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WEG – Antennenkabel durch Sondereigentum hat der betroffene Eigentümer zu dulden

Wohnungseigentümer streiten um Antennenkabel in Bottrop.

In Bottrop streiten die Wohnungseigentümergemeinschaft Am ### sowie die Kläger und die Beklagte um die Rechtmäßigkeit von zwei Antennenkabeln. Diese befinden sich im Sondereigentum der Beklagten und dienen dem TV-Empfang der Kläger und ihrer Tochter. Die Beklagte verlangt die Entfernung der Kabel. Die Kläger beantragen, dass die Kabel bleiben dürfen. Das Gericht hat nun entschieden, dass die Beklagte den Verlauf der Antennenkabel durch ihr Sondereigentum dulden muss. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verbleib der Kabel. Diese dienen einem von der Rechtsordnung geschützten Zweck, indem sie die Grundversorgung für den Fernsehempfang der Kläger sicherstellen. Die aus der Privilegierung folgende Duldungspflicht betrifft im Einzelfall auch Eingriffe in das Sondereigentum. Dieser Eingriff sei aber marginal und somit duldbar. Der Klageantrag auf Unterlassung der Entfernung der Kabel wurde jedoch abgewiesen. Es konnte nicht bewiesen werden, dass die Trennung des Kabels von der Beklagten zu verantworten ist.


AG Bottrop – Az.: 20 C 22/22 – Urteil vom 13.10.2022

In dem Verfahren hat die 20. Zivilabteilung des Amtsgerichts Bottrop auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2022 für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung der durch die Kellerräume K4 und K5 der Wohnungseigentümergemeinschaft Am ### in Bottrop verlaufenden Antennenkabel besitzt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Sowohl die Kläger als auch die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die vollstreckende Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

WEG - Antennenkabel durch Sondereigentum hat der betroffene Eigentümer zu dulden
(Symbolfoto: Noman9112/Shutterstock.com)

Die Kläger, die Beklagte sowie deren Ehemann bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft Am ### in Bottrop. Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit zweier Antennenkabel, die im Sondereigentum der Beklagten über Putz verlegt sind und den TV-Empfang der Kläger und deren Tochter bedienen. Ein Kabel ist im Kellerraum K4 installiert, der der Beklagten alleine gehört. Das andere Kabel führt durch den Kellerraum K5. Dieser Raum gehört der Beklagten gemeinsam mit ihrem Ehemann.

Die Beklagte verlangt von den Klägern die Entfernung der Antennenkabel, zuletzt mit Schreiben vom 12.03.2022 (Bl. 11 f d.A.).

Deshalb und weil Ende April 2021 die Kabelverbindung unterbrochen wurde, möchten die Kläger die Rechtslage geklärt haben. Sie meinen, sie hätten ein Recht auf Verbleib der Kabel. Auch wenn das Sondereigentum der Beklagten betroffen sei, sei diese dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt.

Sie beantragen,

1. festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung eines Antennenkabels, durch die Kellerräume K4 und K5 der Wohnungseigentümergemeinschaft Am ### in Bottrop besitzt,

2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, das durch die Kellerräume K4 und K5 der Wohnungseigentümergemeinschaft Am ### in Bottrop gezogene Antennenkabel zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Antennenkabel seien widerrechtlich durch ihr Sondereigentum verlegt worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist gem. § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG zulässig. Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat den Verlauf der Antennenkabel durch ihr Sondereigentum zu dulden.

A.

Der Feststellungsantrag zu 1) hat Erfolg.

1. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Das feststellungsfähige Rechtsverhältnis folgt aus dem Umstand, dass die Rechtmäßigkeit der in den Kellerräumen der Beklagten verlegten Antennenkabel zwischen den Parteien streitig ist.

