AG Schöneberg, Az.: 11 C 507/08
Urteil vom 16.06.2009
1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm bewohnte Wohnung in der M.-L.-Straße in B., Vorderhaus, 2. OG Mitte, bestehend aus einem Zimmer nebst Küche, Toilette, Bad und Diele mit einer Größe von etwa 33 m² geräumt an den Kläger herauszugeben.
2. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2009 bewilligt.
3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 361,17 Euro an die Rechtsanwältin…., freizustellen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer und Vermieter der streitgegenständlichen Wohnung im Haus M.-L.-Straße in S.. Der Beklagte ist auf Grund Mietvertrages vom 03.09.1993 Mieter dieser 1-Zimmerwohnung. Mit Schreiben vom 14.02.2008 kündigte der Kläger dieses Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht, wegen vertragswidrigen Gebrauchs, Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht und Störung des Hausfriedens.
Der Beklagte ist krank. Er leidet an dem so genannten Messiesyndrom, was zur Folge hat, dass er mehr Gegenstände in seiner Wohnung aufbewahrt als allgemein üblich ist. Von irgendwelchen nicht mehr gebrauchten Sachen und insbesondere auch von Müll und Abfall kann er sich nicht oder nur schwer trennen. Er befindet sich deshalb in ärztlicher Behandlung.
In dem Haus M.-L.-Straße in S. sowie in einem Nachbarhaus, dass sich mit diesem Haus denselben Hof teilt, befinden sich mehrere gastronomische Betriebe, nämlich ein China-Restaurant „Eurasia“, ein mediterranes Spezialitätengeschäft „Fanni’s Feinkostladen“, ein Döner-Grill, eine türkische Bäckerei, das griechische Restaurant „Fiskardo“, das weitere griechische Lokal „Hellas“ und das Café-Bistro „Bella Stella“. Alle diese Betriebe nutzen nach hinten denselben Hof und teilen sich die dort aufgestellten Mülltonnen.
Mitte Januar 2008 trat in dem Haus M.-L.-Straße in S. eine Schädlingsplage auf. Es handelte sich dabei um die so genannte deutsche Schabe (Kakerlake). Nachdem die Mitarbeiter der mit der Schädlingsbekämpfung befassten Firma T. mehrfach vergeblich versucht hatten, Zutritt zu der Wohnung des Beklagten zu erlangen, wurde der Beklagte von der Hausverwaltung des Klägers mit Schreiben vom 16.01.2008 aufgefordert, bis zum 18.01.2008 Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Dies war erfolglos. Erst unter Androhung einer einstweiligen Verfügung gewährte der Beklagte Zutritt zu seiner Wohnung, was den Mitarbeitern der Firma T. am 04.02.2008 auch gelang. Diese nahm die Wohnung des Beklagten in Augenschein und bemerkten dabei neben diversem Müll und Unrat auch eine Vielzahl von Kakerlaken.
Seit Anfang Januar 2008 hatten sich verschiedene andere Mieter des Hauses wegen Kakerlakenbefall beschwert, insbesondere auch die Mieterin der Wohnung direkt neben der Wohnung des Beklagten. Es wurde Mietminderung angedroht.
Bereits in 2004 hatten sich Mieter über einen aus der Wohnungstür des Beklagten dringenden Gestank beschwert. Am 12.04.2003 wurde die Wohnung des Beklagten vom Geschäftsführer H. besichtigt, welcher diese in einem unbeschreiblichen Zustand vorfand. Mit Schreiben vom 04.03.2004 wurde deswegen der Beklagte abgemahnt. Gleichzeitig wurde das Gesundheitsamt S. eingeschaltet. Der Beklagte räumte daraufhin eine Unmenge von Müllsäcken aus seiner Wohnung.
