Streit um Verwaltervertrag: WEG-Beschlussanfechtung vor Gericht
In rechtlichen Auseinandersetzungen, die sich im Kontext des Mietrechts und des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) bewegen, steht oft die Beschlussanfechtung im Mittelpunkt. Hierbei geht es um die Frage, ob Entscheidungen, die innerhalb einer Eigentümerversammlung getroffen wurden, rechtmäßig sind und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Ein häufig diskutiertes Thema ist dabei die Gültigkeit von Beschlüssen bezüglich des Verwaltervertrages, der die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums regelt. Solche Streitigkeiten können zu einem Rechtsstreit führen, in dem die beteiligten Parteien, oft vertreten durch Rechtsanwälte, die Gültigkeit oder Ungültigkeit der gefassten Beschlüsse klären lassen. Dabei können auch Fragen zur Mietminderung oder zu den Kosten der Verwaltervergütung eine Rolle spielen. In solchen Fällen ist es nicht unüblich, dass eine Berufung eingelegt wird, um eine vorherige Entscheidung überprüfen zu lassen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Gericht lehnt die Anfechtung der WEG-Beschlüsse zur Beseitigung einer baulichen Veränderung und zur Verlängerung des Verwaltervertrages ab, da keine Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung vorliegen.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Berufungsrücknahme: Dem Berufungskläger wird die Möglichkeit gegeben, die Berufung zurückzunehmen, um weitere Kosten zu vermeiden.
- Streitwert: Der Streitwert wird auf maximal das Fünffache des klägerischen Interesses festgesetzt.
- Beschlussanfechtung: Die Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 9 und TOP 10 ist rechtzeitig erfolgt, aber nicht erfolgreich.
- Ordnungsgemäße Verwaltung: Die Beschlüsse verstoßen nicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung.
- Einberufungsmangel: Es liegt kein relevanter Einberufungsmangel vor.
- Verwaltervertrag: Die Ablehnung des Antrags zur Nichtfortsetzung der Verwaltung ist gerechtfertigt und verstößt nicht gegen ordnungsgemäße Verwaltung.
- Bauliche Veränderung: Der Kläger kann nicht die Vergemeinschaftung individueller Beseitigungsansprüche verlangen.
- Rücknahme des Rechtsmittels: Das Gericht regt die Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.
Übersicht
Einblicke in den WEG-Negativbeschluss: Kontext und Herausforderungen
Der vorliegende Fall dreht sich um eine rechtliche Auseinandersetzung im Kontext des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) und des Mietrechts. Konkret geht es um einen WEG-Negativbeschluss bezüglich der Beseitigung einer baulichen Veränderung. Die Auseinandersetzung fand vor dem Landgericht Lüneburg statt, unter dem Aktenzeichen 3 S 3/19, und der Beschluss wurde am 13. März 2019 gefällt.
Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Anfechtung von Beschlüssen, die während einer Eigentümerversammlung gefasst wurden. Der Kläger hat die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten (TOP) 9 und 10 angefochten. TOP 9 betraf die Verlängerung des Verwaltervertrages, während TOP 10 die Beseitigung einer baulichen Veränderung betraf. Die Kammer musste prüfen, ob die Beschlüsse gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen oderob ein relevanter Einberufungsmangel vorliegt.
Vielschichtige Aspekte und Kosten der Verwaltervergütung
Die Zusammenhänge und zu beachtenden Aspekte sind vielschichtig. Einerseits geht es um die Frage, ob die Anfechtung der Beschlüsse rechtzeitig erfolgt ist und ob die Beschlüsse gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen. Andererseits spielt auch die Frage der Kosten der Verwaltervergütung eine Rolle, die auf maximal das Fünffache des klägerischen Interesses festgesetzt werden soll.
Gerichtliche Entscheidung und Berufung
Das Gericht entschied, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Es wurde erwogen, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse weder gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen noch ein relevanter Einberufungsmangel vorliegt. Insbesondere wurde festgestellt,dass der Kläger von der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die Vergemeinschaftung individueller Beseitigungsansprüche verlangen kann.
Die Entscheidung des Gerichts basierte auf einer vorläufigen Würdigung der Sach- und Rechtslage. Die Kammer stellte fest, dass die vom Kläger angeführten Umstände, wie die Überschreitung der Einbaufristen für Rauchwarnmelder und das Verhalten der Verwaltung im Rahmen der Eigentümerversammlung, keine Ermessensreduktion rechtfertigen. Zudem wurde betont, dass es nicht erforderlich ist, den genauen Inhalt und Wortlaut eines beabsichtigten Beschlusses mitzuteilen.
Fazit: Rechtsstreit und sorgfältige Prüfung
Weitere wichtige Informationen betreffen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur kostengünstigeren Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels, die dem Berufungskläger gegeben wurde. Die Kammer regte die Rücknahme des Rechtsmittels an, um weitere Kosten zu vermeiden.