2. Der Antrag ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verbleib der streitbefangenen Antennenkabel. Die Kabelführung in den Kellerräumen K4 und K5 stellt zwar einen Eingriff in das Sondereigentum der Beklagten dar. Dieser ist aber von ihr zu dulden. Denn zum einen dienen die Kabel Interessen, die im WEG-Recht einen besonderen Schutz genießen, zum anderen belasten sie die Beklagten nur marginal.

a) Die Duldungspflicht der Beklagen folgt aus dem Gemeinschaftsverhältnis gem. § 242 BGB in Verbindung mit den Rechtsgedanken aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG und Art. 5 GG.

aa) Die streitbefangenen Antennenkabel dienen einem von der Rechtsordnung geschützten Zweck, indem sie die Grundversorgung für den Fernsehempfang der Kläger sicherstellen. Der besondere Schutz störungsfreien TV-Empfangs folgt aus dem in Art. 5 GG normierten Grundrecht auf Informationsfreiheit, wozu auch das aktive Beschaffen von Informationen gehört. Dieses Grundrecht gilt zwar nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat. Im Verhältnis von Privatpersonen zueinander kommt Art. 5 GG aber wertende Bedeutung zu mit der Folge, dass der Schutzzweck auch im Privatverhältnis zu beachten ist und dementsprechend auch im WEG-Recht Eingang gefunden hat. So gehören bauliche Maßnahmen, die eine Möglichkeit zum Empfang von Fernsehprogrammen schaffen, zu den privilegierten Vorhaben des § 20 Abs. 2 WEG, auf die jeder Eigentümer einen Anspruch hat und die auf der anderen Seite Duldungspflichten begründen, § 20 Abs. 2 Nr. 4 WEG. Diese Vorschrift spricht zwar nur von einem „Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit hoher Kapazität“. Nach Auffassung des Gerichts fällt hierunter aber auch der Fernsehanschluss, weil auch durch das Fernsehen ein Informationsaustausch über eine räumliche Distanz vollzogen wird.

bb) Die aus der Privilegierung folgende Duldungspflicht der übrigen Eigentümer betrifft im Einzelfall auch Eingriffe in das Sondereigentum. Zwar begründet § 20 Abs. 2 WEG nur Ansprüche auf Veränderungen des Gemeinschaftseigentums. Gleichwohl folgt aus dem Rechtsgedanken des § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG und dem Gemeinschaftsverhältnis, dass auch dem privilegierten Zweck dienende Eingriffe in das Sondereigentum zu dulden sind, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen (so auch AG Hannover ZMR 2014, 63). Denn § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG normiert die Pflicht, Eigentumseingriffe zu dulden, soweit sie auf einem zulässigen Gebrauch beruhen und keine Nachteile zur Folge haben, die das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß übersteigen.

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die streitbefangenen Antennenkabel dienen einem bevorzugten Zweck und stellen keinen Nachteil dar, den die Beklagte nicht hinnehmen muss. Bei der Kabelführung handelt es sich nämlich allenfalls um eine bagatellartige Beeinträchtigung, die den Rahmen der Duldungspflicht nicht übersteigt. Das folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Das Gericht hat die örtlichen Gegebenheiten in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Kabel knapp oberhalb der Kellerraumdecken verlaufen. Zudem befinden sich in den Räumen weitere im oberen Bereich über Putz verlegte Strom- und Wasserleitungen, so dass die Antennenkabel insgesamt nicht imponieren.

B.

Der Klageantrag zu 2) ist nicht begründet. Den Klägern steht kein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Entfernung der streitbefangenen Antennenkabel zu. Unstreitig sind die durch die Kellerräume der Beklagten geführten Anschlussleitungen für den Fernsehempfang im Frühjahr 2021 zwar abgetrennt worden. Die Kläger haben jedoch den Vortrag der Beklagten, das Antennenkabel habe sich mangels Zugentlastung oder sonstiger Fixierung lediglich aus dem Stecker gelöst, nicht widerlegt. Sie haben daher nicht den Beweis erbracht, dass die Trennung des Kabels von der Beklagten zu verantworten ist. Das geht zu ihren Lasten, da sie die Beweislast tragen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

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