Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Videoüberwachung in Eigentümergemeinschaften: Rechte und Grenzen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Videoüberwachung in Wohnanlage: Einzelner Eigentümer scheitert mit Klage gegen Kamerabetreiber
- Einstimmiger Beschluss zur Installation von Überwachungskameras
- Streit um Rechtmäßigkeit der Kamerainstallation
- Gericht sieht keine Klageberechtigung des einzelnen Eigentümers
- Eigentümergemeinschaft als richtige Ansprechpartnerin
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für eine rechtmäßige Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage erfüllt sein?
- Welche Rechtsmittel haben einzelne Eigentümer gegen eine beschlossene Videoüberwachung?
- Wer trägt die Verantwortung für den Datenschutz bei Videoüberwachung in Wohnanlagen?
- Welche Bereiche einer Wohnanlage dürfen videoüberwacht werden?
- Wie bindend sind Beschlüsse zur Videoüberwachung für neue Eigentümer?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Kassel
- Datum: 28.03.2024
- Aktenzeichen: 800 C 2582/23
- Verfahrensart: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Datenschutzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft A in Kassel. Begehrt die Entfernung von Überwachungskameras und beruft sich auf Belästigung und Einschränkung der Entfaltungsfreiheit. Fordert zudem die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
- Beklagter: Ebenfalls Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, beauftragt mit der Installation und Überwachung von Kamerasystemen. Verteidigt sich mit dem Beschluss der Eigentümerversammlung von 2016.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Entfernung von Videoüberwachungskameras, die vom Beklagten an mehreren Stellen der Wohnanlage angebracht wurden. Die Eigentümerversammlung hatte 2016 einstimmig beschlossen, Überwachungskameras zu installieren.
- Kern des Rechtsstreits: Diskussion über die Gültigkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung und ob der Kläger das Recht hat, die Entfernung der Kameras zu fordern oder ob dies durch die Eigentümergemeinschaft geschehen muss.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Begründung: Der Kläger ist nicht aktivlegitimiert, da der Beschluss der Eigentümerversammlung seine Rechte regelt und nicht nichtig ist. Argumente gegen den Beschluss müssen über die Eigentümergemeinschaft erfolgen, nicht individuell.
- Folgen: Der Kläger kann in Bezug auf den Kameraeinsatz nur innerhalb der Eigentümergemeinschaft vorgehen. Es entstehen ihm Kosten für das Verfahren, und der Beschluss der Eigentümerversammlung bleibt bestehen. Der Streitwert ist auf 3.600,00 € festgesetzt.
Videoüberwachung in Eigentümergemeinschaften: Rechte und Grenzen im Fokus
Videoüberwachung ist in der heutigen Zeit ein komplexes Thema, das Eigentümergemeinschaften und Mieter gleichermaßen beschäftigt. Die Sicherheit von Wohngebäuden muss sorgfältig gegen den Schutz der Privatsphäre abgewogen werden. Dabei spielen rechtliche Grundlagen und Datenschutzbestimmungen eine entscheidende Rolle.
Moderne Sicherheitstechnologien bieten Wohnungseigentümern verschiedene Möglichkeiten, gemeinsame Bereiche zu überwachen. Allerdings müssen dabei strenge rechtliche Kriterien eingehalten werden: Die Installation einer Überwachungskamera erfordert die Einwilligung der Betroffenen, muss verhältnismäßig sein und darf die persönlichen Rechte der Bewohner nicht unverhältnismäßig einschränken.
Die folgenden Ausführungen beleuchten einen konkreten Rechtsstreit, der die Grenzen zulässiger Videoüberwachung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Videoüberwachung in Wohnanlage: Einzelner Eigentümer scheitert mit Klage gegen Kamerabetreiber

Ein Wohnungseigentümer in Kassel ist mit seiner Klage auf Entfernung von Überwachungskameras in der gemeinsamen Wohnanlage vor dem Amtsgericht gescheitert. Der Kläger hatte von einem Miteigentümer die Beseitigung mehrerer Kameras gefordert, die dieser im Auftrag der Eigentümergemeinschaft installiert und betrieben hatte.
