LG Berlin, Az.: 67 S 140/15
Beschluss vom 04.06.2015
In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin am 04.06.2015 beschlossen:
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.
Gründe:
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.
Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht der Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Mietsicherheit zuerkannt. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung greift nicht gemäß § 389 BGB durch, da weder ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB noch ein solcher wegen einer Verschlechterung der Mietsache gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB bestand.
Die Klägerin war nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, da die in § 8 des Mietvertrages enthaltene Schönheitsreparaturklausel unwirksam ist. Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen hält der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, da die von der Beklagten verwandte Formularklausel („Die Schönheitsreparaturen während der Mietdauer übernimmt der Mieter“) die Klägerin bei der gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung undifferenziert – und ohne die Gewährung eines angemessenen wirtschaftlichen Ausgleichs – auch zur Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung verpflichtet, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, NJW 2015, 1594 Tz. 22, 24).
Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich im hier gegebenen Individualprozess nicht nur unter Zugrundelegung eines den tatsächlichen Zustand der Mietsache außer Acht lassenden abstrakt-generellen Kontrollmaßstabs, der zur Unwirksamkeit jeglicher nicht nach dem Übergabezustand der Mietsache differenzierenden Vornahmeklausel führt. Die Klausel hält selbst einer am konkreten Vertragsgegenstand orientierten und für den Verwender günstigeren konkret-individuellen Klauselkontrolle nicht stand (vgl. zum im Einzelnen streitigen Prüfungsmaßstab BGH, a. a. O. Tz. 28; Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 307 Rz. 109, 113 m. w. N.). Denn die formularmäßige Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist zumindest dann unwirksam, wenn die Wohnung dem Mieter bei Vertragsbeginn ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen wurde (BGH, a. a. O. Tz. 24). So aber liegt der Fall hier:
Eine Wohnung ist nicht erst dann unrenoviert oder renovierungsbedürftig, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder gar völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist allein, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist. Auf eine Abgrenzung zwischen einer nicht renovierten und einer renovierungsbedürftigen Wohnung kommt es dabei nicht an, weil beide Begriffe Mieträume mit Gebrauchsspuren beschreiben und die Grenze fließend ist. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bleiben nur solche Abnutzungs- und Gebrauchsspuren außer Acht, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt im Ergebnis allein darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln (vgl. BGH, a. a. O. Tz. 30, 31).
Gemessen daran war die an die Klägerin vermietete Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses zumindest renovierungsbedürftig. Denn die Wohnungsfenster waren nach den zwischen den Parteien unstreitigen tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts zum Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache an die Klägerin nicht frisch gestrichen und wiesen zudem Lackabplatzungen auf. Diese Dekormängel waren bereits für sich genommen nicht lediglich unerheblich, da Fenster – anders als andere Wohnungsbestandteile – dem ständigen Gebrauch des Mieters und damit auch einer häufigeren und intensiveren Wahrnehmung ausgesetzt sind; sie fallen bei der an die Klägerin vermieteten 2-Zimmer-Wohnung und einer Wohnungsgröße von lediglich 42 qm verstärkt ins Gewicht, da selbst ein im Übrigen gepflegter Gesamteindruck der Mietsache nicht im selben Maße wie bei einer nach Zimmeranzahl und Wohnfläche größeren Wohnung geeignet ist, vorhandene optischen Mängel in der Gesamtbetrachtung in den Hintergrund treten zu lassen. Diese Beurteilung entspricht auch dem der Rechtsverfolgung der Beklagten zugrunde gelegten Maßstab, da sie die Klägerin unter anderem ausdrücklich auch wegen der unterlassenen (Neu-)Lackierung der bereits bei Übergabe renovierungsbedürftigen Fenster in Anspruch nimmt.
Da die Wohnung nach alldem bei ihrer Übergabe an die klagende Mieterin nicht den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung aufwies und die Abwälzungsklausel deshalb nicht nur einer generell-abstrakten, sondern auch einer konkret-individuellen Klauselkontrolle nicht stand hält, kommt es für die auf Unterlassung von Schönheitsreparaturen gestützten Ansprüche im Ergebnis auf den vom Amtsgericht für wesentlich erachteten – und zwischen den Parteien streitigen – Zustand der Mietsache im Moment ihrer Rückgabe an die Beklagte nicht an.
Aufrechenbare Gegenansprüche wegen einer Verschlechterung der Mietsache gemäß den §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB standen der Beklagten – im Hinblick auf die streitgegenständlichen Elektroarbeiten – aus tatsächlichen Gründen ebenfalls nicht zu. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden und von der Berufung unangegriffenen Ausführungen des Amtsgerichts, denen nichts hinzuzufügen ist.
II.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.