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Räumungspflicht des Rechtsnachfolgers trotz weitergeführten Mietvertrags

Insolvenzplan entkräftet Räumungsverpflichtung – Vermieter unterliegt vor Gericht

Im Kern geht es in dem Fall um die Frage der Räumungspflicht durch den Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters, der ein gewerbliches Mietverhältnis fortgeführt hat, wobei das Landgericht Trier entschieden hat, dass keine Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsnachfolger bestehen, da der Anspruch auf vollständige Räumung bereits im Rahmen des Insolvenzverfahrens untergegangen ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 214/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das LG Trier entschied, dass keine Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters bestehen hinsichtlich der Räumungspflicht von gewerblich genutzten Räumen.
  • Der Anspruch auf vollständige Räumung unterging im Insolvenzverfahren, und der Rechtsnachfolger war nicht zur Entfernung der Betriebseinrichtung und Möbel verpflichtet.

TL;DR:

  • Das LG Trier wies die Schadensersatzklage ab, die eine Vermieterin gegen die Rechtsnachfolgerin eines insolventen Mieters erhoben hatte.
  • Im Mittelpunkt stand die Räumungspflicht nach Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses.
  • Der ursprüngliche Mietvertrag sah vor, dass bestimmte Einbauten bei Mietende in das Eigentum der Vermieterin übergehen, ohne Rückbauverpflichtung.
  • Das Insolvenzverfahren der ursprünglichen Mieterin beinhaltete einen Verzicht der Gläubiger auf bestimmte Forderungen, was auch die Vermieterin einschloss.
  • Die Rechtsnachfolgerin, die das Mietverhältnis fortsetzte, war nicht zur Entfernung der Einrichtung verpflichtet, da dies im Insolvenzplan geregelt wurde.
  • Das Gericht betonte, dass die Räumungsverpflichtung als Insolvenzforderung unterging.
  • Es wurde klargestellt, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die Rechtsnachfolgerin keine neuen Verpflichtungen außerhalb des Insolvenzplans begründete.
  • Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Insolvenzplans und dessen verbindliche Wirkung für alle Beteiligten, auch für diejenigen, die ihre Forderungen nicht angemeldet hatten.
  • Die Entscheidung spiegelt die Zielsetzung wider, einem sanierten Unternehmen einen Neustart zu ermöglichen, ohne durch vorherige Verbindlichkeiten belastet zu werden.
  • Der Streitwert des Falls wurde auf 18.377,50 Euro festgesetzt.

Abgrenzung Räumungspflicht bei Insolvenzen

Nach einer Insolvenz stellt sich häufig die Frage, inwiefern Räumungsverpflichtungen aus Mietverträgen noch Bestand haben. Betroffen sind Gewerbeimmobilien ebenso wie Wohnungen.

Eine Herausforderung liegt dabei in der Abwägung der Interessen – einerseits das Recht des Vermieters auf Rückgabe der vollständig geräumten Mietsache, andererseits der Sanierungsgedanke der Insolvenzordnung. Der Insolvenzplan soll dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Klare Regelungen sind hier von großer Bedeutung für alle Beteiligten.

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➜ Der Fall im Detail


Die rechtliche Auseinandersetzung um Räumungspflichten

Im Zentrum des Falls steht eine Klage gegen den Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters, der ein gewerbliches Mietverhältnis fortgeführt hatte. Die Klägerin, Eigentümerin der Gewerberäume, forderte Schadensersatz wegen nicht erfolgter Räumung durch die Beklagte. Nachdem der ursprüngliche Mieter Insolvenz anmeldete, wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet und ein Insolvenzplan erstellt. Der Plan sah vor, dass Gläubiger auf bestimmte Forderungen verzichten, darunter die Forderungen für rückständige Mietzinsen und Räumungskosten. Die Beklagte wurde durch gesellschaftsrechtliche Anwachsung zur Rechtsnachfolgerin und setzte das Mietverhältnis fort. Sie kündigte an, die Räume lediglich besenrein zu übergeben, ohne Möbel und Betriebseinrichtungen zu entfernen.