Das Fazit des Urteils ist, dass die Anfechtung der Beschlüsse keine Aussicht auf Erfolg hat und die Beschlüsse der Eigentümerversammlung nicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßen. Der Fall unterstreicht die Komplexität von rechtlichen Auseinandersetzungen im Kontext von Mietrecht und Wohnungseigentumsgesetz und zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung aller Umstände ist.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet ein WEG-Negativbeschluss?
Ein „WEG-Negativbeschluss“ bezieht sich auf das Wohnungseigentumsrecht und tritt ein, wenn ein Beschlussantrag in einer Eigentümerversammlung die erforderliche Mehrheit nicht erreicht und somit abgelehnt wird. Dies kann beispielsweise eine von einem Wohnungseigentümer vorgeschlagene Maßnahme wie eine Sanierung betreffen, die von der Mehrheit der anderen Eigentümer abgelehnt wird.
Ein Negativbeschluss hat Beschlussqualität, was bedeutet, dass er anfechtbar oder nichtig sein kann. Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht, den Beschluss nach § 46 Abs. 1 WEG anzufechten. Ein Negativbeschluss ist jedoch vom Nichtbeschluss zu unterscheiden. Ein Nichtbeschluss liegt vor, wenn beispielsweise nicht abgestimmt wurde oder keine ordnungsgemäße Einladung aller Eigentümer erfolgte.
Ein wichtiger Aspekt eines Negativbeschlusses ist, dass er keine sachliche Regelung enthält. Er macht lediglich deutlich, dass die Mehrheit der Eigentümer zu einem bestimmten Zeitpunkt einem bestimmten zu regelnden Gegenstand nicht zustimmen möchte. Daher führt ein Negativbeschluss zu keiner Änderung der Rechtslage und es tritt keine materielle Bindungswirkung ein.
Ein Negativbeschluss entfaltet jedoch keine Sperrwirkung für eine erneute Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über denselben Gegenstand. Das bedeutet, dass spätere Beschlussfassungen über den inhaltlich selben Beschlussgegenstand zulässig sind.
Wenn ein Wohnungseigentümer einen Negativbeschluss anfechtet, weil er diesen entweder aus formalen Gründen (z.B. falsche Feststellung eines ablehnenden Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter) oder aus materiellen Gründen (keine ordnungsgemäße Verwaltung) für unrichtig hält, kann er die Beschlussanfechtung mit einem Antrag verbinden, der auf gerichtliche Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichtet ist.
Wird ein Negativbeschluss nicht angefochten und daher bestandskräftig, kann es zu einer erneuten Abstimmung über denselben Beschlussgegenstand kommen. In diesem Fall ergeht ein Zweitbeschluss, der ebenfalls zu einer Ablehnung führen kann. Auch der Zweitbeschluss kann angefochten werden.
Das vorliegende Urteil
LG Lüneburg – Az.: 3 S 3/19 – Beschluss vom 13.03.2019
1. Es wird erwogen, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Berufungskläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer weitere Kosten zum Teil vermeidenden Berufungsrücknahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
2. Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren sowohl für die erste wie auch die zweite Instanz entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 16.6.2016-V ZR 292/14 zitiert nach Juris Tz. 4 letzter Satz) auf maximal das Fünffache des klägerischen Interesses festzusetzen. Die Parteien werden insoweit aufgefordert, innerhalb von 3 Wochen mitzuteilen, inwieweit der Kläger an den Kosten der Verwaltervergütung von 23.604,84 € beteiligt ist. Dieses dürfte sich unmittelbar aus dem Verteilerschlüssel ergeben.
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Entgegen der amtsgerichtlichen Ansicht geht die Kammer nach vorläufiger Würdigung zwar davon aus, dass unter Berücksichtigung des offensichtlichen Rechtschutzziels des Klägers und auch der Formulierung der Beschlussanfechtungsklage nebst deren Begründung auch eine Anfechtung des unter TOP 9 angeführten Beschlusses über die Verlängerung des Verwaltervertrages rechtzeitig erfolgt ist. Allerdings verstoßen die in der Versammlung gefassten Beschlüsse zu TOP 9 und TOP 10 weder gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung noch liegt ein relevanter Einberufungsmangel vor.
Im Einzelnen:
1. Nach vorläufiger Bewertung der Kammer richtet sich die Beschlussanfechtungsklage gegen sämtliche unter TOP 9 und TOP 10 gefassten Beschlüsse. Im Protokoll ist TOP 9 mit der Überschrift: „Herr … stellt den Antrag, der Verlängerung des Verwaltervertrages mit der Firma …, GF …, nicht mehr zuzustimmen“ überschrieben. In der Anfechtungsklage hat er den Antrag gestellt, die beschlossenen Beschlüsse TOP 9 und TOP 10 für ungültig zu erklären. Da er in der Klagebegründung die Anfechtung zu TOP 9 separat begründet hat und innerhalb dieser Begründung sowohl den ursprünglichen Antrag wie auch den Folgeantrag unter Anführung der Anfechtungsgründe aufführt, ist aus Sicht des Gerichts das Anfechtungsziel ausreichend aufgezeigt worden. Insoweit kann auch berücksichtigt werden, dass der Kläger selbst nicht anwaltlich vertreten war.
