht?

Die Hausverwaltung wies die Vorwürfe zurück. Sie erklärte, dass ihr angestellter Objektbetreuer das Dach regelmäßig von der Straße aus inspiziert habe, zuletzt kurz vor dem Vorfall. Dabei seien keinerlei Mängel festgestellt worden. Man sei seinen Überwachungs- und Kontrollpflichten daher ausreichend nachgekommen. Die Hausverwaltung betonte, sie sei als Verwalterin nicht verpflichtet, das Dach selbst zu betreten oder gar ohne konkreten Anlass einen teuren Wartungsvertrag mit einer externen Firma abzuschließen. Zudem habe sie argumentiert, dass selbst bei einer professionellen Dachwartung die Ursache für den Ziegelsturz – eine angeblich ungünstige Verdrahtung der Ziegel – möglicherweise gar nicht hätte erkannt werden können. Das Dach sei ja auch relativ neu gewesen, erst etwa zehn Jahre alt, was die Wahrscheinlichkeit eines Mangels grundsätzlich verringere.

Warum gab das Amtsgericht der Versicherungsgesellschaft Recht?

Das Amtsgericht, die erste Instanz in diesem Fall, sah die Sache anders. Es hörte verschiedene Zeugen und kam zu dem Schluss, dass die Hausverwaltung den starken Hinweis auf eine mangelhafte Dachpflege nicht hatte entkräften können. Die vom Gericht befragten Zeugen konnten nicht zweifelsfrei klären, warum der Ziegel herabfiel.

Der „Anscheinsbeweis“ für eine unzureichende Instandhaltung blieb bestehen. Das Gericht urteilte, dass die von der Hausverwaltung durchgeführten Sichtprüfungen nicht genügten, weil sie nicht von einer fachkundigen Person vorgenommen wurden. Auch das Alter des Daches spielte für das Amtsgericht keine entscheidende Rolle; auch ein relativ neues Dach müsse gewartet werden. Die Hausverwaltung habe nicht beweisen können, dass Fachleute die Schadensursache nicht hätten feststellen können. Darum verurteilte das Amtsgericht die Hausverwaltung zur Zahlung des vollen Schadensbetrags.

Welche neuen Argumente brachte die Hausverwaltung in der Berufung vor?

Die Hausverwaltung war mit dem Urteil des Amtsgerichts nicht einverstanden und legte Berufung beim Landgericht ein. Sie wiederholte ihre ursprünglichen Argumente, ergänzte diese aber um neue Punkte. So führte sie an, dass sie Ende 2020 den Wohnungseigentümern sehr wohl eine professionelle Dachwartung empfohlen habe, die auch beschlossen worden sei.

Die Durchführung dieser Wartung habe sich lediglich witterungsbedingt verzögert, und man habe sogar drei Tage vor dem Schadensereignis noch einmal bei einer Dachdeckerfirma nachgefragt. Die Hausverwaltung meinte, das Amtsgericht habe den Umfang der ihr obliegenden Kontrollpflichten falsch eingeschätzt. Man sei der Meinung gewesen, dass die durchgeführten Sichtbegehungen den Empfehlungen des einschlägigen Regelwerks des Deutschen Dachdeckerhandwerks (DDH) entsprächen, das ebenfalls Sichtprüfungen empfehle.

Nach welchen wichtigen Regeln beurteilte das Landgericht den Fall?

Das Landgericht bestätigte, dass die Berufung zwar zulässig war, in der Sache aber keinen Erfolg hatte. Es legte zunächst die rechtlichen Grundlagen dar, nach denen der Fall zu beurteilen war.
Der Schadenersatzanspruch der Versicherungsgesellschaft stützte sich auf spezielle Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die die Haftung für Gebäude regeln. Vereinfacht gesagt, haften der Besitzer eines Gebäudes oder die Person, die dessen Instandhaltung übernommen hat, für Schäden, die entstehen, weil sich Gebäudeteile lösen.

Dies gilt aber nur, wenn sie nicht beweisen können, dass sie alle nötige Sorgfalt aufgebracht haben, um solche Gefahren zu verhindern. Das bedeutet: Wer ein Gebäude besitzt oder instand hält, muss sehr sorgfältig sein.

