Ein Gewerbemieter verlegte seinen Sitz und trug die neue Adresse ins Handelsregister ein, was die erste Räumungskündigung wegen Zustellungsfehlern unwirksam machte. Dennoch gelang es dem Vermieter, wegen erneuter Mietrückstände eine Kündigung nachzureichen im laufenden Räumungsprozess, die den Prozess neu aufrollte.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Kündigung nachreichen: Rettet das eine Räumungsklage?
- Was passiert, wenn der Mieter seinen Firmensitz verlegt?
- Wann gilt eine Kündigung als wirksam zugegangen?
- Kann man eine Kündigung im Räumungsprozess nachreichen?
- Was bedeutet das Urteil für Vermieter und Mieter?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie stelle ich eine Kündigung richtig zu, wenn mein gewerblicher Mieter die Adresse gewechselt hat?
- Kann ich eine unwirksame Räumungsklage mit einer neuen Kündigung noch im Prozess retten?
- Welche Mietrückstände brauche ich, um eine fristlose Kündigung im laufenden Verfahren nachzuschieben?
- Was passiert, wenn mein Mieter seine neue Adresse im Handelsregister eingetragen hat, mir aber nichts mitteilt?
- Welche Konsequenzen drohen mir als Vermieter, wenn ich das Handelsregister nicht auf Adressänderungen prüfe?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 48/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Hanseatisches Oberlandesgericht
- Datum: 07.10.2025
- Aktenzeichen: 4 U 48/25
- Verfahren: Berufungsverfahren im Gewerbemietrecht
- Rechtsbereiche: Gewerbemietrecht, Kündigungsrecht, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Die Vermieterin kündigte das Gewerbemietverhältnis wegen Mietrückständen. Die Mieterin bestritt die Wirksamkeit der ersten Kündigung, da sie diese nie erhalten habe. Sie weigerte sich, die Räume zu verlassen.
- Die Rechtsfrage: War die Vermieterin zur fristlosen Kündigung berechtigt? Führt eine neue Kündigung, die erst nachträglich im laufenden Prozess erklärt wird, zur Räumung?
- Die Antwort: Ja, die Mieterin muss räumen. Die ursprünglich erklärte Kündigung war unwirksam, weil der Zugang nicht bewiesen werden konnte. Die im Prozess nachgereichte zweite Kündigung war jedoch wirksam.
- Die Bedeutung: Ein dreimonatiger Zahlungsverzug berechtigt zur fristlosen Kündigung des Gewerbemietvertrages. Eine solche Kündigung kann auch noch während eines laufenden Gerichtsverfahrens nachgereicht werden, wenn die Fakten unstreitig sind. Die Verlegung des Geschäftssitzes ohne Mitteilung allein begründet keine automatische Zugangsannahme, wenn die neue Adresse im Handelsregister eingetragen war.
Kündigung nachreichen: Rettet das eine Räumungsklage?

Ein Vermieter kündigt seinem gewerblichen Mieter fristlos wegen Zahlungsverzugs, doch der Brief kommt scheinbar nie an. Der Mieter hat unbemerkt seinen Firmensitz verlegt. Während der anschließende Räumungsprozess läuft, gerät der Mieter erneut in Verzug. Kann der Vermieter nun mitten im Verfahren eine zweite Kündigung „nachschieben“, um die Klage doch noch zu gewinnen? Mit dieser Frage befasste sich das Hanseatische Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 07. Oktober 2025 und traf eine Entscheidung, die die strategischen Möglichkeiten in Räumungsprozessen beleuchtet (Az. 4 U 48/25).
Was passiert, wenn der Mieter seinen Firmensitz verlegt?
Im Februar 2023 schlossen die Parteien einen Gewerbemietvertrag über eine rund 315 Quadratmeter große Bürofläche, die als Agentur im Fernsehbereich genutzt werden sollte. Die monatliche Gesamtmiete belief sich auf 7.799,87 Euro. Doch die Geschäftsbeziehung gestaltete sich schwierig. Bereits im Jahr 2023 liefen bei der Mieterin, einer Gesellschaft, erhebliche Mietrückstände in Höhe von 8.519,11 Euro auf.