2. Der Beschluss über die Ablehnung des Antrags des Klägers, der sich gegen die Fortdauer der Verwaltung richtet, verstößt jedoch nicht gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Ein solcher Verstoß kommt nur in Betracht, wenn sich das der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehende Auswahlermessen auf Null reduziert hätte und nur die Nichtfortsetzung der Verwaltung insoweit ordnungsgemäßer Verwaltung entspräche. Eine solche Ermessensreduktion würde bedeuten, dass die Fortsetzung der Verwaltung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. für den Fall der Abberufung BGH NJW 2012, 1884 zitiert nach Juris Tz. 10). Die vom Kläger insoweit angeführten Umstände rechtfertigen eine solche Ermessensreduktion nicht. Die vom Kläger behaupteten Verfehlung der Verwaltung, der Überschreitung der Einbaufristen für Rauchwarnmelder, das Verhalten der Verwaltung im Rahmen der Eigentümerversammlung und die Erteilung einer Genehmigung für den Einbau von Fenstern durch die Verwaltung ohne Beschlussvollmacht sind Umstände, die den Wohnungseigentümern bekannt waren und auch vom Schweregrad nicht eine Abberufung und Beendigung des Verwaltervertrages erfordern.
3. Auch der in der Versammlung vom 14. Mai 2018 gefasste Beschluss über die Verlängerung der Verwalterbestellung ist nicht für ungültig zu erklären. Der in der Begründung der Anfechtungsklage genannte Einberufungsmangel liegt aus Sicht der Kammer nicht vor. Durch die Aufnahme des Antrages zu TOP 9, der auf die Versagung der Zustimmung zur Verlängerung des Verwaltervertrages gerichtet war, im Einladungsschreiben vom 12. April 2018 (Bl. 38f d.A.) waren die Wohnungseigentümer ausreichend darüber informiert, dass in der Versammlung ein Beschluss zu der Frage der Fortsetzung des Verwaltervertrages gefasst wird. Durch die erforderliche Benennung des Beschlussgegenstandes im Sinne des § 23 Abs. 2 WEG soll jeder Wohnungseigentümer angemessen auf die Erörterung in der Eigentümerversammlung vorbereitet werden (vgl. Schultzky in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 23 Rz. 104). Es ist nicht erforderlich, den genauen Inhalt und Wortlaut eines beabsichtigten Beschlusses mitzuteilen. Insoweit müssen die Wohnungseigentümer bei jedem angekündigten Tagesordnungspunkt grundsätzlich damit rechnen, dass nicht nur eine Aussprache über einen bestimmten Gegenstand stattfindet, sondern dass auch über den Gegenstand beschlossen werden soll. Als Gegenstand des Tagesordnungspunktes 9 ist insoweit eindeutig die Frage der Fortsetzung des Verwaltervertrages erkennbar.
Da der Beschluss auf Fortsetzung des Verwaltervertrages aus den bereits unter Nr. 2 dieser Verfügung angeführten Gründen nicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstieß und es insbesondere bei der Wiederwahl eines Verwalters auch nicht der Vorlage von Konkurrenzangeboten bedurfte (vgl. Jennißen, WEG, 5. Aufl. § 26 Rz. 55), kommt es auf die Frage, ob die Anfechtung des Beschlusses ohnehin nur auf den Einberufungsmangel gemäß § 24 Abs. 4 WEG gestützt wurde, nicht an.
4. Die durch das Amtsgericht erfolgte Klagabweisung hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 10 ist aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht zu beanstanden. Mit dem Beschlussantrag wollte der Kläger offensichtlich erreichen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den Rückbau der Flügeltürfenster auf Kosten der Eigentumswohnung Nr. 1 veranlasst. Der Kläger kann von der Wohnungseigentümergemeinschaft jedoch nicht die Vergemeinschaftung individueller Beseitigungsansprüche verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH V ZR 328/18, MDR 2019, 284, zitiert nach Juris) handelte es sich auch bei einem sich aus § 1004 BGB ergebenen Beseitigungsanspruch um keinen geborenen Gemeinschaftsanspruch. Insofern ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche nicht gegen eine ungenehmigte bauliche Veränderung vorgehen möchte. Auch insoweit hat die Gemeinschaft ein Ermessen. Eine Notwendigkeit für das Einschreiten gegen unzulässige bauliche Veränderung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht nicht. Der Kläger selbst wird dadurch, dass eine Vergemeinschaftung des Individualanspruchs nicht erfolgt, auch nicht in seinen Rechten verletzt, da er etwaige auf § 1004 BGB gestützte Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nicht verliert. Die Frage, ob es sich um eine ohne Zustimmung erfolgte bauliche Veränderung handelt (vgl. BGH V ZR 224/11), ist insoweit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht relevant.
Die Kammer regt deshalb – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.