Besonders wichtig war hier der eingangs erwähnte „Anscheinsbeweis“: Wenn sich ein Gebäudeteil – wie ein Dachziegel – bei normalen Wetterverhältnissen löst, spricht dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung stark dafür, dass das Gebäude entweder fehlerhaft gebaut oder mangelhaft unterhalten wurde. Dieser Anscheinsbeweis entfällt nur, wenn ein „außergewöhnliches Naturereignis“ vorliegt, dem selbst ein perfekt gepflegtes Gebäude nicht standhalten könnte.

Die Überwachung eines Daches erfordert hohe Sorgfalt. Es müssen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um Gefahren frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört auch, das Dach in regelmäßigen Abständen von einer zuverlässigen Fachperson überprüfen zu lassen. Eine Hausverwaltung muss das Dach zwar nicht selbst betreten oder sofort einen Wartungsvertrag abschließen. Sie hat aber die Pflicht, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass die Eigentümergemeinschaft einen Beschluss über eine solche Wartung fasst. Wenn dann doch ein Schaden eintritt, muss die Hausverwaltung beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre – dass ihr Versäumnis also nichts mit dem Schaden zu tun hatte.

Warum überzeugten die Einwände der Hausverwaltung das Landgericht nicht?

Das Landgericht bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Der „Anscheinsbeweis“ für die mangelhafte Unterhaltung des Daches war aus Sicht des Gerichts gegeben und konnte von der Hausverwaltung nicht entkräftet werden.

Die wichtigsten Punkte, warum die Einwände der Hausverwaltung vom Landgericht abgelehnt wurden, waren:

  • Windstärke kein außergewöhnliches Ereignis: Die Windstärke von 7-8 Beaufort (steifer oder stürmischer Wind) war aus Sicht des Gerichts kein außergewöhnliches Naturereignis. Sie liegt weit unter dem, was die Rechtsprechung als „höhere Gewalt“ ansieht (z.B. Orkanböen von über 118 km/h). Ein gut gewartetes Dach sollte solchen Windstärken problemlos standhalten.
  • Dachalter ist kein Freifahrtschein: Obwohl das Dach erst zehn Jahre alt war, konnte es nicht mehr als „neu“ gelten. Das Alter schließt einen Mangel oder die Notwendigkeit einer Wartung nicht aus und entkräftet den „Anscheinsbeweis“ nicht.
  • Sichtprüfungen waren unzureichend: Die von der Hausverwaltung durchgeführten Sichtprüfungen waren nicht ausreichend. Sie wurden nicht von einer fachkundigen Person (einem Dachdecker), sondern von einem angestellten Objektbetreuer vorgenommen und zudem nur von der Straße aus. Eine vollständige und fachgerechte Prüfung des Daches ist von der Straße aus nicht möglich.
  • Wartung zu spät veranlasst: Auch wenn die Hausverwaltung 2020 eine Wartung empfohlen und die Wohnungseigentümer diese beschlossen hatten, war dies zu spät. Das Gericht verwies auf die eigenen, von der Hausverwaltung vorgelegten Empfehlungen des Deutschen Dachdeckerhandwerks. Demnach sollte eine erste Wartung bereits sechs Jahre nach Errichtung des Daches (also 2015) erfolgen und danach alle drei Jahre wiederholt werden. Bis zum Schadensereignis im März 2021 hatte also über zehn Jahre lang keine fachkundige Wartung stattgefunden. Die Behauptung, die Verzögerung sei witterungsbedingt gewesen, konnte die Hausverwaltung nicht entlasten, da sie viel früher hätte handeln müssen.
  • Ursache hätte erkannt werden können: Die Hausverwaltung konnte auch nicht beweisen, dass der Schaden selbst bei einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Wartung eingetreten wäre und ihr Versäumnis somit nicht ursächlich war. Das Amtsgericht hatte bereits festgestellt, dass die Schadensursache nicht eindeutig identifizierbar war. Die Zeugen konnten nicht abschließend klären, warum die Ziegel fielen. Die Argumentation der Hausverwaltung, dass eine „ungünstige Verdrahtung“ auch bei einer Wartung nicht erkannt worden wäre, hielt das Gericht nicht für schlüssig, da Fachleute bei Wartungen stichprobenartige Untersuchungen durchführen, die Einblicke ins Dach ermöglichen und potenzielle Mängel aufdecken könnten.