Entscheidungsgründe des Landgerichts Trier

Das Landgericht Trier wies die Klage ab, mit der Begründung, dass der Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Betriebseinrichtung und Möbel im Insolvenzverfahren untergegangen sei. Die Entscheidung beruhte auf der Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung, die danach erfolgt, wann die Gegenstände in die Mieträume eingebracht wurden. Da die Gegenstände vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden waren, wurde der Räumungsanspruch als Insolvenzforderung behandelt und durch den Insolvenzplan erfasst. Die Kammer sah keine Grundlage für eine Verpflichtung der Beklagten zur Räumung, da diese im Insolvenzplan nicht vorgesehen war.

Rechtliche Einordnung und Konsequenzen

Das Gericht stellte klar, dass die im Insolvenzplan festgelegten Regelungen für alle Beteiligten bindend sind, auch wenn bestimmte Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet wurden. Die Weiterführung des Mietverhältnisses durch die Beklagte als Rechtsnachfolgerin begründete keine neuen Verpflichtungen über den Insolvenzplan hinaus. Damit unterstrich das Gericht die Bedeutung des Insolvenzplans für die Sanierung und den Neustart insolventer Unternehmen. Die Entscheidung zeigt, dass die im Insolvenzverfahren getroffenen Vereinbarungen weitreichende Wirkungen haben und auch die Rechte und Pflichten von Vermietern und Mietern maßgeblich beeinflussen können.

Die Rolle des Insolvenzplans im Mietrecht

Dieses Urteil verdeutlicht die Komplexität der Beziehungen zwischen Vermietern und insolventen Mietern sowie deren Rechtsnachfolgern. Es zeigt auf, wie Insolvenzpläne die rechtlichen Verhältnisse neu ordnen und welche Auswirkungen dies auf bestehende Vertragsverhältnisse haben kann. Für Vermieter bedeutet dies, dass sie im Rahmen von Insolvenzverfahren ihrer Mieter aufmerksam die Entwicklung verfolgen und ihre Forderungen entsprechend anmelden müssen, um ihre Rechte zu wahren.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil des LG Trier

Die Entscheidung des Landgerichts Trier stellt ein relevantes Beispiel für die rechtliche Handhabung von Räumungsverpflichtungen im Kontext von Insolvenzverfahren dar. Es betont die Notwendigkeit für Vermieter, die spezifischen Bestimmungen eines Insolvenzplans zu beachten und sich bewusst zu sein, dass bestimmte Ansprüche mit der Bestätigung des Plans untergehen können. Für Rechtsnachfolger insolventer Mieter liefert das Urteil wichtige Orientierung hinsichtlich ihrer Verpflichtungen und der Bedeutung von im Insolvenzplan getroffenen Vereinbarungen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Pflichten hat der Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters bezüglich der Räumung von Mieträumen?

Wenn ein Mieter insolvent wird und das Mietverhältnis durch einen Rechtsnachfolger fortgeführt wird, ergeben sich daraus bestimmte Pflichten, insbesondere in Bezug auf die Räumung und den Zustand der Mieträume bei Mietende. Der Rechtsnachfolger, der in das Mietverhältnis eintritt, übernimmt grundsätzlich alle Rechte und Pflichten des ursprünglichen Mieters.

Räumungspflicht

Der Rechtsnachfolger ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Gemäß § 546 Abs. 1 BGB muss der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückgeben. Dies gilt auch für den Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters. Die Rückgabe hat in dem Zustand zu erfolgen, der sich aus dem vertragsgemäßen Gebrauch ergibt.

Zustand der Mieträume

Bei Beendigung des Mietverhältnisses sind grundsätzlich zum Entfernen der Ein- und Umbauten verpflichtet, es sei denn, es wurde ausdrücklich etwas Gegenteiliges vereinbart. Dies bedeutet, dass der Rechtsnachfolger für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mieträume verantwortlich ist, falls während des Mietverhältnisses Veränderungen vorgenommen wurden.

