LG Berlin – Az.: 37 O 123/18 – Urteil vom 03.12.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Beseitigung eines Geldautomaten.
Der Kläger betreibt in Berlin einen Lebensmittel-Verbrauchermarkt. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das u.a. die Vermietung von Geldautomaten anbietet.
Grundlage für die Anmietung der Gewerbefläche durch den Kläger für den Betrieb seines Verbrauchermarkts ist ein bereits zuvor bestehender Gewerbemietvertrag vom 15. April 2011 mit dem Vormieter F. Ercan bzw. E. Ercan (Anlage K 8) gewesen. In diesen trat der Kläger durch den 3. Nachtrag zu dem vorstehenden Mietvertrag durch dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Vormieter, dem Vermieter und dem Kläger vom 26. Juli 2017 mit Wirkung zum 1. August 2017 ein. Danach sollte der Kläger mit allen Rechten und Pflichten alleiniger Mieter werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 8 und K 9 Bezug genommen.
Einer der Vormieter des Klägers hatte seinerseits mit der Beklagten einen Mietvertrag 16. Juni/29. Juni 2010 (mit Nachtrag vom 25. April 2011) geschlossen. Danach durfte die Beklagte – mit Zustimmung der Hauseigentümer – in das Gebäude und die Mieträumlichkeiten einen Geldautomaten einbauen, wozu der Vormieter der Beklagten eine genauer gekennzeichnete Stellfläche in der Größe von ca. 1 m² überließ. Im Gegenzug zahlte sie an den Vormieter hierfür ein Entgelt. Der Geldautomat ist von der Straßenseite für die Kunden zu bedienen. Er ragt jedoch in die Mieträumlichkeiten hinein und nimmt dort eine Grundfläche von ca. 1 m² ein.
Bei Übernahme der Mieträumlichkeiten durch den Kläger befand sich der Geldautomat weiter in den Räumlichkeiten. Die Beklagte entrichtet das Entgelt weiterhin an den Vormieter des Klägers. Die Beklagte trat an den Kläger heran und erfragte eine etwaige Übernahme des Mietvertrages über den Geldautomaten bzw. die diesen betreffende Teilfläche des Ladenlokals. Hierauf erklärte der Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2017, dass er nicht beabsichtige, in diesen Mietvertrag einzutreten. Zugleich forderte die Beklagte auf, den Geldautomaten bis zum 24. Oktober 2017 abzubauen und den vormaligen Zustand wieder herzustellen. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Der Kläger beantragt nach einer Teilkorrektur seines Antrags, die Beklagte zu verurteilen, in dem Objekt …45, 10437 Berlin, den rechts neben dem Eingang befindlichen Geldautomat auf dem Aufstellplatz in der Größe von 57 cm breit, 155 cm tief und 174 cm hoch zu beseitigen und die Fläche an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat seinen Anspruch zunächst am Amtsgericht Mitte geltend gemacht. Dieses hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12. März 2018 an das nach seiner Auffassung sachlich zuständige Landgericht Berlin verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht aus keinem rechtlich erdenklichen Grund ein Anspruch auf Beseitigung des streitgegenständlichen Geldautomaten und auf Herausgabe des von durch diesen belegten Teilstücks des Ladenlokals zu.
1. Keine vertraglichen Ansprüche
Ein vertraglicher Räumungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht nicht. Ein Vertrag zwischen den Parteien existiert nicht. Ein neuer Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Aufstellung des Geldautomaten ist unstreitig nicht zustande gekommen. Auch einen Eintritt des Klägers in den bestehenden Mietvertrag zwischen dem Vormieter des Klägers und der Beklagten ist nicht festzustellen. Der Kläger hat eine dementsprechende Anfrage der Beklagten ausdrücklich abschlägig beschieden und immer die Auffassung vertreten, dass er nicht in diesen Vertrag eingetreten sei und eintreten wolle.