Das Landgericht fand keine Anhaltspunkte, die Zweifel an den Feststellungen des Amtsgerichts begründeten. Es war an diese gebunden und bestätigte die überzeugende Beweiswürdigung der Vorinstanz. Daher wurde die Berufung der Hausverwaltung zurückgewiesen, und das Urteil des Amtsgerichts, das die Hausverwaltung zur Zahlung des Schadens an die Versicherungsgesellschaft verurteilte, blieb bestehen.

Die Urteilslogik

Die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht bei Gebäuden erfordert eine ständige, fachgerechte Überwachung, um Gefahren für Dritte zu vermeiden.

  • Anscheinsbeweis für Mängel: Fallen Gebäudeteile bei gewöhnlichen Witterungsbedingungen herab, deutet dies grundsätzlich auf einen Mangel in Bau oder Instandhaltung hin, sofern kein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt.
  • Umfang der fachlichen Sorgfalt: Die bloße optische Kontrolle eines Daches oder Gebäudeteils von Weitem genügt nicht, um die umfassende Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen; vielmehr bedarf es einer regelmäßigen fachkundigen Begutachtung, die auch potenzielle verborgene Mängel aufdeckt.
  • Beweislast bei Pflichtverletzung: Entsteht ein Schaden aufgrund einer Verletzung der Überwachungs- und Instandhaltungspflicht, entlastet sich der Verantwortliche nur, wenn er nachweist, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre.

Proaktive und fachgerechte Prävention stellt den wichtigsten Schutz gegen Haftungsrisiken bei der Gebäudeinstandhaltung dar.


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Das Urteil in der Praxis

Für alle Verwalter von Wohnobjekten markiert dieses Urteil eine Zäsur in der Auffassung von Sorgfaltspflichten. Das Landgericht Frankfurt macht unmissverständlich klar: Die Zeiten naiver Sichtprüfungen durch Laien sind vorbei; nur professionelle Dachkontrollen entlasten wirklich. Wer nachweislich zehn Jahre lang die vorgeschriebene, regelmäßige Fachwartung verpennt, trägt die volle Verantwortung – selbst bei „normalem“ Wind. Dieses Urteil zwingt Immobilienverwalter zur radikalen Neubewertung ihrer Instandhaltungsstrategien, um teure Überraschungen zu vermeiden.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet generell für Schäden, die durch herabfallende Gebäudeteile entstehen?

Grundsätzlich haftet die Person, die ein Gebäude besitzt oder für dessen Instandhaltung zuständig ist, für Schäden, die durch herabfallende Gebäudeteile entstehen. Dies betrifft beispielsweise Eigentümer oder auch eine Hausverwaltung.

Stellen Sie sich vor, man ist der „Hüter“ eines Ortes. Man trägt die Verantwortung dafür, dass dieser Ort sicher ist und niemand durch ihn zu Schaden kommt. Genauso ist es mit einem Gebäude: Die für das Gebäude verantwortliche Person muss dafür sorgen, dass es keine Gefahren für andere darstellt.

Diese Haftung ergibt sich aus der sogenannten Verkehrssicherungspflicht. Sie bedeutet, dass man verpflichtet ist, Gefahren, die vom Gebäude ausgehen könnten, abzuwenden und für dessen sicheren Zustand zu sorgen. Dazu gehört auch, das Gebäude, wie etwa ein Dach, regelmäßig von einer zuverlässigen Fachperson überprüfen zu lassen, um mögliche Mängel frühzeitig zu erkennen.

Man kann sich von dieser Haftung nur befreien, wenn man beweist, dass man alle notwendige Sorgfalt angewendet hat, um den Schaden zu verhindern. Das bedeutet, es muss nachgewiesen werden, dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn man alle Pflichten sorgfältig erfüllt hätte. An diesen Sorgfaltsmaßstab werden sehr hohe Anforderungen gestellt.

Diese Regelung dient dazu, unbeteiligte Dritte vor Gefahren durch mangelhaft unterhaltene Gebäude zu schützen und die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten.


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Was bedeutet der „Anscheinsbeweis“ im Kontext von Schäden durch herabfallende Gebäudeteile?