Einstimmiger Beschluss zur Installation von Überwachungskameras
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte am 19. Mai 2016 einstimmig beschlossen, an zwei Stellen Überwachungskameras sowie eine Lampe mit Bewegungsmelder anzubringen. Mit der Installation und Überwachung wurde der beklagte Miteigentümer beauftragt. Dieser montierte daraufhin Kameras an drei verschiedenen Positionen – unter der Regenrinne des Garagendaches, an einem Fenster zum Innenhof und zeitweise auch unter seinem Balkon. Die letztgenannte Kamera wurde während des Verfahrens bereits entfernt.
Streit um Rechtmäßigkeit der Kamerainstallation
Der Kläger, der sich von den Kameras in seiner Entfaltungsfreiheit eingeschränkt fühlte, argumentierte, der Beschluss von 2016 sei nichtig. Er forderte die Entfernung der verbliebenen Kameras beziehungsweise hilfsweise deren Funktionsunfähigmachung oder zumindest das Unterlassen von Bild- und Tonaufnahmen seiner Person. Zusätzlich verlangte er die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 453,87 Euro.
Gericht sieht keine Klageberechtigung des einzelnen Eigentümers
Das Amtsgericht Kassel wies die Klage vollumfänglich ab. Nach Auffassung des Gerichts ist der Kläger für sein Begehren nicht aktivlegitimiert, da das Rechtsverhältnis der Parteien durch den Beschluss der Eigentümerversammlung geregelt wird. Der Beschluss sei nicht nichtig, da die Wohnungseigentümer im Rahmen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wirksam auf Teile dieses Rechts verzichten könnten. Die einstimmige Beschlussfassung schließe eine rechtswidrige Übergehung von Rechten einzelner Wohnungseigentümer aus.
Eigentümergemeinschaft als richtige Ansprechpartnerin
Das Gericht stellte klar, dass der Beklagte lediglich als Beauftragter der Eigentümergemeinschaft handle. Wenn der Kläger seine Position nun anders wahrnehmen möchte als bei der Beschlussfassung 2016, müsse er dies über die Eigentümergemeinschaft durch entsprechende Antragstellung auf der Eigentümerversammlung tun. Gleiches gelte, falls der Beklagte die Vorgaben des Beschlusses nicht hinreichend genau einhalte. In diesem Fall sei nicht der einzelne Eigentümer, sondern die Eigentümergemeinschaft befugt, den Beklagten zu einem beschlusskonformen Verhalten anzuhalten. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil stellt klar, dass Beschlüsse einer Eigentümergemeinschaft zur Installation von Videoüberwachungskameras grundsätzlich rechtswirksam sind, wenn sie durch die Eigentümerversammlung beschlossen wurden. Einzelne Eigentümer können nicht eigenständig die Entfernung von Kameras verlangen, die durch einen gültigen Beschluss legitimiert wurden. Die Eigentümer können im Rahmen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf Teile dieses Rechts verzichten, ähnlich wie bei der Nutzung von Internetdiensten.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Wohnungseigentümer müssen Sie akzeptieren, dass Videoüberwachung in Gemeinschaftsbereichen durch einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung eingeführt werden kann. Wenn Sie mit installierten Kameras nicht einverstanden sind, können Sie nicht eigenständig gegen den beauftragten Eigentümer vorgehen – stattdessen müssen Sie den Beschluss über die Eigentümergemeinschaft anfechten. Dies bedeutet auch, dass Sie bei entsprechenden Beschlüssen in der Eigentümerversammlung besonders aufmerksam sein und Ihre Stimme nutzen sollten, da diese Entscheidungen später schwer rückgängig zu machen sind.
Benötigen Sie Hilfe?
Fühlen Sie sich durch Überwachungskameras in Ihrer Privatsphäre beeinträchtigt?
Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, Ihre Rechte als Wohnungseigentümer zu kennen und aktiv wahrzunehmen. Gerade bei Entscheidungen über Videoüberwachung in Ihrer Wohnanlage sollten Sie genau prüfen, welche Auswirkungen diese auf Ihre Privatsphäre haben. Unsicherheit und Fragen zu Ihren Rechten und Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf Überwachung und Datenschutz klären wir gerne in einem persönlichen Gespräch.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Interessen innerhalb der Eigentümergemeinschaft zu vertreten und die für Sie beste Lösung zu finden. Sprechen Sie uns an, um gemeinsam Ihre Situation zu besprechen und die nächsten Schritte zu planen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für eine rechtmäßige Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage erfüllt sein?
Beschlussfassung und Zuständigkeit
Die Installation einer Videoüberwachungsanlage stellt eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum dar und kann von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Der Beschluss muss dabei nicht nur die technische Installation regeln, sondern auch eine konkrete Nutzungsregelung für den Betrieb der Anlage enthalten.
Räumliche Beschränkungen
Die Überwachung darf sich ausschließlich auf Gemeinschaftsflächen erstrecken. Sie darf weder fremde Grundstücke noch öffentliche Wege oder das Sondereigentum einzelner Eigentümer erfassen. Ein einzelner Wohnungseigentümer darf keine Kamera installieren, die Gemeinschaftseigentum überwacht.
Berechtigtes Überwachungsinteresse
Ein konkretes und verbindlich festzulegendes Gemeinschaftsinteresse muss das Interesse des Einzelnen überwiegen. Als berechtigte Interessen gelten beispielsweise:
- Der Schutz vor Einbrüchen und Vandalismus
- Die Abwehr von Straftaten gegen das Gemeinschaftseigentum
- Die Gewährleistung der Sicherheit von Bewohnern
Datenschutzrechtliche Anforderungen
Die Videoüberwachung muss die Vorgaben der DSGVO erfüllen:
- Transparenz: Die Überwachung muss für jedermann kenntlich gemacht werden
- Datensparsamkeit: Es darf nur das gefilmt werden, was zur Zweckerreichung unbedingt erforderlich ist
- Technische Gestaltung: Die Anlage muss datenschutzfreundlich konfiguriert sein, etwa durch:
- Zeitliche Einschränkung der Überwachung
- Verpixelung nicht relevanter Bereiche
- Deaktivierung nicht benötigter Funktionen
Verhältnismäßigkeit
Die Videoüberwachung muss verhältnismäßig sein. Dies bedeutet:
- Es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, die den Zweck ebenfalls erfüllen würden
- Der Umfang der Überwachung muss auf das Notwendige beschränkt sein
- Die Ausgestaltung muss dem Schutzbedürfnis des Einzelnen Rechnung tragen
Betriebsregelung
Der Beschluss der WEG muss verbindliche Regeln für den Betrieb der Anlage festlegen:
- Wer hat Zugriff auf die Aufnahmen
- Wie lange werden die Daten gespeichert
- Unter welchen Voraussetzungen dürfen die Aufnahmen ausgewertet werden
- Wie wird die Datensicherheit gewährleistet
Welche Rechtsmittel haben einzelne Eigentümer gegen eine beschlossene Videoüberwachung?
Anfechtungsklage als primäres Rechtsmittel
Ein Wohnungseigentümer kann einen Beschluss zur Installation einer Videoüberwachungsanlage durch eine Anfechtungsklage anfechten. Die Anfechtungsfrist beträgt einen Monat nach der Beschlussfassung. Der Zugang der Klageschrift beim zuständigen Amtsgericht ist für die Fristwahrung entscheidend.
Formelle Anforderungen
Die Klage muss beim Amtsgericht am Ort der Immobilie eingereicht werden. Die Begründung der Anfechtungsklage muss spätestens zwei Monate nach der Beschlussfassung erfolgen. Die Klage richtet sich gegen alle übrigen Miteigentümer, wobei eine separate Eigentümerliste bei Gericht eingereicht werden kann.