Die Situation verkomplizierte sich Ende des Jahres. Am 22. Dezember 2023 verlegte die Mieterin ihren im Mietvertrag angegebenen Firmensitz von Karlsruhe nach Heilbronn und ließ dies im Handelsregister eintragen. Nach Darstellung der Vermieterin unterließ es die Mieterin jedoch, sie über diesen Umzug zu informieren. Als die Zahlungen auch 2024 unregelmäßig blieben, zog die von der Vermieterin beauftragte Hausverwaltung die Konsequenzen. Mit einem Schreiben vom 15. August 2024 sprach sie die außerordentliche fristlose Kündigung aus.
Der Zustellversuch dieses entscheidenden Schreibens wurde zum Kern des späteren Streits. Ein Zeuge der Vermieterin gab an, die Kündigung persönlich in den Mieträumen an eine Empfangsmitarbeiterin übergeben zu haben. Die Mieterin bestritt dies vehement. Sie argumentierte, in den Räumlichkeiten gar keine eigenen Mitarbeiter zu beschäftigen. Die Fläche werde von einer anderen Firma, einer GmbH & Co. KG, als Fernsehstudio genutzt. Die Beschilderung am Gebäude weise auch nur auf diese Firma hin. Folglich könne die Person am Empfang keine Botin für sie gewesen sein.
Während dieser Streit vor dem Landgericht Hamburg verhandelt wurde, eskalierte die Lage weiter. Die Mieterin zahlte für die Monate Januar, Februar und März 2025 keine Miete. Dies veranlasste die anwaltlich vertretene Vermieterin, mit einem Schriftsatz vom 03. April 2025 „aus anwaltlicher Vorsicht“ eine weitere fristlose Kündigung auszusprechen und diese ausdrücklich zur Grundlage ihrer bereits laufenden Räumungsklage zu machen. Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz statt, woraufhin die Mieterin Berufung beim Oberlandesgericht einlegte.
Wann gilt eine Kündigung als wirksam zugegangen?
Eine Kündigung ist eine sogenannte Empfangsbedürftige Willenserklärung. Das bedeutet, sie wird erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht. Im Geschäftsverkehr unterliegt dieser „Zugang“ klaren Regeln. Die Erklärung muss so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass dieser unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann. Dies ist typischerweise der Fall, wenn der Brief im Briefkasten liegt oder einem empfangsberechtigten Mitarbeiter übergeben wird.
Scheitert der direkte Zugang, kann sich der Absender unter Umständen auf eine sogenannte Zugangsfiktion berufen. Dies greift, wenn der Empfänger den Zugang treuwidrig vereitelt, etwa indem er die Annahme eines Einschreibens grundlos verweigert oder seinen Briefkasten abbaut. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann dazu führen, dass der Empfänger so behandelt wird, als hätte er die Erklärung rechtzeitig erhalten. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch; ein bloßes Versehen oder eine leichte Fahrlässigkeit genügen nicht.
Für die fristlose Kündigung eines Gewerbemietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs sind die Voraussetzungen im Bürgerlichen Gesetzbuch klar geregelt. Nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Genau auf diese Norm stützte die Vermieterin ihre beiden Kündigungsversuche.
Kann man eine Kündigung im Räumungsprozess nachreichen?
Das Hanseatische Oberlandesgericht musste die Räumungsklage auf zwei voneinander unabhängige Grundlagen prüfen: die ursprüngliche Kündigung vom August 2024 und die im Prozess nachgeschobene Kündigung vom April 2025. Die Richter kamen dabei zu einem differenzierten Ergebnis, das die erste Entscheidung des Landgerichts in wesentlichen Teilen korrigierte, im Ergebnis aber bestätigte.
Warum scheiterte die erste Kündigung am Zugang?
Zunächst analysierte der Senat die Kündigung vom 15. August 2024. Die Vermieterin hatte argumentiert, die Übergabe an die Empfangsmitarbeiterin in den Mieträumen stelle einen wirksamen Zugang dar. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht. Es stellte fest, dass die Vermieterin nicht beweisen konnte, dass die namentlich nicht bekannte Mitarbeiterin eine Empfangsbotin oder anderweitig bevollmächtigt war, Post für die beklagte Mieterin entgegenzunehmen.
Das Gericht zog hier eine Parallele zu den strengen Anforderungen bei der förmlichen Zustellung von Dokumenten in Geschäftsräumen nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Auch der Umstand, dass es personelle Überschneidungen in der Geschäftsführung der Mieterin und der tatsächlichen Nutzerin der Räume gab, reichte den Richtern nicht aus. Ein Mitarbeiter einer Firma ist nicht automatisch Empfangsbote für eine andere, auch wenn die Unternehmen miteinander verbunden sind. Der tatsächliche Zugang der ersten Kündigung wurde daher verneint.