Haftung für Mietverbindlichkeiten

Der Rechtsnachfolger haftet dem Vermieter für alle aus dem Mietverhältnis entstehenden Verbindlichkeiten. Dies umfasst sowohl die Zahlung der laufenden Miete als auch die Begleichung von Betriebskosten und die Durchführung von Schönheitsreparaturen, sofern diese vertraglich vereinbart wurden.

Insolvenzspezifische Besonderheiten

Im Falle der Insolvenz des Mieters kann der Insolvenzverwalter entscheiden, ob das Mietverhältnis fortgeführt oder beendet wird. Sollte der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis beenden, hat der Vermieter Ansprüche auf Nutzungsentschädigung und Räumungsansprüche. Rückständige Mieten vor der Insolvenzantragsstellung können als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden.

Kündigungsrecht des Vermieters

Der Vermieter hat das Recht, das Mietverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen zu kündigen, beispielsweise bei erheblichem Zahlungsverzug des Mieters. Im Falle der Insolvenz des Mieters sind jedoch die speziellen Regelungen der Insolvenzordnung zu beachten. Zusammenfassend hat der Rechtsnachfolger eines insolventen Mieters die Pflicht, die Mieträume bei Mietende geräumt und im vertragsgemäßen Zustand zurückzugeben, für alle Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu haften und gegebenenfalls die Konsequenzen einer Kündigung durch den Vermieter zu tragen.

Inwiefern beeinflusst ein Insolvenzverfahren die Räumungsverpflichtungen?

Ein Insolvenzverfahren beeinflusst die Räumungsverpflichtungen eines Mieters oder dessen Rechtsnachfolgers in mehrfacher Hinsicht. Grundsätzlich endet das Mietverhältnis nicht automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietobjekt geht jedoch auf den Insolvenzverwalter über.

Räumungsverpflichtung und Insolvenzverfahren

  • Räumungspflicht: Die mietvertragliche Räumungspflicht besteht weiterhin, auch wenn der Mieter insolvent ist. Der Mieter oder sein Rechtsnachfolger muss die Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand zurückgeben.
  • Insolvenzverwalter: Bei Insolvenz des Mieters übernimmt der Insolvenzverwalter die Verwaltung der Insolvenzmasse und entscheidet über die Fortführung oder Beendigung des Mietverhältnisses. Der Insolvenzverwalter kann eine Enthaftungserklärung abgeben, um keine weiteren Masseverbindlichkeiten zu verursachen.
  • Masseverbindlichkeiten: Räumungsverpflichtungen, die nach der Insolvenzeröffnung entstehen, können als Masseverbindlichkeiten eingestuft werden, wenn der Insolvenzverwalter die Mietsache für die Masse nutzt. Andernfalls sind die Kosten für die Räumung als Insolvenzforderungen anzumelden.
  • Herausgabeanspruch: Der Vermieter hat einen Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzverwalter, wenn dieser die Mietsache in Besitz genommen hat oder für die Masse ein Recht beansprucht.

Rechtliche Folgen eines Insolvenzplans

  • Insolvenzplan: Ein Insolvenzplan kann die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis neu regeln und beispielsweise eine Fortführung des Mietverhältnisses unter veränderten Konditionen vorsehen.
  • Vertragsanpassung: Durch den Insolvenzplan können auch die Räumungsverpflichtungen angepasst werden, etwa indem bestimmte Sanierungsmaßnahmen oder die Beseitigung von Einbauten geregelt werden.