Stilllegungsanspruch als Alternative
Auch nach Bestandskraft des Beschlusses können Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen die Stilllegung der Videoüberwachungsanlage verlangen. Dies ist möglich, wenn:
- Die Anlage nicht gemäß des ursprünglichen Beschlusses betrieben wird
- Der Betrieb gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt
- Die Zweckbestimmung der Überwachung wesentlich geändert wurde
Kostenaspekte und Risiken
Der Streitwert bei Anfechtungsklagen ist oft erheblich, was zu entsprechend hohen Prozesskosten führen kann. Ein Gerichtskostenvorschuss muss rechtzeitig eingezahlt werden. Bei Unterliegen trägt der klagende Eigentümer die gesamten Verfahrenskosten.
Einstweiliger Rechtsschutz
In dringenden Fällen kann ein Eigentümer auch im Wege der einstweiligen Verfügung gegen eine rechtswidrige Videoüberwachung vorgehen. Dies ermöglicht eine schnelle vorläufige Regelung, bis in der Hauptsache entschieden wird.
Wer trägt die Verantwortung für den Datenschutz bei Videoüberwachung in Wohnanlagen?
Grundsätzliche Verantwortlichkeit
Die datenschutzrechtliche Verantwortung bei der Videoüberwachung in Wohnanlagen liegt primär beim Verwalter als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO. Der Verwalter verarbeitet die Daten in eigener Verantwortung und muss die Vorgaben der DSGVO und des BDSG beachten.
Pflichten des Verwalters
Der Verwalter muss als datenschutzrechtlich Verantwortlicher folgende Pflichten erfüllen:
- Ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 DSGVO führen
- Die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO durch Aushänge am Ort der Überwachung erfüllen
- Technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten implementieren
- Bei Datenschutzverletzungen die Meldepflicht nach Art. 33 DSGVO beachten
Rolle der Eigentümergemeinschaft
Die WEG trifft wichtige Grundsatzentscheidungen zur Videoüberwachung:
Die Installation einer Videoüberwachungsanlage stellt eine bauliche Veränderung dar, die von der WEG mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Der Beschluss muss dabei zwingend eine DSGVO-konforme Nutzungsregelung enthalten, die folgende Punkte festlegt:
- Welche Bereiche zu welchem Zweck überwacht werden
- Wie die Aufnahmen gespeichert werden
- Wer Zugriff auf die Aufzeichnungen hat
- Wann die Daten gelöscht werden
Besondere Konstellationen
Wenn ein einzelner Eigentümer eigenmächtig eine Kamera installiert, die Gemeinschaftseigentum erfasst, ist dies grundsätzlich unzulässig. Die Überwachung von Gemeinschaftseigentum ist nur durch die WEG als Ganzes und unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen zulässig.
Bei der Beauftragung externer Dienstleister für die Videoüberwachung muss der Verwalter als Verantwortlicher einen schriftlichen Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 DSGVO abschließen.
Welche Bereiche einer Wohnanlage dürfen videoüberwacht werden?
Die Videoüberwachung in einer Wohnanlage unterliegt strengen rechtlichen Anforderungen und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Zulässige Überwachungsbereiche
Der Eingangsbereich einer Wohnungseigentumsanlage darf grundsätzlich mit einer Videokamera überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers überwiegt. Dies gilt insbesondere bei:
- Nachgewiesenen Vandalismusfällen
- Konkreten Bedrohungslagen
- Wiederholten Einbrüchen oder Sachbeschädigungen
Unzulässige Überwachungsbereiche
Nicht überwacht werden dürfen:
- Das gesamte Treppenhaus einschließlich der Wohnungstüren
- Private Bereiche wie Balkone oder Terrassen
- Sanitärbereiche und Umkleiden
- Wohnungseingänge, die Rückschlüsse auf Tagesabläufe ermöglichen
Rechtliche Voraussetzungen
Eine Videoüberwachung ist nur dann rechtmäßig, wenn:
Alle Bewohner einverstanden sind – wenn nur ein Mieter nicht zustimmt, ist die Installation unzulässig. Der Umfang der Überwachung muss auf das Notwendige beschränkt werden. Die Überwachung muss durch eindeutige Hinweisschilder gekennzeichnet werden.
Bei Gegensprechanlagen mit Videofunktion gelten gelockerte Voraussetzungen. Diese sind zulässig, wenn das Bild nur in der Wohnung sichtbar ist, in der geklingelt wurde, und keine Aufzeichnung erfolgt.