Der Kläger ist auch nicht mittelbar dadurch Vermieter der Fläche des Geldautomaten – verbunden mit einer Kündigungsmöglichkeit – geworden, dass er mit dem Vormieter und Hauseigentümer einen Mietvertrag über die von ihm nun genutzten Gewerberäumlichkeiten geschlossen hat. Denn dieser Mietvertrag verhält sich nur zur Überlassung der Räumlichkeiten im Verhältnis des Klägers und dem Gebäudeeigentümer, erfasst aber den Miet- und Nutzungsvertrag über den Geldautomat weder ausdrücklich noch konkludent, so dass es nicht weiter darauf ankommt, dass die Beklagte hieran ebenfalls nicht mitgewirkt hat. In der Nachtragsvereinbarung zum bestehenden Mietvertrag über die Räumlichkeiten insgesamt ist nur festgehalten, dass der Kläger in diesen bestehenden Mietvertrag eintritt.
Ein automatischer Übergang des Mietverhältnisses auf den Kläger durch den Eintritt in den Gewerberaummietvertrag hat ebenfalls nicht stattgefunden. Einen solchen Übergang eines Vertragsverhältnisses kennt das Gesetz nicht. Allenfalls auf der Vermieterseite kommt dies als Ausnahmefall beim Kauf des Gebäudes in Betracht. Hier tritt der Erwerber eines Mietshauses in die Stellung des Vermieters ein („Kauf bricht nicht Miete“).
Letztlich steht dem Kläger auch nicht deshalb ein vertraglicher Räumungsanspruch zu, weil das bestehende Mietverhältnis zwischen dem früheren Mieter der Räumlichkeiten und der Beklagten durch Eintritt des Klägers in dieses Mietverhältnis beendigt worden wäre. Es entspricht vielmehr der herrschenden Meinung, dass ein Untermietverhältnis regelmäßig auch dann nicht automatisch endet, wenn der Hauptmietvertrag seinerseits ausläuft oder durch Kündigung beendet wird (Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 540 Rn. 18). Insoweit gegebenenfalls in der Kündigung des Hauptmietvertrages und der entsprechenden Information des Untermieters zugleich eine Kündigung des Untermietverhältnisses zu erblicken sein kann (vgl. Palandt, aaO), liegt hier eine solche Fallgestaltung nicht vor. Denn der Mietvertrag über das Ladenlokal besteht fort. Der Kläger ist in dieses eingetreten.
Ein vertraglicher Anspruch erwächst auch nicht dadurch für den Kläger, wenn die Kündigung des Rechtsvorgängers des Klägers wirksam sein sollte. Dieser Anspruch würde dann dem Rechtsvorgänger des Klägers zustehen. Dass der Kläger dessen Ansprüche verfolgen dürfte, zeigt er nicht auf. Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger insoweit einen fremden Anspruch geltend machen will.
2. Keine Ansprüche aus Besitzschutz
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Beseitigung und Herausgabe der von der Beklagten beanspruchten Teilfläche aus § 862 BGB zu. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger unmittelbarer Besitzer dieser Teilfläche (geworden) wäre und die Beklagte ihn in seinem Besitz durch verbotene Eigenmacht stören würde. Beides ist nicht der Fall.
a) Der Kläger ist nicht (unmittelbarer) Besitzer der Fläche geworden, auf dem der Geldautomat aufgestellt ist bzw. dieser in seinem Laden hineinragt. Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft, getragen von einem Besitzbegründungswillen. Es ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (Palandt-Herrler, 77. Auflage, § 854 Rn. 1,3). Der Kläger hat in diesem Sinne keine tatsächliche Verfügungsgewalt über die fragliche Teilfläche von 1 m² erlangt. Der streitgegenständliche Geldautomat befand sich schon bei Abschluss bzw. Eintritt des Klägers in den Mietvertrag an dieser Stelle. Dass der Mietvertrag über die Räumlichkeiten die Stelle über den Geldautomat nicht ausspart, spielt insoweit keine Rolle. Denn ob Besitz vorliegt lässt sich nur anhand der tatsächlichen Umstände und nach der Verkehrsauffassung beurteilen. Der Kläger kann aber die Teilfläche, auf der der Geldautomat steht, schon nach seinem eigenen Vorbringen und nach der Verkehrsanschauung nicht nutzen, weil sich dort der schwere Geldautomat der Beklagten befindet. Diesen kann der Kläger auch nicht einfach wegschaffen, weil er schwer ist und teilweise in die Gebäudefassade integriert und dort verankert ist. Der Kläger beruft sich letztlich auch selbst darauf, dass ihm diese Fläche, auf dem der Geldautomat steht, nicht zur Verfügung steht, er sie nicht nutzen kann und er insoweit auch keinen unmittelbaren Zugriff hat. Er hat danach auch unter Berücksichtigung seines eigenen Vorbringens keinen Besitz an diesem 1 m².