Praktische Hinweise

  • Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter: Vermieter sollten mit dem Insolvenzverwalter verhandeln, um eine Vereinbarung über die Räumung und den Zustand der Mietsache zu treffen.
  • Anmeldung von Forderungen: Vermieter müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden, um ihre Rechte geltend zu machen.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein Insolvenzverfahren die Räumungsverpflichtungen nicht aufhebt, aber die Verantwortung und die Art der Abwicklung dieser Pflichten beeinflusst. Der Insolvenzverwalter spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung über die Fortführung des Mietverhältnisses und die Erfüllung der Räumungsverpflichtungen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 985 BGB Herausgabeanspruch: Erläutert den Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe einer Sache. Im Kontext des Urteils relevant, da es um die Herausgabe von Mieträumen geht und die Beklagte diese Pflicht durch Übergabe der Räume erfüllte, ohne die Entfernung von Gegenständen, die Bestandteil des Mietobjekts geworden sind.
  • Insolvenzordnung (InsO), insbesondere § 254b InsO: Regelung über die Wirkungen des Insolvenzplans. Im Fall bedeutend, da die Beklagte als Rechtsnachfolgerin an die im Insolvenzplan getroffenen Vereinbarungen gebunden war, was die Räumungsverpflichtungen beeinflusste.
  • § 9 des Mietvertrags (Rückbauverpflichtung und Eigentumsübergang): Spezifische Vertragsklausel, die regelt, dass eingefügte Gegenstände oder Erweiterungen, die durch Festeinbau Bestandteil des Objekts geworden sind, bei Beendigung des Mietverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum der Vermieterin übergehen. Wichtig für die Beurteilung der Räumungsverpflichtungen.
  • § 738 BGB (Rechtsnachfolge): Erläutert die gesellschaftsrechtliche Anwachsung und die Rechtsnachfolge in Rechte und Pflichten. Relevant, weil die Beklagte durch Anwachsung Rechtsnachfolgerin der insolventen Mieterin wurde und das Mietverhältnis fortsetzte.
  • § 91 ZPO (Kostenentscheidung): Bestimmt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dies ist im Urteil relevant, da die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens tragen musste.
  • § 709 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit): Erläutert die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen. Im vorliegenden Fall bedeutend, da das Urteil gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt wurde.


Das vorliegende Urteil

LG Trier – Az.: 5 O 214/22 – Urteil vom 07.12.2022

In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2022 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Nach Beendigung eines Mietvertrags über gewerblich genutzte Räume nimmt die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihrer Verpflichtung zur vollständigen Räumung des Objekts in Anspruch. Die Parteien streiten in diesem Zusammenhang insbesondere Ober die Rechtsfolgen eines über das Vermögen der ursprünglichen Mieterin und Rechtsvorgängerin der Beklagten durchgeführten Insolvenzverfahrens.

Die Klägerin hatte am 23. November 1999 mit der ### in Bremen einen Mietvertrag über Räume in einem in der ### gelegenen Haus zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts vermietet.

Es handelte sich um 160 qm Verkaufsfläche im Erdgeschoss, 150 qm Verkaufsfläche im ersten Obergeschoss und 90 qm Nebenfläche Kellergeschoss. Das Mietverhältnis begann am 01.03.2002 und war zunächst auf eine Zeit von zehn Jahren befristet, konnte jedoch zweimal um jeweils fünf Jahre verlängert werden. Dies sollte geschehen, wenn die Mieterin der Klägerin nicht jeweils spätestens ein Jahr vor Ablauf der Mietzeit durch einen eingeschriebenen Brief erklärte, dass sie von dem Optionsrecht keinen Gebrauch machen wolle. Die Miete betrug zunächst 30.000 DM netto im Monat und sollte bei einer Veränderung eines bestimmten Preisindexes um mehr als 10 % angepasst werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K4 zur Klageschrift vom 22.06.2022 eingereichte Urkunde des Mietvertrags Bezug genommen.

In § 9 dieses Vertrages vereinbarten die damaligen Parteien unter anderem:

„Die von der Mieterin durch die vorgenommenen baulichen Veränderungen des Mietobjekts eingefügten Gegenstände oder Erweiterungen, die durch Festeinbau Bestandteil des Objekts geworden sind, gehen bei Beendigung des Mietverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum der Vermieterin über. Eine Rückbauverpflichtung seitens der Mieterin besteht nicht.