Die Installation einer Videoüberwachung muss als bauliche Maßnahme die Anforderungen des § 22 Abs. 1 WEG erfüllen. Wenn erhebliche bauliche Veränderungen entstehen, müssen alle betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen.
Wie bindend sind Beschlüsse zur Videoüberwachung für neue Eigentümer?
Ein rechtmäßig gefasster Beschluss zur Installation und zum Betrieb einer Videoüberwachungsanlage ist für neue Eigentümer grundsätzlich bindend. Als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft müssen Sie die bestehende Videoüberwachung zunächst akzeptieren, wenn diese ordnungsgemäß beschlossen wurde.
Voraussetzungen für die Bindungswirkung
Die Bindungswirkung besteht allerdings nur, wenn der ursprüngliche Beschluss rechtmäßig zustande gekommen ist und folgende Kriterien erfüllt:
- Ein berechtigtes und konkret festgelegtes Gemeinschaftsinteresse überwiegt die Einzelinteressen
- Die Überwachung erfolgt unter der Regie der Gemeinschaft
- Die datenschutzrechtlichen Vorgaben werden eingehalten
- Die Ausgestaltung der Überwachung berücksichtigt angemessen die Privatsphäre der Eigentümer
Widerspruchsmöglichkeiten
Als neuer Eigentümer können Sie trotz eines bestehenden Beschlusses Individualansprüche geltend machen. Wenn die Videoüberwachung in Ihre Persönlichkeitsrechte eingreift, haben Sie folgende Möglichkeiten:
Sie können die Unterlassung der Videoaufzeichnungen verlangen, wenn diese Sie beim Betreten oder Verlassen Ihrer Wohnung erfassen. Diese Ansprüche ergeben sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Datenschutz-Grundverordnung.
Grenzen der Bindungswirkung
Die Bindungswirkung des Beschlusses entfällt, wenn sich die ursprünglichen Überwachungszwecke wesentlich ändern. Wenn beispielsweise eine zunächst zur Gefahrenabwehr installierte Anlage später zur allgemeinen Verhaltenskontrolle genutzt wird, müssen Sie dies nicht hinnehmen. In diesem Fall können Sie die Stilllegung der Anlage verlangen, bis ein neuer rechtmäßiger Beschluss gefasst wird.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Aktivlegitimation
Die Befugnis einer Person, einen bestimmten Anspruch vor Gericht geltend zu machen. Im Zivilprozess muss der Kläger nachweisen, dass gerade er berechtigt ist, den eingeklagten Anspruch durchzusetzen. Fehlt die Aktivlegitimation, wird die Klage als unbegründet abgewiesen, auch wenn der Anspruch an sich bestehen könnte. Beispiel: Ein Mieter kann nicht die Rechte des Vermieters einklagen, da ihm dafür die Aktivlegitimation fehlt.
Wohnungseigentümergemeinschaft
Der rechtliche Zusammenschluss aller Eigentümer einer Wohnanlage gemäß Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Sie verwaltet und entscheidet über gemeinschaftliche Angelegenheiten des Gebäudes. Die Gemeinschaft trifft Beschlüsse in Eigentümerversammlungen, die für alle Mitglieder bindend sind. Gemäß § 9a WEG ist sie teilrechtsfähig und kann selbst Rechte erwerben sowie Pflichten eingehen. Beispiel: Die Entscheidung über Installation von Sicherheitstechnik im Gemeinschaftseigentum.
Eigentümerversammlung
Das zentrale Beschlussorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 23 WEG. Hier werden wichtige Entscheidungen über die Verwaltung und Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums getroffen. Die Beschlüsse sind für alle Eigentümer bindend, auch für diejenigen, die nicht anwesend waren oder dagegen gestimmt haben. Die Versammlung muss mindestens einmal jährlich einberufen werden. Beispiel: Beschluss über Renovierungsarbeiten oder die Installation von Sicherheitssystemen.