Nach der Verkehrsanschauung ist unmittelbarer Besitzer der Teilfläche vielmehr die Beklagte, da diese hierüber mit dem Vormieter der Räumlichkeiten einen entsprechenden Nutzungsvertrag abgeschlossen und in der Folge den Geldautomat dort aufgestellt hat. Auch der Kläger geht letztlich davon aus, dass die Beklagte Besitzerin dieser Teilfläche ist. Dass die Beklagte den Geldautomaten zum Auffüllen gegebenenfalls ohne Zustimmung des Klägers gar nicht erreichen kann, legt der Kläger nicht dar, so dass nicht darüber zu entscheiden ist, ob dies Einfluss auf die Beurteilung des unmittelbaren Besitzes haben könnte. Die Kammer neigt aber selbst für diesen Fall dazu, dass der Kläger nicht unmittelbarer Besitzer der streitgegenständliche Teilfläche wäre, weil er auf diese, wie schon ausgeführt, gerade nicht zugreifen kann.
Einen Anspruch aus mittelbarem Besitz scheitert daran, dass der Kläger auch keinen mittelbaren Besitz an dem Geldautomat bzw. der diesbezüglichen Teilfläche in seinem angemieteten Ladenlokal hat. Denn die Beklagte sieht sich allein in einer Vertragsbeziehung zu dem Vormieter. Selbst wenn die Beklagte bereit wäre, dem Kläger den Besitz zu vermitteln, hat der Kläger jegliche Rechtsbeziehung zu der Beklagten abgelehnt. Er hat danach auch keinen mittelbaren Besitz. Er legt auch nicht weiter dar, dass er einen abgeleiteten gestuften mittelbaren Besitz innehätte.
b) Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass der Kläger Besitz an der Teilfläche erlangt hätte, würde dem Herausgabeanspruch entgegenstehen, dass die Beklagte keine verbotene Eigenmacht gegenüber dem Kläger begangen hätte. Für das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht ist eine widerrechtliche Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes Voraussetzung. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Erlangung des unmittelbaren Besitzes an (Palandt-Herrler, § 858 BGB, Rn. 2). Eine hierbei vorliegende Zustimmung des Besitzers nimmt der Besitzerlangung durch den Dritten den Charakter einer verbotenen Eigenmacht (Staudinger/Gutzeit, BGB, § 858, Rn. 17). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist hier eine verbotene Eigenmacht der Beklagten nicht festzustellen. Sie hat den Geldautomaten nicht in widerrechtlicher Weise in die Mietsache bzw. in das Gebäude eingebaut, sondern hat hierzu die Zustimmung des Gebäudeeigentümers eingeholt und mit einem der Rechtsvorgänger des Klägers einen dementsprechenden Miet- und Gestattungsvertrag geschlossen. Zudem steht bzw. stand ihr auf der Grundlage dieses Vertrages auch ein Recht zum Besitz zu. Selbst wenn dieser Vertrag durch den Rechtsvorgänger des Klägers wirksam gekündigt worden wäre, würde die Nichtherausgabe nicht eine verbotene Eigenmacht gegenüber dem Kläger bedeuten.
3. Sonstige Anspruchsgrundlagen
Ein Anspruch auf Herausgabe der Teilfläche auf der Grundlage weiterer gesetzlicher Normen besteht nicht. Insbesondere ist ein Anspruch aus Delikt nicht erkennbar. Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Kläger keinen Besitz diesem Teilstück erlangt, so dass § 823 Abs. 1 BGB schon nach seinem objektiven Tatbestand nicht vorliegt. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.