Betriebseinrichtungen und Möbel werden bei Mietvertragsende von der Mieterin entfernt.“

Die Mieterin gab zum 28.02.2011 und zum 28.02.2016 keine Erklärungen ab, das Mietverhältnis beenden zu wollen.

Mit Beschluss vom 01.07.2016 (Aktenzeichen: 530 IN 1/16) eröffnete das Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren Ober das Vermögen der Mieterin. Die Klägerin meldete keine Forderungen zur Insolvenztabelle an.

Das Unternehmen wurde im Rahmen eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans saniert. Dieser enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

„Teil I. Darstellender Teil

(…)

E. Gläubigerbefriedigung

1. Rückständige Mietzinsforderungen

(…)

Zwecks Vermeidung langwieriger Auseinandersetzungen mit den Vermietern (bzw. den Banken, die Sicherheiten für diese Ansprüche gestellt haben) und im Hinblick auf eine reibungslose Sanierung des schuldnerischen Unternehmens, die für alle Beteiligten zum bestmöglichen Ergebnis f0hren soll, erhalten Gläubiger rückständiger Mietzinsforderungen mr den Nennwert der nicht gezahlten Mieten sowie Räumungskosten, die bereits entstanden sind oder bis Ablauf eines Jahres nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans noch entstehen, („Abgeltung Vermieterpfandrecht“ oder „Abgeltungsbetrag“) 25 % ihrer berechtigten Forderungen. Im Gegenzug verzichten diese Gläubiger auf die Geltendmachung des zwischen den Beteiligten streitigen Absonderungsrechts. Auf den verbleibenden Ausfall erhalten die Vermieter bzw. die Banken die gleiche Planquote (Planquote I und Il) wie die sonstigen nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger.

(…)

F. Gläubigergruppen

(…)

Gruppe 1: Vermieter und sonstige Inhaber rückständiger Mietzinsforderungen

Die Gruppe 1 besteht aus den Vermietern der Schuldnerin und in sonstigen Inhabern von Forderungen rückständiger Mietzinsforderungen (insbesondere aus den Bürgschaften in Anspruch genommenen Banken auf die die rückständigen Mietzinsforderungen übergegangen sind.

(…)

Teil II. Gestaltender Teil

A, Gruppenbildung

Es werden die nachfolgenden drei Gläubigergruppen gebildet. Zur Erläuterung und Begründung der Gruppenbildung wird auf den Darstellenden Teil, Lit. F verwiesen.

Gruppe 1: Vermieter bzw. Inhaber rückständiger Mietzinsforderungen

Die Gruppe 1 besteht aus den Vermietern der Schuldnerin und den sonstigen Inhabern rückständiger Mietzinsforderungen.

(…)

D. Sonstige Änderungen der Rechtsstellung der Beteiligten

(…)

2. Plangestaltung für die beteiligten Gruppen

(…)

2.2. Regelungen f0r die sonstigen nicht nachrangigen Gläubiger mit Forderungen im Rahmen des S 38 InsO (Gruppe 2)

Die Gläubiger der Gruppe 2 und die Gläubiger der Gruppe 1 mit Forderungen im Rang des § 38 InsO erhalten eine nach dem verbindlichen Quoten- und Auszahlungsschema, wie oben unter Darstellender Teil Lit. E. Ziff. 1 dargestellt, zu ermittelnden Quote.

(…)

Die Gläubiger der Gruppen 1 und 2 erklären:

(…)

2. Wir, die Gläubiger der Gruppen 1 und 2, verzichten verbindlich und unwiderruflich unter der aufschiebenden Vollzugsbedingung nach Lit. F. Ziff. 1 auf den Teil unserer jeweiligen zur Tabelle festgestellten Insolvenzforderungen, die durch die nach vorstehend zu 1.) zu berechnende und auszuzahlende Planquote I und Planquote II nicht gedeckt sind.“

Nach Bestätigung des Insolvenzplans wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 08.06.2018 das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die Beklagte wurde kraft gesellschaftsrechtlicher Anwachsung gemäß §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 738 BGB Rechtsnachfolgerin der Mieterin.