Im Jahr 2005 gingen beim Verwalter zahlreiche Beschwerden über Gestank aus der Wohnung des Beklagten ein. Es kam zu extremem Fliegenbefall, so dass ein Kammerjäger beauftragt werden musste. Der Zugang zur Wohnung des Beklagten wurde vom Beklagten nicht gewährt. Er wurde deshalb mit Schreiben vom 26.07.2005 erneut abgemahnt.
Von den Mitarbeitern der Firma T. wurde ab 04.02.2008 in der Wohnung des Beklagten eine Schädlingsbekämpfungsmaßnahme durchgeführt, welche am 02.05.2008 beendet war. Mit Schreiben vom 05.05.2008 wurde der Beklagte zur Räumung der Wohnung aufgefordert, wozu der Beklagte jedoch bislang nicht bereit war.
Der Kläger behauptet, das Verhalten des Beklagten bezüglich der Vermüllung seiner Wohnung habe sich seit dem 12.04.2004 nicht gebessert. Die an diesem Tag in der Wohnung des Beklagten angefertigten Fotos stellten den selben oder zumindest einen vergleichbaren Zustand der Wohnung dar, wie er von den Mitarbeitern der Firma T. am 04.02.2008 vorgefunden wurde. Der Kakerlakenbefall des Hauses M.-L.-Straße in S. sei im Wesentlichen auch von der Wohnung des Beklagten ausgegangen.
Der Kläger beantragt,
1 a) den Beklagten zu verurteilen, die von ihm bewohnte Wohnung in der M.-L.-Straße in S., 10825 Berlin, Vorderhaus, 2. OG Mitte, bestehend aus einem Zimmer nebst Küche, Toilette, Bad und Diele mit einer Größe von etwa 33 m² geräumt an den Kläger herauszugeben.
hilfsweise:
1 b) den Beklagten zu verurteilen, die von ihm bewohnte Wohnung in der M.-L.-Straße in S., Vorderhaus, 2. Obergeschoss Mitte, bestehend aus einem Zimmer nebst Küche, Toilette, Bad und Diele mit einer Größe von etwa 33 m² nach Ablauf des 28.02.2009 geräumt an den Kläger herauszugeben.
2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von der Verpflichtung zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 361,17 Euro an die Rechtsanwältin…., freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise ihm eine angemessene Räumungsfrist einzuräumen.
Er bestreitet, dass seine Wohnung im Februar 2008 so aussah, wie auf den als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Fotos vom 12.04.2003. Der Zustand der Wohnung sei weitaus weniger schlimm gewesen. Es sei zutreffend, dass die Wände der Wohnung voll gestellt und zusätzlich Kartons auf dem Boden abgestellt worden waren. Hierdurch sei die Substanz des Gebäudes jedoch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Es seien überall Durchgänge vorhanden gewesen, Gegenstände seien allenfalls bis zu etwa 1 m Höhe gestapelt gewesen. Der Beklagte bestreitet, dass der Kakerlakenbefall im Haus M.-L.-Straße in S. von seiner Wohnung ausgegangen sei. Es sei vielmehr nahe liegend, dass die Kakerlaken durch die gastronomischen Betriebe im Erdgeschoss des Hauses eingeschleppt worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 10.02.2009 durch uneidliche Vernehmung des Schädlingsbekämpfers T. H. und des Schädlingsbekämpfermeisters E. T. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28. April und 26. mai 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Klage war hinsichtlich des Hauptantrags zu 1a) stattzugeben. Der Beklagte ist gemäß § 546 BGB zur Rückgabe der von ihm gemieteten und inne gehaltenen Wohnung im Haus M.-L.-Straße in S. verpflichtet. Sein Mietverhältnis über diese Wohnung ist auf Grund der fristlosen Kündigung vom 14.02.2008 wirksam gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB fristlos gekündigt und beendet worden.
Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom 14.02.2008 war gemäß § 569 Abs. 2 BGB berechtigt, weil dem Kläger eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht mehr zuzumuten war. Es ist unstreitig, dass der Beklagte in seiner Wohnung auf Grund seiner o.g. Erkrankung eine Vielzahl von nicht mehr brauchbaren und überflüssigen Gegenständen aufbewahrt, welche eigentlich in die Müllentsorgung gehören. Es handelt sich hierbei nicht nur um alte und gelesene Zeitungen, wie es der Beklagte selber einräumt, sondern auch um alle möglichen Verpackungen, Reste und verschmutzte Dinge, welche nur noch als Müll bezeichnet werden können. All diese Dinge befanden sich, zumindest bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung, in der Wohnung des Beklagten, und zwar insbesondere in der Küche und im Wohnraum. Das dabei die Räumlichkeiten und Einrichtungen erheblich verschmutzt wurden, liegt auf der Hand. Denn angesichts der Mengen des vorhandenen Mülls war eine ordentliche Reinigung gar nicht mehr möglich.
Dass sich die Wohnung des Beklagten in einem solchen Zustand befand, ist von den Zeugen H. und T. eindeutig und glaubhaft bekundet worden. Wenn diese Zeugen auch nicht angeben konnten, dass sich die Wohnung in exakt demselben Zustand befand, wie er sich aus den im April 2004 angefertigten Fotos ergibt, waren ihre Aussagen dennoch so eindeutig und übereinstimmend, dass eine Vermüllung der Wohnung in ähnlicher Weise und ähnlichem Umfang für den Tag des 04.02.2008 als erwiesen angesehen werden muss.
Dieser Zustand der Wohnung des Beklagten lässt nur den Schluss auf eine erhebliche Vernachlässigung zu, welche eine Weitervermietung der Wohnung an den Beklagten für den Kläger als unzumutbar erscheinen ließ. In diesem Zusammenhang konnte es entscheidend auch nicht darauf ankommen, ob die im Haus M.-L.-Straße in S. im Januar 2008 aufgetretene Kakerlakenplage tatsächlich ihre Ursache in der Wohnung des Beklagten hatte oder ob diese Tiere aus anderen Richtungen in das Haus eingedrungen waren. Immerhin ist von beiden Zeugen jedoch bestätigt worden, dass in der Wohnung des Beklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der mit Abstand stärkste Kakerlakenbefall zu verzeichnen war, was angesichts der Müll- und Unratmengen in der Wohnung des Beklagten auch nicht verwunderlich ist. Derartige Müllansammlungen bilden nahezu ideale Wohn- und Brutstätten für Schabentiere, mögen sie auch auf anderem Weg ursprünglich in das Haus gelangt sein. Letzteres ist sogar zu unterstellen, da Schaben grundsätzlich durch befallene Nahrungsmittel eingeschleppt werden und jedenfalls in hiesigen Breiten nicht durch Wanderung oder Insektenflug in geeignete Häuser oder Wohnungen eindringen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Zustände in der Wohnung des Beklagten die Verbreitung der Schaben im Haus…….. zumindest erheblich begünstigt haben.
Diese Umstände hat der Beklagte zu vertreten. Bereits durch die Maßnahmen und Abmahnungen seit dem Jahr 2004 war der Beklagte hinreichend darüber unterrichtet, dass der Kläger nicht bereit war, die Unordnung und Vermüllung in der Wohnung des Beklagten weiterhin zu dulden. Über die Konsequenzen seines vertragswidrigen Verhaltens war er daher hinreichend informiert, so dass die fristlose Kündigung vom 14.02.2008 formal und inhaltlich nicht zu beanstanden war.
Gemäß § 721 ZPO war dem Beklagten eine Räumungsfrist zuzubilligen, welche das Gericht einerseits bis zum Ablauf des Monats Juli 2009 als erforderlich, andererseits auf Grund der beschriebenen Zustände in der Wohnung des Beklagten aber auch als ausreichend ansieht.
Die mit dem Antrag zu 2. geltend gemachten Nebenforderungen sind auf Grund des Räumungsverzuges des Beklagten berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7 und 11 und § 711 ZPO.