Schützt ein Handelsregistereintrag vor Zugangsvereitelung?
Die Vermieterin hatte hilfsweise vorgetragen, die Mieterin müsse sich so behandeln lassen, als sei ihr die Kündigung zugegangen, weil sie ihre neue Anschrift pflichtwidrig nicht mitgeteilt und so den Zugang vereitelt habe. Auch diesem Argument erteilte das Oberlandesgericht eine Absage. Eine solche Zugangsfiktion setze nach ständiger Rechtsprechung eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung oder eine arglistige Zugangsvereitelung voraus.
Den entscheidenden Punkt sah das Gericht darin, dass die neue Anschrift der Mieterin seit dem 22. Dezember 2023 im Handelsregister öffentlich und korrekt eingetragen war. Eine einfache und kostenfreie Online-Recherche hätte der Hausverwaltung der Vermieterin diese Information mit minimalem Aufwand geliefert. Da die korrekte Adresse also leicht ermittelbar war, konnte der unterlassenen Mitteilung nicht der Charakter einer arglistigen Vereitelung zugemessen werden. Die Pflichtverletzung der Mieterin war aus Sicht des Gerichts nicht schwerwiegend genug, um die weitreichende Fiktion eines Kündigungszugangs zu rechtfertigen. Die erste Kündigung war damit endgültig vom Tisch.
War die zweite Kündigung im Prozess zulässig?
Der entscheidende Wendepunkt des Verfahrens war die zweite Kündigung vom 03. April 2025, die die Vermieterin per Schriftsatz in den laufenden Prozess einführte. Die Mieterin hatte dies als unzulässiges Manöver gerügt. Das Gericht sah das anders und folgte der etablierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das Nachschieben einer Kündigung in einem laufenden Räumungsprozess ist eine zulässige Klageänderung, wenn sie sachdienlich ist.
Sachdienlichkeit lag hier vor, weil dadurch der gesamte Streit zwischen den Parteien auf Basis des bereits bekannten Sachverhalts endgültig geklärt werden konnte. Es war keine weitere aufwändige Beweisaufnahme erforderlich. Die für diese zweite Kündigung entscheidenden Tatsachen – nämlich die Mietrückstände für Januar bis März 2025 – waren von der Mieterin im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten worden.
Wieso war der Zahlungsverzug am Ende entscheidend?
Nachdem die prozessuale Zulässigkeit geklärt war, prüfte das Gericht die materielle Wirksamkeit der zweiten Kündigung. Diese Prüfung fiel kurz aus: Die Mieterin war unstreitig mit drei vollen Monatsmieten in Verzug. Damit waren die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) BGB zweifelsfrei erfüllt. Die Kündigung vom 03. April 2025 beendete das Mietverhältnis wirksam.
Ein letzter formaler Einwand der Mieterin, die die Vollmacht der Hausverwaltung anzweifelte, lief ebenfalls ins Leere. Das Gericht stellte klar, dass die Vorschrift zur Zurückweisung einer Vollmachtsurkunde (§ 174 BGB) auf Prozessvollmachten, wie sie im gerichtlichen Verfahren verwendet werden, keine Anwendung findet. Im Ergebnis wurde die Räumungsklage also nicht aufgrund der ursprünglichen, sondern aufgrund der im Prozess nachgeschobenen Kündigung für begründet erklärt.
Was bedeutet das Urteil für Vermieter und Mieter?
Mit seinem Urteil bestätigt das Hanseatische Oberlandesgericht die Berufungsentscheidung des Landgerichts im Ergebnis: Die Mieterin muss die Gewerbefläche räumen und herausgeben. Zudem schuldet sie bis zum Tag der tatsächlichen Rückgabe eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete, wie es § 546a Abs. 1 BGB vorsieht.
Die Entscheidung hat zwei wesentliche Konsequenzen für die Praxis. Erstens stellt sie klar, dass die unterlassene Mitteilung einer Adressänderung durch einen gewerblichen Mieter nicht automatisch zu einer Fiktion des Kündigungszugangs führt. Solange die neue Anschrift im öffentlichen Handelsregister korrekt verzeichnet ist, wird von einem Vermieter erwartet, diese einfache Recherchemöglichkeit zu nutzen. Eine arglistige Zugangsvereitelung liegt dann in der Regel nicht vor.