Der Anscheinsbeweis ist eine juristische Regel, die bei Schäden durch herabfallende Gebäudeteile eine starke Vermutung aufstellt. Er bedeutet, dass bei einem solchen Vorfall unter normalen Umständen (also nicht bei einem extremen Sturm) davon ausgegangen wird, dass das Gebäude entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft instand gehalten wurde.

Man kann sich das wie bei einem Fußballspiel vorstellen: Wenn der Ball klar die Torlinie überquert hat, aber der Schiedsrichter es nicht genau gesehen hat, dann spricht der „Anschein“ oder die allgemeine Regel „Ball im Tor ist ein Tor“ dafür, dass es ein Tor war. Es sei denn, das andere Team beweist eindeutig, dass der Ball nicht drin war.

Dieser Anscheinsbeweis beruht auf der allgemeinen Lebenserfahrung. Fällt beispielsweise ein Dachziegel bei normalem Wind herab, deutet dies typischerweise auf ein Problem mit dem Gebäude hin. Diese Regel verschiebt die Beweislast: Nicht der Geschädigte muss beweisen, dass der Gebäudehalter seine Pflichten verletzt hat, sondern der Gebäudehalter (oder dessen Instandhalter) muss beweisen, dass er alle erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat, um den Schaden zu verhindern.

Die Vermutung entfällt nur dann, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis, wie ein Orkan (oft Windstärken über 118 km/h), den Schaden verursacht hat, dem selbst ein perfekt gewartetes Gebäude nicht standhalten könnte. Starker Wind allein, wie er in bestimmten Jahreszeiten üblich ist, reicht hierfür nicht aus.

Diese Regelung schützt Geschädigte und soll sicherstellen, dass Gebäude pflichtgemäß überwacht und gewartet werden, um Gefahren für die Allgemeinheit zu minimieren.


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Welche Anforderungen werden an die regelmäßige Kontrolle und Wartung von Gebäudeteilen wie Dächern gestellt?

Für die regelmäßige Kontrolle und Wartung von Gebäudeteilen wie Dächern sind umfassende, fachkundige Überprüfungen zwingend erforderlich, die über oberflächliche Sichtprüfungen hinausgehen. Reine Inspektionen, die beispielsweise lediglich von der Straße aus durchgeführt werden, sind nicht ausreichend.

Stellen Sie sich vor, ein Flugzeug muss regelmäßig gewartet werden. Ein Laie, der nur von außen prüft, kann keine versteckten Mängel an Triebwerken oder Sensoren entdecken, die ein ausgebildeter Techniker bei einer gründlichen Inspektion feststellen würde. Ähnlich verhält es sich mit der Dachwartung: Nur eine geschulte und detaillierte Prüfung durch eine Fachperson ist ausreichend, um Mängel zu erkennen.

Es ist entscheidend, dass diese Kontrollen von einer zuverlässigen Fachperson, wie einem Dachdecker, vorgenommen werden. Nur so können alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um potenzielle Gefahren und nicht sofort sichtbare Mängel frühzeitig zu erkennen. Das Alter eines Daches spielt dabei keine entscheidende Rolle, da auch relativ neue Dächer regelmäßig gewartet werden müssen.

Die verantwortliche Partei, etwa eine Hausverwaltung, hat zudem die Pflicht, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die Eigentümergemeinschaft einen Beschluss über eine solche professionelle Wartung fasst. Die Empfehlungen des Deutschen Dachdeckerhandwerks sehen beispielsweise eine erste Wartung bereits sechs Jahre nach Errichtung des Daches und danach eine Wiederholung alle drei Jahre vor.

Diese strengen Anforderungen schützen das Vertrauen in die Sicherheit von Gebäuden und tragen dazu bei, Schäden durch herabfallende Gebäudeteile zu verhindern.


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Wie oft sollten Dachdeckerarbeiten durchgeführt werden, um Haftungsrisiken zu minimieren?

Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollte man Dachdeckerarbeiten nach den Empfehlungen des Deutschen Dachdeckerhandwerks in regelmäßigen Abständen durchführen lassen. Eine erste fachkundige Wartung empfiehlt sich demnach oft bereits sechs Jahre nach der Errichtung eines Daches, danach sollte man diese Überprüfungen alle drei Jahre wiederholen.

Man kann dies mit regelmäßigen Zahnarztbesuchen vergleichen: Auch wenn die Zähne nicht schmerzen, trägt eine vorsorgliche Kontrolle dazu bei, größere Probleme und damit verbundene Kosten zu vermeiden.