Einstimmiger Beschluss
Eine Entscheidung der Eigentümerversammlung, bei der alle stimmberechtigten Eigentümer zugestimmt haben. Er hat besondere rechtliche Bedeutung, da er die höchstmögliche Legitimation besitzt und schwerer anfechtbar ist als Mehrheitsbeschlüsse. Nach § 23 WEG sind bestimmte grundlegende Entscheidungen nur durch einstimmigen Beschluss möglich. Beispiel: Die Änderung des Verteilungsschlüssels für Betriebskosten erfordert Einstimmigkeit.
Gemeinschaftseigentum
Die Teile, Anlagen und Einrichtungen eines Wohngebäudes, die nach § 1 Abs. 5 WEG im Eigentum aller Wohnungseigentümer gemeinsam stehen. Dazu gehören etwa das Grundstück, tragende Wände, Treppenhaus, Dach oder gemeinsame Versorgungsleitungen. Entscheidungen über das Gemeinschaftseigentum müssen von der Eigentümergemeinschaft getroffen werden. Beispiel: Die Fassade eines Mehrfamilienhauses ist Gemeinschaftseigentum.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Wohnungseigentumsgesetz (WEG), § 23 Abs. 4 Satz 1): Dieser Paragraph bestimmt, dass ein Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig ist, wenn er gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt oder die Rechte eines Eigentümers im Kernbereich beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall prüft das Gericht, ob der Beschluss zur Installation von Videoüberwachungskameras solche Voraussetzungen erfüllt. Da der Beschluss nicht als nichtig eingestuft wurde, da keine gesetzlichen Verstöße vorlagen, bleibt er gültig.
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Artikel 6 und 9: Die DSGVO regelt den Schutz personenbezogener Daten und legt fest, unter welchen Bedingungen deren Verarbeitung rechtmäßig ist. Artikel 6 behandelt die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, während Artikel 9 besondere Kategorien personenbezogener Daten schützt, zu denen auch Bild- und Tonaufnahmen gehören. Die Installation von Überwachungskameras muss somit auf einer rechtlichen Grundlage basieren und die Privatsphäre der Eigentümer angemessen wahren. Im Fall der Eigentümergemeinschaft wurde festgestellt, dass die Videoüberwachung im Einklang mit den DSGVO-Vorschriften erfolgte.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 138 Sittenwidrigkeit: Dieser Paragraph erklärt Verträge oder Rechtsgeschäfte für nichtig, die gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft könnte nach § 138 BGB nichtig sein, wenn er als sittenwidrig angesehen wird, beispielsweise indem er die Persönlichkeitsrechte unverhältnismäßig einschränkt. Der Kläger argumentierte, dass der Beschluss sittenwidrig sei, was jedoch vom Gericht nicht bestätigt wurde, da die Maßnahmen als angemessen zur Wahrung des Hausrechts bewertet wurden.
- Grundgesetz (GG), Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 1 Abs. 1: Artikel 2 Abs. 1 GG schützt die allgemeine Handlungsfreiheit und persönliche Entfaltung, während Artikel 1 Abs. 1 die Menschenwürde garantiert. Einschränkungen dieser Grundrechte müssen gesetzlich legitimiert und verhältnismäßig sein. Die Installation von Überwachungskameras muss daher so erfolgen, dass die Grundrechte der Eigentümer gewahrt bleiben. Das Gericht stellte fest, dass der Beschluss der Eigentümergemeinschaft diese Grundrechte ausreichend berücksichtigte.
- Haltestellen-Durchführungsgesetz (HDiSG), § 4 Abs. 1 Nr. 1: Dieses Gesetz regelt die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen zur Wahrnehmung des Hausrechts. Insbesondere erlaubt es die Beobachtung von allgemein zugänglichen Bereichen, um das Eigentum und die Sicherheit der Gemeinschaft zu schützen. Im vorliegenden Fall wurde die Videoüberwachung als zulässig eingestuft, da sie zur Durchsetzung des Hausrechts der Wohnungseigentümergemeinschaft diente und somit rechtlich gedeckt war.
Das vorliegende Urteil
AG Kassel – Az.: 800 C 2582/23 – Urteil vom 28.03.2024
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