Die Beklagte setzte das Mietverhältnis fort, das am 28.02.2022 endete.

Die Beklagte kündigte bereits zuvor an, dass sie die gemieteten Räume nur besenrein übergeben werde, jedoch keine Räumung und keinen Rückbau des dort eingebrachten Mobiliars vornehmen werde.

Dementsprechend verhielt sie sich auch.

Die Klägerin trägt vor, sie habe die Ladeneinrichtung von einer Firma ### Inhaber ### entfernen lassen und dafür eine Vergütung von 18.377,50 Euro (21.869,23 Euro inklusive Mehrwertsteuer) gezahlt. In Höhe des Nettobetrags verlangt sie Schadensersatz.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte verurteilen, an sie 18.377,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 28.02.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass es sich bei dem vertraglichen Anspruch der Klägerin auf vollständige Räumung der gemieteten Räume nach Beendigung des Mietverhältnisses um eine Insolvenzforderung handelte.

Sie bezieht sich auf § 254b InsO, wonach die Beklagte auf den in den oben zitierten Teilen des Insolvenzplans erklärten Forderungsverzicht gebunden sei, auch wenn Sie Ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hatte.

Sie sei aber auch aus dem Mietvertrag nicht zum Rückbau verpflichtet. Die Ladeneinrichtung, deren Beseitigung die Klägerin verlangt habe, sei durch Festeinbau Bestandteil des Objekts geworden und bei Beendigung des Mietverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum der Klägerin übergegangen. Deshalb treffe sie, Beklagte, nach § 9 Abs. 3 des Mietvertrags keine Rückbauverpflichtung.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Pflicht zur Räumung der bis zum 28.02.2022 gemieteten Räume zu.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die von der Klägerin vorgetragenen Aufwendungen für die Entfernung der in den Räumen verbliebenen Ladeneinrichtung ganz oder teilweise auf bewegliche Gegenstände (Betriebseinrichtungen und Möbel im Sinne des § 9 Abs. 4 des Mietvertrags) bezogen, oder ob es sich dem Vortrag der Beklagten folgend um Festeinbauten handelte, die gem. § 9 Abs. 3 des Mietvertrags in das Eigentum der Klägerin übergegangen waren und für die keine Rückbauverpflichtung der Beklagten bestand.

Denn der mietvertragliche Anspruch der Klägerin auf Entfernung der beweglichen Betriebseinrichtung und Möbel ist im Insolvenzverfahren untergegangen.

Endet der Mietvertrag nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Mieterin, hat wegen des Räumungsanspruchs des Vermieters die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung grundsätzlich danach zu erfolgen, wann das Räumungsgut auf des Mietgrundstock verbracht worden ist.

Soweit die räumenden Gegenstände und Einrichtungen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Mietgrundstück vorhanden waren, begründet der Räumungsanspruch eine Insolvenzforderung (ständige Rechtsprechung, BGH Urteil vom 17.09.2020, IX ZR 62/19 – NZI 2020, 995, Rn. 11). Denn dieser Anspruch entsteht bereits mit dem Abschluss des Mietvertrags, aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Mietverhältnisses (BGH a.a.O. Rn. 13).

Die Kammer hat Verständnis für den von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkt, dass es für einen Vermieter mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, den aufschiebend bedingten Anspruch auf Räumung als Geldforderung zu beziffern, um ihn im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden. Diese Schwierigkeiten sind aber nicht unüberwindbar. Der Aufwand, der mit einer Räumung verbunden ist, kann abgeschätzt werden.

Gleichartigen Problemen begegnen mehr oder weniger stark alle Insolvenzgläubiger, die andere Leistungen als Geldzahlungen beanspruchen, aber keine Aus- oder Absonderungsrechte geltend machen können.