Zweitens bekräftigt das Urteil eine wichtige prozessuale Strategie für Vermieter: Entsteht während eines bereits laufenden Räumungsprozesses ein neuer Kündigungsgrund, wie etwa weitere Zahlungsrückstände, kann eine neue Kündigung erklärt und in das Verfahren eingeführt werden. Wenn die neuen Fakten unstreitig sind, kann dies eine ansonsten aussichtslose oder beweisrechtlich schwierige Klage doch noch zum Erfolg führen.
Die Urteilslogik
Strategische Prozessführung ermöglicht es Vermietern, eine drohende Räumungsklage nachträglich zu retten, wenn neue, unstreitige Kündigungsgründe entstehen.
- Prozessuale Klärungsbefugnis: Eine zweite, auf neuen Mietrückständen basierende Kündigung kann während eines laufenden Räumungsprozesses als zulässige Klageänderung in das Verfahren eingeführt werden, sofern sie zur endgültigen und sachdienlichen Beilegung des gesamten Streitstoffs dient.
- Öffentliches Register schließt Zugangsvereitelung aus: Ein gewerblicher Mieter vereitelt den Zugang einer Kündigung nicht arglistig, wenn er seine Adressänderung zwar nicht direkt mitteilt, diese neue Anschrift jedoch im öffentlich zugänglichen Handelsregister verzeichnet ist und für den Vermieter leicht ermittelbar bleibt.
- Strenger Beweis der Empfangsvollmacht: Wer eine Willenserklärung an Geschäftsräumen übergibt, muss zweifelsfrei beweisen, dass die annehmende Person eine tatsächliche Empfangsvollmacht für den Adressaten besitzt und nicht nur für eine in denselben Räumen tätige Drittfirma.
Der Erfolg einer Räumungsklage hängt maßgeblich davon ab, die formalen Anforderungen des Kündigungszugangs akribisch zu erfüllen oder neue, unstreitige Kündigungsgründe strategisch in das Verfahren zu integrieren.
Benötigen Sie Hilfe?
Stehen Sie vor der Frage, ob eine Kündigung im laufenden Räumungsprozess wirksam ist? Kontaktieren Sie uns, um eine rechtliche Ersteinschätzung Ihres spezifischen Falles anzufordern.
Experten Kommentar
Viele Vermieter stolpern über die Zustellung, besonders wenn ein gewerblicher Mieter seinen Sitz verlegt. Das Gericht zieht eine klare rote Linie: Ist die neue Adresse im Handelsregister eingetragen, muss der Vermieter auch nachschauen, sonst scheitert der Versuch der Zugangsvereitelung. Die eigentliche Lektion ist aber strategisch: Weil der Mieter im laufenden Prozess neue Schulden machte, konnte die erste, wackelige Räumungsklage durch das Nachschieben einer neuen Kündigung gerettet werden. Wer als Vermieter dranbleibt und neue Verzüge sofort nutzt, kann selbst einen zunächst verlorenen Prozess noch zum Erfolg führen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie stelle ich eine Kündigung richtig zu, wenn mein gewerblicher Mieter die Adresse gewechselt hat?
Eine Gewerbekündigung muss dem Mieter wirksam zugehen, um Rechtskraft zu erlangen. Wenn Ihr gewerblicher Mieter umzieht, müssen Sie dessen neue Anschrift zwingend im Handelsregister recherchieren. Eine Zustellung an die alte Adresse oder an eine nicht bevollmächtigte Person ist hochriskant und führt oft zur Unwirksamkeit der Erklärung. Nur durch die Zustellung an die korrekte, eingetragene Adresse erfüllen Sie Ihre Sorgfaltspflicht.
Sie tragen als Vermieter die volle Beweislast für den Zugang des Kündigungsschreibens. Ist die neue Firmenadresse öffentlich im Handelsregister hinterlegt, können Sie sich später nicht erfolgreich auf eine Zugangsvereitelung durch den Mieter berufen. Gerichte erwarten von Ihnen, dass Sie diese leicht zugängliche Informationsquelle nutzen. Eine unterlassene Mitteilung des Umzugs durch den Mieter gilt in der Regel nicht als arglistige Vereitelung, die eine Zugangsfiktion rechtfertigen würde.