Auch ein relativ neues Dach ist nicht von der Wartungspflicht befreit. Das Alter des Daches stellt keinen Freifahrtschein dar, der von regelmäßigen Überprüfungen entbindet. Entscheidend ist eine fachgerechte und vollständige Prüfung durch eine qualifizierte Fachperson, die Mängel frühzeitig erkennen kann, die bei bloßen Sichtprüfungen von der Straße aus unentdeckt bleiben würden.

Proaktives und regelmäßiges Handeln ist somit entscheidend, um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen und potenzielle Haftungsrisiken bei Schäden durch herabfallende Gebäudeteile zu minimieren.


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Was kann man tun, wenn das eigene Eigentum durch einen herabfallenden Gebäudeteil beschädigt wird?

Wenn Ihr Eigentum durch einen herabfallenden Gebäudeteil beschädigt wird, sollten Sie den Schaden umgehend umfassend dokumentieren und Ihre eigene Versicherung informieren. Stellen Sie sich vor, ein Schiedsrichter pfeift einen Elfmeter: Fällt ein Dachziegel bei normalem Wind von einem Gebäude, erweckt dies stark den Anschein, dass etwas am Gebäude nicht in Ordnung war, es sei denn, der Verantwortliche kann das Gegenteil beweisen.

Daher ist es entscheidend, den Schaden sofort detailliert mit Fotos und Videos festzuhalten. Notieren Sie den genauen Ort, die Uhrzeit des Vorfalls und sammeln Sie mögliche Zeugenkontakte. Im Anschluss melden Sie den Schaden Ihrer eigenen Versicherung, wie beispielsweise der Vollkaskoversicherung bei einem Fahrzeug. Ihre Versicherung kann den Schaden zunächst regulieren und dann versuchen, die Kosten vom Verursacher zurückzufordern.

Parallel dazu identifizieren Sie den Eigentümer oder die zuständige Verwaltung des Gebäudes, von dem der Gebäudeteil herabfiel. Diesen Parteien obliegt eine sehr hohe Sorgfaltspflicht für die Instandhaltung des Gebäudes. Wenn keine Einigung über den Schadensersatzanspruch erzielt werden kann, können auch rechtliche Schritte, wie eine Klage, notwendig werden, da die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Gebäudehalters sehr hoch sind.

Diese Schritte sichern Ihre Ansprüche und tragen dazu bei, die Verantwortlichkeit für den entstandenen Schaden gemäß den gesetzlichen Anforderungen zu klären und durchzusetzen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis ist eine juristische Regel, die besagt, dass bestimmte Ereignisse so typisch ablaufen, dass man ohne weitere Beweise von einer bestimmten Ursache ausgehen kann.
Diese Regelung basiert auf der allgemeinen Lebenserfahrung und erleichtert die Beweisführung in Fällen, in denen die genaue Ursache schwer zu ermitteln ist. Sie schafft eine Vermutung, die nur durch den Gegenbeweis entkräftet werden kann.

Beispiel: Im Fall des herabfallenden Dachziegels sprach der Anscheinsbeweis dafür, dass das Dach entweder schlecht gebaut oder mangelhaft instand gehalten wurde, da der Ziegel bei normalem Wind herabfiel. Die Hausverwaltung musste dann beweisen, dass dies nicht der Fall war.

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Außergewöhnliches Naturereignis

Ein außergewöhnliches Naturereignis bezeichnet ein unvorhersehbares und sehr seltenes Ereignis höherer Gewalt, das selbst bei größter Sorgfalt nicht zu verhindern war.
Es dient als Entlastungsgrund für die Haftung, wenn ein Schaden nicht durch menschliches Versagen, sondern durch eine extreme, unkontrollierbare Naturgewalt verursacht wurde. Die Anforderung hierfür ist sehr hoch, um zu verhindern, dass die Verantwortlichen sich einfach herausreden können.

Beispiel: Die Hausverwaltung konnte sich im vorliegenden Fall nicht auf ein außergewöhnliches Naturereignis berufen, da die Windstärke von 7-8 Beaufort als kräftig, aber keineswegs ungewöhnlich und weit unter der Schwelle für „höhere Gewalt“ (z.B. Orkanböen über 118 km/h) eingestuft wurde.