In dem Insolvenzplan hatten die Vermieter, die Räume an die Insolvenzschuldnerin vermietet hatten, auf ihre Forderungen verzichtet, die über die ermittelte und ausgezahlte Quote hinausgingen. Gem. § 254 Abs. 1 InsO traten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen, also auch der vorgenannte Verzicht, für und gegen alle Beteiligten ein. Das schließt gem. § 254b InsO auch die Klägerin ein, obwohl sie die streitgegenständliche Forderung nicht im Insolvenzverfahren angemeldet hatte.

Die Kammer hat erwogen, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert, weil die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Insolvenzschuldnerin das Mietverhältnis nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch über mehr als drei Jahre fortgesetzt hatte. Darin könnte die stillschweigende Erklärung zu sehen sein, dass sich die Beklagte an die in dem Mietvertrag vorgesehenen Verbindlichkeiten des Mieters binden wollte, was nicht nur die Zahlung der laufenden Miete und Betriebskosten, sondern auch die Pflicht zur vollständigen Räumung des Mietobjekts nach Beendigung des Mietverhältnisses beinhalten könnte.

Die Kammer kann sich einer solchen Rechtsauffassung aber nicht anschließen. Es fehlt schon an einer stillschweigenden Erklärung der Beklagten, Ober die nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestehenden Verbindlichkeiten hinaus weitere Verpflichtungen der Klägerin gegenüber übernehmen zu wollen. Indem die Beklagte die von der ursprünglichen Mieterin, späteren Insolvenzschuldnerin, begonnene Nutzung der gemieteten Räume fortsetzte, hat sie keinen neuen Vertrag mit der Klägerin geschlossen. Auf sie sind nur die bestehenden Rechte und Pflichten, so wie sie nach dem Insolvenzplan bestanden, im Wege der Rechtsnachfolge Obergegangen. Als das Insolvenzverfahren am 08.06.2018 aufgehoben wurde, stand bereits fest, dass das Mietverhältnis bis zum 28.02.2022 fortbestehen und an diesem Tag enden würde. Denn die Option zur zweiten Verlängerung des Mietverhältnisses war schon vor dem Insolvenzverfahren gezogen worden, weil die damalige Mieterin bis zum 28.02.2016 keine gegenteilige Erklärung gegenüber der Klägerin abgegeben hatte. Es bedurfte also keiner weiteren Vereinbarungen oder Erklärungen, um die gegenseitigen Rechte der Parteien als Vermieterin und Mieterin zu begründen oder zu gestalten.

Zu Recht betont die Beklagte, dass es auch dem Zweck des Insolvenzplanverfahrens widersprechen würde, wenn sie mit der Räumungsverpflichtung und den sich daraus ergebenden Kosten belastet würde. Die Bestätigung des Insolvenzplans und die daran anschließende Aufhebung des Insolvenzverfahrens sollen dem in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmen einen Neustart ermöglichen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Schuldnerin darauf vertrauen kann, Ober die im Insolvenzplan festgelegten Verpflichtungen hinaus keine weiteren Verbindlichkeiten erfüllen zu müssen. Gerade deshalb bestimmt das Gesetz in § 254b InsO, dass die §§ 254 und 254a auch für Insolvenzgläubiger und für Beteiligte gelten, die ihre Forderungen nicht angemeldet bzw. dem Insolvenzplan widersprochen haben.

Für nach der Aufhebung des Insolvenzverfahren eingegangene Verbindlichkeiten hat die Schuldnerin uneingeschränkt einzustehen. Darum handelt es sich aber aus den vorgenannten Gründen bei der Räumungsverpflichtung nicht, deren Verletzung Grundlage der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung sein soll.

Die Beklagte hatte der Klägerin am 28.02.2022 die gemieteten Räume nur gem. § 985 BGB herauszugeben, weil ihr Recht zu deren endete. Dieser Herausgabeverpflichtung, die sich auf die Einräumung des unmittelbaren Besitzes beschränkt und die Entfernung von Gegenständen nicht beinhaltet, ist die Beklagte nachgekommen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 18.377,50 Euro festgesetzt.

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