Konkret: Verlassen Sie sich nicht auf die Übergabe des Schreibens an eine beliebige Empfangsmitarbeiterin am alten Firmensitz. Die Gerichte stellen hier strenge Anforderungen. Sie müssen nachweisen, dass die namentlich nicht bekannte Person eine bevollmächtigte Empfangsperson oder zumindest ein Empfangsbote des umgezogenen Unternehmens war. Scheitert dieser Nachweis, wie in einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht geschehen, gilt die Kündigung als nie zugegangen.
Suchen Sie umgehend im Online-Portal des Gemeinsamen Registerportals der Länder nach der aktuellen, eingetragenen Firmenadresse Ihres Mieters, bevor Sie den Kündigungsversand veranlassen.
Kann ich eine unwirksame Räumungsklage mit einer neuen Kündigung noch im Prozess retten?
Ja, Sie können eine Räumungsklage retten, indem Sie eine zweite, fristlose Kündigung in das laufende Verfahren einführen. Dieses sogenannte Nachschieben einer Kündigung ist strategisch zulässig, wenn der neue Kündigungsgrund nach der Klageerhebung entstanden ist. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erlaubt diesen wichtigen Schritt, um Prozesse effizient zum Abschluss zu bringen.
Juristisch betrachtet gilt das Nachschieben der Kündigung als zulässige Klageänderung. Entscheidend für die prozessuale Zulässigkeit ist die Sachdienlichkeit. Dies bedeutet, dass die neue Kündigung den bereits anhängigen Streit abschließend klären muss. Wenn die erste Kündigung wegen formaler Mängel scheitert, aber nun neue Zahlungsrückstände vorliegen, können diese Tatsachen ohne aufwändige neue Beweisaufnahme in den Prozess integriert werden.
Achtem Sie darauf, die neue Kündigung formal korrekt in das Verfahren einzubringen. Es genügt nicht, den neuen Kündigungsgrund nur informell während der Verhandlung zu erwähnen. Sie müssen die wirksame Kündigungserklärung ausdrücklich per anwaltlichem Schriftsatz erklären und zur neuen Grundlage Ihrer Räumungsklage machen. Die zweite Kündigung muss dabei materiell wirksam sein und die gesetzlichen Kriterien für den Kündigungsgrund erfüllen, beispielsweise den Verzug mit zwei aufeinanderfolgenden Mieten.
Kontaktieren Sie Ihren Prozessanwalt unverzüglich, sobald neue Mietrückstände eintreten, um die zweite Kündigung formal in den Prozess einzuführen.
Welche Mietrückstände brauche ich, um eine fristlose Kündigung im laufenden Verfahren nachzuschieben?
Um eine Räumungsklage durch eine nachgeschobene Kündigung zu retten, benötigen Sie einen neuen, unabhängigen Kündigungsgrund. Der Mieter muss zwingend mit der Zahlung der Miete oder einem nicht unerheblichen Teil davon für zwei aufeinanderfolgende Termine in Verzug sein. Dies ist die exakte Schwelle für eine außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund von Zahlungsverzug, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch vorsieht.
Der Gesetzgeber hat diese strenge Regelung in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB festgelegt. Die Regel gewährleistet Rechtssicherheit, da nicht jede einmalige Verspätung sofort die Kündigung rechtfertigt. Wichtig für das laufende Verfahren ist, dass diese neuen Mietrückstände erst nach der Einreichung der ursprünglichen Klage entstehen. Nur so kann der neue Verzug als unabhängiger Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt werden, falls die erste Kündigung scheitert.
Sobald die Fälligkeit des zweiten aufeinanderfolgenden Monats ohne Zahlung überschritten ist, liegt der Kündigungsgrund juristisch vor. Im besprochenen Fall wurde die nachgeschobene Kündigung wirksam, weil die Mieterin unstreitig mit drei vollen Monatsmieten in Verzug geraten war. Das Gericht sah die Voraussetzungen damit zweifelsfrei erfüllt. Achten Sie darauf, volle Mietraten als Grundlage zu nehmen, um juristische Zweifel am Vorliegen eines „nicht unerheblichen Teils“ zu vermeiden.
Dokumentieren Sie sofort das exakte Datum der Fälligkeit und den ausstehenden Betrag, um die neue Kündigung schnellstmöglich einzuleiten.
