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Kündigung wegen Eigenbedarfs nach vorangegangener Verneinung eines Eigennutzungswunsches

AG Köpenick – Az.: 11 C 222/10 – Urteil vom 31.03.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Räumung einer Mietwohnung.

Die Klägerin ist seit 1997 Mieterin der circa 147 Quadratmeter großen Vierzimmerwohnung im 01. Obergeschoss des Gebäudes … Berlin. Im unteren Geschoss des Gebäudes befinden sich Räumlichkeiten mit ungefähr der gleichen Größe.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2008 die Immobilie und trat später in das Mietverhältnis ein. Die Gesellschafter der Klägerin bewohnen mit ihren 1998 und 2002 geborenen Söhnen ein Einfamilienhaus in der … straße. Bei einem Treffen im Anfang 2008 mit der damaligen Hausgemeinschaft zur Absprache der von der Klägerin geplanten umfänglichen Instandsetzung teilte der Gesellschafter der Klägerin Herr auf Nachfrage durch die damalige Mieterin der Räume des Erdgeschosses Frau … mit, dass ein Eigennutzungswunsch nicht ansteht. Aus einem Protokoll der Besprechung (Anlage K7, Blatt 107) ergibt sich, dass Herr … die Frage nach seinen Absichten mit der Immobilie mit Alterssicherung beantwortete. In der Folgezeit ließ die Klägerin das Gebäude umfassend instandsetzen (Dach, Fassade, Fenster, Keller, Außenanlage) und errichtete im Dachgeschoss eine Dreizimmerwohnung mit einer Größe von circa 110 Quadratmetern.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 die Kündigung des Mietverhältnisses, wobei sie die Kündigung mit Eigenbedarf begründete. Wegen des genauen Wortlautes des Schreibens wird auf die Anlage K2, Blatt 18 der Akte, Bezug genommen.

Die Wohnungsmieterin der Räume des unteren Geschosses kündigte ihren Mietvertrag im Dezember 2009 und räumte die Wohnung zum 28. Februar 2010. Die Klägerin bot der Beklagten mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 17. Juni 2010 die Dachgeschosswohnung an. Wegen des daraufhin geführten Schriftverkehrs der Parteien wird auf die Anlagen B1, B2 sowie K7, Blatt 50 bis 53, 59, Bezug genommen. Die Dachgeschosswohnung ist nunmehr vermietet.

Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2010 (Blatt 71 bis 73) hat die Klägerin vorsorglich erneut die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. September 2011 ausgesprochen und sich zur Begründung auf den Vortrag in der Klageschrift bezogen.

Die Klägerin trägt vor, sie hätte die Absicht, die streitgegenständliche Wohnung selbst zu nutzen, um den Kindern eigene Kinderzimmer zur Verfügung zu stellen. Das Wohnhaus in der A… straße habe nur drei Zimmer und eine Wohnfläche von insgesamt circa 100 Quadratmetern. Die Klägerin verweist insoweit auf Grundrisspläne (Anlage K5, Blatt 28, 29 der Akte). Die Klägerin trägt weiter vor, das untere Geschoss des Gebäudes in der … straße sei umgewidmet worden und werde nunmehr gewerblich genutzt. Das Dachgeschoss sei erst nach Ausspruch der Kündigung absehbar fertiggestellt worden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung in der … Berlin, belegen im 01. Obergeschoss mit einer Größe von circa 147 Quadratmetern sowie die von ihr inne gehaltenen Nebenräume (Keller, Gemeinschaftskeller, Waschküche/Trockenraum, Garage) geräumt an die Klägerin, hilfsweise zum 30. September 2011, herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Eigenbedarf der Klägerin sei nur vorgeschoben. Die Klägerin hätte sowohl die Dachgeschosswohnung als auch die Räume im Erdgeschoss selbst nutzen können. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Wohnung im Erdgeschoss der Beklagten anzubieten. Die Angebote hinsichtlich der Dachgeschosswohnung seien Scheinangebote.

Die Äußerungen des Gesellschafters der Klägerin bei der Besprechung im Februar 2008 hätten bei der Beklagten zu einem erheblichen Vertrauen und zu dem Entschluss geführt, die Sanierungsmaßnahmen durchzustehen und nicht vor Beginn der Maßnahmen auszuziehen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2011, Blatt 108, 109, verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung gemäß § 546 Absatz 1 BGB, denn das Mietverhältnis ist nicht durch die Kündigungen vom 30. Oktober 2009 und 17. Dezember 2010 gemäß § 573 BGB beendet. Die Kündigung ist rechtsmissbräuchlich.

Anerkannt ist, dass sich der Vermieter zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzt, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entschlossen ist oder zumindestens erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, sollen die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen nicht zugemutet werden, wenn er nicht über die Absicht oder die Aussicht begrenzter Mietdauer vom Vermieter aufgeklärt wird, vgl. BGH Urteil vom 21. Januar 2009, Aktenzeichen: VIII ZR 62/08, mit weiteren Nachweisen. Dieser Grundsatz ist auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Die Klägerin hat sich zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch gesetzt. Auf konkrete Nachfrage einer Mitmieterin bei der Besprechung im Februar 2008 hat der Gesellschafter der Klägerin … erklärt, dass ein Eigennutzungswunsch nicht ansteht und die Immobilie der Alterssicherung diene. Zu diesem Zeitpunkt war für die Klägerin der Eigenbedarf jedoch vorhersehbar, denn die 1998 und 2002 geborenen Söhne der Gesellschafter der Klägerin waren zu diesem Zeitpunkt neun bzw. zehn und fünf bzw. sechs Jahre alt und der ältere Sohn schon schulpflichtig, Für die Klägerin war absehbar, dass die Kinder zukünftig jeweils eigene Zimmer benötigen würden. Mit der Äußerung bei der Besprechung hat die Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Entscheidungserheblich ist dabei, dass danach die Instandsetzung des Gebäudes (Dach, Fassade, Fenster, Keller, Außenanlage) und der Ausbau des Dachgeschosses erfolgte, was für Mieter naturgemäß mit erheblichen Belastungen verbunden ist. Nachvollziehbar ist insoweit, dass die Beklagte diese Belastungen nicht auf sich genommen und sich schon vor der Instandsetzung um neuen Wohnraum bemüht hätte, wenn ihr mitgeteilt worden wäre, dass die Klägerin die Wohnung zukünftig selbst nutzen will und die Kündigung weniger als zwei Jahre später erklärt.

Wegen der Rechtsmissbräuchlichkeit der Kündigungen kann dahinstehen, ob tatsächlich ein Eigennutzungswunsch der Klägerin vorliegt (den sie nachvollziehbar dargelegt und begründet hat) und ob die Klägerin ihre Anbietpflicht verletzt hat (wovon nicht auszugehen ist, da das Erdgeschoss nicht zur Vermietung als Wohnraum zur Verfügung steht und die Klägerin der Beklagten die Wohnung im Dachgeschoss angeboten hat).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nummer 11, 711 ZPO.

Der klägerische Schriftsatz vom 17. März 2011 wurde nicht berücksichtigt, weil er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung (und nach Absetzen des Urteils) eingereicht wurde, § 296a ZPO.

 

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