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Beweislast

Die Beweislast beschreibt, welche Partei vor Gericht beweisen muss, dass ihre Behauptung stimmt, wenn ein Sachverhalt streitig ist.
Sie legt fest, wer das Risiko trägt, wenn ein Gericht eine Behauptung nicht für bewiesen hält. In der Regel muss die Partei beweisen, die aus einer Tatsache Rechte herleiten möchte, aber es gibt Ausnahmen wie den Anscheinsbeweis, der die Beweislast verschieben kann.

Beispiel: Durch den Anscheinsbeweis verschob sich die Beweislast im Fall des Dachziegels. Nicht die Versicherung musste beweisen, dass die Hausverwaltung ihre Pflichten verletzte, sondern die Hausverwaltung musste beweisen, dass sie alle notwendige Sorgfalt aufgewendet hatte, um den Schaden zu verhindern.

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Verkehrssicherungspflicht

Die Verkehrssicherungspflicht ist die rechtliche Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass von Dingen oder Orten, für die man verantwortlich ist, keine Gefahren für andere ausgehen.
Diese Pflicht soll die Allgemeinheit vor Schäden schützen, die durch unsichere Zustände entstehen könnten. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt und dadurch ein Schaden entsteht, kann dafür haftbar gemacht werden. Sie umfasst alle zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.

Beispiel: Die Hausverwaltung hatte als Verwalterin des Gebäudes die Verkehrssicherungspflicht für das Dach. Sie wurde verurteilt, weil sie dieser Pflicht nicht ausreichend nachgekommen war, indem sie keine regelmäßigen, fachkundigen Wartungen des Daches veranlasst hatte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Haftung des Gebäudeherrn (BGB 836 Abs. 1 Satz 1)

    Wer ein Gebäude besitzt oder für dessen Instandhaltung zuständig ist, haftet für Schäden, die entstehen, wenn sich Gebäudeteile lösen, es sei denn, er kann beweisen, dass er alle nötige Sorgfalt aufgewendet hat.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph bildete die rechtliche Grundlage für den Anspruch der Versicherungsgesellschaft gegen die Hausverwaltung, da diese für die Instandhaltung des Daches zuständig war und ein Dachziegel herabfiel.

  • Anscheinsbeweis (Allgemeines Rechtsprinzip)

    Der Anscheinsbeweis ist ein richterliches Hilfsmittel, das aus der allgemeinen Lebenserfahrung schließt, dass ein typischer Geschehensablauf wahrscheinlich ist, wenn bestimmte Umstände vorliegen, wodurch die Beweislast umkehrt.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Dachziegel bei einer üblichen Windstärke herabfiel, sprach dies laut Gericht stark dafür, dass das Dach mangelhaft instandgehalten wurde, und übertrug der Hausverwaltung die Pflicht, das Gegenteil zu beweisen.

  • Umfang der Verkehrssicherungspflicht (Konkretisierung durch Rechtsprechung)

    Die Pflicht zur Sicherung eines Gebäudes erfordert, dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um Gefahren abzuwenden, wozu insbesondere die regelmäßige, fachkundige Überprüfung relevanter Gebäudeteile gehört.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte fest, dass die Hausverwaltung dieser Pflicht nicht nachkam, da ihre Sichtprüfungen durch Laien nicht ausreichten und sie es versäumt hatte, rechtzeitig eine professionelle Dachwartung zu veranlassen.

  • Entlastungsbeweis und Höhere Gewalt (BGB § 836 Abs. 1 Satz 2)

    Der Gebäudeverantwortliche kann seiner Haftung entgehen, wenn er beweist, dass der Schaden auch bei größtmöglicher Sorgfalt eingetreten wäre, oder wenn ein „außergewöhnliches Naturereignis“ die Ursache war, das selbst ein einwandfrei gewartetes Gebäude nicht überstanden hätte.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Hausverwaltung konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Schaden trotz pflichtgemäßer Wartung aufgetreten wäre, noch wurde die Windstärke als außergewöhnliches Naturereignis anerkannt, wodurch ihre Verteidigung scheiterte.


Das vorliegende Urteil


LG Frankfurt/Main – Az.: 2-01 S 68/24 – Urteil vom 28.05.2025


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