Was passiert, wenn mein Mieter seine neue Adresse im Handelsregister eingetragen hat, mir aber nichts mitteilt?
Gerichte lehnen eine Zugangsfiktion ab, wenn die neue Adresse Ihres gewerblichen Mieters korrekt im Handelsregister eingetragen ist. Obwohl der Mieter gegen seine vertragliche Mitteilungspflicht verstößt, werten die Richter dies nicht als arglistige Zugangsvereitelung. Sie als Vermieter tragen die Verantwortung, die öffentlich verfügbaren Informationen abzufragen.
Der Grund liegt in der leichten Erreichbarkeit der Information. Da der Handelsregistereintrag eine öffentliche Quelle darstellt, wird von Ihnen erwartet, diese Information mit minimalem Aufwand zu recherchieren. Die unterlassene Mitteilung der Adresse durch den Mieter stellt zwar eine Pflichtverletzung dar. Diese ist aber nicht schwerwiegend genug, um die strengen Voraussetzungen der arglistigen Zugangsvereitelung zu erfüllen. Juristisch gesehen handelt es sich nicht um eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung.
Wenn Sie eine Kündigung an die alte Anschrift senden, obwohl das Handelsregister die aktuelle Adresse ausweist, gilt die Kündigung als nicht zugegangen und ist somit unwirksam. Die Hürden für die Annahme einer böswilligen Vereitelung sind extrem hoch, Gerichte verlangen fast immer ein aktives, täuschendes Verhalten des Mieters. Versäumen Sie die Recherche, verlieren Sie wertvolle Zeit und müssen im schlimmsten Fall eine unwirksame Klage korrigieren.
Verlangen Sie bei jedem Vertragsschluss mit gewerblichen Mietern eine Bestätigung der aktuellen Handelsregisteradresse und recherchieren Sie aktiv vor jeder Zustellung.
Welche Konsequenzen drohen mir als Vermieter, wenn ich das Handelsregister nicht auf Adressänderungen prüfe?
Die Hauptkonsequenz eines solchen Versäumnisses ist die Feststellung, dass Ihre Kündigung als nicht zugegangen und damit als unwirksam gilt. Wird die Kündigung an die alte Adresse des umgezogenen Mieters gesendet, liegt kein wirksamer Zugang vor. Das führt im Räumungsprozess dazu, dass Ihnen die notwendige Kündigungsgrundlage fehlt und die Klage abgewiesen werden kann.
Gerichte erwarten von Vermietern, dass sie eine minimale Recherche durchführen, wenn die Adresse eines gewerblichen Mieters nicht eindeutig ist. Die korrekte Firmenanschrift ist im Handelsregister öffentlich und mit minimalem Aufwand einsehbar. Versäumen Sie diese einfache Prüfung, liegt der Fehler bei Ihnen und Sie können sich nicht darauf berufen, der Mieter habe den Zugang vereitelt. Die Folge ist eine massive Prozessverzögerung, da der Mieter die Gewerbefläche in dieser Zeit weiter nutzt.
Eine unwirksame Kündigung zwingt Sie dazu, das gesamte Verfahren entweder durch das Nachschieben einer neuen Kündigung zu retten oder die Abweisung der Klage zu riskieren. Letzteres führt zu einer erheblichen Kostenbelastung, da Sie neben Ihren eigenen Anwalts- und Gerichtskosten auch die Kosten der Gegenseite übernehmen müssen. Die Zeitverzögerung bis zu einer neuen, wirksamen Kündigung kann, wie Fallbeispiele zeigen, leicht mehrere Monate betragen.
Fügen Sie in Ihre juristische Due Diligence vor jeder Kündigung von Gewerbemietern die Recherche der aktuellen Adresse im Handelsregister ein und dokumentieren Sie diesen Schritt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Empfangsbote
Ein Empfangsbote ist eine Person, die vom Empfänger einer Willenserklärung ausdrücklich oder stillschweigend bevollmächtigt wurde, Schriftstücke oder Nachrichten für ihn entgegenzunehmen. Diese juristische Figur ist essenziell, weil die Kündigung nur wirksam wird, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt, was durch die Übergabe an den Boten sichergestellt wird. Juristen wollen damit verhindern, dass sich Unternehmen dem Erhalt wichtiger Post entziehen, nur weil die Übergabe an einen Mitarbeiter erfolgte.
Beispiel:
Die Vermieterin konnte vor Gericht nicht beweisen, dass die angetroffene Rezeptionsmitarbeiterin als Empfangsbote für die umgezogene Mieterin tätig war, weshalb die erste Kündigung unwirksam blieb.
Empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine Empfangsbedürftige Willenserklärung, wie beispielsweise eine Kündigung, wird nur dann rechtswirksam, wenn sie tatsächlich beim Adressaten angekommen ist, also in dessen Machtbereich gelangt. Das Gesetz verlangt den tatsächlichen Zugang, um sicherzustellen, dass die Gegenseite Kenntnis von den einseitig ausgesprochenen Rechtsfolgen erlangen konnte. Ohne diesen Zugang kann die Erklärung keine rechtliche Wirkung entfalten.
Beispiel:
Da die Vermieterin den Zugang der ersten fristlosen Kündigung nicht belegen konnte, galt diese empfangsbedürftige Willenserklärung als nie abgegeben.
Nutzungsentschädigung
Nutzungsentschädigung ist der Betrag, den ein Mieter zahlen muss, wenn er eine Gewerbefläche oder Wohnung nach einer wirksamen Kündigung unberechtigterweise weiter nutzt. Dieser Anspruch dient dem Vermieter nach § 546a BGB als finanzieller Ausgleich, da er die Räumlichkeiten durch den unrechtmäßigen Besitz nicht neu vermieten oder anderweitig verwerten kann. Die Entschädigung ist mindestens in Höhe der zuletzt vereinbarten Miete zu zahlen.
Beispiel:
Die Mieterin schuldet dem Vermieter neben der Räumung auch die Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete für die Zeit ab der Wirksamkeit der zweiten Kündigung bis zur tatsächlichen Herausgabe.
Sachdienlichkeit
Als Sachdienlichkeit bezeichnen Juristen die Voraussetzung im Prozessrecht, die erfüllt sein muss, damit eine Klageänderung oder Klageerweiterung im laufenden Verfahren zulässig ist. Die Gerichte prüfen dieses Kriterium, um eine endgültige, umfassende und effiziente Klärung des gesamten Rechtsstreits zwischen den Parteien in einem einzigen Verfahren zu ermöglichen. Eine aufwändige neue Beweisaufnahme darf dabei in der Regel nicht erforderlich werden.
Beispiel:
Die Richter des Oberlandesgerichts bejahten die Sachdienlichkeit für die nachgeschobene Kündigung, weil dadurch der gesamte Streit über die Räumung der Gewerbefläche abschließend entschieden werden konnte.
Zugangsfiktion
Die Zugangsfiktion ist ein juristischer Mechanismus, durch den eine Erklärung als wirksam zugegangen gilt, obwohl der Empfänger sie nie physisch erhalten hat. Dieses Prinzip greift nur dann, wenn sich eine Partei treuwidrig dem Erhalt wichtiger Dokumente entzieht und den Zugang absichtlich vereitelt, wie es in § 242 BGB (Treu und Glauben) verankert ist. Das Gesetz verhindert damit, dass jemand aus seiner eigenen böswilligen Pflichtverletzung Vorteile ziehen kann.
Beispiel:
Das Gericht lehnte die Annahme einer Zugangsfiktion ab, weil die Mieterin ihre neue Adresse korrekt im öffentlichen Handelsregister eingetragen hatte und die Vermieterin diese Information leicht hätte recherchieren können.
Zugangsvereitelung
Unter Zugangsvereitelung versteht man die Situation, in der der Adressat einer Erklärung den ordnungsgemäßen Zugang vorsätzlich und schuldhaft verhindert. Eine solche Verletzung der Treuepflicht liegt beispielsweise vor, wenn jemand seinen Briefkasten abbaut oder die Annahme eines Einschreibens böswillig verweigert. Für eine wirksame Zugangsvereitelung ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung erforderlich, eine bloße unterlassene Mitteilung einer Adressänderung genügt meist nicht.
Beispiel:
Da die neue Adresse der Mieterin öffentlich bekannt war, war die unterlassene Mitteilung des Umzugs nicht schwerwiegend genug, um als arglistige Zugangsvereitelung und damit als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet zu werden.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamburg – Az.: 4 U 48/25 – Urteil vom 07.10.2025
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